Photo: M S from Flickr (CC BY-SA 2.0)

„Helft uns, Euch zu bezahlen!“, sagte der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis vergangene Woche in Berlin. Und meinte: Wenn Ihr uns nicht weiter bezahlt, dann habt Ihr ein Problem. Es ist die verkannte starke Rolle, die manch Schuldner hat.

Wer es schafft, die Gläubiger immer weiter in den eigenen Schuldensumpf zu ziehen, hat es irgendwann geschafft und kommt aus seiner Rolle der Schwäche plötzlich in eine Rolle der Stärke hinein. In einer solchen Situation verliert der Gläubiger auf den ersten Blick viel mehr als der Schuldner. Für den Schuldner ist ein Bankrott oftmals wie eine Befreiung. Eine große Last fällt ab und die Chance für einen Neubeginn ist da. Für den Gläubiger fängt die Tortur jetzt erst richtig an. Waren es bislang nur Forderungen, werden sie jetzt plötzlich kassenwirksam und müssen abgeschrieben werden.

So ist es auch in Griechenland. 2010 waren es beim ersten „Hilfspaket“ „nur“ 107,3 Milliarden Euro, die peu à peu ausgezahlt wurden. Das Gros der Schulden Griechenlands (2009: 301 Mrd. Euro) wurden durch private Gläubiger gehalten. Auch damals war die griechische Regierung schon in einer starken Position. Ein drohender Zahlungsausfall löste damals an den Finanzmärkten hohe Nervosität aus und die Banken waren in Panik. Doch die Banken übertrugen dieses Ausfallrisiko an die Staatengemeinschaft, die EZB und den IWF und entledigten sich so der Erpressung der griechischen Regierung.

Inzwischen ist das Erpressungspotential, das Varoufakis und Tsipras ausspielen, noch größer. Wahrscheinlich beträgt der Schuldenstand inzwischen deutlich über 320 Milliarden Euro. Im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung war der Schuldenstand noch nie so hoch. Diese Schulden werden inzwischen nahezu ausschließlich von der EZB, dem Euro-Club und dem IWF gehalten.

Beide, Varoufakis und Tsipras, müssen nur noch abwarten und möglichst lange keine oder nur unwesentliche Zugeständnisse machen. Je länger die Situation hinausgezögert wird, desto wahrscheinlicher ist, dass der Euro-Club und die EZB nachgeben werden.

Doch eigentlich ist der Fall Griechenland für den Euro nur am Rande von Bedeutung. Der Niedergang des Euro findet an ganz anderer Stelle statt. Es ist die Prinzipienlosigkeit der EZB, die ihn in Gefahr bringt. Und es ist die Gleichgültigkeit in Politik und Gesellschaft, die sein Ende einläutet. In einer Geldordnung ohne Anker, in der eine Zentralbank das Geldmonopol ausübt, kann Vertrauen nur durch starke Regeln und Personen, die diese Regeln leben und konsequent anwenden, erreicht werden. Wahrscheinlich reicht nicht einmal das aus, sondern das Geldmonopol des Staates ist wohl die Ursache für die Überschuldung von Staaten, Banken, Unternehmen und privaten Haushalten weltweit. Dies führt zu den immer stärkeren Verwerfungen an den Finanz- und Gütermärkten.

Doch wenn wir uns in der real existierenden Geldordnung des Euro-Clubs bewegen, dann müssen wir feststellen, dass auch die selbst geschaffenen Regeln nicht taugen, um das Vertrauen in die Währung herzustellen. Wenn der Euro „funktionieren“ würde, müsste die EZB nicht in noch nie dagewesener Weise in die Anleihenmärkte eingreifen. Und sie muss es künftig immer mehr, weil die übrigen Marktteilnehmer sich zurückziehen und weil bislang funktionierende Märkte durch das Eingreifen der EZB zerstört wurden.

Sie tut es, weil die Fiskalregeln nicht funktionieren und die monetären Regeln unbrauchbar sind. Die Haushaltsregeln und die Volkswirtschaften der Eurostaaten sind nicht zentral plan- und steuerbar. Sie sind auch nicht zentral sanktionierbar. Von automatischen Sanktionen war lange Zeit die Rede, doch die galten nur bei schönem Wetter. Frankreich lässt grüßen. Und der kürzliche Pakt zwischen Merkel und Hollande zur Aufweichung der 2012 „verschärften“ Regeln spricht ebenfalls eine deutliche Sprache. Die monetären Regeln „funktionieren“ ebenfalls nicht, weil keine Zentralbank auf dieser Welt in der Lage ist, die Geldmenge zu steuern. Erst recht keine Zentralbank, die für 19 Volkswirtschaften zuständig sein will. Letztlich hat man den Verbrauchern niedrige Preise und den Produzenten hohe Preise versprochen, den Arbeitnehmern hohe Löhne und den Unternehmern Kostensenkungen, die auch klammheimlich niedrigere Löhne einschließen sollten, den öffentlichen Angestellten hohe Bezüge und den Steuerzahlern niedrige Steuern. Das ist prinzipienlose Politik ohne Kompass. Doch alle Maßnahmen einer auf ständige Beeinflussung der Märkte gerichteten Politik ist nicht von Dauer, insbesondere wenn sie mit der Abwertung der Währung erkauft wird. Die Schwächung der eigene Währung, um die Exportindustrie zu befeuern, die Schuldner zu entlasten, die Löhne zu steigern und die Preise zu erhöhen, wirkt wie ein Droge, von der man immer mehr nehmen muss.

Zu guter letzt müssen die Regeln gelebt werden. Mario Draghi lebt diese Regeln nicht, sondern bricht sie. Seine Kollegen im Direktorium der EZB ebenfalls nicht – auch sie beugen das Recht. Und bis auf eine kleine Minderheit im EZB-Rat ist die übergroße Mehrheit auch dort bereit, in der Not jedes Gebot zu schleifen. Das ist keine Grundlage für einen Währungsraum, sondern der Anfang neuer Schwierigkeiten oder sogar seines Endes. Oder wie es Varoufakis vielleicht dann sagen würde: Bezahlt uns, dann helft Ihr Euch.

Erstmals erschienen bei Tichys Einblick.

1 Antwort
  1. Ralf Becker
    Ralf Becker sagte:

    Griechenland als den alleinigen Übeltäter hinzustellen, wäre falsch.

    Deutschland oder die USA haben die Griechenlandkrise natürlich mitverursacht.

    US-Banken wie Goldman Sachs haben Griechenland geholfen, die eigene Krise zu verschleiern

    Ob es aber eine Lösung wäre, wieder zu der griechischen
    Nationalwährung zurückzukehren? Dies würde jedenfalls nichts daran
    ändern, dass alle Länder (weltweit) ihre eigene Währung mit
    Geldmengenausweitungen aufweichen (müssen), um damit die eigene
    Wettbewerbsfähigkeit zu steigern. Der Sparer wird dabei regelmäßig
    enteignet.

    Jedenfalls hat Deutschland seine Wettbewerbsfähigkeit dadurch erreicht, dass Betriebe gute Abschreibungs- und Betriebsausgabenmöglichkeiten haben. Die deutsche Wirtschaft ist also infolge steuerlicher Vergünstigungen gewachsen, von denen nicht alle Deutschen in gleicher Weise profitiert haben.

    Arbeitnehmer haben beispielsweise bei uns nicht immer die Möglichkeit, sich gleichberechtigt am Firmenkapital zu beteiligen. Zudem brauchen Betriebe, die stark expandieren, oft fast gar keine Steuern bezahlen.

    Deutschland ist also sehr stark auf die eigene exportierende Industrie angewiesen und hat gleichzeitig einen vergleichsweise schwachen Binnenkonsum.

    Dies liegt eben auch daran, dass die im Inland gehandelten Dienstleistungen oft sehr teuer sind. Ein Rechtsanwalt berechnet beispielsweise für einen Dreizeiler bereits 720,00 EUR und beruft sich bequem darauf, dass dies offensichtlich Gesetz ist.

    Außerdem gibt es vergleichsweise hohe Lohnnebenkosten. Und weil dies so ist, geben die Deutschen ihr Geld nicht so gern im Inland aus, sondern machen stattdessen auch viele Urlaubs- oder Fernreisen.

    Der Euro hat jedenfalls dazu geführt, dass die Exporte in Drittländer stark zugenommen haben.

    Dies liegt auch daran, dass die Gemeinschaftswährung deutlich aufgeweichter ist, als wie die D-Mark dies heute wäre.

    In Griechenland ist der Effekt genau umgekehrt. Die dortigen Exporte in Drittländer sind vermutlich rückläufig.

    Bei uns ist die Arbeitslosigkeit vergleichsweise niedrig, weil es auch viele Menschen gibt, die am Rande des Existenzminimums leben und daher zu ungünstigen Bedingungen arbeiten müssen. In Südeuropa hat der Euro jedenfalls zu einer erschreckend hohen Arbeitslosigkeit geführt und es stellt sich die Frage, ob Austerität das passende Rezept dagegen ist.

    Jedenfalls dürfte es kaum verwundern, dass die CDU mit der Parteiklientele Wirtschaft nicht sonderlich daran interessiert ist, dass der Euro wieder rückgängig gemacht wird.

    Wir brauchen uns nichts vormachen. Unsere Wirtschaft funktioniert nur deshalb, weil ständig frisches Geld, beispielsweise in Form von Subventionen, oder durch die expansive Geldpolitik der EZB in den Umlauf gepumpt wird.

    Dass es bei uns keinen gesunden Wirtschaftskreislauf gibt, sondern stattdessen immer nur frisches Geld durch staatliche Interventionen, verschweigt die Politik uns gerne.

    Dies hat zur Folge, dass es immer schwieriger wird, sich mit normaler Arbeit seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Gleichzeitig wird von immer weniger Reichen immer mehr Einkommen in Form von Kapitaleinkünften erzielt.

    Wenn wir also durch unser Verhalten dermaßen dazu beitragen, dass die reale Kaufkraft des Euro ständig niedriger wird, dann brauchen wir uns auch nicht wundern, dass ein dienstleistungsintensives Land wie Griechenland nicht mit immer weiter sinkenden Reallöhnen auskommen kann.

    Die Troika hat es jedenfalls bemerkt, dass wir Griechenland nicht ständig retten können und hat daher den Griechen harte Sparauflagen aufgelegt. Dafür erntet die Troika von den Griechen jetzt Hass.

    Ob aber der Grexit eine Lösung wäre?

    Wir müssten damit rechnen, dass es dann zu einer Hyperinflation kommen könnte.
    Wenn größere Finanzpleiten nicht ungefährlich wären, dann bräuchten wir auch keine Bankenaufsicht.

    Schuldenschnitt?

    Hier wäre es vergleichsweise gewährleistet, dass auch die Verursacher der Krise an den Kosten beteiligt werden. Als Laie kann ich jedoch keine hinreichende Kenntnis haben, welche Folgen ein Schuldenschnitt im Einzelnen hätte.

    Mich wundert es jedenfalls, dass Griechenland als Übeltäter hingestellt wird, während es bei uns fast gar keine Reformen gibt. Was sich bei uns ändern könnte:

    – Steuergeldverschwendung durch die Politik

    – der Posten „Arbeit und Soziales“ ufert zu sehr aus

    – für Leistungsempfänger lohnt sich die Arbeitsaufnahme nicht

    – Ausbeutung von Minijobbern – wer keine Vollzeittätigkeit findet und seine privaten RVs nicht kaputtmachen möchte, der muss zu ungünstigen Bedingungen Minijobs annehmen

    – wenn Leistungsempfänger vor dem Leistungsbezug ihre einstmals steuerlich geförderten RVs auflösen müssen, dann sind dies oft fürstliche Geschenke (des Steurzahlers) an Finanzinstitute.

    – mehr Preislenkung im Bildungs- und Gesundheitswesen

    – ich empfehle einen bargeldlosen Geldkreislauf, der der Doppelten Buchführung angenähert ist.

    Dieser ermöglicht es, dass jeder grundsätzlich auch Schulden machen kann.

    Dadurch soll mehr Preislenkung im Gesundheits- und Bildungswesen erreicht werden.

    Hinzuverdienst (bei gemäßigtem/ sozialverträglichem Schuldenabtragen) wird möglich

    keine Geldschöpfung mehr dadurch, dass es sowohl Bar- als auch Buchgeld gibt

    Korruption (Wirtschaft /Justiz/ Politik) verhindern

    Kapitalflucht ins Ausland verhindern

    Sozialbetrug verhindern

    Geldverdienen mit illegalen Uploads verhindern

    weniger Geldhaltungskosten (was bei der derzeitigen Geldmengenexplosion zunehmend interessant wird)

    bessere Geldmengenmessung

    die Banken könnten entmachtet werden

    weniger Versicherungen, weil es stattdessen bei Schadensfällen eine Berechtigung gibt, mit dem eigenen Konto ins Minus zu gehen

    Allerdings gibt es beim bargeldlosen Geldverkehr auch Gefahren

    – Politiker könnten – ähnlich wie Gaddafi – zur Selbstbedienung neigen

    – Cyberkriminalität

    Wir müssen zudem auf mehr Wohlstand anstatt auf sinnlose Volkseinkommensmaximierung setzen.

    – immer mehr Rechtsanwälte

    – immer mehr Steuerberater mit Spitzeneinkommen

    Mehr Demokratie

    – es werden immer diejenigen Parteien gewählt, die das meiste Geld für die Wählerakquise haben

    – die SPD darf nicht gleichzeitig ein Medienkonzern sein

    – Abschaffung von verdummendem Zwangsfernsehen

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