Photo: Marco Verch from Clickr (CC BY 2.0)

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist ein Produkt der Nachkriegsordnung. Die britische BBC stand als Vorbild für unser Rundfunkmodell. Es war eine andere Welt: Rundfunk und Fernsehen waren analog, die Frequenzen waren begrenzt und die Technik noch in der Entwicklung. Erst zum Ende des letzten Jahrhunderts kam mit der aufkommenden Digitalisierung ein Innovationsschub, der nicht nur eine große Anzahl privater Anbieter auf den Markt brachte, sondern auch bei den Öffentlich-Rechtlichen eine massive Ausweitung des Angebots zur Folge hatte.

Im letzten Jahrhundert gab es eine begrenzte Anzahl von Radioprogrammen und zwei bundesweite Fernsehprogramme mit ARD und ZDF. Für die regionale Ausrichtung waren die dritten Programme zuständig. Heute ist das alles anders. Streaming-Dienste mit Video-on-Demand-Angeboten und umfangreiche Mediatheken bei allen klassischen Sendern lassen das Angebot inzwischen unübersichtlich werden. Die Öffentlich-Rechtlichen sind hier besonders aktiv. Sie sind zwar nicht die Treiber der Entwicklung, aber durch ihre hohe Finanzkraft in der Lage, jede Entwicklung mitzugehen.

Mit 8,42 Milliarden Euro Beitrags- und Werbeeinnahmen von 640 Millionen Euro (ARD und ZDF) kommen die Sendeanstalten auf über 9 Mrd. Euro Einnahmen pro Jahr. Die Größenordnung ist beachtlich. Das ist mehr als der Umsatz aller Tages- und Wochenzeitungen in Deutschland zusammen (7,2 Mrd. Euro).

Die Kontrollsysteme der Sendeanstalten folgen jedoch nicht dieser Entwicklung. Das zeigt auch der Fall Schlesinger beim RBB. Denn das schier unglaubliche Gebaren der inzwischen fristlos gekündigten Intendantin des RBB wurde nicht intern festgestellt, sondern durch investigative Journalisten von „Business Insider“ entlarvt. Die Frage stellt sich, ob die Aufsichtsstrukturen geeignet sind, um die öffentlich-rechtlichen Sender ausreichend zu kontrollieren. Derzeit wählen die Länder und der Fernsehrat den Verwaltungsrat, der wiederum die Intendanz wählt, und das Finanzgebaren überwacht. Die Beitragszahler haben bislang keine Möglichkeit der Mitwirkung, obwohl sich mit dem Übergang vom Rundfunkgebühren- auf das aktuelle Rundfunkbeitragssystem im Jahr 2013 die Grundlage völlig verändert hat. Bis 2013 war die Zahlung eine Gegenleistung für bestimmte und tatsächliche in Anspruch genommene Leistungen (Gebühr). Nur derjenige, der tatsächlich einen Fernseher und ein Radio hatte, musste bezahlen. 2013 wurde das jetzige Beitragssystem eingeführt. Der Unterschied zum Vorgängermodell ist, dass nur die Möglichkeit der Inanspruchnahme gegeben sein muss, unabhängig davon, ob der Bürger einen Fernseher oder ein Radio besitzt oder nutzt.

Bei staatlichen Beitragsmodellen gibt es in der Regel auch eine Mitwirkung der Beitragszahler, nur nicht beim ÖRR. Wir kennen bei den aus Beiträgen finanzierten Sozialversicherungen, die Sozialwahlen (Arbeitgeber und Arbeitnehmer wählen). Wir kennen diese Systematik aber auch bei den aus Zwangsbeiträgen von Gewerbetreibenden finanzierten Industrie- und Handelskammern. Hier wählen die Zwangsmitglieder die Vollversammlungen der Industrie- und Handelskammern. Gleiches gilt bei den Handwerkskammern oder den Gremien der freien Berufe. Überall haben die Zwangsmitglieder wenigstens die Möglichkeit, auf die Besetzung der Kontrollgremien und damit auch indirekt auf Wahl der Leitung der öffentlich-rechtlichen Körperschaft Einfluss zu nehmen.

Auch diese Systeme sind alles andere als unproblematisch, nicht zuletzt was die Wahlbeteiligung und die Transparenz betrifft. Dennoch sind sie um Lichtjahre besser als das undurchsichtige System im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Warum sollen die Zwangsbeitragszahler des RBB nicht den neuen Verwaltungsrat wählen dürfen? Vielleicht geht man noch einen Schritt weiter: Wieso sollen sie nicht gleich die Nachfolge der geschassten Intendantin Patricia Schlesinger wählen? Hier gilt, was in den Sonntagsreden der Fernsehkommentatoren immer so bedeutungsschwer herausgestellt wird: Mehr Demokratie wagen!