Photo: Jaromir Kavan from Unsplash (CC 0)
Die enge Verzahnung von Kirchen und Staat ist ein Relikt, das beseitigt werden müsste. Es ist nicht nur fraglich geworden in einem Land, das zunehmend von Religionsvielfalt und Säkularisierung geprägt ist. Auch den Kirchen täte eine Frischzellenkur gut.
Eine Serie von PR-Debakeln
Hamburg, Freiburg, Eichstätt – die drei katholischen Bistümer haben in den letzten Monaten Schlagzeilen gemacht im Zusammenhang mit dem sehr irdischen Mammon. Das Hamburger Erzbistum hat die Schließung von bis zu acht Schulen in kirchlicher Trägerschaft verkündet – ausgerechnet in sozial schwachen Gegenden. Das Erzbistum Freiburg hat jahrelang darauf „verzichtet“, Sozialversicherungsabgaben für geringfügig Beschäftigte abzuführen. Und in Eichstätt hat sich ein veritabler Krimi abgespielt: Zwei ehemalige Angestellte des Bistums befinden sich derzeit in Untersuchungshaft, weil sie in den USA rund 56 Millionen Dollar des Kirchenvermögens in dubiosen Immobilienprojekten angelegt hatten – und dabei wohl selber auch gut verdient haben.
Auch aus anderen Gründen kommen die Kirchen immer wieder in die Schlagzeilen. Etwa im Bereich des Arbeitsrechts. Da wird geschiedenen Mitarbeitern gekündigt, weil sie mit einem neuen Partner zusammenleben. Das wäre prinzipiell vielleicht noch gar nicht so problematisch, wenn man kein glühender Anhänger des „Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes“ ist. Allerdings sind die kirchlichen Arbeitgeber oft nicht in einer vergleichbaren Stellung wie ein Privatunternehmer. Häufig werden ihre Einrichtungen auch in erheblichem Maße durch staatliche Zuschüsse subventioniert und profitieren von staatlichen Privilegien. Umso unfairer ist es, dass sie Ausnahmen beim Arbeitsrecht machen dürfen, die einem vollständig privaten Unternehmer nicht gestattet sind.
Kirchensteuern: das Gegenteil von Großherzigkeit
Am anschaulichsten wird die Privilegierung der Kirchen bei der Kirchensteuer. Im Jahr 2016 hat die Katholische Kirche auf diesem Weg 6,15 und die Evangelische 5,45 Milliarden Euro eingenommen. Das sind inflationsbereinigt 1,3 Milliarden bzw. 600 Millionen Euro mehr als vor dreißig Jahren. Und das, obwohl in der Zeit die Katholische Kirche 2,65 Millionen Mitglieder verloren hat und die Evangelische 3,49 Millionen. Die schieren Zahlen sind sehr eindrucksvoll. Nun muss man der Fairness halber sagen, dass das Verschwinden von Millionen in dubiosen Immobilien in Miami und Minneapolis nicht der Regelfall ist. Und auch die goldene Badewanne des ehemaligen Bischofs von Limburg ist keine übliche Investition in Kirchenkreisen. Ein erheblicher Teil des Geldes wird auch durchaus begrüßenswerten Zwecken zugeführt.
Dennoch ist die Kirchensteuer ein Problem. Anders als bei einer Spende an eine wohltätige Vereinigung hat der Steuerzahler keine Kontrolle über die Mittelverwendung. Es fehlt auch an einer bewussten Entscheidung, so dass er das Geld eher missvergnügt verschwinden sehen wird als es mit frohem Herzen und echter Großzügigkeit zu verschenken. Aus religiöser Sicht ist das größte Problem, dass der Ärger über die Kirchensteuer viele zum Kirchenaustritt führt. Theologisch gesehen ist der Austritt aus einer Kirche freilich nicht ein Verwaltungsakt, sondern kann eigentlich nur durch eine bewusste und dauerhafte Entscheidung des Menschen gegen Gott geschehen. Es grenzt aus theologischer Sicht an eine Perversion, dass die deutschen katholischen Bischöfe die Weigerung, die Kirchensteuer zu bezahlen, wie eine Entscheidung gegen Kirche und damit gegen Gott behandeln. So treibt man die Menschen erst recht aus der Kirche.
Kirchen und Staat: Zeit für den Einstieg in den Ausstieg
Es wäre unsinnig bis unmöglich, die vielfachen Verquickungen von Staat und Kirche von heute auf morgen zu lösen. Allerdings sollten sich beide Seiten – politische und kirchliche Akteure – darauf einstellen, dieses Relikt des 19. Jahrhunderts schrittweise abzubauen und perspektivisch ganz zu beseitigen. In dem Zusammenhang wäre es angebracht, darüber nachzudenken, wie etwa das Steuerrecht so gestaltet werden kann, dass Geldzuwendungen für kirchliche Aufgaben, die andernfalls vom Staat übernommen werden müssten, noch viel stärker privilegiert werden. Wobei dann freilich auch Waldorf-Schulen, islamische Wohltätigkeitsvereine und private Kältebusse für Obdachlose die gleichen Privilegien genießen sollten.
Die Hamburger Katholiken planen gerade genossenschaftliche Lösungen zum Erhalt der Schulen, die das Bistum schließen möchte. Die orthodoxe Kirche, viele evangelische Freikirchen und die allermeisten nichtchristlichen Gemeinschaften in Deutschland erheben keine Kirchensteuern. In den allermeisten Ländern der Welt leben die Kirchen einzig und allein von Spenden und Engagement ihrer Gläubigen. Diese aktive Einbindung anstelle der zwangsweisen Verpflichtung kann übrigens ganz erstaunliche Kräfte freisetzen und ein ganz neues Gefühl der Verantwortlichkeit und Loyalität gegenüber der Religionsgemeinschaft erzeugen. Ein Ausstieg aus der engen Verflechtung von Kirchen und Staat ist nicht nur angemessen wegen der abnehmenden Bedeutung der Kirchen in unserem Land, sondern kann auch aus kirchlicher Sicht eine echte Chance der Erneuerung sein. Das hat schon der ehemalige Papst Benedikt erkannt, als er – zum Entsetzen der versammelten Berufskatholiken Deutschlands – in einer Rede im September 2011 in Freiburg feststellte:
Die Geschichte kommt der Kirche in gewisser Weise durch die verschiedenen Epochen der Säkularisierung zur Hilfe, die zu ihrer Läuterung und inneren Reform wesentlich beigetragen haben. Die Säkularisierungen – sei es die Enteignung von Kirchengütern, sei es die Streichung von Privilegien oder ähnliches – bedeuteten nämlich jedesmal eine tiefgreifende Entweltlichung der Kirche, die sich dabei gleichsam ihres weltlichen Reichtums entblößt und wieder ganz ihre weltliche Armut annimmt.
Herr Schneider dieser Beitrag findet meine weitegende Unterstützung. Insbesondere die Ausführungen zur Kirchensteuer sind beachtenswert.
Es wäre gut wenn einmal aufgezeigt würde wie es nach dem 1. Weltkrieg zu der heute noch gültigen festlegung und verknüpfung von Staat und Kirche im Deutschen Reich kam. Auf der einen Seite verloren die Protestanten den Kaiser als Oberhaupt auf der andern Seite fixierte das Konkordat (anfang der 30. Jahre) zwischen Rom und dem Reich die teilweise Alimentierung der christlichen Kirchen. Interessant könnte es auch sein, auf zu zeigen wie sich die Kirchen vor und nach der Reichsgründung 1871 finanzierten.