Photo: Barack Obama from Flickr (CC BY-NC-SA 2.0)

Biden dreht die amerikanische Wirtschaftspolitik im zweifachen Sinne auf links und propagiert das größte staatliche Ausgabenprogramm seit dem Zweiten Weltkrieg. Das wird teuer und offenbart ein sozialistisches Verständnis von Markt und Staat.

Das Ende der Flitterwochen

Was kann man wohl für 6 Billionen US-Dollar kaufen? Die Unternehmen Microsoft, Saudi Aramco und Amazon zum Beispiel –alle drei auf einmal. Oder aber die größte wirtschaftspolitische Wende seit Jahrzehnten. Und die strebt der nicht mehr ganz so neue US-Präsident Joe Biden an. Der ist, gerade im Vergleich zu seinem bemerkenswert unsympathischen Vorgänger, wahnsinnig nett. Und er hat der US-Administration wieder einen seriösen und einigermaßen berechenbaren Anstrich verpasst. Grund genug für einen Moment in den Flitterwochen mit dem neuen „Anführer der freien Welt“ zu schwelgen. Doch Obacht, Liberale und Marktwirtschaftler aller Länder! Was nun kommt, ist überhaupt nicht mehr feierlich. Biden lässt Geld regnen – und spült damit alle wirtschaftspolitischen Gewissheiten, die seit Reagan und Clinton galten, hinweg.

Biden hat einen Plan – drei, um genau zu sein

Insgesamt sind es 6 Billionen (also 6.000 Milliarden) US-Dollar, die die Biden-Administration für die drei Biden-Pläne ausgeben will. 1,9 Billionen sind für den bereits verabschiedeten „American Rescue Plan“ veranschlagt. Er ist eine Fortschreibung des noch unter Trump vereinbarten „Pandemic Relief Bill“ und beinhaltet im Kern Direktzahlungen an hunderte Millionen US-Amerikaner von bis zu 1.400 Dollar. Doch dabei bleibt es nicht. Ende März veröffentliche die Biden-Administration den „American Jobs Plan“. Dieser beinhaltet Ausgaben in Höhe von 2,3 Billionen US-Dollar, veranschlagt unter anderem für Infrastruktur, direkte Unternehmensförderung und Pflegeeinrichtungen. Weitere 1,8 Billionen Dollar sieht der „American Families Plan“ für den Ausbau von Kinderbetreuung und Schulen und die Förderung von Familien und insbesondere werktätigen Frauen vor.

Die Vereinigten Staaten sind bereits mit sagenhaften 128 Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes verschuldet. Deshalb setzt die Biden-Administration auf Steuererhöhungen zur Finanzierung der beiden noch nicht verabschiedeten Pläne: Das beinhaltet eine Erhöhung der Unternehmenssteuern von 21 auf 28 Prozent, Investitionen in die nationale Steuerbehörde IRS und die Erhöhung des Spitzensteuersatze um 2,6 Prozentpunkte sowie eine Ausweitung der Besteuerung von Kapitalgewinnen und Dividenden. Ziel ist es, den Eindruck zu erwecken, nur große Unternehmen und besonders Reiche würden zur Kasse gebeten – also jene, die es sich ja leisten könnten. Dadurch erhofft sich die Regierung Akzeptanz in der Bevölkerung und den beiden Parlamentskammern. Der Bevölkerung verkauft Biden die massive Ausweitung des Staatshaushaltes als notwendige Investition, ohne die die Vereinigten Staaten im Wettbewerb mit China nicht mehr mithalten könnten.

Damit offenbart der vom Hause aus eigentlich moderate Biden ein zutiefst sozialistisches Verständnis von Markt und Staat. Und das ist auch der Grund, warum man in Europa nicht einfach nur ratlos mit den Achseln zucken sollte ob der Biden-Pläne. Früher oder später schwappte schließlich noch jeder Trend über den Atlantik, egal ob Coca-Cola oder Neoliberalismus.

Nochmal zum Mitschreiben: Staatshandeln kostet Geld

Seit Hayek und der „Socialist Calculation Debate“ hat sich nichts daran geändert, dass zentralstaatliche Akteure ineffizienter bei der Allokation von Wirtschaftsgütern sind als der Markt. Die Bedürfnisse und Fähigkeiten von hunderten Millionen in Einklang zu bringen ist derart komplex, dass weder eine Regierung noch ein Supercomputer dies bewerkstelligen können. Planwirtschaft kann effektiv sein (beispielsweise bei der Verminderung von Emissionen oder der Bekämpfung von Armut) aber sie ist niemals effizient. Es ist die wunderbare und befreiende Eigenschaft des Marktes, dass er permanent Informationen produziert. In Form von Preisen, von Angebot und Nachfrage. Diese Informationen sind frei zugänglich und flexibel. Und ohne permanent über das Große und Ganze nachdenken zu müssen, können wir als Konsumenten, Arbeitnehmer, Produzenten und Arbeitgeber daran mitwirken, dass Ressourcen dort verwendet werden, wo sie den größten Nutzen erzeugen. Das ist es was der große Adam Smith die „unsichtbare Hand“ nennt. Die unsichtbare Hand sie wir alle.

Große Ausgabenprogramme wie die Biden-Pläne sind also keine Investitionen, sondern Ausgaben verbunden mit einer politischen Agenda. Das ist (demokratietheoretisch) an sich erst einmal nichts Falsches. Es ist in Ordnung, wenn sich eine Gemeinschaft – ob Nation oder Dorf – darauf verständigt, bestimmte Güter gemeinschaftlich bereitzustellen und dafür zahlt. Das kann die Sicherheit (Polizei und Militär) oder die die Bildung (Schulen und Kindergärten) sein. Im Falle der Biden Pläne sind das z.B. der Schienenverkehr oder die Unterstützung von werktätigen Frauen. Doch die Biden-Pläne erwecken nicht den Eindruck einer Abwägungsentscheidung über politische Prioritäten und der damit verbundenen Kosten. Sie tun so, als gäbe es all die schönen neuen Gemeinschaftsgüter kostenlos.

Das ist besonders absurd, da das veranschlagte Geld (wie üblich, wenn der Staat groß auftrumpft) noch gar nicht vorhanden ist. Es muss entweder über immer neue Kredite herangeholt werden (Achtung Zinsen!) oder aber über neue Steuern. Was es kosten wird, wenn anstelle der erfolgreichsten Unternehmen und Entrepreneure der Welt plötzlich ein Washingtoner Bürokraten-Stab Geld erst einsammelt und dann wieder verteilt, lässt sich kaum erahnen. Der amerikanische Ökonom William Niskanen kommt auf 2.65 Dollar pro zusätzlich eingenommenen Dollar Steuern.

Die Bevölkerung sollte zumindest die Chance habe, zu diskutieren, ob ihr die politische Prioritäten ihrer gewählten Vertreter so viel wert sind.

Die Welt ist gut gefahren mit dem neoliberalen Kompromiss

Politik ist ein Wettbewerb der Ideen. In liberalen Demokratien setzt sich nie nur eine Überzeugung durch. Stattdessen werden permanent Kompromisse gesucht. Der Kompromiss, der die westliche Welt in den letzten 30 bis 40 Jahren geleitet hat, ist der Neoliberalismus. Auch Sozialdemokraten wie Tony Blair, Bill Clinton oder Gerhard Schröder akzeptierten, dass der Markt mit seiner unsichtbaren Hand der überlegene Verteilungsmechanismus ist. Gezielt setzten sie einzelne sozialpolitische Prioritäten: moderate Umverteilung und Regulierung. Das erhöht die Akzeptanz und war für (fast) alle Teile der Bevölkerung tragbar. In der Folge erlebten wir einen seit Jahrzehnten dauernden sagenhaften Aufschwung, der bei allen ankommt (entgegen den Behauptungen der Pikettys und Butterwegges). Kommt Biden, ob beabsichtigt oder nicht, mit seiner Umdeutung von Staat und Markt durch, dann ist dieser Konsens in Gefahr – und damit der Wohlstand. Nicht nur in den Vereinigten Staaten.

Weiterführende Literatur:

… über die wahren Kosten höherer Steuern: “The Economic Burden of Taxation” von William A. Niskanen

… über die “Socialist Calculation Debate” auf libertarianism.org

… über die gesamte wirtschaftspolitische Agenda Bidens. Eine umfangreiche Analyse des Cato Institute.

3 Kommentare
  1. Bernhard K. Kopp
    Bernhard K. Kopp sagte:

    Die verhaltensauffällige Marjorie Taylor Green nennt die Demokraten nicht nur “ sozialistisch „, wie der Autor hier, sondern gleich “ national-sozialistisch „. Beides ist demagogisch-populistischer Unsinn, kommt aber aus der gleichen ideologischen Ecke. Wenn man die USA seit ca. 50 Jahren ziemlich gut kennt, dann weiß man wie weit die USA von den europäischen Sozialstaaten entfernt sind. Weder Mises, noch Hayek oder Ehrhard hätten die deutsche oder die schweizerische Krankenversicherung, und eine im Großen und Ganzen gleich gute Krankenversorgung für alle, als “ Sozialismus “ bezeichnet, wie das von konservativer Seite in den USA auch heute noch gilt. Wenn jemand nicht durchschnittlich gut gestellt ist, dann brauchen seine Kinder auch weniger Bildungschancen, geschenkt dass es ein paar trotzdem schaffen, und, wie die Analysen von Kindersterblichkeit und Lebenserwartung belegen, wer arm ist, der ist immer nur selbst daran schuld und es schadet nichts, wenn diese Leute auch früher sterben. Dies ist die Grundeinstellung, die die Republikaner seit Jahrzehnten als Staatsdoktrin gelten lassen möchten – alles andere wird als Sozialismus abgekanzelt. Das Biden-Programm wird sicher von linken, rechten und zentrischen Ökonomen zerlegt werden, und, man kann mit Sicherheit viel kritisieren. Nur mit Sozialismus hat es nichts zu tun.

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  2. Michael von Prollius
    Michael von Prollius sagte:

    Dem Einwand würde ich zustimmen, Biden ist kein Sozialist und praktiziert keinen Sozialismus. Der Sozialismus-Begriff ist problematisch – und das gleich doppelt, weil er das gravierendere Problem des Etatismus verdeckt => https://forum-freie-gesellschaft.de/falsche-flagge-etatismus-nicht-sozialismus/

    Zugleich kommt es auf den Sozialismus-Begriff an. Inzwischen hat sich Sozialismus in der öffentlichen Debatte als Kampfbegriff etabliert, ähnlich wie Neoliberalismus, der als Bezeichnung für die herrschenden Verhältnisse genauso untauglich ist.

    Die Freiheitstradition hat in den USA weitaus individuellere Wurzeln und geht viel weiter als im vergleichsweise kollektivistischen Europa. Allerdings ist die Abwesenheit eines Wohlfahrtsstaats in den USA ebenfalls unzutreffend, und das bereits seit Mitte der 1960er Jahre.

    Vielleicht lohnt es sich, die semantischen Fragen für einen Moment beiseite zu stellen, und gute von schlechter Politik zu trennen. Mit Ludwig Erhard könnte es heißen: Jede Ausgabe des Staates beruht auf einem Verzicht des Volkes. Das scheint mir hinter der gigantischen Verlagerung von Privat auf Staat ein Kardinalproblem zu sein.

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    • Bernhard K. Kopp
      Bernhard K. Kopp sagte:

      Es ist unbestritten, dass es in den USA seit dem New Deal, und verstärkt seit den 1960ern auch Elemente von Sozialstaat gibt. Wie so oft, ist nicht alles was gut gemeint ist, oder einmal war, immer auf Dauer so gut. Emergency Room-Krankenversorgung ist natürlich besser als nichts, ist aber systemisch keine gute Lösung. Die pro-Kopf-Gesundheitsausgaben in den USA sind fast doppelt so hoch sind wie bei uns, aber mindestens die Hälfte der Gesamtbevölkerung hat wenig bis nichts davon. Die exzessiven Gesundheitskosten sind ein großer Faktor für Privatkonkurse und Suizide. Fest steht, dass „der möglichst unregulierte der Markt “ keine fairen Bildungschancen für alle produziert, und auch kein für alle, und in der Gesundheits- und Lebensdauer-Statistik bestätigtes Gesundheitssystem. Liberal heißt nie “ Freiheit ohne Verantwortung „. Liberal heißt nie “ survival of the fittest „, weil diese Variante von Sozialdarwinismus inhuman, und gegen jede Wertvorstellung einer 3000-jährigen jüdisch-christlichen Kultur ist. In breiten Schichten der US-Konservativen dominiert aber genau diese Philosophie, der Marlboro-Man mit Sturmgewehr und 100-Schuss-Magazin – fight like hell, or you won’t have a country anymore. Sonst kommen die Dems und machen aus den USA ein Kuba und/oder Venezuela. Letzteres wurde im letzten Wahlkampf mit zweistelligen Millionenbeträgen propagandistisch unterstützt.

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