Photo: Flickr, Günter Hentschel

Von Dr. Alexander Fink, Universität Leipzig, Senior Fellow des IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues, und Kevin Spur, Student der Ökonomie an der Freien Universität Berlin.

Im Bruttoinlandsprodukt sind Haus- und Gartenarbeit nicht enthalten. Rechnet man diese dazu, erkennt man deutliche Unterschiede zwischen den USA und Deutschland. Ein Grund dafür ist die Einkommensbesteuerung, die bezahlte Arbeit für Ehepartner in Deutschland sehr unattraktiv macht.

Als Maß für den Output einer Volkswirtschaft ist es üblich, das Bruttoinlandsprodukt zu betrachten. Es misst den Wert aller für den Verkauf auf Märkten produzierten Waren nach Abzug aller Vorleistungen. Der durch unentgeltliche Arbeit entstandene Wert, zum Beispiel durch Haus- oder Gartenarbeit, findet jedoch gewöhnlich keine Berücksichtigung im BIP. Dabei ist das Ausmaß der Wertschöpfung durch unbezahlte Hausarbeit keineswegs zu vernachlässigen: 2013 hätte die vollständige Berücksichtigung der Hausarbeit das gemessene BIP um 31 % erhöht.

Dass heute relativ weniger Stunden auf unbezahlte Hausarbeit verwandt werden als früher, spiegelt die Entwicklung über die Jahre wider. Im Jahre 1992 wäre das gemessene BIP inklusive Hausarbeit noch um 37 % höher ausgefallen als das BIP ohne Hausarbeit. In den USA fällt der Anteil unentgeltlicher Hausarbeit am BIP deutlich niedriger aus. Es gibt steuerliche Gründe dafür, dass Deutsche – vor allem verheiratete Frauen – weniger entgeltlich arbeiten.

Hausarbeit und BIP

Alltäglich werden in Deutschland Leistungen wie Haus- und Gartenarbeit, Bauen und handwerkliche Tätigkeiten, Altenpflege sowie Kinderbetreuung oder ehrenamtliche Tätigkeiten unentgeltlich erbracht. Der durch diese Aktivitäten geschaffene Wert fließt nicht ins gemessene BIP ein. Würden beispielsweise zwei Nachbarn ihre Haus- und Gartenarbeit niederlegen und sich stattdessen gegenseitig für diese Leistungen bezahlen, stiege das BIP, obwohl die Wertschöpfung unverändert bliebe.

In das üblicherweise gemessene BIP fließt unentgeltliche Hausarbeit nicht ein, weil keine Markttransaktionen zu beobachten sind und somit für diese Leistungen keine Daten vorliegen. Soll die Wertschöpfung durch Hausarbeit vollständig im BIP berücksichtigt werden, muss ihr Wert zwangsläufig geschätzt werden. Im Zuge der Schätzung muss ermittelt werden, zu welchem Preis die Leistung auf dem Markt getauscht worden wäre. Um diese Frage zu beantworten, wird in der Regel die auf derartige Aktivitäten durchschnittlich verwendete Zeit mit dem Durchschnittslohn eines Hausangestellten multipliziert. Zusätzlich werden Abschreibungen auf langlebige Gebrauchsgüter berücksichtigt, die jedoch im Vergleich zur bewerteten Hausarbeit gering ausfallen.

Sinkender Anteil der Wertschöpfung durch Hausarbeit

Daten zur Bruttowertschöpfung durch unbezahlte Hausarbeit stellt das Statistische Bundesamt für die Jahre 1992, 2001 und 2013 bereit. In diesen Jahren erhob das Statistische Bundesamt Daten zur Verwendung des Zeitbudgets von Individuen, die Rückschlüsse auf die Anzahl der Stunden unbezahlter Hausarbeit zulassen, und kombinierte sie mit Daten aus der Entgeltstatistik der Bundesagentur für Arbeit.

 

2013 belief sich das BIP exklusive unbezahlter Hausarbeit auf 2.820 Milliarden Euro. Wäre die unbezahlte Hausarbeit berücksichtigt worden, wäre das gesamte BIP inklusive unbezahlter Hausarbeit mit 3.683 Milliarden Euro um 31 % höher ausgefallen. Der relative Anteil der unbezahlten Hausarbeit am gesamten BIP ging über die Jahre zurück. 1992 hätte das BIP durch die Berücksichtigung unbezahlter Hausarbeit bei 2.323 Milliarden Euro noch um 37 % höher gelegen.

Ähnliche Entwicklung in den USA

Auch in den USA nahm der Anteil der unbezahlten Arbeit an der gesamten Wertschöpfung ab. Für die Vereinigten Staaten stehen Daten für die Jahre 1965 und 2014 bereit. So wäre unter Berücksichtigung von Hausarbeit im Jahr 1965 das BIP noch um 37 % höher ausgefallen. 2014 hätte es dagegen in den USA nur um 23 % zugelegt. Dieser Anstieg fällt nicht nur im Vergleich zu 1965, sondern auch im Vergleich zu Deutschland im Jahre 2013 relativ gering aus.

Würde sowohl in Deutschland als auch in den USA die unbezahlte Hausarbeit berücksichtigt werden, läge der Output auch pro Person in den USA noch immer deutlich über dem deutschen, aber die BIPs pro Kopf der beiden Länder rückten näher zueinander. Das konventionelle Maß für das BIP überzeichnet folglich den BIP-Unterschied zwischen den USA und Deutschland.

USA: Mehr bezahlte Arbeit

Für die Unterschiede hinsichtlich des relativen Anteils der unentgeltlichen Hausarbeit am BIP mag es zum Teil kulturelle Gründe geben. Steuerliche Gründe spielen jedoch gewiss ebenfalls eine Rolle. So werden Transaktionen auf Märkten in den USA weniger stark besteuert als in Deutschland. Dadurch ist unentgeltliche Hausarbeit in Deutschland im Vergleich zu auf Märkten getauschter Arbeit relativ attraktiver. Es ist deshalb nicht überraschend, dass Erwerbstätige in den USA jährlich deutlich mehr Stunden arbeiten: 1.790 Stunden vs. 1.371 Stunden im Jahre 2015.

 

Ehegattensplitting hält Frauen vom Arbeitsmarkt fern

Dabei führt das in Deutschland zur Anwendung kommende Ehegattensplitting zudem dazu, dass der weniger verdienende Partner – häufig die Frau – einen relativ schwachen Anreiz hat, ihre Arbeitskraft auf dem Markt anzubieten. Während die Marktarbeit des weniger verdienenden Partners durch das Ehegattensplitting in Deutschland im Vergleich zu den USA häufig mit einem besonders hohen Grenzsteuersatz belastet wird, ist die unbezahlte Hausarbeit nicht zu versteuern. Auch das zeigt sich in den Daten.

So arbeiten vor allem verheiratete Frauen in Deutschland weniger entgeltlich als verheiratete Frauen in den USA. Alexander Bick und Nicola Fuchs-Schündeln nutzen Daten für die Jahre von 2001 bis 2008 und zeigen, dass verheiratete Frauen in Deutschland mit durchschnittlich 800 Stunden über 400 Stunden kürzer pro Jahr entgeltlich arbeiteten als verheiratete Frauen in den USA. Zudem schätzen sie, dass verheiratete Frauen in Deutschland knapp 300 Stunden mehr entgeltlich arbeiten würden, wenn die gemeinsame Veranlagung von Ehepartnern zugunsten einer verpflichtenden Einzelveranlagung bei gleichbleibenden Steuereinnahmen des Staates ersetzt würde.

Steuerreformen und unentgeltliche Hausarbeit

Wünschenswerte Steuersenkungen insbesondere bei der Einkommensteuer ließen die unentgeltliche Hausarbeit relativ zu entgeltlichen Tätigkeiten weniger attraktiv werden. Es käme zu zusätzlichen Markttransaktionen. Menschen würden weniger Aufgaben im Haushalt in Eigenregie erledigen und mehr Stunden auf Tätigkeiten verwenden, auf die sie spezialisiert sind. Die Einmottung des Ehegattensplittings hätte einen ganz ähnlichen Effekt. Durch die Umstellung auf Einzelveranlagung wäre es für den weniger verdienenden Partner angesichts niedrigerer Grenzsteuersätze attraktiver als heute, einer entgeltlichen Tätigkeit nachzugehen.

Erstmals veröffentlicht bei IREF.

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