Photo: Revan Ramishvili from Flickr (PDM 1.0 DEED)

Vergangene Woche jährte sich der Geburtstag Friedrich August von Hayeks zum 125. Mal. Von Linken wird er gern in eiskalten Farben gezeichnet, und Konservative vereinnahmen ihn, weil er Anzugträger war. Wer tiefer in sein Leben und Werk vordringt, entdeckt ihn hingegen vor allem als einen leidenschaftlichen Kämpfer für seine Überzeugungen. Gäbe es doch heute mehr davon!

Der Einfluss, den Vordenker wie Hayek und Friedman auf das „neoliberale“ Zeitalter von Thatcher bis Schröder ausgeübt hatten, lässt sie für ihr Gegner oft als dominierende Giganten erscheinen. Als Männer, die den akademischen und politischen Diskurs unangefochten beherrschen. In den 80er Jahren mag sogar etwas an dieser Wahrnehmung dran gewesen sein. Das Verständnis, das Ordoliberale, Vertreter der Österreichischen Schule und der Schule von Chicago davon hatten, wie Staat, Wirtschaft und Gesellschaft funktionieren sollen, wurde damals bis weit in den Mainstream hinein geteilt und prägte auch die Politik von Sozialdemokraten wie Clinton und Blair.

Aber zu der Zeit war Hayek ein greiser Mann von über 80. Der große Teil dieser Entwicklungen war nicht mehr auf seine unmittelbaren Aktivitäten zurückzuführen, sondern Ergebnis von vielen Jahrzehnten. Es war ein Ideenkosmos entstanden und eine ganze Generation von Vordenkern beeinflusst worden, so dass Berater von chilenischen Militärdiktatoren wie von neuseeländischen Sozialdemokraten sich auf ein und dieselbe intellektuelle Tradition berufen konnten. Hayek hatte damals nicht mehr die Fäden in der Hand, sondern konnte vielmehr aus seiner Freiburger Altersresidenz darauf blicken, wie sein Jahrzehnte währendes Investment Früchte trug.

Wie anders hatte die Lage ausgesehen, als er sich 1938 in Großbritannien hatte einbürgern lassen, weil seine österreichische Heimat in die Hände der Faschisten gefallen war. Oder nach dem Zweiten Weltkrieg, als der globale Trend Richtung Planwirtschaft ging, selbst in Staaten wie den USA und dem Vereinigten Königreich. Die meisten Menschen hätten in einer solchen Lage vermutlich traurig resigniert die Waffen gestreckt. Wie sollte man sich gegen eine solche Meinungsübermacht durchsetzen? Doch Hayek war, wie man im Englischen sagt „not a quitter“, nicht einer, der einfach hinschmeißt, wenn eine Herausforderung zu groß erscheint.

Seine Positionen vertrat Hayek nicht nur, wie das gar nicht so selten ist bei Akademikern, weil er sich irgendwann einmal auf bestimmte Prämissen und Thesen eingelassen hatte und sie nun um der (scheinbaren) Konsistenz willen für den Rest seines Lebens behielt. Hayek war von der moralischen Wucht seiner Ideale überzeugt. Der Kampf gegen die jeden Menschen und alles Menschliche zerschmetternden Totalitarismen seiner Zeit war ihm ein wesentlicher Motor. Und seine Begeisterung für die Marktwirtschaft und die freie Gesellschaft speisten sich nicht daraus, dass er sich davon persönliche Vorteile erhoffte, sondern weil er diese Formen des Zusammenlebens für diejenigen hielt, die dem Menschen gerecht werden und seine Würde stärken.

In seinem Vorwort zu „Der Weg zur Knechtschaft“, das vor 80 Jahren erschien, umschreibt Hayek recht deutlich seinen Ethos: „Obwohl dies ein politisches Buch ist, so steht es für mich doch fest, dass die darin ausgesprochenen Überzeugungen nicht durch meine persönlichen Interessen bestimmt sind. Ich kann beim besten Willen nicht einsehen, warum diejenige Gesellschaftsform, die ich mir wünsche, mir größere Vorteile als der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung bieten sollte. … Zum Nutzen derjenigen, die, der heutigen Mode folgend, in jeder Äußerung einer politischen Meinung ein Interesse wittern, darf ich vielleicht hinzufügen, dass ich jeden nur denkbaren Anlass hätte, dieses Buch nicht zu schreiben oder nicht zu veröffentlichen. Es wird bestimmt viele vor den Kopf stoßen, mit denen ich gut auskommen möchte … und vor allem wird es sicherlich zur Folge haben, dass die Resultate meiner eigenen wissenschaftlichen Arbeit, zu der mich meine ganze Neigung treibt, in Zukunft eine weniger günstige Aufnahme finden werden.“

Freiheit hat einen Preis, mitunter einen sehr hohen. Dass sich in der Geschichte der Menschheit am Ende die Freiheit immer wieder einen Weg gebahnt hat, liegt ganz besonders daran, dass Menschen bereit waren, diesen Preis zu entrichten. In der vordersten Reihe stehen natürlich diejenigen, die wirklich bereit waren, Leib und Leben einzusetzen. Doch auch wer nur so weit gehen musste, berufliche Nachteile aus sich zu nehmen, auf Beifall und Ruhm zu verzichten und sich gegen eine Mehrheit zu stemmen, hat die Leidenschaft für ein Ideal an die erste Stelle gesetzt und damit die Freiheit vorangebracht. Hayek – und viele seiner Mitstreiter – haben in sich die Kraft gefunden, ein solches Opfer zu bringen.

In seiner Rede „Das moralische Element in der Unternehmerwirtschaft“ aus dem Jahr 1961 sagt Hayek: „Freilich ist es weniger verdienstvoll, idealistisch zu sein, wenn man die Beschaffung der materiellen Mittel, die für die idealistischen Ziele nötig sind, einem anderen überlässt. Nur dort, wo einer selbst beschließen kann, ein materielles Opfer für ein nicht-materielles Ziel zu bringen, verdient er Achtung.“ Diese Aussage, die sich auf Solidarität in Form von Spenden bezieht, auf die „materiellen Opfer“, lässt sich selbstverständliche erweitern auf die Bereitschaft, Lebenszeit einzusetzen. Und Hayek hat das vorbildlich vorgelebt, indem er die Ressource seines Lebens investiert hat in Ideale, von denen er überzeugt war. Dass diese Investition Rendite abwerfen würde, durfte er erst gegen Ende seines Lebens erfahren.

Wenn sich der Liberalismus in den nächsten Jahrzehnten gegen die freiheitsfeindlichen Ideale von Links und Rechts durchsetzen und wieder Prägekraft entfalten soll, dann ist neben der intellektuellen Erneuerung der entscheidende Schlüssel, dass sich genügend Menschen finden, die wie Hayek bereit sind, ihr Leben einzusetzen für die Werte und Ideale, die uns am Herzen liegen. Menschen, die bereit sind, „ein materielles Opfer für ein nicht-materielles Ziel zu bringen“, indem sie auf Karriereoptionen und Gehaltssteigerungen verzichten, indem sie als Ideenunternehmerin Risiken eingehen und indem sie durch ihren eigenen Einsatz anderen glaubwürdig vermitteln, welchen Wert jene Ideen haben, für die sie so brennen. Vielleicht mehr noch als in seinen einzelnen Gedanken und Beobachtungen ist Friedrich August von Hayek darin ein überzeugender Lehrmeister: Ein lebendiger Liberalismus braucht Herzblut!