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Von Norbert Häring, Journalist.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat gestern in mündlicher Verhandlung über die Fragen des Bundesverwaltungsgerichts in meinem Rechtsstreit mit dem Hessischen Rundfunk beraten. Es geht um das Recht auf Barzahlung des Rundfunkbeitrags und übergreifend um die Frage, ob öffentliche Stellen Bargeld annehmen müssen. Es war ein großer Auftrieb. Hier einige der Highlights der Veranstaltung.

Niemand kann behaupten, die Bargeldfrage würde von den europäischen Institutionen und den Regierungen nicht ernst genommen. Vom stark erhöhten, halbrunden Richterpult im großen Saal des Gerichts blickten 15 Richterinnen und Richter und der EU-Generalanwalt auf rund ein Dutzend Prozessbevollmächtigte verschiedener Institutionen und mich, den Kläger im Ursprungsverfahren, herab. Anders sieht es bei Presse, Funk und Fernsehen aus. Sie wohnten der öffentlichen Verhandlung nicht bei.

Zur Erinnerung. Das Bundesverwaltungsgericht hatte entschieden, dass §14 Bundesbankgesetz öffentliche Stellen, darunter den Rundfunk, verpflichtet, die Barzahlung hoheitlicher Abgaben zu ermöglichen. Es hatte dem EuGH Fragen dazu gestellt, ob der deutsche Gesetzgeber tatsächlich noch die Kompetenz hat, so etwas zu regeln, oder ob das alleiniges Vorrecht der EU ist. Schon damals hatten sich die Medien nicht nennenswert für den Beschluss des Bundesverwaltungsgericht interessiert, den man für aufsehenerregend halten konnte.

Entsprechend der wichtigen und grundsätzlichen Fragestellung schickten neben dem Hessischen Rundfunk und dem Kläger auch die Bundesregierung, Frankreich, die EU-Kommission und die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Anwältinnen und Anwälte, um zu dem Thema Stellung zu nehmen. Entsprechend lang dauerte die Verhandlung (ca. 3,5 Stunden). Die italienische Regierung hatte sich ebenfalls ausführlich schriftlich geäußert, erschien aber nicht zu der Verhandlung im Gerichtsgebäude in der rue du fort Niedergrünwald in Luxemburg, das in seiner Anmutung ein wenig an den Palast der Republik erinnert.

Um das Ergebnis vorwegzunehmen: Der EU-Generalanwalt hat angekündigt, am 29. September seine Entscheidungsempfehlung abzugeben, der das Gericht in den weitaus meisten Fällen folgt. Wie es ausgehen wird, ist in Anbetracht der Komplexität der aufgeworfenen Kompetenzfragen, der unterschiedlichen Meinungen der Verfahrensbeteiligten dazu und der Tatsache, dass sich das Gericht kaum in die Karten schauen ließ, schwer vorauszusagen.

Einige Higlights

Die sechs beteiligten Parteien durften jeweils ein Eingangsplädoyer von maximal 15 Minuten halten und wurden dann vom Gericht und vom Generalanwalt befragt. Dabei fielen einige bemerkenswerte Sätze und wurden erstaunliche Positionen deutlich.

Die EU-Kommission meinte in Reaktion auf die Einlassung der Vertreterin der französischen Regierung, klarstellen zu müssen, dass der Rundfunkbeitrag kein freiwilliger Beitrag ist, sondern eine Zwangsabgabe, “eine Steuer”.

Ansonsten wurde die Kommission ihrem Ruf als eifrige Anti-Bargeld-Kriegerin gerecht. Wenn es nach ihr ginge, müsste der Rundfunk nur behaupten, dass er Bargeld ablehnt, um die Mitarbeiter vor Überfällen und vor der Versuchung zu bewahren, selbst in die Kasse zu greifen (öffentliches Interesse) und außerdem eine Härtefallregel für Leute ohne Konto anbieten. Dann wäre das Bargeldverbot im Rundfunkbeitragsstaatsvertrag aus Sicht der Kommission in Ordnung.

Der Rechtsvertreter des Hessischen Rundfunks antwortete auf die Frage des Gerichts, wie viele Fälle es eigentlich gebe, nach Auskunft des HR habe es sieben Fälle gegeben, in denen Beitragspflichtige Barzahlung angeboten hätten. Ich bin sicher die Zahl geht in die Tausende. Aber die Falschbehauptung kam aus anderen Gründen nicht gut an. Die 15 obersten Richterinnen und Richter waren erkennbar düpiert, dass sie sich stundenlang mit der Frage beschäftigen sollten, ob sieben Leute ihren Rundfunkbeitrag bar zahlen dürfen oder nicht und fragten, ob der Rundfunk das nicht vielleicht doch irgendwie möglich machen könne.

Der Vertreter der Bundesregierung stellte die mutige These auf, es komme nur auf die Währungseinheit Euro an, wenn es um das gesetzliche Zahlungsmittel geht. Die Form, ob auf Papier oder einem Konto, sei unwichtig. Das ist albern, da nicht nur Giralgeld (Bankguthaben) in Euro ausgedrückt ist, sondern viele Formen von handelbaren Schuldtiteln, darunter auch Anleihen. Diese wären dann alle gesetzliche Zahlungsmittel. Selbst mein Schuldschein an den Nachbarn könnte so zum gesetzlichen Zahlungsmittel mutieren, wenn er nur auf Euro lautet. Von Kommission und EZB wurde er belehrt, dass die einschlägigen Vorschriften explizit “Euro-Banknoten und -Münzen” zum gesetzlichen Zahlungsmittel erklären, und sonst nichts.

Die Vertreterin der französischen Regierung vertrat (in Übereinstimmung mit der deutschen und italienischen Regierung) die Ansicht, Maßnahmen zum Gebrauch der Währung fielen nicht unter das Währungsrecht (für das allein die EU-Institutionen zuständig sind).

“Euro-Banknoten sind gedrucktes Vertrauen in den Euro”, widersprach der Vertreter der EZB. Im Gegensatz zu den Darlegungen der Regierungen betreffe das den Kern des Verantwortungsbereichs der Notenbank, weil sie für die Wirksamkeit ihrer Geldpolitik zentral darauf angewiesen sei, dass die Bürger darauf vertrauen, dass sie mit dem von der EZB ausgegebenen Geld immer bezahlen können und auch nicht mehr bezahlen müssen als mit anderen Zahlungsmitteln.

Die EZB widersprach auch dem Rundfunk, der behauptet hatte, es gebe keine akzeptable Möglichkeit, den Beitragspflichtigen Barzahlung zu ermöglichen. Nach Auskunft der Bundesbank gebe es in Deutschland eine Reihe Anbieter, die das ermöglichten. Die Kosten bewegten sich im Centbereich. Teuer werde es nur, wenn der Beitragspflichtige selbst jemand finden müsse, der gegen Barzahlung die vom Rundfunk geforderte Überweisung vornimmt.

Die EU-Kommission zeigte sich überrascht, dass die  deutsche und andere Regierungen nun plötzlich Regelungen zum gesetzlichen Zahlungsmittel nicht mehr als der Währungspolitik zugehörig betrachteten. Beim Konvent zur Vorbereitung des EU-Vertrags (AEUV) hätte keine Regierung den Ausführungen der EZB widersprochen, die diese Angelegenheit klar dem eigenen Kompetenzbereich zuordnete. Auch habe niemand Einspruch dagegen erhoben, dass die einschlägigen Artikel 128 und 133 AEUV im Kapitel mit der Überschrift “Währungspolitik” stehen. Auch sei die Euro-Einführungsverordnung von 1998 einstimmig angenommen worden. Deren Erwägungsgrund 1 stellt fest, dass es darin um währungsrechtliche Bestimmungen geht. Die Verordnung enthält einen Artikel, der Euro-Banknoten zum gesetzlichen Zahlungsmittel erklärt.

Eine bemerkenswerte Frage des Gerichts lautete, es gebe ja in mehreren Mitgliedstaaten Entwürfe für den Übergang zu einer bargeldlosen Gesellschaft und viele betrachteten diesen Übergang als zwangsläufig. Wie sei dieser Übergang vereinbar mit dem Schutz der Privatsphäre der Bürger und der Integration der Schwächsten Mitglieder der Gesellschaft in das Wirtschaftsleben? Der EZB-Vertreter antwortete mit der Gegenfrage, wer diese bargeldlose Gesellschaft denn wünschen und vorantreiben würde. Seien es Lobbygruppen von Startups, die daran verdienen wollen, oder der Gesetzgeber, der an Nachverfolgbarkeit von Geldströmen interessiert ist, oder liege es an sinkendem Interesse der Bürger an Barzahlungen? Auch wenn viele aus Bequemlichkeitserwägungen zunehmend unbar bezahlten, sei das Interesse an Bargeld als Wertaufbewahrungsmittel sehr groß und im Zuge der Corona-Krise – wie in früheren Krisen regelmäßig – kräftig gestiegen.

Schlussbemerkung

Für unser Anliegen zur Rettung des Bargelds in Deutschland ist es nicht unbedingt günstig, wenn sich die These von der alleinigen EU-Zuständigkeit durchsetzt. Die Kommission vertritt die Ansicht, Artikel 14 Bundesbankgesetz sei deshalb nicht anwendbar. Damit könnte sie den bargeldfreundlichen Beschluss des Bundesverwaltungsgericht zur Rechtslage in Deutschland, der sich auf diesen Artikel bezieht, aushebeln. Wenn dann noch der EuGH der Linie der Kommission folgen würde, dass jede Behörde mit fast jedem beliebigen Vorwand des öffentlichen Interesses die Barzahlung einschränken oder verbieten kann, wäre der Weg für die Bargeldabschaffung weitgehend freigeräumt. Hoffentlich nutzt der EuGH nicht die Gelegenheit zu einer Retourkutsche an das Bundesverfassungsgericht, das die Rechtsauffassung des EuGH im Streit um die EZB-Geldpolitik kürzlich für falsch und unbeachtlich erklärt hatte, indem er seinerseits Teile des Bundesbankgesetzes für ungültig erklärt.

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