Photo: Fabian from Flickr (CC BY-ND 2.0)

Die Nacht der langen Messer war für Alexis Tsipras eine Demütigung. Die Belastung sah man ihm bereits am Abend an. Auf seiner Seite kann er verbuchen, dass der Euro-Club ihm weitere Milliarden in Aussicht stellt. Doch das war es dann auch schon. Als zurück nach Athen flog, kam er als begossener Pudel an. Schon am frühen Morgen haben die Nachrichtensendungen vom großen Durchbruch berichtet. Allgemeine Erleichterung war in den Meldungen zu spüren. Doch eines ist klar: Es war ein Pyrrhussieg der Staats- und Regierungschefs. Wer glaubt, dass damit das Schlimmste überstanden sei, der glaubt auch an die Schuldentragfähigkeit Griechenlands. Beides trifft nicht zu. Die Eurokrise wird durch den gestrigen Abend neue Dynamik erhalten. Das Weiterwursteln setzt sich unvermindert fort.

Noch kennt man nicht die genaue Vereinbarung und das Kleingedruckte, aber so viel kann man schon jetzt sagen: all das, wofür Syriza im Januar gewählt wurde und jetzt beim Referendum mit großer Mehrheit bestätigt wurde, soll nun über Bord geworfen werden. So lächerlich unrealistisch die angepeilten Privatisierungserlöse von 50 Milliarden Euro auch sein mögen, sie sind ein Schlag ins Gesicht der Sozialisten in Griechenland. Die Rückkehr der Troika nach Athen und die Verpflichtung zur Rücknahme der bisher beschlossenen Ausgabeprogramme durch das griechische Parlament ist ebenfalls eine bewusste Provokation gegenüber der linken Regierung in Griechenland. Und eine Umschuldung der griechischen Schulden wird erst im zweiten Schritt in Aussicht gestellt. Auch hier wurde die Kernforderung von Tsipras nicht erfüllt. Es ist ein vollkommenes Desaster für die Sozialisten in Griechenland.

Es ist daher völlig unrealistisch, dass dies vom griechischen Parlament beschlossen und anschließend umgesetzt wird. Das Ziel, ein EU-Protektorat in Südosteuropa zu installieren, wird nicht funktionieren.

Entweder Tsipras wird in Griechenland in die Wüste geschickt oder er fängt schon heute an und relativiert die Beschlüsse. So hat er es auch in den vergangenen sechs Monaten gemacht. Zusagen wurden in Brüssel gemacht, die dann in Athen relativiert wurden. Schon in den frühen Morgenstunden hieß es aus Athen, es müsse Neuwahlen geben. Das ist wohl auch das wahrscheinlichste Szenario. Denn Tsipras kann nur dann politisch überleben, wenn er Neuwahlen zu einem erneuten Referendum über seine Politik macht. Das lässt ihn Zeit gewinnen und die Gläubiger weiter zappeln. Nur wenn er weiter als David spielt, der gegen die Goliaths in Brüssel und Berlin unerschrocken kämpft, kann er zur neuen Identifikationsfigur der Linken werden. Sollen sie ihn doch aus dem Euro schmeißen. Jedoch darf nicht er den Bettel hinwerfen, sondern der Schwarze Peter muss bei Merkel und Schäuble liegen. Daran arbeitet er seit geraumer Zeit mit wachsendem Erfolg. Wenn Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi Wolfgang Schäuble öffentlich abwatscht, dann sagt das sehr viel über die aktuellen Befindlichkeiten aus. Das weiß auch Angela Merkel.

Daher ist ihr Ziel, die Regierung Tsipras durch eine Technokratenregierung zu ersetzen. Doch wie heißt es so schön: hinten sind die Enten fett – das weiß auch Alexis Tsipras. Wer das Chicken Game gewinnt, wird sich erst noch zeigen.

1 Antwort
  1. Ralf Becker
    Ralf Becker sagte:

    Das Referendum hat Tsipras einen psychologischen Vorteil verschafft. Genützt hat es offensichtlich nicht, weil er dann doch einem sehr umfassenden Reformplan zustimmen musste.

    Aber was der Herr Schäuble beiträgt, ist auch nicht besonders hilfreich. Ein Grexit auf Zeit? Flassbeck Ökonomiks findet diese Überlegung lächerlich.

    Varoufakis schrieb jedenfalls in einem Internet-Blog, dass „Das wirkliche Ziel der Rettungsprogramme war, die Verluste der Banken zu Europas Steuerzahlern zu transferieren“.
    Die Eurogruppe habe mit Griechenland „fiskalisches Waterboarding
    betrieben“ und „Es geht wieder einmal darum, dass das Opfer alle Schuld
    auf sich nimmt.“

    Als Ökonom dürfte Varoufakis es m.E. einigermaßen wissen, wovon er spricht.
    Kurz nach dem Bekanntwerden des Referendumsresultats hätte er es jedenfalls erfahren,
    dass „einige Euro-Gruppen-Teilnehmer und bestimmte ‚Partner‘ es
    bevorzugten“, wenn er bei künftigen Treffen nicht mehr zugegen wäre,
    schrieb Varoufakis in seinem Blog. „Ich werde die Abscheu der Gläubiger mit Stolz ertragen“, fügte er hinzu.

    Zu der Frage, wie es mit Griechenland weitergeht:
    Die Euro-Länder und die griechische Regierung haben eine Einigung
    erzielt. Es soll Verhandlungen über ein neues Kreditprogramm geben, das
    Griechenland auf die Beine hilft.

    An dem Fehlkonstrukt des Euro hat sich jetzt nach dem Referendum also wenig geändert.

    Für mich ist es jedenfalls nicht ganz klar, warum sich Griechenland nach dem „Ochi“-Votum jetzt trotzdem auf Reformen eingelassen hat.
    Dabei muss ich zugeben, dass eine Rückkehr zur Drachme auch nicht die Lösung schlechthin gewesen wäre. Sie hätte allenfalls eine humitäre Katastrophe verursachen können.

    Aber immerhin hat unsere Regierung jetzt mit TTIP etwas gefunden, womit zum Glück keiner den Gürtel wirklich enger schnallen muss und womit man trotz des Prassens einiger Wirtschafts-Vorstände und einiger anderer Personen doch vermutlich aus der Krise herauskommt.

    Jedenfalls kann es nicht hilfreich sein, wenn in unserem Bundestag keine qualifizierten Politiker sitzen. Schäuble ist bekanntlich Jurist.
    Unabhängig davon kann es im Moment wahrscheinlich ohnehin niemand genau sagen, ob die Krise überhaupt noch lösbar ist.
    Falls sie nicht mehr lösbar wäre, sollte man bereits einen Plan B haben für den Fall, dass der Finanzcrash kommt.
    Ich weiß es nicht genau, ob es einen solchen Plan B bereits gibt.

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