Photo: Flazingo Photos from Flickr (CC BY-SA 2.0)
Was ist das für ein Wirtschaftssystem? Ein Wirtschaftssystem, in dem alle Akteure an den Börsen, die sonst eigentlich als Nabel des Kapitalismus gelten, auf einen einzigen Herrn in Nadelstreifen schauen? Dieser entscheidet dann fast alleine über Wohl und Wehe zigtausender Marktteilnehmer. Eine Marktwirtschaft ist es sicher nicht, auch wenn uns der Nadelstreifen-Mann etwas anderes suggerieren will.
Denn wenn ein Bürokrat darüber entscheiden kann, ob die Marktteilnehmer an den Finanzmärkten kaufen oder verkaufen, ob viele Milliarden Euro Staatsschulden durch die Druckerpresse finanziert werden und wie lange die Manipulation des Geldwertes anhält, dann ist diese Wirtschaftsform eher eine zentral gelenkte Planwirtschaft oder besser Geld-Sozialismus.
Nein, es handelt sich nicht um Nordkorea oder Kuba, sondern um den Euro-Raum. Es handelt sich auch nicht um die Despoten Kim Jong Un oder Raúl Castro, sondern um den Italiener Mario Draghi. Wie die Machthaber in Nordkorea oder Kuba ist auch Mario Draghi als Präsident der Europäischen Zentralbank niemandem rechenschaftspflichtig. Das ist schön für ihn – und schlecht für alle anderen. Auch Draghi verspricht in ferner Zukunft ein besseres Leben für all diejenigen, die aktuell von Mangel und Knappheit geplagt sind und darunter leiden. Draghi glaubt durch Gelddrucken dieses Elend beenden zu können. Er will den Wechselkurs seiner Währung gegenüber anderen Währungen verbessern und damit die Exporte anregen und die Konjunktur beleben.
Doch wenn es so einfach wäre, wenn das Gelddrucken ein erfolgreiches Rezept zur Konjunkturbelebung und für Wohlstand wäre, dann wäre Simbabwe längst Exportweltmeister und die dortige Bevölkerung würde in Milch und Honig baden. Doch es ist bekanntlich nicht so. Und das sollten sich alle Apologeten des Geldes in den Regierungen, Bankhäusern und Schaltzentralen in Brüssel hinter die Ohren schreiben. Es nützt nichts, wenn man dem Drogenabhängigen eine immer neue Dröhnung verabreicht. Am Ende hilft nur der kalte Entzug.
Und so ist es auch in der Geldpolitik: Draghis Versuch, die Konjunktur mit Hilfe der Druckerpresse zu beeinflussen, führt zu einer Interventionsspirale aus immer schnelleren und immer größeren Eingriffen in den Markt. Viele Glücksritter reiten dann auf der Welle des Scheins, immer neue werden angezogen und verführt. Doch was heute verfrühstückt wird, muss unweigerlich morgen nachgehungert werden. Wohlstand setzt das Sparen vor dem Investieren voraus. Wer diesen Zusammenhang außer Kraft setzen will, indem er meint, ein Einzelner oder eine gesamte Gesellschaft müssten nicht mehr Sparen, also Konsumverzicht üben, um investieren zu können, der irrt. Die Folge dieses Prozesses ist lediglich eine Veränderung der Produktionsstruktur einer Wirtschaft. Investitionen werden vorgezogen, aber sie können mit dem bestehenden Kapitalstock nicht zu Ende geführt werden. Das Platzen der Immobilienblasen in den USA und in Spanien 2007/2008 sind Beispiele dafür. Aber auch wir kennen dieses Phänomen mit dem Platzen der Dotcom-Blase im Jahr 2000. Unternehmen wie Intershop und EM-TV verloren fast über Nacht Milliarden an Börsenkapitalisierung.
In einer Marktwirtschaft wird der Zins von der Zeitpräferenz bestimmt. Jemand will seinen Konsum im Heute in die Zukunft verschieben und verleiht seine Ersparnisse. Dafür will er eine Vergütung, den Zins. Die Nachfrage danach bestimmt die Höhe dieses Zinses. Draghi hat den Zins abgeschafft. Doch die Marktwirtschaft und ihre Entwicklung werden nicht von einer Person bestimmt, sondern von vielen. Wer den Wohlstand erhalten will, sollte daher den Geld-Sozialisten Mario Draghi dadurch entmachten, dass er das größte Entmachtungsinstrument konsequent anwendet – die Marktwirtschaft.
Erstmals erschienen in der Fuldaer Zeitung am 5. Dezember 2015.
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