Photo: Auréanne Mailhiot from Unsplash (CC 0)

Vor nicht allzu langer Zeit, als die Welt noch nicht von Krieg und Pandemie beherrscht war, gab es in der Politik ein zentrales Thema. Tausende von jungen Menschen gingen jeden Freitag auf die Straßen und zeigten ihre Wut über die vermeintliche Untätigkeit der Politik in der Klimafrage. Die Lösungen von NGOs, Regierungen, Wissenschaftlern und den jungen Demonstranten unterscheiden sich untereinander grundlegend, es gibt aber eine Gemeinsamkeit: Alle Strategien haben eine Reduktion von Treibhausgasen, insbesondere CO2 als Ziel. Dabei sind die Regierungen vor eine schwierigen Aufgabe gestellt. Schließlich gibt es Interessen abzuwägen. Ohne großen Wohlstandsverlust, kann man nicht einfach alle Kohle- und Gaskraftwerke schließen und auf Wind umstellen.

Eine sichere, effiziente, CO2-neutrale Alternative, die viel Energie produzieren könnte, sowie durch jahrelange Erfahrung aus verschiedenen Staaten erprobt wurde, gibt es einfach nicht.

Außer natürlich die Atomenergie. Zu sagen, dass die Atomenergie eine sichere Alternative sei, ist fast als würde man Wasser kalorienarm nennen. Selbst erneuerbare Energiequellen, wie Wasserkraftwerke, Solar- und Windkraftenergie sind der Kernenergie in dieser Hinsicht tendenziell unterlegen. Schaut man in die Daten, so wird einem schwarz vor Augen, wenn man an den ideologischen Kampf denkt, der seit Jahren gegen die Kernkraft geführt wird. Die Sicherheit von Energiequellen berechnet man indem man die Anzahl der Toten mit der Energieproduktion in Verhältnis setzt. So ergab eine Studie von 2016, dass bei der Herstellung von Atomenergie pro Terawattstunde etwa 0,01 Personen sterben. Nur zum Vergleich: Bei Braunkohle sind es etwa 32,72 Personen, bei Kohle sprechen wir von 24,62 Toten, wie eine Studie von 2007 zeigt.  Damit sterben bei der Braunkohle etwa 3200 mal so viele Menschen, wie bei der Atomkraft – und natürlich jeder Tod eine Tragödie : Aber sollte man gerade deswegen nicht alles Mögliche tun, um mehr Menschenleben zu retten?

Aber wie sieht der Atomstrom im Vergleich zu erneuerbaren Energien aus? In der oben bereits zitierten Studie von 2016 kommen Solarenergie auf 0,019 Tote pro Terawattstunde, Wasserkraftwerke auf 0,024, sowie schließlich Windkraft auf 0,035 Tote. Dabei schließt die Studie das traumatische Erlebnis von Fukushima mit ein. Aber wie traumatisch ist es tatsächlich? Man würde meinen, dass das Unglück die Zahlen nach oben schießen lassen würde, aber in Wirklichkeit gab es zu dem Zeitpunkt der Studie keinen einzigen Todesfall der eine direkte Folge der Katastrophe gewesen wäre – 2018 berichtete die japanische Regierung von dem ersten Todesfall, eine Person ist an Lungenkrebs verstorben.

Aber was passiert, wenn wir eine konservative, vorsichtige Methodologie anwenden? Die oben zitierte Studie von 2007 tut genau das. In dem systematischen Vergleich von Energiequellen bei “Our World in Data” werden beide Studien zitiert und miteinander verglichen. Dort werden die Autoren der Studie von 2007 zitiert:

Markandya and Wilkinson (2007) include estimated death tolls from distinct accidents (not including Fukushima) but also provide an estimate of deaths from occupational effects. They note that deaths: ‚can arise from occupational effects (especially from mining), routine radiation during generation, decommissioning, reprocessing, low-level waste disposal, high-level waste disposal, and accidents.’“

So heißt es in dem Beitrag, dass Markadya und Wilkinson die LNT Methode verwenden (Linear-no-threshold), bei der angenommen wird, dass es kein unschädliches “Minimum” an radioaktiver Bestrahlung gibt, sondern dass die potentiellen Schäden vielmehr linear zu den Strahlungswerten verlaufen. Das ist eine sehr konservative und vorsichtige Methode, aber selbst bei dieser Studie kommen wir lediglich auf eine Rate von 0,074 Toten pro Terawattstunde an produzierter Energie.

Eine Terawattstunde ist etwa die Energiemenge, die 27 000  Menschen in der EU pro Jahr verbrauchen. Nehmen wir die sehr  konservative Methodologie an, so heißt es im Umkehrschluss, dass wir 14 Jahre bräuchten, damit in dieser Gruppe ein Mensch stirbt. Dabei ist bei dieser Studie einer der größten atomaren Unglücksfälle der Menschheitsgeschichte eingerechnet, nämlich Tschernobyl. Man kann mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass die Prozesse, die in dem sowjetischen Atomkraftwerk zu dem Supergau geführt haben, sehr wenig mit der verantwortungsvollen Führung der heutigen Atomkraftwerke zu tun haben. Darüber hinaus hat der technologische Fortschritt weitere Sicherheitsverbesserungen bewirkt.

Nehmen wir also die weniger konservative Methode an, würde es etwa 100 Jahre dauern, bis wir in dieser Menschengruppe den ersten Toten hätten. Und das mit Tendenz nach unten, denn man kann davon ausgehen, dass es in der Zukunft weitere technische Verbesserungen gibt.

Vor diesem Hintergrund erscheint die deutsche Energiewende nicht nur als eine Niederlage der Politik, die ihre Ziele nicht umsetzen kann, es ist vor Allem eine Niederlage der Wissenschaft und Vernunft.

Die gesetzten Ziele bei der Förderung von erneuerbaren Energien wurden nicht erreicht. Deutschland setzte 2018 laut europäischen Statistiken 752,655 Mt von CO2 in die Luft. Das entspricht 9,146 t pro Kopf jährlich. Nur als Vergleich: Frankreich produziert in dem selben Zeitraum 323,279 Mt CO2, was einem Pro-Kopf Ausstoß von 4,956 t entspricht.

Wie sieht es bei der Reduktion von CO2 und Treibhausgasen aus? Deutschland konnte den CO2 Ausstoß bei der Energieherstellung  zwischen 1990 und 2018 um 24% reduzieren. Das klingt gut, solange man nicht die Daten des Nachbarn kennt. In Frankreich lesen wir von einer Reduktion von 27%. Zwischen 2005 und 2015 verzeichnete Deutschland bei allen Treibhausgasen in dieser Kategorie immerhin eine Reduktion von 8%. Der Musterschüler aus Frankreich kann hier mit 44% (!) punkten. Das hat natürlich verschiedene Gründe. Unter anderem bezieht Frankreich einen Großteil, nämlich 75% seiner Energie aus Atomstrom. Zwar gibt es leider Pläne diesen Anteil bis 2035 auf 50% zu reduzieren, dies ist aber nicht mit dem brutalen Atomausstieg der Bundesrepublik zu vergleichen.

Steven Pinker, ein weltbekannter Harvard Professor ist verwundert über die Irrationalität der Deutschen. In einem Spiegel-Online Interview argumentiert er, dass Atomkraftwerke sicher seien und der deutsche Konsens bezüglich der Atomenergie schon bald Geschichte sein könnte. Wenn man gegen den Klimawandel kämpfen möchte, sei es einfach irrational auf eine CO2 arme und sichere Möglichkeit zu verzichten.

Es mache keinen Sinn auf Atomenergie zu verzichten und gleichzeitig weiterhin fossile Brennstoffe zu nutzen, diese seien jedes Jahr für deutlich mehr Tote verantwortlich.

In den USA untersuchten 2013 P.A.Kharecha und  J.E.Hansen den historischen Einfluss von Atomenergie. Laut ihren Berechnungen wurden durch sie zwischen 1973 und 2009 etwa 2 Millionen von Leben gerettet, weil Atomenergie statt fossilen Brennstoffen genutzt wurde. Man versucht auch den Einfluss der deutschen Energiewende zu beziffern. So kalkulierten Stephen Jarvis, Olivier Deschenes, and Akshaya Jha in einer Studie von 2020, dass die Energiewende 1100 Menschenleben jährlich gekostet hat.

Es ist wirklich nicht einfach zu verstehen, warum in einer Zeit, in der der Klimawandel eines der Hauptthemen in der Politik ist auf eine sichere und CO2 arme Alternative verzichtet wird. Und noch viel weniger in einer Zeit, wo uns durch den russischen Lieferstopp von Gas ganz eindrutig vor Augen geführt wird, dass die nächste Zeit verdammt kalt und unermeßlich teuer wird.

Der Atomstrom ist keine Gefahr, sondern eine Chance. Ziele wie Klima- und Umweltschutz sind eine wichtige Herausforderung unserer Zeit. Der deutsche Atomausstieg schadet den Einwohnern Deutschlands und dem Klima, er schadet auch der gesamten Welt, da Deutschland eine Vorreiterrolle übernommen hat. Und seit einem halben Jahr ist auch der immense geopolitische Schaden immer deutlicher.

Erstmals erschienen beim Freydenker.