Photo: DALIBRI from Wikimedia (CC BY-SA 3.0)

Die hessischen Minister Grüttner und Schäfer von der CDU und Al-Wazir von den Grünen haben kurz vor Weihnachten eine Vorschlag für die Verbesserung der Altersvorsorge in Deutschland präsentiert. Ein Deutschland-Fonds, in den alle einzahlen, soll die drohende Altersarmut in Deutschland beseitigen.

Größere Sparanstrengungen des Einzelnen sind tatsächlich notwendig. Der Grund ist, dass EZB-Präsident Mario Draghi den Zins vernichtet hat. Sparen in klassische Zinspapiere, in die überwiegend Lebensversicherungen investieren, sind nicht mehr lohnend. Die zehnjährige Staatsanleihe des Bundes rentiert seit Wochen unter 0,5 Prozent. Das ist besorgniserregend, weil es jungen Menschen die Lebensperspektive im Alter nimmt. Ein heute 30-Jähriger muss, wenn er zusätzlich 1000 Euro Rente mit 67 bis zum 90. Lebensjahr erhalten will, einen Kapitalstock von 600.000 Euro aufbauen. Erzielt sein Sparvorgang in den nächsten 37 Jahren keine Zinsen, muss er dafür monatlich 1400 Euro zur Seite legen. Wären es dagegen vier Prozent, würde seine monatliche Sparanstrengung bereits auf 580 Euro sinken. Letzteres ist für die Allermeisten schon sehr schwierig, Ersteres wohl unmöglich.

Der Vorschlag der drei Minister greift daher ein wichtiges Problem auf. Die Lösung ist jedoch viel zu staatsgläubig. So sollen die Arbeitgeber die Beiträge an die Deutsche Rentenversicherung abführen und diese soll die Beiträge breit, auch in Aktien, anlegen. Schon daran muss man Zweifel hegen. Bislang war die Expertise der Deutschen Rentenversicherung in erfolgreicher Anlagepolitik überschaubar, hat sie doch im Umlagesystem das Geld, das sie eingenommen hat, gleich wieder ausgegeben.

Das Grundproblem der Altersvorsorge in Deutschland ist ihre Komplexität. Zahlreiche Durchführungswege in der betrieblichen Altersvorsorge hemmen Unternehmen, sich damit zu beschäftigen. Riester-Rente und Rürup-Rente sind für den Einzelnen ebenfalls komplizierte Produkte. Sie müssen verrentet, eine Garantie der Beiträge versprochen und in der Steuererklärung bürokratisch veranlagt werden. Eigentlich geht es immer nur um eine Frage: Wie viel darf der Sparer von seinem Ertrag behalten und wie viel muss er an den Staat an Steuern abführen? Das Grundproblem hat mit dem Steuerrecht zu tun und hier mit dessen Jährlichkeitsprinzip. Der Steuerbürger lebt immer nur vom 1. Januar bis zum 31. Dezember eines Jahres. Danach beginnt sein Leben neu, unabhängig davon, ob er sein Einkommen ausgibt – also konsumiert – oder ob er den Konsum in die Zukunft verschiebt – also spart. Das kennen wir zeitlebens nicht anders. Aber es ist dennoch falsch, weil es ungerecht ist. Es behandelt einen gleichen Sachverhalt, das Einkommen, ungleich und verzerrt damit Konsum- und Sparentscheidungen der Bürger. Es darf eigentlich keinen Unterschied machen, ob Einkommen am 31. Dezember eines Jahres erzielt wird oder erst am 1. Januar des Folgejahres. Entscheidend sollte sein, was damit gemacht wird. Es am Konsum festzumachen, wäre daher konsequent.

Besonders deutlich wird dieser Sachverhalt bei langfristigen Sparvorgängen. Ein vereinfachtes Beispiel: Wer heute ein zu versteuerndes Einkommen von 40.000 Euro im Jahr hat und einmalig 1000 Euro zur Seite legt, hat diesen Betrag bereits mit seiner Lohnsteuer versteuert (angenommen wird ein Steuersatz von insgesamt 25 Prozent). Hätte er es nicht versteuern müssen, weil er es nicht heute, sondern erst zu Beginn seines Ruhestandes in 40 Jahren konsumieren will, hätte er 1333 Euro anlegen können. Wir unterstellen, er legt diese 1333 Euro in langlaufende Staatsanleihen an und würde eine Verzinsung von drei Prozent pro Jahr erwarten.

In einer Welt ohne Steuern könnte er zu Beginn seines Lebensabends 4349 Euro erwarten. Investiert er aus versteuertem Einkommen 1000 Euro (1333 Euro – 25 Prozent) und seine jährlichen Zinserträge von drei Prozent werden mit der Kapitalertragsteuer von 25 Prozent pro Jahr (3 – 25 Prozent = 2,25 Prozent) besteuert, dann hat er in 40 Jahren lediglich 2435 Euro angespart. Die Differenz von 1914 Euro sind seine gezahlten Steuern über 40 Jahre. Das entspricht einer steuerlichen Belastung von 44 Prozent. Hätte er heute konsumiert und nicht erst in 40 Jahren, so wäre seine steuerliche Belastung 25 Prozent gewesen. Der Staat fördert den heutigen Konsum und diskriminiert das Sparen.

Die Gerechtigkeitsdebatte fängt beim Steuerrecht an. Wie gespart wird, wann das Geld entnommen wird und wofür, sollte dem Einzelnen überlassen bleiben. Der Steuersatz sollte zu jedem Zeitpunkt gleich sein. Das wäre gerecht. Wer das bezweifelt, leistet Beihilfe zum heimlichen Diebstahl.

Erstmals erschienen in der Fuldaer Zeitung am 16.1.2016.

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