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Von Fabian Kurz, Doktorand der Volkswirtschaftslehre, Senior Fellow des IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues.

Möchte die EU langfristig stabile und freiere Handelsbeziehungen zu Washington etablieren, liegt es an den Europäern, den Stein ins Rollen zu bringen. Initiativen von der US-Seite sind anders als beim Klima kaum zu erwarten.

Der neue Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika Joe Biden ist bereits einige Wochen im Amt. Sein Vorgänger Donald Trump pflegte die Beziehungen zu westlichen Partnern im besten Fall stiefmütterlich. Zu Beginn seiner Präsidentschaft legte Trump nicht nur die Gespräche über das geplante Freihandelsabkommen TTIP auf Eis, sondern überzog unter anderem die europäischen Partner mit Zöllen auf Stahl und Aluminium. Die EU konterte mit Zöllen auf Bourbon, Harley Davidson Motorräder und andere Güter.

Mit dem Beginn der Präsidentschaft Bidens ist bei vielen westlichen Partnern die Hoffnung auf bessere Beziehungen zu den Vereinigten Staaten verbunden, auch wirtschaftliche. Ist die Hoffnung berechtigt und bekommt das Freihandelsabkommen TTIP noch einmal eine Chance?

Regelbasierter Handel unter Trump unter Druck

Der neue US-Präsident Biden verfolgt beim Handel einen stärker multilateralen Ansatz und ist insgesamt gemäßigter als sein Vorgänger. Doch ein glühender Verfechter des Freihandels ist nicht ins Weiße Haus eingezogen.

Traditionell preisen in den Vereinigten Staaten eher die Republikaner die Vorzüge des barrierefreien internationalen Handels. Die Demokraten stehen ihm skeptischer gegenüber. Donald Trump hatte diese Rollenverteilung durcheinandergewirbelt. Die grundlegende Handelsskepsis der Demokraten ist deswegen allerdings nicht einer stärkeren Handelsbefürwortung gewichen.

„Buy American“ wieder en vogue

Die grundlegende Skepsis zeigt sich bereits im „Biden-Plan“, den der Kandidat Biden vor der Wahl vorgestellt hatte. Freihandel oder freierer Handel spielen in dem Plan keine prominenten Rollen. Es wird das Ziel formuliert, Handelsregeln zusammen mit den Partnerländern zu reformieren. Das lässt weniger Alleingänge und mehr regelbasierte Zusammenarbeit erwarten.

Doch die konkreten Forderungen enttäuschen mitunter. So möchte Biden internationale Handelsregeln aufweichen, die heute verhindern, dass staatliche Stellen Aufträge nicht international ausschreiben müssen und ausschließlich im Inland erzeugte Produkte kaufen können. Die Diskriminierung ausländischer Anbieter, auch bekannt als „Buy American“, wurden schließlich auch als einer der ersten präsidentiellen Anordnungen von Biden unterzeichnet. Wie sehr sie Veränderungen nach sich zieht ist umstritten. Schließlich gingen ihr ähnliche Anordnungen voraus. Möglicherweise fällt die Maßnahme in die Kategorie „Symbolpolitik, um die eigen Parteilinke zu besänftigen“.

Die Diskriminierung ausländischer Anbieter bei der Vergabe öffentlicher Aufträge ist kein Phänomen, das exklusiv die USA betrifft. Auch in Europa sind solche Maßnahmen zu finden, im Namen des Datenschutzes oder der nationalen Sicherheit. Wünschenswert wäre es, wenn auf beiden Seiten des Atlantiks Bestrebungen zu erkennen wären, die Barrieren abzubauen, statt sie zu erhalten oder gar weiter auszubauen.

Abkehr von aktivistischer Handelspolitik

Die Präsidentschaft Donald Trumps war gekennzeichnet von der Abkehr vom Multilateralismus. Dies zeigte sich etwa im Ausscheiden der Vereinigten Staaten aus dem Pariser Klimaabkommen, aber auch an der gezielten Schwächung der Welthandelsorganisation (WTO). So verhinderte Trump mit seinem Veto, wie auch schon seine beiden Vorgänger, die Neubesetzung von Richterstellen bei der WTO. Da durch sein Veto die erforderliche Mindestanzahl von Richtern nicht mehr erreicht wurde, können Handelsstreitigkeiten seit Dezember 2019 nicht mehr vor dem höchsten WTO-Gericht verhandelt werden.

Eine gezielte Schwächung internationaler Ansätze ist von Biden nicht zu erwarten. Im Gegenteil: Es ist davon auszugehen, dass er in Handelsfragen wie in Klimafragen auf etablierte internationale Abkommen, Institutionen und Spielregeln setzen wird.

Diese Abkehr von Trumps aktivistischer Handelspolitik, die durch eine offensive Vertretung ausgewählter amerikanischer Interessen mittels Androhung und Durchsetzung von Zöllen geprägt war, ist eine Chance. Eine verlässliche Handelspolitik gibt Planungssicherheit und ist dem internationalen Handel zuträglich.

TTIP: Langfristige Regelbindung

Die Auswirkungen einer aktivistischen Handelspolitik à la Trump hätten möglicherweise durch ein verbindliches Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU begrenzt werden können. Unter Präsident Biden sind derartige Manöver nicht zu erwarten, insbesondere nicht in der Schärfe und Grobschlächtigkeit der Vorgängeradministration. Doch politische Umstände können sich schnell ändern. Es ist daher im langfristigen Interesse sowohl der USA als auch der EU, einen Handelsvertrag wie TTIP zu schließen, der verlässliche Rahmenbedingungen für den Umgang miteinander schafft und es Politikern erleichtert, sich glaubhaft an Regeln zu binden, die die Diskriminierung ausländischer Anbieter unterbinden. Zudem können Handelsabkommen helfen, innenpolitische Widerstände gegen den Abbau von Handelshemmnissen zu überwinden, wenn deren vorteilhafter unilaterale Abbau an inländischen Lobbybemühungen scheitert.

Der Ball liegt in Europa

Der internationale Handel hat unter Präsident Trump schwer gelitten. Insbesondere die WHO hat die Abneigung des Präsidenten gegen multilaterale Organisationen und globale Lösungen zu spüren bekommen. Mit der Präsidentschaft Bidens wird auch in Handelsfragen auf der Weltbühne erfreulicherweise wieder etwas Ruhe einkehren. Ein engagierter Einsatz für den Abbau nichttarifärer Hemmnisse und Zölle ist allerdings von Präsident Biden nicht zu erwarten. So hat er weder entsprechende Pläne vorgestellt, noch die unter Trump eingeführten Zölle wieder zurückgenommen.

Möchte Brüssel langfristig stabile und freiere Handelsbeziehungen zu Washington etablieren, liegt es an den Europäern, den Stein ins Rollen zu bringen. Initiativen von der US-Seite sind anders als beim Klima kaum zu erwarten. Die erratischen Trump-Jahre haben gezeigt, dass es verbindlichere Regeln im transatlantischen Handel braucht. Ein Handelsabkommen wie TTIP könnte dazu einen Beitrag leisten.

Erstmals erschienen bei IREF.

1 Antwort
  1. Ralf Becker
    Ralf Becker sagte:

    Beim Handel gibt es keinen Tausch mit Geldwerten, weil dies im Schuldgeldsystem auch nicht möglich wäre.
    Wer mit Geld bezahlt, der bezahlt vielmehr mit einer Art Schuldschein, weil sämtliches Geld im Umlauf bei den Kreditvergaben der Banken entsteht.

    Jedenfalls ist es bei unserem Wirtschaftssystem der Fall, dass die Schulden der öffentlichen Haushalte immer weiter ansteigen.
    Es gibt in diesem Zusammenhang etwa die zurzeit nicht aufrufbare Webseite „Herford hat Chancen – Schuldenuhr Herford“.

    Kommunen haben aber nicht so sehr nur deshalb so viele Schulden, weil deren Ausgaben dermaßen hoch sind. Vielmehr greift der Staat zum Deficit Spending, wenn die Konjunktur lahmt.
    Der Staat tätigt also höhere Ausgaben, um auf diese Weise die Konjunktur anzukurbeln.

    Diese Art der Konjunktursteuerung ist jedoch gefährlich, weil auf diese Weise die Schuldenlasten des Staates immer weiter ansteigen müssen.

    Staaten können ihre vielen Schulden dann aber später (fast) gar nicht wieder zurückzahlen, weil das viele Geld, das sie durch ihr Deficit Spending in Umlauf bringen, als solches eine Schuld ist und weil der Geldbesitz extrem ungleich verteilt ist.
    Wenige Superreiche nehmen immer schneller das viele Geld ein, das doch ständig und vor allem auch immer schneller durch die Schuldenaufnahme, etwa des Staates in Umlauf gelangt.
    Die Geldmenge einer Volkswirtschaft darf aber nicht immer mehr ansteigen, weil Geld in Wirklichkeit auf Schulden basiert, für die vor allem auch die öffentlichen Haushalte Zinsen „bezahlen“ müssen.
    Wenn die Superreichen ihr vieles Geld später nicht wieder ausgeben, und wenn es nicht gelingt Superreiche und Konzerne zu besteuern, dann können sich Staaten dann nur noch mit Inflation entschulden.

    Dass man also nicht dermaßen auf Freihandel und ähnlich setzen möchte, hat etwas damit zu tun, dass es beim Geld keinen Tausch mit Geldwerten gibt. Vielmehr gibt es beim Geld einfach nur einen Wettbewerb um Marktmacht, der zwischen den großen Akteuren der Wirtschaft ausgetragen wird.

    Ich bin daher davon überzeugt, dass wir ein tauschlogikfreies Wirtschaftssystem benötigen. Bislang weiß es aber vermutlich niemand so richtig, wie ein solches im Detail funktionieren könnte.

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