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Von Ryan Khurana.

Künstliche Intelligenz und Automatisierung gelten als für viele Menschen als große Arbeitsplatzbedrohung. Doch die Geschichte macht Mut: Automatisierung führte oft dazu, dass die Menschen sich auf ihren komparativen Vorteil fokussieren konnten und unproduktive Arbeiten von der Technik erledigt wurden. Künstliche Intelligenz hat das Potenzial, zu einem großen Produktivitätstreiber zu werden, wenn sie nicht durch starre Regulierung auf den Arbeitsmärkten ausgebremst wird.

Viele Menschen treibt die Sorge um, dass zukünftig immer mehr Arbeitsplätze von Künstlicher Intelligenz getriebenen Automatisierung zum Opfer fallen und die Arbeitslosigkeit zunehmen wird. Wenngleich diese Sorgen unbegründet sind, könnten sie schädliche politische Maßnahmen in Gang setzen und so die segensreiche Automatisierung behindern – erste Ansätze einer solchen Überregulierung zeichnen sich bereits im Rahmen des momentan diskutierten EU-Regelwerks für Robotik ab. Bereits John Maynard Keynes prägte die Vorstellung, dass technologischer Fortschritt Arbeitslosigkeit hervorrufen könne. Doch Arbeitslosigkeit und sinkende Löhne drohen nur, wenn die Politik den Wandel behindert. Auf Arbeitsmärkten mit flexiblen Löhnen und Arbeitsbedingungen können Arbeitnehmer weiterhin von KI-getriebener Automatisierung profitieren.

KI-Technologien versprechen Produktivitätsschub

Die Sorge um technologisch bedingte Arbeitslosigkeit entspringt einer engen Sichtweise auf menschliche Fähigkeiten und wirtschaftlichen Bedürfnisse. In produktivitätssteigernden Technologien wie Künstlichen Intelligenzen liegen enorme Chancen, die dazu beitragen können, die derzeitige Wachstumsflaute zu überwinden.

Eine Studie des McKinsey Global Institute kommt zu dem Schluss, dass von Künstlicher Intelligenz getriebene Automatisierung die aufgrund zunehmender Alterung und sinkender Geburtenraten drohenden Produktivitätsverluste in westlichen Gesellschaften abfedern können. Werden Technologien basierend auf Künstlicher Intelligenz früh (d.h. bereits ab 2025) in nennenswerter Weise ausgebaut, könnten sie den Studienergebnissen zufolge das weltweite BIP-Wachstum um jährlich 1,4 Prozentpunkte stärken. Im Wettbewerb agierende Unternehmen sähen sich veranlasst, die Produktivitätsgewinne in Form von Qualitätssteigerungen und niedrigeren Preisen an die Konsumenten weiterzugeben. Die Reallöhne würden also steigen.

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Arbeitnehmer für wertvollere Tätigkeiten frei

Ein weiteres Ergebnis der McKinsey-Studie ist, dass ca. 30 % aller Tätigkeiten in etwa 60 % aller Berufsfelder automatisierbar sind. Dieser vielzitierte Befund lässt bei Skeptikern der Künstlichen Intelligenz die Alarmglocken läuten. Die Konsequenzen sind allerdings unklar. Ein typischer Arbeitnehmer verbringt den größten Teil seiner Arbeitszeit eben nicht mit jenen Tätigkeiten, mit denen er am meisten zum Erfolg des Unternehmens beiträgt. Werden im Zuge der Automatisierung einige Tätigkeiten durch Künstliche Intelligenzen automatisiert, so können sich Arbeitnehmer stärker auf jene Tätigkeiten konzentrieren, durch die sie am meisten beitragen können. Menschliche Arbeit wird durch den technologischen Fortschritt also nicht ersetzt, sondern ergänzt.

Ein anschauliches Beispiel liefert der Effekt von Geldautomaten auf das Bankkundengeschäft: Obwohl Geldautomaten dafür gesorgt haben, dass kaum noch Personal zum Zählen und Aushändigen von Bargeld in Banken beschäftigt werden muss, ist die Nachfrage nach Bankkaufmännern und -frauen nicht gesunken. Vielmehr konzentrieren sich letztere nun stärker auf Tätigkeiten, in denen sie einen komparativen Vorteil haben, etwa den Kundenservice und die Kundenakquise. Gleichzeitig senken Geldautomaten die Miet- und Investitionskosten der Banken, sodass diese mehr Filialen unterhalten können.

Bisherige Studien übertreiben Auswirkungen

Eine OECD-Studie über die Auswirkungen der Automatisierung betont, dass Arbeitsplätze hochgradig heterogen sind, etwa hinsichtlich der Länder und Märkte, in denen sie ausgeübt werden, sowie hinsichtlich des Qualifizierungsniveaus, das sie beanspruchen. Viele ältere Studien ignorieren diese Heterogenität. Wird sie in den Schätzungen berücksichtigt, fällt der Anteil der Jobs mit hohem Automatisierungsrisiko merklich. Das höchste Automatisierungsrisiko besteht demnach in Deutschland und Österreich, wo 12 % der Arbeitsplätze automatisiert werden könnten, vornehmlich im produzierenden Gewerbe. Aber auch das ist kein Grund zur Sorge.

Pflegerische Tätigkeiten schwer automatisierbar

Seit Beginn der Finanzkrise leidet die Weltwirtschaft unter schwachem Produktivitätswachstum, das die Reallohnentwicklung hemmt. Angesichts der voranschreitenden Alterung der Bevölkerung in den meisten OECD-Staaten birgt die Produktivitätsflaute langfristig die Gefahr deutlicher Wohlstandseinbußen. Mit steigendem Durchschnittsalter einer Gesellschaft wächst die Nachfrage nach medizinischen und pflegerischen Dienstleistungen. Für das Vereinigte Königreich gehen Schätzungen beispielsweise davon aus, dass im Jahr 2037 750.000 Arbeitskräfte in diesen Sektoren fehlen werden.

Die Anwendung neuer Technologien auf Basis Künstlicher Intelligenz steigert nicht nur die Produktivität in Branchen mit hohem Automatisierungspotenzial. Zusätzlich wirkt sie auch produktivitätssteigernd in anderen Branchen, in denen menschliche Arbeitskräfte weiterhin wichtig bleiben werden. Wenn etwa der Transportsektor weiter automatisiert und somit effizienter wird, werden zusätzliche Ressourcen für andere Branchen mit geringerem Automatisierungspotenzial frei. So ist die Nachfrage nach Tätigkeiten, die ein hohes Maß an sozialer Kompetenz erfordern, seit 1980 stark gestiegen. Von Künstlicher Intelligenz getriebene Automatisierung wird diesen Trend vermutlich weiter befördern.

Arbeitsmarktregulierung behindert Anpassung

Damit neue Technologien ihre produktivitätssteigernde Wirkung auf dem Arbeitsmarkt realisieren können, müssen die politischen Rahmenbedingungen stimmen. Auf Arbeitsmärkten – besonders für medizinische und pflegerische Dienstleistungen – sollten Regulierungen dem Beschäftigungszuwachs nicht maßgeblich im Wege stehen. Das Risiko wachsender Arbeitslosigkeit besteht nur dann, wenn die Löhne und Arbeitsbedingungen in den betreffenden Märkten starr reguliert sind und ein Mangel an Ausbildungsmöglichkeiten besteht. Letzteres ist ein entscheidender Faktor, denn die Vorstellung ist weit verbreitet, dass Menschen lediglich jene Tätigkeiten ausüben könnten, für die sie ursprünglich ausgebildet wurden. In einer dynamischen Marktwirtschaft verschwinden zwar permanent Arbeitsplätze, doch es kommt noch schneller zur Entstehung neuer Arbeitsplätze.

Allzu strikte Arbeitsmarktregulierung birgt die Gefahr, die Entstehung neuer Arbeitsmöglichkeiten im Keim zu ersticken und so Arbeitslosigkeit und ein sinkendes Lohnniveau zu befördern. Arbeitnehmer und Unternehmen sollten die Gelegenheit haben, mit Vertrags- und Beschäftigungsbedingungen zu experimentieren, die neue Möglichkeiten zur Aus- und Umbildung enthalten.

Künstliche Intelligenz und flexible Automatisierung

Insbesondere der Markt für medizinische und pflegerische Dienstleistungen sowie andere Sektoren, in denen die Nachfrage nach menschlichen Arbeitskräften zukünftig steigen wird, könnten von Deregulierung profitieren. In diesen Märkten werden Löhne und Arbeitsbedingungen heute in hohem Maße staatlich beeinflusst. Bei steigender Nachfrage würden die Marktlöhne für Arbeiter im Gesundheitssektor steigen und Anreize geben, umzuschulen und in die boomenden Sektoren zu wechseln. Unflexible Löhne führen zu künstlich erzeugtem Nachfrageüberschuss auf Arbeitsmärkten.

Nicht die durch Künstliche Intelligenz getriebene Automatisierung mit ihrer produktivitätssteigernden Wirkung bedroht Arbeitsplätze und Löhne, sondern schlechte Politik und rigide Arbeitsmärkte.

Zuerst erschienen bei IREF (deutsch/englisch)

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