Photo: Matt Runkle from Flickr (CC BY 2.0)
Bis zur Bundestagswahl haben alle stillgehalten: Der IWF, die griechische Regierung und auch die Kanzlerin. Über die Schuldentragfähigkeit Griechenlands wurde der Mantel des Schweigens gehüllt. Der schwelende Zwist zwischen IWF und den Euro-Staaten, ob Griechenland einen Schuldenerlass bekommen soll, wurde vorübergehend unter den Teppich gekehrt. Zu weit gehen die Ansichten auseinander. Der IWF beteiligt sich an den Krediten für Griechenland nur, wenn es einen Schuldenschnitt und ein Verbleib im Euro-Raum gibt. Der ehemalige Finanzminister Wolfgang Schäuble lehnte das immer wieder ab, um das griechische Desaster in seinem Haushalt nicht wirksam werden zu lassen. Er wollte damit verhindern, dass dies vor der Wahl zum Thema wird und vertagte es auf das kommende Jahr. So wurde bislang immer agiert. Immer sollte Zeit gewonnen werden. Jetzt ist er nicht mehr Finanzminister und kann das Problem anderen überlassen.
Doch nach sieben schlechten Jahren sind sieben gute Jahre immer noch nicht in Sicht. Griechenland darbt ökonomisch und politisch weiter vor sich hin. Der griechische Staat hat heute 325 Milliarden Euro Schulden, das ist mehr als vor 7 Jahren, als das Elend so abrupt öffentlich wurde. Heute ist die Industrieproduktion auf dem Niveau der späten 1970er Jahre. Seit 2008 hat Griechenland 45 Prozent seines Bruttoinlandsproduktes eingebüßt. Die in regelmäßigen Abständen immer wieder veröffentlichen positiven Wasserstandsmeldungen aus Griechenland sind nicht wirklich ernst zu nehmen. Wie kaputt die Wirtschaft ist, zeigt die Summe der notleidenden Kredite in den Büchern der Banken: 42,7 Prozent der Immobilienkredite sind faul. 53,6 Prozent der Konsumentenkredite und 44,4 Prozent der Unternehmenskredite sind mehr als 90 Tage im Zahlungsverzug. Zwar ist der Schuldenstand im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung inzwischen auf schwindelerregende 180 Prozent gestiegen, doch die Tragfähigkeit ist nicht mehr so sehr das Problem. Die Sozialisierung der griechischen Schulden im Euroraum hat dazu geführt, dass die durchschnittliche Zinsbelastung der Hellenischen Republik bei unter 2 Prozentpunkten (!) liegt. Viel geringer ist die Zinsbelastung Deutschlands auch nicht, sie liegt aktuell bei 1,5 Prozentpunkten.
Wenn die Pläne der Eurofinanzminister und auch des IWF so aussehen, dass die durchschnittliche Laufzeit der griechischen Schulden von 20 auf 40 oder 50 Jahre verlängert wird, dann mag das dem griechischen Ministerpräsidenten Tsipras gefallen, weil er dann seine Militärausgaben weiter hochhalten und sogar steigern kann. Damit entspricht er zwar den Forderungen des amerikanischen Präsidenten, aber die Probleme Griechenlands sind dadurch längst nicht gelöst. Griechenland gibt 2,5 Prozent seines BIPs fürs Militär aus. Das ist mehr als Frankreich (2,3 Prozent) und mehr als Deutschland (1,2 Prozent). Und auch absolut gibt Griechenland wieder mehr Geld für die Verteidigung aus. Waren es 2013 noch 2,36 Milliarden Euro, so waren es 2016 bereits 2,55 Milliarden Euro. Griechenland schafft es nicht im Euro, das muss inzwischen allen klar sein. Man könnte beide Augen zudrücken, wenn diese Mentalität des Durchwurstelns sich nicht auf andere Eurostaaten übertragen würde und es nicht erhebliche Kollateralschäden für die Sparer in unserem Land mit sich bringen würde. Eine weitere Hängepartei ist weder Griechenland noch dem Steuerzahler zuzumuten. Deshalb muss jetzt der Grexit eingeleitet werden, um das Land außerhalb des Euro, aber in der EU zu entschulden. Griechenland braucht eine Chance für einen Neustart. Diese Chance wäre echte europäische Solidarität!
Griechenland sollte auch ein mahnendes Beispiel dafür sein, dass die Kollektivierung von Risiken in der EU die Probleme allenfalls hinausschiebt, aber nicht löst. Auch ein Eurozonenbudget, das Geld über Auflagen verteilt, wäre nach demselben Muster gestrickt, das gerade in Griechenland gescheitert ist. Und die Kollektivierung der Einlagensicherung, sei es heute, morgen oder übermorgen, würde das Problem des Bankensektors in Südeuropa nicht lösen, sondern Sparer in Deutschland für die Schieflagen von Banken in Griechenland oder Italien heranziehen.
Damit wird das Vertrauen in die EU und ihre Institutionen nicht gestärkt, sondern geschwächt. Wer die Euro-Schuldenkrise lösen will, muss Risiko und Haftung wieder zusammenführen. Nur so kann Verantwortung für eigenes Handeln entstehen und der Zins als Risikoindikator wieder seine wichtige Wirkung in der Marktwirtschaft entfalten. Eine neue Bundesregierung hat hier die Möglichkeit, endlich einen neuen Kurs einzuschlagen. Die Politik seit Ausbruch der Krise hat Europa nicht einer Lösung nähergebracht, sondern die Probleme nur noch zementiert, indem sie mit billigem Geld zugeschüttet wurden. Vielleicht gelingt es der neuen Regierung, diese defensive Strategie zu ersetzen durch eine mutige und nach vorwärts schauende, durch eine, die die Fundamente der Europäischen Einigung wieder ernstnimmt: Rechtsstaat, Marktwirtschaft und Eigenverantwortung. Das wäre besser für Griechenland, für Europa und für die Bürger unseres Landes.
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