Photo: Simon Harrod from Flickr (CC BY 2.0) 

Von Dr. Alexander Fink, Universität Leipzig, Senior Fellow des IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues und Julian Reichardt, Student der Volkswirtschaftslehre in Berlin. 

Im vergangenen Jahr kippte der Europäische Gerichtshof die in Deutschland geltende Preisbindung für rezeptpflichtige Medikamente. Vor diesem Urteil hatte der deutsche Apothekerverband im Vorfeld inständig gewarnt. Demnach sei eine bestmögliche Medikamentenversorgung, die sich am Schutze der Gesundheit und des Lebens orientiere, ohne Preisbindung nicht zu machen. Diese Argumentation sahen die Luxemburger Richter zwar als prüfenswert an, wiesen sie aber aufgrund unzureichender Belege schlussendlich zurück. Das hartnäckige Werben für eine Preisbindung durch Interessensvertreter ist kein Unikum der Arzneimittelbranche. Taxiunternehmer und Buchhändler versuchen sich ebenso regelmäßig dabei, die angeblichen Vorteile anzupreisen, welche Preisbindungen für Verbraucher haben. Bei genauerer Betrachtung offenbart sich jedoch, dass es vielmehr sie selber sind, die von den Preisbindungen profitieren. Das Wohl des Verbrauchers bleibt dabei meistens auf der Strecke.

Bessere Medikamentenversorgung durch Preiswettbewerb

Im Zuge der Verhandlungen am EuGH hatte der deutsche Apothekerverband wiederholt auf das angebliche Gefährdungspotential einer Preisliberalisierung für die deutsche Patientenfürsorge aufmerksam gemacht. Eine Aufhebung der Preisbindung werde einen Siegeszug der Versandhändler Bahn brechen, welche so manche ortsansässige Apotheke in den Ruin treiben würde. Eine flächendeckende, wohnortsnahe Arzneimittelversorgung sei hierdurch dem Niedergang geweiht und eine bestmögliche Medikamentenversorgung von nun an nicht mehr gewährleistet.

Die Richter schluckten die Pille der Apothekerverbände nicht. Im Gegenteil. Sie machten in ihrem Urteilsspruch deutlich, dass es klare Anhaltspunkte für den genau gegenteiligen Effekt gebe: Mehr Preiswettbewerb unter den Apotheken würde die gleichmäßige Versorgung mit Arzneimitteln sogar fördern, so das Fazit der Richter. Tendenziell könnten Apotheker bei einer freien Preisentfaltung in strukturschwachen Regionen aufgrund des geringen Wettbewerbdrucks höhere Servicezuschläge verlangen. Sie hätten somit einen Anreiz, vor Ort eine Niederlassung zu eröffnen. Langfristig würde sich dadurch die Versorgungslage auf dem Land verbessern.

Unabhängig davon, ob die Richter mit ihrer Einschätzung bezüglich der Monopolsituation von Apotheken in ländlichen Regionen richtigliegen, sollten Apotheken frei entscheiden können, zu welchem Preis sie Medikamente verkaufen – auch Versandapotheken. Der Wettbewerb unter den Apotheken würde dann nicht mehr nur über die Beratungs- und Servicequalität, sondern auch über den Preis der Medikamente ausgetragen werden. Von einer Preisliberalisierung und den damit einhergehenden geringeren Preisen für rezeptpflichtige Medikamente würden vor allem die Patienten und Beitragszahler der Krankenkassen profitieren. Diesen Kundenvorteil rücken die Apothekerverbände verständlicherweise nicht in den Vordergrund, wenn sie sich für den Erhalt der Preisbindung aussprechen.

Statt dem etwas entgegenzusetzen, lässt sich Gesundheitsminister Gröhe allem Anschein nach weiterhin für die Interessen der traditionellen Apotheken einspannen. Nach aktuellem Stand möchte er die Versandapotheken zum „Schutze der Verbraucher“ verbieten, um die Versorgung durch die wohnortsnahen traditionellen Apotheken nicht zu gefährden. Der Schluss liegt nahe, dass es sich hierbei um gezielte Interessenpolitik im Sinne der Apotheker handelt: Nur ungern möchte sich der CDU-Politiker im Wahljahr 2017 gegen die Interessen der gut organisierten Apotheker stellen.

MyTaxi und Uber: Einsparungspotentiale in Millionenhöhe

Der Markt für Medikamente ist nicht der einzige, auf dem etablierte Platzhirsche um ihre Privilegien ringen. Seit Jahren wehren sich Taxiunternehmen und ihre Interessenverbände gegen Konkurrenten, die wie MyTaxi oder Uber auf Apps statt auf Taxistände setzen. Auch ihnen ist sehr viel an der Preisbindung in ihrer Branche gelegen. Dies ist verständlich. Erlaubt die Preisbindung es Taxiunternehmen doch, sich Konkurrenten vom Leibe zu halten, die bereit wären, die gleiche Leistung oder gar eine bessere Leistung zu einem niedrigeren Preis anzubieten.

Öffentlich stellen die Interessensvertreter gerne die angeblichen Vorzüge der Preisbindung für den Verbraucher in den Vordergrund: Die auf dem Taximarkt geltende Preisbindung würde einen ruinösen Preiswettbewerb verhindern und somit das für die allgemeine Daseinsvorsorge wichtige Funktionieren des örtlichen Taxenverkehrs sichern.

Für ein Versagen des Marktes für Fahrdienstleistungen spricht jedoch nichts. Vieles spricht allerdings dafür, dass Taxiunternehmen, wie auch andere Unternehmen, keine zusätzliche Konkurrenz mögen. Die Aufhebung der Preisbindung würde die Konkurrenz zwischen den derzeitigen Taxiunternehmen und alternativen Anbietern intensivieren. Anbieter mit einem schlechten Preis-Leistungs-Verhältnis würden sich nicht lange auf dem Markt halten können und müssten entweder attraktivere Angebote machen oder den Markt verlassen. Die Attraktivität der gemachten Angebote würde demnach für die Kunden gegenüber dem derzeitigen Preisbindungsszenario sogar steigen.

 

 

Wie hoch die Vorteile einer Preisliberalisierung für die Verbraucher wären, lassen Zahlen aus Amerika erahnen. Die Kosteneinsparungen, die Kunden allein durch UberX für das Jahr 2015 realisieren konnten, lagen dort Schätzungen zufolge bei etwa 6,8 Milliarden US-Dollar. Das sind handfeste Vorteile für Verbraucher, die ihnen hierzulande mit Hinweis auf ihren eigenen Schutz vorenthalten werden.

Büchervielfalt auch ohne Preisbindung

Ein weiterer prominenter Fall, in dem angebliche Verbraucherinteressen vorgeschoben werden, um Klientelinteressen salonfähig zu machen, ist die Buchpreisbindung. Diese schreibt den Verlagen vor, für jedes Buch einen unveränderbaren Preis festzusetzen, der für alle Letztverkäufer verbindlich ist. Das erklärte Ziel der Buchpreisbindung ist, ein vielfältiges Angebot an Büchern zu garantieren, welches über Bestseller hinausgeht und auch die Verlegung weniger populärer, aber kulturell wertvoller Titel ermöglicht.

Der angeführte positive Effekt der Preisbindung auf die Anzahl der erschienenen Buchtitel lässt sich jedoch nicht beobachten. Die beiden Haupteffekte einer Aufhebung der Preisbindung sind empirischen Studien zu Folge andere: Zum einen eine Verlagerung von kleinen unabhängigen Buchhandlungen zu größeren Filialen, zum anderen eine Verringerung der Preise für Bestseller. Die Profiteure der Buchpreisbindung scheinen also in erster Linie kleine Buchhandlungen zu sein, während eine Aufhebung der Buchpreisbindung dem ursprünglich ausgegebenen Ziel der Buchpreisbindung eher nicht entgegensteht.

Einige Angehörige unserer Gesellschaft mögen ein Faible für kleine Buchhändler haben, die ohne Buchpreisbindung im Wettbewerb mit großen Buchhandlungen und Onlineanbietern, die eine vielfältigere Auswahl zu niedrigeren Preisen anbieten, keine Chance auf ein profitables Fortbestehen hätten. Den Fortbestand kleiner Buchhändler zu sichern, ist jedoch gewiss nicht Aufgabe des Staates.

Die Preisbindung hat ausgedient

Es gibt keine Hinweise darauf, dass die Aufgabe von Preisbindungen auf den Märkten für rezeptpflichtige Medikamente, Taxifahrten und Bücher zu den von den jeweiligen Interessengruppen prophezeiten Desastern führen würde. Im Gegenteil. Es spricht vieles dafür, dass die dem Schutz der breiten Masse der Verbraucher dienenden politischen Ziele grundsätzlich besser durch eine Preisliberalisierung erreicht werden könnten. Anstatt sich in Passivität zu üben und auf Maßregelungen des Europäischen Gerichtshofs zu warten, sollte sich der deutsche Gesetzgeber selbständig aufraffen, Preisbindungen im Sinne der Verbraucher aufzuheben.

Erstmals erschienen bei IREF.

0 Kommentare

Dein Kommentar

An Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns Deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert