Photo: RuckSackKruemel from Flickr (CC BY 2.0)
Von Frederic C. Roeder, Unternehmer, Vice President Finance & Operations der Students for Liberty
Deutsches Recht schreibt eine Preisbindung für verschreibungspflichtige Medikamente vor. Für den Laien erklärt heißt das, dass ein Apotheker nicht entscheiden kann, wieviel er seinem Patienten für ein Medikament in Rechnung stellen möchte. Er darf das Medikament weder günstiger noch teurer anbieten, als es der vorgeschriebene Preis diktiert. Somit kann ein besonders effizient wirtschaftender Apotheker seine Kostenvorteile zum Beispiel nicht an ständig wiederkehrende chronisch kranke Patienten weitergeben. Ferner darf er Stammkunden keine Rabatte auf verschreibungspflichtige Medikamente geben. Daher gibt es dann in natura eine Packung Taschentücher oder Süßes für die Kleinen.
In vielen europäischen Ländern sind Rabatte auf solche Medikamente jedoch erlaubt. Dies ist zum Beispiel in den Niederlanden der Fall. Im Oktober 2016 entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH), dass das Rabattverbot gegen europäisches Recht verstoße und rief die Bundesregierung auf, dieses (jedenfalls für ausländische Versandapotheken) zu kippen.
Dies klingt vorerst nach einem Gewinn für Patienten in Deutschland. Apotheken würden zum ersten Mal in einem Preiswettbewerb stehen, und dies könnte nach Jahren von Kostensteigerungen endlich zu günstigeren Medikamentenpreisen führen. Wie bei Supermarkt, Tankstelle oder Lebensversicherung könnten Patienten Preise vergleichen und das attraktivere Gesamtpaket wählen.
Wer sich zu diesem Zeitpunkt schon auf mehr Wettbewerb, Wahlfreiheit und günstigere Medikamentenpreise freute, hatte die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Nur kurz nach Urteilsverkündung meldete sich Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe zu Wort. Gröhe wolle alles in seiner Macht Stehende tun, um die ‘flächendeckende Versorgung durch ortsnahe Apotheken zu sichern’. In einem generellen Verbot von Versandapotheken sähe er ein probates Mittel, diese Versorgung sicherzustellen.
In einer Umfrage, die in den nächsten Tagen veröffentlicht wird, zeigt sich, dass Menschen, die im ländlichen Raum leben, signifikant häufiger bei Versandapotheken einkaufen als die urbane Bevölkerung. Dies trifft sicherlich nicht nur für Medikamente zu, sondern für viele andere Notwendigkeiten des Alltags auch. Wer in dünn besiedelten Gegenden lebt, profitiert besonders von elektronischer Kommunikation und Onlineshopping. Vier von fünf Befragten stimmen der Aussage zu, dass Versandapotheken die Versorgung außerhalb von Ballungszentren verbessern.
Herr Gröhe gehört anscheinend den 20 Prozent der Bevölkerung an, die dieser These nicht zustimmen. In einem Referentenentwurf des Bundesgesundheitsministeriums zum Verbot des Versandhandels ist zu lesen
“Während Versandapotheken mit Sitz im EU-Ausland auf dem deutschen Endverbrauchermarkt für verschreibungspflichtige Arzneimittel nach dem Urteil des EuGH frei in ihrer Preisgestaltung sind, trifft dies auf inländische Apotheken nicht zu. Der einheitliche Apothekenabgabepreis gilt weiterhin für inländische öffentliche Apotheken. Gegenüber ausländischen Versandapotheken ist dies eine Inländerdiskriminierung.”
Der Gesundheitsminister sieht dies aber nicht als triftigen Grund, diese Inländerdiskriminierung durch eine Liberalisierung der Preisbindung einfach und patientenfreundlich zu beseitigen, sondern möchte das Problem des Wettbewerbs lieber durch ein generelles Verbot des Versandhandels lösen. In dem Entwurf ist ferner zu lesen:
“Das Ziel des Gesetzes ist es, die bestehende flächendeckende, wohnortnahe und gleichmäßige Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln, insbesondere auch im akuten Krankheitsfall, weiterhin zu gewährleisten.”
Wenn Herr Gröhe sich christdemokratischer Logik bedienen würde, sollte er sich vielleicht einmal den Beschluss zur Stärkung des ländlichen Raumes des 29. Parteitags seiner Partei anschauen. In deren Beschlusslage ist zu lesen, dass gleiche Lebensverhältnisse zwischen Ballungsgebieten und ländlichem Raum nur mit Hilfe von Digitalisierung und technischem Fortschritt in allen Lebensverhältnissen beibehalten werden können.
Dieser Logik folgend sollte sich das Bundesgesundheitsministerium und die Bundesregierung nicht für ein Verbot, sondern einen Ausbau des Versandhandels aussprechen, und auch heimischen Apotheken erlauben, Patienten sowohl stationär als auch im Versand Rabatte anbieten zu dürfen. Digitalisierung bringt besonders im ländlichen Raum mehr Vielfalt und Wahlfreiheit für den Verbraucher. In unserem schönen Nachbarland, den Niederlanden haben sich sowohl der Versandhandel als auch Rabatte für Patienten durchgesetzt. Es gibt zwar weniger Apotheken pro Einwohner, dies scheint sich aber bei gleicher Lebenserwartung wie in Deutschland nicht auf die Gesundheit der Bürger negativ auszuwirken. Es wirkt sich allerdings positiv auf deren Gelbeutel aus.
Eine Preisliberalisierung bei rezeptpflichtigen Medikamenten würde Kosten im Gesundheitssystem senken und für einen dringend benötigten Digitalisierungsschwung im Gesundheitswesen sorgen.
Da geht ja mal wieder Einiges fröhlich durcheinander – aber Hauptsache Stimmung gemacht…..
1.“Digitalisierungsschwund“ wenn Rezepte per Post in die NL geschickt werden, damit der Postbote ungefähr 4 Tage später ausliefert ?
Ja, klar.
Das eRezept gibt es noch nicht, das liegt aber nicht an einer etwaigen (und gar nicht vorhandenen) Verweigerungshaltung der (deutschen) Apotheken, die viel digitaler aufgestellt sind als die meisten anderen Leistungserbringer im Gesundheitswesen, sondern an den schleppenden Fortschritten um u.a. die eCard.
2. „Somit kann ein besonders effizient wirtschaftender Apotheker seine Kostenvorteile zum Beispiel nicht an ständig wiederkehrende chronisch kranke Patienten weitergeben“.
Effizienter Einkauf im RX-Bereich (= verschreibungspflichtige Medikamente) ist per Gesetz seit dem AMNOG von 2012 unterbunden worden: die Einkaufskonditionen wurden den (deutschen) Apotheken auf max. 3,15% gedeckelt, für teure Präparate darf der Großhandel einen Rabatt von max. ca. 37 € gewähren.
Unklar ist, ob diese Rabattbeschränkungen auch für Versandapotheken aus den NL gelten….
Wo keine Rabatte verhandelt werden DÜRFEN, können auch keine Rabatte gegeben werden.
Werden die Einkaufskonditionen wieder „frei“, sieht die Sache wieder anders aus !
3. Für jede RX-Packung müssen die Apotheken den Krankenkassen 1,77 € „Großkundenrabatt“ gewähren.
4. Im OTC-Bereich (= ohne Rezept) herrscht seit 2004 freier Preiswettbewerb , auch ist der Versand von OTC überhaupt nicht vom Gesetzentwurf betroffen.
5. Bewohner ländlicher Gebiete bekommen ihre Rezepte für RX vom Arzt, zu dem sie sich hinbemühen müssen. Eher ist eine Apotheke als ein Briefkasten neben/unter/gegenüber der Praxis.
Das sind schlicht die objektiven Fakten und nicht ausgeführten Informationen für ein besseres Verständnis, die nichts damit zu tun haben, daß ich eine Apotheke in D betreibe
Rabatte für verschreibungspflichtige Arzneimittel? Ja, die geben wir ApothekerInnen schon in Höhe von ca. 20% an die gesetzliche Krankenversicherung (1,77 brutto genau). Wir dachten eigentlich, das Thema sei seit der großen Honorarumstellung 2004 unter Ulla Schmidt vom Tisch: Seit dieser Zeit gibt es keine degressive Honorierung in Abhängigkeit vom Einkaufspreis mehr: Wir Apotheker erhalten ein pauschales Beratungshonorar pro Packung von 8,35 (+16 Cent zur Unterstützung des Nacht- und Notdienstes), hiervon werden die 1,77 abgezogen. Dabei ist es egal ob das Präparat insgesamt 12,- Euro oder 50 000,- Euro kostet: Die Pauschale bleibt gleich! Hinzugefügt werden noch 3% des Einkaufspreises für Lagerhaltung, Lagerrisiko (Verfall etc..) aber auch für evtl. anfallende Kontokorrentzinsen. Apotheken mögen so gar nicht gerne sehr teure Arzneimittel…….. Bei geringsten Formfehlern (verursacht durch die verschreibende Zunft), droht ein Totalregress seitens der GKV! Alles nachzulesen in der Arzneimittelpreisverordnung und damit absolut transparent. Interessant auch, dass seit 2004 das Honorar einmal im Jahre 2013 erhöht wurde (um 13 Cent/ Packung). Daher ist hier bei weiteren defizitären aber wichtigen Tätigkeiten, wie Nacht- und Notdienst, Rezeptur (individuelle Arzneimittelherstellung vornehmlich für Kinder), welches man unter dem Begriff Gemeinwohlpflichten subsummiert, kein Cent Rabatt im Bereich der verschreibungspflichtigen Arzneimittel möglich. Schließlich beschäftigen wir qualifizierte Mitarbeiter (vornehmlich Frauen, ortsnah in Voll- und Teilzeit, zahlen brav Gewerbesteuer, unterstützen hier und da auch örtliche Vereine usw.)
Dass ausländische Kapitalgesellschaften hier einen ganz anderen Ansatz haben ist klar. Aber zunächst, was mir als palliativversorgender Apotheker am Herzen liegt: Wir betreuen stets 30-60 akut sterbende Menschen, sowohl ambulant, als auch stationär. 24Stunden/7Tage die Woche/ 365 Tage im Jahr. Mit Hilfe von Betäubungsmitteln und anderen hochwirksamen Medikamenten, nehmen wir interdisziplinär (Palliativarzt, Palliativpflege und kooperierende Apotheke) eine wichtige Funktion wahr, da sich in dieser letzten Lebensphase der Medikationsbedarf stündlich ändern kann. Betriebswirtschaftlich ist das so gerade vielleicht eine schwarze Null. Allein die Anfahrtswege betragen täglich mehrere hundert Kilometer. Aber ethisch und unabdingbar!! Dies wollen und werden Versandapotheken nie leisten…. Alleine, weil es Ihnen verboten ist Betäubungsmittel zu versenden. Ihr Agieren ist eine Wette auf die Zukunft: Weg mit uns Präsenzapotheken. Nur, was man einmal zerstört hat, baut man erneut nicht auf.
in Kurzform: Wir Präsenzapotheken sind nicht die Kostentreiber bei Arzneimitteln, für nicht ganz 3 Mrd. Euro, das heisst für unter 1% dessen, was in Deutschland für Gesundheit ausgegeben wird, sind wir der „Kostenblock“! Die Gewinner sind der Staat (19% MwSt, Niederlande nur 6%, andere Staaten gänzlich befreit) und die Pharmaindustrie……….
E-Commerce im großen Stil – also nicht Fachhandel per Versand – ist im Grunde nur eine private Steuer von 5-20% auf jedes Produkt an irgendeinen Postfachinhaber in Luxemburg (Amazon) oder in den Niederlanden.
Er müßte deshalb verboten werden.