Photo: Sascha Kohlmann from Flickr (CC BY-SA 2.0)

2,9 Billionen Euro wurden 2014 in Deutschland erwirtschaftet. Zur gleichen Zeit hat der Staat Sozialausgaben im Wert von 850 Milliarden Euro verteilt – das ist fast ein Drittel der jährlichen Wirtschaftsleistung. Geht es hier wirklich noch um die Armen?

Sozialleistungen für die Oberschicht

Das Institut der deutschen Wirtschaft in Köln hat in einer demnächst erscheinenden Studie die Strukturen der Sozialausgaben in Deutschland ausführlich analysiert. Fazit: Es geht eher um massive Umverteilung in der gesamten Gesellschaft als darum, Arme und Schwache zu unterstützen. Es mag Ihnen etwas schwer fallen, aber stellen Sie sich einmal vor, sie würden zwischen 7.000 und 10.000 Euro im Monat verdienen. Selbst dann würden Sie im Durchschnitt immer noch monatlich 625 Euro Sozialleistungen bekommen. Freilich, Sie würden auch jeden Monat 3.782 Euro zahlen, und damit ein Sechsfaches von dem, was Sie erhalten. Aber das ist noch einmal ein anderes Thema.

Sobald das Haushaltseinkommen netto über die 3000 Euro-Grenze gerutscht ist, wird der Haushalt vom Netto-Empfänger zum Netto-Zahler. Man kann darüber streiten, ob das fair ist – zu hoch oder zu niedrig. Unabhängig von der Frage, ab wann man legitimer Weise jemanden zur Kasse bittet, stellt sich allerdings eine weitere grundsätzliche Frage: Wie sinnvoll kann es sein, denjenigen, die das Sozialsystem durch ihre Steuern und Beiträge finanzieren, wiederum Leistungen zukommen zu lassen? Könnte man deren Belastung nicht einfach etwas reduzieren?

Von der einen in die andere Tasche

Die Sozialleistungen schon vor der Besteuerung zu verrechnen und mithin weniger zu besteuern, wird nur sehr schwer durchzusetzen sein. Warum? Weil es bei vielen Sozialleistungen nicht ausschließlich, ja nicht einmal vorrangig darum geht, die unteren Einkommensschichten zu unterstützen. Betreuungs-, Eltern- und Kindergeld sind so Maßnahmen, die fröhlich in jedes Portemonnaie sprudeln – dem Gärtner werden sie ebenso gewährt wie der Top-Managerin. Denn bei diesen Leistungen geht es darum, ein bestimmtes Verhalten zu belohnen, nicht den Armen zu helfen.

Mit anderen Worten: Staatliche Behörden nehmen den Steuerzahlern das Geld aus der einen Tasche heraus, nur um es ihnen anschließend mit großzügiger Geste in die andere wieder hinein zu stecken. (Meistens mit gewissen Verlusten unterwegs …) Während die Politik mit solchen Maßnahmen der Sorge um die demographische Entwicklung entgegenwirkt, fühlt sich der Empfänger geschmeichelt, belohnt und umsorgt. Endlich mal jemand, der den Kindern etwas Gutes tut! Wirklich geholfen ist dem Netto-Zahler damit allerdings natürlich nicht. Überraschung: das geschieht mit seinem eigenen Geld!

Erratische Umverteilung

Einen großen Anteil an den Transferleistungen, die eben nicht nur von oben nach unten gehen, sondern erratisch, kreuz und quer und hoch und runter, durch die Schichten, gehen natürlich auch auf das Konto der umlagefinanzierten Gesundheits- und Rentensysteme. Auch hier kann man sich fragen, ob sich nicht intelligentere Lösungen finden ließen. Wäre es nicht wünschenswert, wenn man vermeiden könnte, dass hier über den Umweg des Finanzamts bzw. der Versicherungen und Rentenkassen Geld von der einen in die andere Tasche geschoben wird?

Darüber hinaus gibt es natürlich noch viele andere Bereiche staatlichen Geldausgebens, bei denen eine Umverteilung mindestens innerhalb der Mittel- und Oberschicht stattfindet, wenn nicht gar von unten nach oben. In einer Untersuchung des „Institute for Research in Economic and Fiscal Issues“ heißt es dazu:

„Das Spektrum erstreckt sich von öffentlichen Kulturangeboten wie Theatern, Museen oder Opern über bezuschusste Stadien, Sporthallen oder Schwimmbäder bis zur Subvention von Musikschulen, Universitäten und Schulen. Würden derartige nicht-monetäre Transfers mitberücksichtigt, sähe die Bilanz der Abgaben und Bezüge der Mitglieder der Einkommensmitte noch rosiger aus und das Argument für weniger Hin- und Her von Mitteln zwischen dem Staat und der Mitte wäre noch stärker.“

Effizienter und gerechter die Armen unterstützen

Es gehört zum gesellschaftlichen Konsens, dass Ärmeren und Notleidenden geholfen werden muss. Was derzeit in unserem Staat passiert, ist allerdings etwas anderes. Die Umverteilungskanäle sind undurchschaubar, das System gleicht eher einem Wunschkonzert für jedermann als einem tatsächlichen Unterstützungssystem und dient vor allem Politikern dazu, nach gusto Wohltaten an verschiedene Wählergruppen zu verteilen. Das Nachsehen haben alle: Die Netto-Empfänger, weil sie zum Teil für Wohlhabendere mitbezahlen. Und die Netto-Zahler, weil sie in diesem System nicht nur für die Empfänger bezahlen, sondern auch für sich selbst – nachdem das Geld durch die Hände von Bürokraten und Politikern gewandert ist …

Gerade jetzt, da wir uns in einer weltweiten Debatte über Ungleichheit befinden, sollten wir sehr genau hinschauen, ob das aktuelle Umverteilungssystem wirklich dem Zweck dient, Armut und Not abzumildern. Effizienter und mithin gerechter für alle Betroffenen wäre etwa das Modell einer negativen Einkommenssteuer in Kombination mit einer flat tax. Ein solches System wäre unkomplizierter, unparteiischer und fairer. Die einzigen, die dann ein Problem hätten, wären Politiker, die viel weniger Wohltaten im Land verteilen könnten.

4 Kommentare
  1. Ralf Becker
    Ralf Becker sagte:

    Wir benötigen ein bargeldloses Geldsystem, in dem jeder Marktteilnehmer nicht mehr das Geld von einer Sozialbehörde bekommt, sondern bei dem das Geld bei Vorliegen eines Sozial-Tatbestands auf der Passivseite seines Bargeldlos-Kontos belastet wird. Wenn jemand ein positives Eigenkapital hat, dann gibt es ohnehin kein Problem. Ansonsten bekommt jemand (ohne positives Eigenkapital) bei Vorliegen einer Notwendigkeit die Ausnahmegenehmigung, mit seinem Geld (Bilanzkonto) ins Minus zu gehen.

    Beim jetzigen Sozialsystem verhält sich jedenfalls kein Mensch wirtschaftlich, weil die Kasse ohnehin alles bezahlt. Das neue Wirtschaftssystem soll jedenfalls so funktionieren, dass jeder geizt, wenn er irgendwo Gesundheitsleistungen, Bildung oder sonstige Sozialleistungen in Anspruch nehmen will.

    Mein System hat den Vorteil, dass der Staat es mir als Bürger nicht mehr vorschreiben kann, wie ich mich als Gesundheits- oder Bildungskunde zu verhalten habe.

    Vor allem ist es wichtig, dass etwaige Schulden nach Möglichkeit von jedem getilgt werden. Wer weniger Einkünfte hat, der darf seine Schulden viel langsamer tilgen.

    Mein System hat folgende Vorteile
    – es gibt praktisch gar keine Lohn- und Gehaltsabrechnung mehr
    – auch Minijobs benötigt man nicht mehr
    – Versicherungen braucht man auch nicht
    – die Notwendigkeit einer unwirtschaftlichen Auflösung privater Rentenversicherungen vor Hartz IV-Bezug wird hinfällig
    – Hinzuverdienst wird für jeden möglich. Derzeit dürfen Leistungsempfänger bekanntlich kein/ bzw. nur wenig Geld hinzuverdienen.
    – kaum noch Steuerberatungsbedarf

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  2. Udo Wierlemann
    Udo Wierlemann sagte:

    Ich denke es geht um Instabilität unserer Wirtschafts- und Finanzstruktur .

    „Durch einen kürzlich erfolgten wissenschaftlichen Durchbruch, der das Konzept ausbalancierter, strukturell intakter und gut funktionierender Ökosystemen erklärt, lässt sich nun belegen, dass alle komplexen Systeme – einschließlich der monetären und finanziellen – strukturell instabil werden, sobald die Produktivität überbetont wird auf Kosten von Vielfalt und Vernetzung sowie der entscheidenden Widerstandsfähigkeit, die diese bieten. Das überraschend Grundlegende und Anwendbare dieser Erkenntnis liegt darin, dass es zu nachhaltigem Wohlstand gehört, Vielfalt auch in unsere Währungen und dazugehörigen Institutionen zu bringen, und damit die Verfügbarkeit von Geld in seiner wesentlichen Funktion als Tauschmittel zu erhöhen, statt als Mittel zum Sparen und für Spekulation. Zudem sind diese Währungen speziell so gestaltet, dass sie andernfalls ungenutzte Ressourcen mit unbefriedigten Bedürfnissen innerhalb einer Gemeinschaft, einer Region oder eines Landes verbinden.“

    Quelle: Wissenschaftliche Arbeit für die World Academy of Arts and Sciences (WAAS) Hyderabad, Indien

    „Wege zur Bewältigung systemischer Bankenkrisen“

    http://www.banken-in-die-schranken.org/docs/Bernard_Lietaer__Wege_zur_Bewaeltigung_systemischer_Bankenkrisen.pdf

    Es ist alles bereits mehrfach erklärt worden…bereits im 19. Jahrhundert fingen Raiffeisen, Marx & Engels damit an…

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