Photo: Ariel Pilotto from Unsplash (CC 0)

Der Überfall Putins auf die Ukraine erinnert an den Überfall Nazi-Deutschlands auf Polen 1939. Hoffentlich führt es nicht zum gleichen Flächenbrand in Europa und in der Welt. Die entschlossene Antwort des Westens, sogar fast der ganzen Weltgemeinschaft, macht Hoffnung, dass wir aus 1939 und den Folgejahren gelernt haben. Wenn nur Schurkenstaaten wie Belarus, Syrien, Eritrea, Nordkorea und Russland selbst gegen eine Verurteilung des Angriffskrieges auf die Ukraine gestimmt haben, dann ist das bezeichnend.

Putins Vorgehen ist irrational. Von der Zeit der Perestrojka bis zum 24. Februar 2022 galt auch unter unseren osteuropäischen Nachbarn der Grundsatz, dass der Austausch von Waren und Dienstleistungen Wohlstand auf beiden Seiten schafft, auch grenzüberschreitend. Allein diese gegenseitige Abhängigkeit sollte Vertrauen stiften. Denn man sägt eigentlich nicht den Ast ab, auf dem man sitzt. Das sollte selbst für Putin und die Oligarchen gelten.

In Russland hat sich eine Nomenklatura leistungslos über viele Jahrzehnte bereichert. Doch den meisten Russen ging es vor wenigen Tagen immer noch besser als nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion. Die steigende Entwicklung der Lebenserwartung ist ein Indikator dafür. Dass der Anstieg des Wohlstands in Russland nicht Schritt halten konnte mit Transformationsländern im Baltikum, in Polen oder Tschechien hat mit dem Fehlen von rechtsstaatlichen Strukturen, Meinungsfreiheit und Demokratie zu tun. Nicht alle Transformationsländer der EU sind hier vorbildlich aufgestellt, sie sind aber eingebunden in einem gemeinsamen Markt, der zur Rechtsstaatlichkeit drängt. Das ist bei aller Kritik an den Entscheidungsprozessen der EU ein sehr hohes Gut. Wahrscheinlich hätten die Staaten des ehemaligen Ostblocks, die heute Mitglied der EU sind, diesen Transformationsprozess in dieser Gänze und Kontinuität nicht so erfolgreich bewerkstelligt. Und natürlich ist die Einbindung in die NATO die Lebensversicherung dieser Länder. Gerade das sieht man ja am Überfall auf die Ukraine.

Die Staatengemeinschaft reagiert mit umfangreichen Sanktionen, die Russland hart treffen. Die Regale sind bereits leer, Russland ist vom internationalen Zahlungsverkehr abgeschnitten und Unternehmen brechen ihre Kontakte mit Russland von heute auf morgen ab. Das ist richtig und notwendig, um Putin zu isolieren und hoffentlich ein rasches Ende des Schreckens herbeizuführen.

Dem Westen, insbesondere Deutschland wirft man jetzt eine Naivität im Umgang mit Putin vor, etwa durch die hohe Abhängigkeit Deutschland von russischem Gas und Öl. Das ist so. Putin hat uns getäuscht – und wir haben uns auch täuschen lassen. Daraus müssen Konsequenzen gezogen werden. Eine ist, in der Energiepolitik stärker zu diversifizieren. Sowohl was die Lieferantenländer betrifft als auch die Art der Energieerzeugung. Sowohl Kohle als auch Kernenergie könnten deshalb wieder eine Renaissance erleben.

Jedoch wird dies kurz- und mittelfristig nicht die Verwerfungen bei der Energieversorgung und den unterbrochenen Lieferketten beseitigen. Hier muss die Marktwirtschaft als Entdeckungsverfahren wirken. Sie kann am schnellsten Abhilfe schaffen. Und dies kann ohne Subventionen und staatliche Intervention geschehen. Der Staat muss sich einfach zurücknehmen, weniger tun und sich nicht weiter einmischen. Es wäre spätestens jetzt der Zeitpunkt, eine Offensive der Weltgemeinschaft für den Freihandel zu starten. Auch das wäre ein starkes Zeichen der Verbundenheit gegen Putin.

International müssten die USA und die EU die Welthandelsorganisation WTO wieder fördern und den Streitbeilegungsmechanismus stärken. Die EU könnte Zölle und Handelsbeschränkungen auch einseitig abbauen, um damit die Preise für Energie, Stahl, Weizen und Rohstoffen zu senken oder weniger stark ansteigen zu lassen. Es ist doch absurd, Mengenbeschränkungen für Stahl in der EU aufrecht zu erhalten, wenn wir sehenden Auges in eine Verknappung hineinlaufen, die dann zahlreiche Unternehmen in die Insolvenz treiben. Und wenn nicht jetzt die Handelsabkommen TTIP und CETA ratifizieren werden, wann dann? Wenn nicht jetzt die Stunde des Freihandels schlägt, wann dann? Der freie, ungehinderte Austausch kann ein starkes Zeichen der Vitalität und Robustheit freier Gesellschaften sein in dem sich beschleunigenden globalen Systemwettbewerb.

7 Kommentare
  1. Dr. Alexander Dill
    Dr. Alexander Dill sagte:

    Komisch, bei den Überfällen auf Afghanistan, Irak und Libyen mit über einer Million getöteten Zivilisten gab es keine Sanktionen und Demos. Wahrscheinlich, da die USA ja kein Schurkenstaat sind, sondern eine „freie Gesellschaft“. Das sollte die Opfer freuen.

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  2. Christian Broca
    Christian Broca sagte:

    Ich erinnere mich vague an einem Artikel hier auf diese Website, in dem das Prinzip der Demokratie als Knechtschaft, nun durch das Volk, sprich durch eine Mehrheit, so groß oder so klein sie sein möge, gegenüber einer Minderheit, dargestellt wurde. Liegt etwas 1 1/2 bis 2 Jahren zurück. Ist dieser Artikel wieder zu finden? Vielen Dank für einen Hinweis.
    Denn nun, reicher um die Erfahrungen der letzten zwei Jahren und vorausgesetzt, das Ziel ist neue weittragender Lebensgrundlagen zu schaffen, dann tut es dringend Not vorher die inzwischen ausgeleierte Begriffe neu zu füllen.
    Ich erinnere mich an eine Erklärung, -ich weiß nicht mehr von wem sie stammt-, die besagte: „man könne nicht Probleme lösen mit demselben Denken, durch das sie entstanden sind“. Dies kam mir damals in den Sinn als ich den o.g. Artikel las….und scheint mir inzwischen aktueller denn je zu sein.
    Eine zweite Säule jegliches zukünftiges Handels könnte die sein, „dass kein Zug schneller als sein langsamster Wagen fahren kann… und darf“.
    Mir scheint es notwendig zu sein, Standpunkte zu finden, die jenseits von Meinungswirrwarr und jeglichem Lobbyismus liegen, Standpunkte, durch die die eben Beidgenannten sich selbst außer Kraft setzten…

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  3. Brigitte Kashofer
    Brigitte Kashofer sagte:

    Um die Welt in gute Staaten und Schurkenstaaten einzuteilen, braucht es das Prometheus-Institut nicht. Das tun ohnehin die US-hörigen Systemmedien.

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  4. Alexander Schärling
    Alexander Schärling sagte:

    Freihandel – Eine gewagte Aussage : “ Dass die Russen nicht Schritt halten konnten mit den Transformationsländern wie….hat mit dem Fehlen von ….. zu tun“ Es war wohl eine Frage der Prioritäten : der Rüstungshaushalt genoss auf Seiten Russlands höhere Priorität. Aber warum ??? Alle (!) Parteien und deren an Laienschauspieler ähnelnden Protagonisten (auch „Politiker“) genannt, haben zugeschaut und dies über die Abnahme von Gas „finanziert“. Auch alle jubelnd, als ohne Alternative hinsichtlich „unabhängiger Versorgung“ ein Ausstieg aus der Kernenergie beschlossen wurde. Wer „dagegen“ war und warnte ?
    Die AFD…
    Man muss sich nur die „Qualitäten“ der handelnden Politiker anschauen, auch wie eine Verteidigungsarmee (Bundeswehr) durch Unfähige förmlich „an die Wand“ gefahren wurde. Eine Nomenklatura leistungslos über Jahre bereichert ? Da muss ich in „unserer Demokratie“ nicht lange suchen. Im „Staatsapparat“ und im scheinbar alles lösenden Digitalisierungswahn mit Förderung unsinnigster Firmengründungen (sog. „Start Ups“ ) wird man da schnell fündig…Korruption und Kapitalvernichtungsprozesse sind keine Merkmale sog. gerne von uns bezeichneten Schurkenstaaten. Verhinderte Reformprozesse in allen Bereichen, 15 Jahre Stillstand….Wer nichts reformieren kann beschäftigt sich mit Gendern…Und alle schauten zu…Auch interessant, dass wir uns haben täuschen lassen“ – Sich getäuscht zu fühlen ist ein Ergebnis einer naiven Erwartungshaltung. Auch dies hat etwas mit Qualität und Biografie handelnder Personen zutun.
    Eine bürokratische Republik Deutschland (BRD), „vertreten“ durch eine sich selbst verwaltende unfähige „Politikerkaste“.
    Die Bürger müssen endlich die Möglichkeit besitzen, Kandidaten einer Partei ohne Rücksicht auf deren Listenplätze zu wählen. Wer über „unsere Demokratie“ fabuliert und über „alles erhebt“ der sollte das Mosaiksteinchen „Freihandel“ nicht zum alles lösenden Dogma erheben, sondern Vorschläge unterbreiten, wie das Verständnis der herrschenden Politikerkaste zu „unserer über allem stehenden Demokratie“ neu definiert werden kann…
    Insofern möchte ich leider konstatieren : TTIP und CETA als „Brustlöser“ ? Thema verfehlt.

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  5. Frank Hägermann
    Frank Hägermann sagte:

    Absolut richtig was Herr Schäffler schreibt . Wenn es Sanktionen geben soll und Mengen fehlen, dann müssen auf der anderen Seite sämtliche Zölle fallen .
    Eigentlich logisch.
    Nur für die EU offensichtlich nicht .
    Wenn das nicht ganz schnell passiert, laufen wir in eine Katastrophe .

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  6. Sylvia Kaufhold
    Sylvia Kaufhold sagte:

    Ich sehe das anders. Wandel durch Handel hat ganz offensichtlich seine Grenzen, genauso wie die weiteren Versprechungen eines globalen Freihandels. Seine (klima-, umwelt-, wirtschafts- und nunmehr auch sicherheitspolitischen) Nachteile übertreffen seine vor allem für Großkonzerne bestehenden Vorteile um ein Vielfaches. Gerade europäische Wirtschaftsliberale müssen jetzt ihre Lernfähigkeit unter Beweis stellen. Wir brauchen mehr Nachhaltigkeit und Realismus in der Freihandelsidee. Konzentration auf qualitatives Wachstum, den jeweiligen Kontinent und eine marktnahe Produktion erscheinen attraktiver denn je. Dazu gehört auch ein Bekenntnis zu „Europe first“, wenn es hart auf hart kommt.

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