Photo: EU2016 SK from Flickr (CC 1.0)

Sigmar Gabriel ist ein Mann starker Worte. Als 2014 bekannt wurde, dass amerikanische Unternehmen wie Google, Facebook und Amazon in ihren europäischen Zentralen in Irland keine Unternehmenssteuern bezahlen, sprach er von einem asozialen Verhalten. Wer in Deutschland Gewinne erwirtschafte, müsse sie auch hier versteuern. Sonst fehle Geld für Infrastruktur und Bildung, so der Bundeswirtschaftsminister. Da kann man nur sagen: Gut gebrüllt Löwe. Man mag ihm kaum widersprechen. Doch muss er sich als Bundeswirtschaftsminister auch an seinen eigenen Maßstäben messen lassen. Und da hapert es beim Vorsitzenden der Arbeiterpartei SPD.

Eine der größten Industriebeteiligungen des Staates ist der Technologiekonzern Airbus. Der Bund hält über die Kreditanstalt für Wiederaufbau mehr als elf Prozent der Anteile. Mit fast 65 Milliarden Euro Umsatz und weltweit fast 140 000 Beschäftigten gehört das Unternehmen zu den ganz Großen. Die wesentlichen Produktionsstandorte des Konzerns sind in Bremen, Hamburg, München und im französischen Toulouse. Dort ist auch der Sitz der Konzernzentrale. Der rechtliche Sitz der Holding Airbus Group SE ist jedoch im niederländischen Leiden. Das ist wohl kein Zufall, denn die Niederlande gelten für Holdings als Steuerparadies. Dort gelingt es diesen, dank des dortigen Steuerrechts, trotz hoher Gewinne die Steuerlast auf Null zu drücken. So ist es wohl auch mit Airbus. Der Staat geht bei seinem eigenen Unternehmen nahezu leer aus, obwohl das Unternehmen 2015 einen Gewinn von fast 3,4 Milliarden Euro erzielt hat. Wer ist hier asozial, Herr Gabriel?

Das wird den heimischen Familienunternehmer oder den Handwerksmeister nicht freuen, wenn sie gleichzeitig in Deutschland in der Spitze als Unternehmen 30 Prozent und als Einzelunternehmer sogar rund 50 Prozent Steuern bezahlen. Reden und Handeln ist ein hohes Gut, auch in der Politik. Wenn Gabriel private Unternehmen als asozial bezeichnet, aber er selbst in seinem Zuständigkeitsbereich der Luft- und Raumfahrt zulässt, dass ein staatlich dominiertes Unternehmen selbst in eine Steueroase ausweicht, um sich dem Fiskus in Deutschland zu entziehen, dann ist das skandalös und ein Schlag in das Gesicht jedes Steuerpflichtigen in diesem Land. Es ist dieses Misstrauen in die Politik und ihre Handelnden, die zu Verdrossenheit und Frust führt. Politiker müssen sich an ihren eigenen Maßstäben messen lassen und nicht heute das sagen und morgen umgekehrt handeln. Diese Erosion des Vertrauens ist fatal.

Das ist unabhängig davon, dass die steuerliche Belastung für Bürger und Unternehmen in Deutschland zu hoch ist. Überall auf der Welt geht der Trend hin zu einer Entlastung der Steuerzahler. Donald Trump hat umfangreiche Steuerentlastungen für Unternehmen angekündigt. Der französische Präsidentschaftskandidat der Republikaner, François Fillon, hat im Falle seiner Wahl umfangreiche Steuersenkungen angekündigt und auch die britische Premierministerin Theresa May hat eine Senkung der Unternehmensteuern in Großbritannien angekündigt, um den dortigen Wirtschaftsstandort attraktiv zu machen.

Der Steuerwettbewerb nimmt international wieder Fahrt auf. Das ist richtig und notwendig, darf aber nicht bei der Unternehmensbesteuerung aufhören, sondern muss auch die Bürger insgesamt umfassen. Gründe für eine Entlastung gibt es genug. Allein in dieser Legislaturperiode hat der Staat über 100 Milliarden Euro zusätzlich an Steuern eingenommen. Es geht letztlich um die Frage, ob der Staat immer mehr Bürgern und Unternehmen von ihrer Schaffenskraft wegnimmt, um es anschließend in einen großen Trichter zu werfen, an dessen Ende der Staat nach viel Bürokratie und Leerlauf nach Gutsherrenart ein wenig davon wieder über Umverteilung an die Bürger zurückgibt. Daraus folgt: Es gibt keine Leistung des Staates, die nicht auf dem Verzicht der Bürger beruht.

Erstmals erschienen in der Fuldaer Zeitung am 3. Dezember 2016.

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