Photo: David Goehring (CC BY 2.0)

Politische Akteure haben zuweilen eine etwas ungesunde Tendenz, das Leben der Bürger zu verplanen. Ob „Dienstjahr“ oder Rentenalter – irgendwelche wohlklingenden Begründungen finden sich immer. Es ist verwunderlich, wie viel sich die Bürger da gefallen lassen.

Ab in die „Schule der Nation“!

Um das Sommerloch zu stopfen, brachte die CDU-Generalsekretärin Kramp-Karrenbauer Anfang des Monats das Thema Dienstpflicht wieder ins Gespräch. Zur Seite sprangen ihr Kollegen aus den verschiedensten Ecken: vom Vorsitzenden der Mittelstandsvereinigung der Union bis zur Staatsministerin im Auswärtigen Amt. Ja, laut einer Umfrage des ZDF stehen gar 68 Prozent der Bevölkerung auf ihrer Seite. Während Wehrdienst-Veteranen sich begeistert zeigen, dass sich die jungen Leute jetzt auch mal durch die „Schule der Nation“ durchquälen müssen, denkt sich der angehende Romanistik-Student, der gerade seinen Bundesfreiwilligendienst leistet, so ein Jahr könne seinem Klassenkameraden, der mit 17 das BWL-Studium aufgenommen hat, eigentlich auch nicht schaden.

Kaum beachtet werden in der Debatte die vielen Nebeneffekte. Das fängt bei der Tatsache an, dass (zum Glück) nicht jeder junge Mensch durch die Abiturmaschine in Richtung Hochschule durchgeschleust wird. Bundesweit haben vorletztes Jahr 41 Prozent einer Alterskohorte das Abitur gemacht und 11 Prozent die Fachhochschulreife erlangt. Ein sehr großer Teil der anderen 48 Prozent wird Handwerkerin, Buchhalter oder fängt im heimischen Betrieb an zu arbeiten. Viele dieser jungen Leute sind tüchtig und ambitioniert. Sie sind darauf angewiesen, rasch Geld zu verdienen und sich in ihrem Beruf und Betrieb zu bewähren. Eine allgemeine Dienstpflicht würde sie alle für (vermutlich) ein Jahr aus ihrem beruflichen Werdegang herausziehen. Das sollte man sich mal bei einem Studenten nach Abschluss seines Masters trauen …

Der Wert der Freiwilligkeit

Mit welchem Recht sollten politische Entscheidungsträger überhaupt eine solche Pflicht einführen können? Kann die reine Legitimation durch die Wahl rechtfertigen, dass darüber entschieden wird, jedem Bürger ein Jahr seiner Zeit zu mopsen? Im Kalten Krieg mochte das gerade noch angehen – heute wirkt dieser Vorschlag schlichtweg grotesk. Selbst wenn eine große Mehrheit der Bevölkerung das Vorhaben unterstützen sollte, gibt es keine Rechtfertigung dafür, die Minderheit unter ein solches Joch zu zwingen.

Vor allem aber widerspricht eine solche Maßnahme fundamental dem hehren Grundgedanken, der immer gerne angeführt wird, wenn eine solche Dienstpflicht diskutiert wird. Denn der Einsatz für die Gesellschaft bezieht seinen Wert aus der Freiwilligkeit. Und da sieht es in Deutschland übrigens hervorragend aus. Lag der Anteil der ehrenamtlich Engagierten im Jahr 1999 noch bei 34 %, so ist der Anteil im Jahr 2014 auf 43 % der Bürger gestiegen. Am stärksten ausgeprägt ist das Engagement übrigens bei der jungen Bevölkerung. 45.000 Menschen haben letztes Jahr den Bundesfreiwilligendienst absolviert, Tausende junger Menschen gehen jedes Jahr ins Ausland, um dort ihre Zeit und ihr Herzblut einzusetzen. Die freiwillige Entscheidung zum Engagement und die freie Wahl des Bereichs, in dem es stattfindet, machen diesen Einsatz so wertvoll und fruchtbar.

Relikte aus der Feudalzeit

Die Dienstpflicht-Idee ist freilich nur eine unter vielen Maßnahmen, bei denen Politiker das Leben ihrer Bürger planen anstatt ihnen selbst die Verantwortung zu überlassen. Dazu zählen auch viele Gebiete, auf denen wir uns schon längst daran gewöhnt haben, die es aber durchaus wert sind, hinterfragt zu werden. Etwa das ewige Hin und Her zwischen dem acht- und dem neunjährigen Abitur. Nur sechs Bundesländer ermöglichen derzeit Wahlfreiheit für Eltern und Schüler. In allen anderen wird es zentral entschieden. Und auch im höheren Alter wird munter mit dem Leben der Bürger geplanwirtschaftet, indem sich der Staat (auch dank des hiesigen Rentensystems) anmaßt, zu entscheiden, wer wie lange zu arbeiten habe bzw. arbeiten darf. Derzeit arbeiten in Deutschland 1,4 Millionen Rentner nebenbei – und bei weitem nicht alle, um ihre knappe Rente aufzubessern. Gerade Akademiker können ohne Probleme viele Jahre über das gesetzliche Rentenalter hinweg ihrer Arbeit nachgehen, die ihnen oft auch Freude und Zufriedenheit bereitet. Zugleich müssen Facharbeiterinnen, die in einem privaten Altersvorsorgesystem schon mit Mitte 50 genug angespart hätten, Abschläge auf ihre Rente hinnehmen, wenn sie früher die Arbeit niederlegen.

Letztlich sind das alles Relikte aus der alten Feudalzeit, in der ein Fürst seine Untertanen in den Frondienst nehmen konnte und Herr auch über deren privateste Lebensentscheidungen war. Der selbstverantwortliche Bürger in einer freiheitlichen Demokratie sollte so etwas nicht mit sich machen lassen. Unsere Vorfahren haben in einem mühsamen und zähen Kampf die Vorrechte des Landesväter immer weiter zurückdrängen können. Dass Sie heute im Gewand des wohlmeinenden Politikers wiederkehren, der uns erklärt, wo unser Leben hinzugehen habe, und wie wir es am besten und nutzbringendsten führen können, ist eine Farce, die man nicht mit sich machen lassen sollte.

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