Photo: Marco Verch from Flickr (CC BY 2.0)

Werden das Roboter- und Computer-Zeitalter einen erheblichen Teil der Menschheit arbeitslos machen? Wohl kaum. Vielmehr können wir eine zunehmende Humanisierung der Arbeitswelt erwarten. Die Dienstleistungsgesellschaft kommt unserem Drang zu Austausch und Kooperation entgegen.

Innovation und Technik sind nicht die Ursachen der Rückschläge für die Menschheit

In regelmäßigen Abständen skandalisieren und dramatisieren Zeitungen, Magazine und Fernsehdokumentationen den Untergang der gewohnten Arbeitswelt, weil die Digitalisierung immer mehr Arbeitsplätze vernichte. Der österreichische Kanzler und der Präsidentschaftskandidat der Sozialisten in Frankreich forderten kürzlich eine Maschinensteuer. Diese Ausbrüche der Zukunftsangst sind nichts Neues. Es fällt einem nicht wirklich schwer, sich vorzustellen, wie vor Zehntausenden von Jahren die Lastenträger und Eseltreiber panisch auf die Einführung des Lastkarrens reagiert haben müssen. Schon der römische Kaiser Vespasian verbot den Gebrauch technischer Innovation, um den Arbeitern zu garantieren, dass sie auch weiterhin in ihren alten Berufen ihr Brot verdienen können. Durch die Menschheitsgeschichte haben Politiker immer wieder eingegriffen, um Innovation zu behindern oder zumindest zu verlangsamen: aus Angst vor Massenarbeitslosigkeit und vielleicht mitunter auch aus echter Sorge um die Arbeiter. Oft nahmen die Arbeiter, die sich durch Maschinen und Technologie bedroht fühlten, die Sache in die eigenen Hände. Insbesondere in der Zeit der Industriellen Revolution gab es regelmäßige Aufstände sogenannter Maschinenstürmer.

Auch wenn die herbei beschworenen apokalyptischen Szenarien wieder und wieder ausgeblieben sind, finden sich doch zu jeder Zeit Politiker und Wissenschaftler, die argumentieren, nun sei aber wirklich der Zeitpunkt erreicht, wo Maschine, Roboter oder Computer den Menschen ersetzen. Und natürlich finden diese Theorien auch immer dankbare Abnehmer bei den Amateur- und Profi-Pessimisten dieser Welt. Angst ist eben immer ein gutes Geschäftsmodell. Und Katastrophenszenarien geben einem auch noch das erhebende Gefühl, in einer ganz besonderen Zeit zu leben, die anders sei als alles, was die Menschheit bisher erlebt habe. Die enttäuschende Realität: so besonders ist man dann doch nicht und auch die Katastrophen bleiben aus. Die wirklichen Rückschläge für die Menschheit kommen nicht aus Innovation und Technik, sondern aus politischen Entscheidungen, die sich von Ressentiments und Angst ernähren.

Es gibt immer mehr entlohnte Arbeit

Auch die Zahlen sprechen deutlich gegen die Theorie, dass Arbeit durch technischen Fortschritt verschwindet. Trotz des zunehmenden Grades an Automatisierung und des Niedergangs vieler Produktionszweige steigt die Zahl der Menschen, die einer Erwerbsarbeit nachgehen, in Deutschland und anderen vergleichbaren Ländern kontinuierlich an. Und das obwohl in den vergangenen Jahrzehnten auch noch immer mehr Frauen in den Arbeitsmarkt eingestiegen sind. 1882 hatte Deutschland 45,2 Millionen Einwohner und knapp 19 Millionen gingen einer Erwerbsarbeit nach (42,0 %). 25 Jahre später waren bei einer Bevölkerung von 62 Millionen bereits 28,1 Millionen in Lohn und Brot (45,5 %). Im Jahr 1991 gab es 38,7 Millionen Erwerbstätige bei einer Gesamtbevölkerung von 80,3 Millionen (48,2 %) und 25 Jahre später waren es 43,4 von 82,2 Millionen (52,8 %).

Der Anteil der Bevölkerung, der einer Arbeit nachgegangen ist, die zum eigenen Lebensunterhalt beigetragen hat, ist kontinuierlich gestiegen. Zwar gibt es heute weniger junge Menschen als vor 135 Jahren, aber auch das durchschnittliche Einstiegsalter in den Beruf ist konstant gestiegen, die Zahl der Über-65jährigen geradezu explodiert und der Anteil von berufstätigen Frauen an der weiblichen Gesamtbevölkerung in dieser Zeit von 24,4 auf 47,3 Prozent hochgegangen. Besonders spannend ist die Entwicklung der einzelnen Wirtschaftssektoren: Der primäre Sektor (also Landwirtschaft und Rohstoffproduktion) ist als Arbeitsplatz-Lieferant schlichtweg atomisiert worden. Der sekundäre Sektor (Industrie, Handwerk u. ä.) ist nach einem zwischenzeitlichen Aufstieg in der Hochphase der Industrialisierung auch im raschen Niedergang begriffen während der tertiäre Sektor (Dienstleistungen) beständig wächst – wohlgemerkt bei steigender Erwerbstätigenquote.

Erwerbstätige in den verschiedenen Wirtschaftssektoren

Erwerbstätige in den verschiedenen Wirtschaftssektoren

Es geht immer menschlicher zu am Arbeitsplatz

Welche Jobs gingen denn verloren durch die Industrialisierung und die Digitalisierung? Diejenigen, in denen man hart und lange arbeiten musste. Die Berufe, in denen man sich den Rücken krumm und die Lunge staubig geschuftet hat. Jene monotonen Aufgaben, bei denen menschliche Interaktion auf kurze Zurufe beschränkt war. Das Wachstum des tertiären Sektors hingegen bedeutet letztlich eine zunehmende Humanisierung der Arbeitswelt. Denn in der Dienstleistung sind Kooperation und Kommunikation gefragt. Es sind Berufe, in denen das Wichtigste ist, sich auf andere Menschen einzulassen: Verkäufer, Fahrerinnen, Pfleger, Beraterinnen oder Lehrer – all diese Menschen stehen in dauernden sozialen Kontakten. Wenn wir Menschen, wie es etwa die Philosophen der Schottischen Aufklärung häufig dargestellt haben, uns tatsächlich dadurch auszeichnen, dass wir auf Gemeinschaft ausgelegt sind, ist diese Form der Arbeit uns sehr viel angemessener als wenn wir alleine auf der Scholle oder am Fließband vor uns hin ackern.

Oft wird auch argumentiert, dass mit dem Wandel von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft Jobsicherheiten und gute, beständig ansteigende Bezahlung verschwinden würden. Tatsächlich ist der lebenslange Arbeitsplatz inzwischen wohl hauptsächlich ein Privileg von Beamten. Doch schon heute begreifen viele junge Menschen diese erhöhte Flexibilität als Chance. Sobald wir uns an die veränderten Umstände angepasst haben, bieten sich eben auch sehr viel mehr Möglichkeiten, unser Potential zu entfalten, als wenn wir unser Leben lang in einer Firma und in einem Bereich verharren. Und wenn über stagnierende oder sinkende Reallöhne geseufzt wird, kann man nicht oft genug daran erinnern, dass immer mehr und immer bessere Produkte zu immer günstigeren Preisen verfügbar sind. Während der Stahlarbeiter früher zwei Jahre auf die Urlaubswoche in Rimini sparen musste, kann heute die Kassiererin für den Lohn von fünf Arbeitstagen eine Woche Urlaub bestreiten.

Arbeiten, wo das häufigste Wort lautet: „Danke!“

Sicherlich wird der Transformationsprozess in der Arbeitswelt nicht ohne Verlierer vonstattengehen. Und natürlich hängt eine positive Entwicklung auch von anderen Faktoren ab – etwa davon, wie sehr die Politik im Stil von Kaiser Vespasian versucht, die Entwicklung der neuen Arbeitswelt durch Regulierungen, Verbote und Abgaben zu drosseln. Aber am Ende des Tages werden höchstwahrscheinlich alle besser dastehen. Die Entwicklung aufzuhalten, um die Privilegien von einigen zu schützen, geh jedoch fast immer zu Lasten von allen anderen. Wer den Verlierern helfen will, muss andere Wege finden als Interventionen durch eine Schutz- und Verbotspolitik, um zu vermeiden, dass dann andere Verlierer produziert werden.

Die Welt ist noch nie besser geworden durch die, welche die Vergangenheit schönreden und die Zukunft in düsteren Farben malen. Sie ist besser geworden durch diejenigen, die sich angepasst haben und nach Lösungen gesucht haben. Denjenigen, die von der guten alten Zeit träumen, muss man deutlich entgegenhalten: Wenn der Enkel des Kohlekumpels und der Näherin morgen sein Geld mit einer Halbtagsstelle bei einer Massage-Praxis, einigen Uber-Fahrten und einem Trödelmarkt-Stand verdient während seine Freundin in einem Catering-Unternehmen und als Stadtführerin arbeitet, dann ist das ein gewaltiger Fortschritt. Lebensqualität steigt nicht parallel zu Reallöhnen und ist auch nicht abhängig von der völligen Planbarkeit des eigenen Lebens. Lebensqualität hat auch viel zu tun mit sinkenden Preisen, höherer Produktvielfalt – und insbesondere mit einer Arbeitswelt, die uns Menschen nicht an den Rand der Erschöpfung bringt, sondern in jenes Umfeld, in dem das häufigste Wort lautet: „Danke!“

1 Antwort
  1. Martin Winter
    Martin Winter sagte:

    Was Clemens Schneider übersieht, ist, dass mit Digitalisierung und künstlicher Intelligenz nun auch der Tertiärsektor automatisiert wird. Maschinen können zwar nicht alle, aber immer mehr Dienstleistungen besser (wirtschaftlicher) erledigen als Menschen. Es bleiben immer weniger mechanische, sensorische und kognitive Fähigkeiten, in denen der Mensch besser ist als die Maschinen. Und nur in neuen Geschäftsmodellen, in denen ebensolche Fähigkeiten gefragt sind, können auch neue Jobs entstehen. Die Vermutung, dass im Zuge der Digitalisierung dauerhaft mehr Jobs verloren gehen, als neu dazukommen, ist nicht so unbegründet, wie der Autor sie darstellt.

    Ist das ein Grund zu Pessimismus? Ich glaube nicht.

    Es gibt neben Optimisten, die darauf vertrauen, dass alles gut wird, und Pessimisten, die Zukunftsangst verbreiten, noch einen weiteren Typus, den Clemens Schneider nicht erwähnt: Den Optimisten, der die Chancen der technischen Entwicklung nutzen will und sich vorurteilsfrei auf eventuell notwendige Anpassungen von Rahmenbedingungen – zum Beispiel bei einem schrumpfenden Arbeitsmarkt – einstellt.

    Wäre es nicht besser und mutiger, alle Argumente in eine solche Diskussion einzubeziehen, anstatt andere Meinungen unreflektiert in die Schwarzmaler- und Pessimisten-Schublade zu stecken?

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