Photo: Lewin Bormann from Flickr (CC BY-SA 2.0)

Angesichts des Angriffs auf die Ukraine gilt es vor allem, aus der vorangegangenen Politik zu lernen und nicht die Fehler der Vergangenheit zu wiederholen.

Viele Menschen flüchten aus der Ukraine in Richtung Polen, Slowakei, Rumänien, Ungarn und Moldawien. Die dortigen Zivilgesellschaften reagieren vorbildlich: Privatpersonen, Stiftungen und Unternehmen sorgen für Hilfe, medizinische Versorgung und Verpflegung. Trotz russischer Propagandaversuche, die Bevölkerungen gegen die Flüchtlinge auszuspielen, zu beobachten besonders in Polen, reagieren die Menschen geschlossen und solidarisch.

Es wird geschätzt, dass etwa 2,2 Millionen ukrainische Flüchtlinge europäische Länder erreichen werden. Möglicherweise werden es mehr. Auch wenn vor allem die angrenzenden Staaten den Löwenanteil der Aufgabe übernehmen müssen, steht Deutschland besonders aufgrund seiner historischen Verantwortung in der Pflicht.

In einem Beitrag der Bundesregierung in den sozialen Medien heißt es, dass Menschen, die ohne Visum für einen Kurzaufenthalt von 90 Tagen eingereist sind, einen Antrag stellen können, um diesen um weitere 3 Monate zu verlängern. Dies ist nicht genug. Gerade die Menschen, die vor einem Krieg flüchten, für den Deutschland bestenfalls als „nützlicher Idiot“ mitverantwortlich ist, verdienen eine Chance, mehr Sicherheit und Stabilität in unserem Land zu finden.

Es ist deshalb erfreulich zu hören, dass auf europäischer Ebene bereits über ein zweijähriges Aufenthaltsrecht einschließlich einer Arbeitserlaubnis gesprochen wird: Das ist ein sehr guter Anfang.

Auch falls die Ukraine durch ihre mutige Bevölkerung, die für Freiheit und Selbstbestimmung kämpft, der Invasion standhalten sollte, wird das Land nach dem Krieg verwüstet sein und ökonomisch am Boden liegen. Es wäre eine Schande, diese Menschen, die in ihrem Land wortwörtlich auf verbrannte Erde stoßen würden, direkt aus Deutschland auszuladen.  Sicherlich werden auch diejenigen, die sofort zurückkehren wollen, um ihr Land wieder aufzubauen, von den finanziellen Ressourcen und dem know how profitieren, welche sie sich in ihrer Zeit hier aneignen konnten. Durch die Erfahrungen, die sie in Deutschland sammeln würden, wären diese Menschen ein großes Asset für die wiederaufstehende ukrainische Wirtschaft.

Auch der EU-Beitritt, über den heute schon gesprochen wird, oder der NATO-Beitritt können wichtige Bausteine sein, das Land wieder zu stabilisieren und nicht nur auf Kurs Richtung Frieden, sondern auch Richtung Wohlstand zu bringen. Aufbauhilfen und eine bessere Zusammenarbeit mit der Ukraine werden Ergebnisse bringen. Eine der ökonomisch effektivsten Methoden der Armutsbekämpfung sind aber Direkttransfers, die so häufig von Migranten zu ihren Familien vor Ort fließen. Diese erreichen unmittelbar diejenigen, die die Mittel am dringendsten brauchen und am besten wissen, wie sie sie verwenden sollten – und das ohne großer Kosten.

Wenn wir das ermöglichen wollen, reichen keine Kurzaufenthalte. Es reichen keine Anträge auf VerlängerungDie ukrainischen Flüchtlinge sollten, anders als es 2015 mit den Flüchtlingen aus Syrien, Afghanistan, Irak passiert ist, direkt in den Arbeitsmarkt integriert werden. Sie sollten umgehend eine Arbeitserlaubnis erhalten, um für sich selbst sorgen zu können. Viele von ihnen sind bis vor zwei Wochen Berufen auf einem Niveau nachgegangen, das dem in Deutschland üblichen in nichts nachsteht. Natürlich hat gerade unter jungen Menschen der Anteil derer, die Englisch oder sogar Deutsch sprechen, in den letzten Jahren signifikant zugenommen, was eine Integration in den Arbeitsmarkt deutlich erleichtert.

Gerade durch eine rasche Einbindung in den hiesigen Arbeitsmarkt entstehen weniger Kosten für Deutschland. Durch ihre Arbeitskraft und ihre andere Sicht auf die Welt könnten die Ukrainer nicht nur bei vielen Problemen, wie dem Fachkräftemangel und der demographischen Herausforderung helfen. Es ist klar, dass sie das Problem nicht umfassend lösen können: Aber wie so häufig in der Politik, sollte man langfristig denken. Bei einer optimalen Lösung würden auch nach dem Krieg Menschen aus der Ukraine nach Deutschland kommen dürfen. Die Kinder, die heute vor dem Krieg fliehen, würden deutsche Schulen besuchen und sich höchstwahrscheinlich für die weitere Ausbildung in Deutschland entscheiden. Aber selbst die Kriegsflüchtlinge würden die Wirtschaft Deutschlands schon langfristig verändern und durch andere Vorgehens- und Denkweisen antreiben. Die Ukraine hatte vor dem Krieg eine spannende StartUp-Szene, gerade im Tech- und Dienstleistungsbereich. Diejenigen, die heute aus dem Land fliehen, sollten ihren unternehmerischen Geist nicht an der Grenze zu Deutschland abgeben müssen. Sie sollten die Möglichkeit haben, ihre Projekte weiterzuführen. Es kommen nicht „nur“ Arbeitnehmer – auch im Bereich des Unternehmertums ergeben sich viele Chancen. Wenn wir diese zulassen.

Man muss diese Menschen nicht in Lagern und Flüchtlingszentren versauern lassen. Man muss keine „Parallelgesellschaften“ erschaffen. Um ihnen eine faire Chance zu geben, müssen wir ihnen die Möglichkeit bieten, sich zu entfalten und in die Gesellschaft zu integrieren. Dies ist ohne eine langfristige Arbeitsmöglichkeit nicht möglich.

Wenn wir ihnen auch langfristig die Möglichkeit geben, zu bleiben, um in Deutschland ihr Geld zu verdienen, werden sie genau wie zuvor die türkischen, italienischen oder polnischen Migranten zu einem wichtigen Teil unserer Gesellschaft und Wirtschaft. Eine Situation, von der alle profitieren würden.

Geben wir den Ukrainern eine Chance. Sie sind keine Belastung, sie werden uns helfen. Sie werden uns stolz machen.

 

1 Antwort
  1. Ralf Becker
    Ralf Becker sagte:

    Damit Flüchtlinge bei uns auf Dauer überhaupt erfolgreich integriert werden können, müssten wir ein anderes Wirtschaftssystem haben.

    Beim derzeitigen Wirtschaftssystem machen jedenfalls ständig immer alle Bürger die vielen Schulden, weil es ohne Schulden insofern auch kein Geld im Umlauf gibt.
    Dann gibt es zwar etwas Ähnliches wie einen „marktwirtschaftlichen Wettbewerb“, jedoch wird dieser fast nur mit der Marktmacht weniger großer Akteure und eher weniger mit dem Fleiß von Einzelpersonen gewonnen.
    Beim derzeitigen Wirtschaftswettbewerb steigen jedenfalls wegen des fehlerhaften „Deficit Spendings“ der öffentlichen Haushalte die Pro-Kopf-(Staats-) Schulden der Bürger immer mehr an und es ist dann mit der Zeit auch immer mehr Geld im Umlauf , das jedoch extrem ungleich verteilt ist.

    Wir müssen von der Vorstellung wegkommen, dass Geld ein Tauschmittel ist.
    Es gibt etwa den Vorschlag, dass jeder sein eigenes Geld schöpfen sollte.
    Ob sich diese Idee unter bestimmten Bedingungen umsetzen lässt, kann ich aber zurzeit nicht wissen.
    Die Idee mit dem „Segen des Egoismus“ ist aber ganz sicher sinnvoll.
    Beispielsweise könnte das Arbeitseinkommen sehr viel mehr als jetzt mit Hilfe der geleisteten Arbeitszeiten ermittelt werden, weil das Abrechnungssystem der Wirtschaft dann einen besseren Bezug zur Realwirtschaft hat.
    Ein gutes Wirtschaftssystem muss es erreichen, dass die Arbeit abgeschafft wird. Die „Schaffung von Arbeitsplätzen“ kann nicht der Sinn des Wirtschaftens sein.

    Was den Krieg in der Ukraine betrifft, muss man es eben auch wissen, dass es dabei unter anderem auch um die Umsetzung des Projektes von Chinas Neuer Seidenstraße geht, an dem auch Russland beteiligt ist.

    Chinas Neue Seidenstraße kann aber aus folgenden Gründen gar nicht funktionieren:

    Spiegel, 07.04.2018
    Schuldenfalle Seidenstraße
    China lockt mit 900 Milliarden Dollar

    dw.com, 01.06.2018
    Chinas Seidenstraße stößt in Südasien auf Widerstand

    Welt, 01.12.2018
    Schuldenfalle
    Auf der „Neuen Seidenstraße“ in die finanzielle Abhängigkeit von China

    wirtschaftsdienst.eu, 2019
    Chinas Neue Seidenstraße

    asiafundmanagers.com, 25. März 2019
    Chinas “Belt and Road Initiative”: Verkleidete Schuldenfalle?

    apolut.net, 06.09.2019
    The Wolff of Wall Street: Neue Seidenstraße
    von Ernst Wolff

    YouTube-Video:
    Die Neue Seidenstraße: „Das gefährlichste Projekt dieses Jahrhunderts“ – Autor Ernst Wolff

    Weil China ein besonders wichtiger Akteur ist, könnte man sich auch etwas mehr mit dem dortigen Wirtschaftssystem gedanklich beschäftigen.

    wallstreet-online.de, 29.10.2020
    Chinas Führungselite bringt neuen Fünf-Jahres-Plan auf den Weg

    bitcoin-2go.de, 9. APRIL 2021
    Digitaler Yuan: China und die Auswirkungen von CBDC auf die USA

    nzz.ch, 14.04.2021
    «Viele ärmere Länder haben keine andere Möglichkeit, als sich bei China zu verschulden»

    merkur.de, 19.04.2021
    PROJEKT ONE BELT, ONE ROAD
    Neue Seidenstraße: Was alles zum Mega-Projekt gehört

    btc-echo.de, 31. Mai 2021
    Yao Qian
    CBDC in China laut Experten auf dem Rücken von Ethereum möglich

    Damit ein anderes Wirtschaftssystem eingeführt werden kann, müssten vor allem die Großmächte mitmachen. Ein einzelnes Land kann nichts verändern.

    Antworten

Dein Kommentar

An Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns Deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert