Photo: herr.g from Flickr (CC BY-SA 2.0)

Von Frederic C. Roeder, Unternehmer, Vice President Finance & Operations der Students for Liberty

Wer hat sich als Kind nicht auf die Traubenzucker und das neuste Malbuch beim Apothekenbesuch gefreut? Die deutsche Apotheke ist eine gesellschaftliche Institution. Viel weniger ist allerdings bekannt, dass der Erfolg dieser Einrichtung auf mittelalterlichen Gildenstrukturen beruht und auf Kosten der Allgemeinheit realisiert wird.

Die verkrustete Regulierung des Apothekenmarktes schadet Millionen Geldbeuteln, verhindert Innovation, und bringt nur einer kleinen gut organisierten Interessengruppe wirkliche Vorteile.

In Deutschland gibt es circa 20.000 Apotheken. Also auf jede Apotheke kommen ungefähr 4.000 Einwohner – das ist europäisches Mittelfeld. Ein durchschnittlicher Apotheker (dabei sind besonders erfolgreiche Apotheken bereits herausgerechnet) erzielte in 2014 einen Gewinn von fast 130.000 Euro pro Apotheke. Das ist schon abzüglich Personalkosten, die oft das Gehalt des Ehepartners beinhalten

Golfurlaub nach Mallorca – der Versicherte zahlt

Eine Vielzahl von Vorschriften schützt die Apothekenbranche zum einen vor ungewollten Wettbewerb und sichert den bestehenden Anbietern zudem prächtige Gewinne.

Das Mehrbesitzverbot regelt, dass ein Apotheker maximal eine Apotheke mit zusätzlich drei Filialen besitzen darf. Größer kann man nur als Apothekerehepaar werden – dann ist die unternehmerische Expansion auf maximal acht Apotheken erlaubt.

Das Fremdbesitzverbot hindert jeden, der kein Apotheker ist, daran Anteile an einer deutschen Apotheke zu besitzen. Im Erbfall dürfen Hinterbliebene, die keine approbierten Apotheker sind, die Apotheke lediglich für weitere zwölf Monate besitzen, bevor sie diese veräußern müssen.

Der sogenannte Apothekenzuschlag bringt dem Apotheker beim Verkauf von verschreibungspflichtigen Medikamenten eine garantierte Mindestmarge von 8,35 EUR und einen Aufschlag von 3 Prozent des Herstellerabgabepreises selbst wenn das verschriebene Medikament nur Cent-Beträge kostet. Dies gilt auch für Generika bei denen der Patentschutz bereits abgelaufen ist. Der Versicherte zahlt.

Dieser Apothekenzuschlag sorgt für eine sehr ähnliche Marge bei deutlich unterschiedlichen Packungsgrößen des gleichen Medikaments. Es ist also im Interesse von Apothekern Anreize für Ärzte zu schaffen, kleine Packungsgrößen häufiger zu verschreiben.

Da Apotheker oft auch in Personalunion der Vermieter des Ärztehauses sind, können die Praxismieter bei dienlichem Verschreibungsverhalten regelmäßig zum Golfurlaub nach Mallorca eingeladen werden.

Unterversorgung, unpersönlicher Service und Qualitätsprobleme – alles Panikmache

Der Onlinehandel boomt in den meisten Branchen doch der Betrieb von Versandapotheken ist nach wie vor ein schwieriges Unterfangen. Versandapotheken dürfen rezeptpflichtige Medikamente lediglich bei Vorlage des Originalrezepts abgeben. Kunden müssen also erst ihr Rezept per Post einsenden um dann in den Genuss des Onlineversands zu kommen.

Digitale Rezepte, die in Ländern wie der ehemaligen Sowjetrepublik Estland bereits Alltag sind, gibt es in Deutschland nicht. Eine regulative Erleichterung des Medikamentenversands würde besonders Patienten im ländlichen Raum zu Gute kommen. Ferner könnten Skaleneffekte realisiert werden.

Während man in unseren Nachbarländern Dänemark und den Niederlanden Paracetamol im Supermarkt kaufen kann dürfen in Deutschland rezeptfreie Medikamente lediglich von Apotheken vertrieben werden. Der Kunde zahlt die deutlich höhere Kostenstruktur der Apotheke mit.

Dieses Sammelsurium an Reglementierungen garantiert einer durchschnittlichen Apotheke einen Gewinn von 130.000 Euro pro Jahr. Zulassungsbeschränkungen und Preiskontrollen sichern diesen Betrag vor Wettbewerb und Kosteneinsparungen, die an Konsumenten weitergegeben werden könnten.

Gegner eines liberalisierten Apothekenmarktes führen Versorgungsengpässe im ländlichen Raum und die Apothekendichte an sich als Argumente für eine Beibehaltung des gildenähnlichen Staus quo an.

Der Blick nach Schweden, Litauen oder der Slowakei zeigt aber ein eindeutig anderes Bild: Die Apothekendichte nahm nach der Liberalisierung des Marktes zu. In der Slowakei wuchs die Anzahl der Apotheken im ländlichen Raum nach dem Erlauben von Fremdbesitz sogar überproportional.

Schreckensszenarien wie Unterversorgung, unpersönlichem Service, und Qualitätsproblemen, wie sie gerne vom gut finanzierten Apothekenverband ABDA gezeichnet werden, trafen in keinem der Länder die auf mehr Wettbewerb gesetzt haben ein. Selbst gesundheitspolitisch stark sozial-demokratische Länder wie Kanada und Großbritannien vertrauen auf einen liberalisierten und effizienteren Apothekenmarkt.

Ein unkomplizierter Zugang zu Medikamenten in späten Abendstunden oder am Wochenende ist in diesen Ländern meist auch kein Problem, da die Öffnungszeiten von Apotheken in Ländern mit mehr Wettbewerb deutlich ausgedehnter sind als hierzulande.

Mittelalterliche Gilden- und Feudalsysteme gehören genau in jene Epoche

Ironischerweise sitzt mit Celesio eine der größten europäischen Apothekenketten in Stuttgart – operiert auf dem Apothekenmarkt aufgrund der erläuterten Gesetzeslage allerdings vorwiegend im Ausland.

Deutschland gibt ein Achtel seines Inlandsprodukts für Gesundheit aus. Durch das Aufheben von Privilegien und mehr Wettbewerb könnte es weniger sein. Die potenziellen Einsparmöglichkeiten durch eine Liberalisierung des Apothekenmarkts wären eine Stellschraube mit der man dies erreichen könnte.

Es sollte nicht die Aufgabe der Allgemeinheit sein, Apothekern ein Mindesteinkommen und Wettbewerbsschutz zu garantieren. Mittelalterliche Gilden- und Feudalsysteme gehören genau in jene Epoche und haben im 21. Jahrhundert wenig zu suchen.

Erstmals erschienen in der Huffington Post.

11 Kommentare
  1. Gero Pischke
    Gero Pischke sagte:

    Die Kehrseite sind allerdings gesetzlich vorgeschriebene Arzneimittelmindest(!)preise, Null-Retaxation (Null-Erstattung trotz Herausgabe eines Medikamentes, bloß wegen einer medizinisch folgenlosen Nichteinhaltung von Verträgen mit den jeweiligen Krankenkassen), Unrentabilität von kleinen Apotheken (gerade auf dem Land), hohe EDV-Kosten durch ständig ändernde Versorgungsverträge mit allen Krankenkassen, doppelte Kammermitgliedschaft, Personalmangel (gerade auf dem Land), zusätzliche Kosten durch Apothekenbetriebsordnung, zwangsweise Nachtdienste, Lieferung direkt und am selben Tag auch an Kunden im ländlichen Bereich und persönlicher Kontakt. Und … die 130 TEUR sind, wie Sie richtig schreiben, eben nur ein Mittelwert. Also wenn Liberalisierung, dann bitte auf beiden Seiten. Das größte Kartell sind immer noch die Krankenkassen.

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    • Gunnar Witzmann
      Gunnar Witzmann sagte:

      Der Autor hat die ABDA-Zahlen (DAV) mit der „Durchschnittsapotheke“ zur Grundlage gemacht.Bei 2,1 Mio Umsatz sollen dann 136 TSD als Betriebsergebnis unten stehen. Leider erreichen 61 % der Apotheken dieses Ergebnis NICHT. Bei einem Umsatz von rd. 1,3 Mio verbleiben als verfügbares Einkommen, bei 60 Wochenarbeitsstunden, dem Apotheker weniger als 36.000 €. Jede Sachbearbeiterin einer Krankenkasse hat mehr.

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  2. Rolf Lachenmaier
    Rolf Lachenmaier sagte:

    Na, mal wieder die übliche pseudo-liberale Hetzschrift… Das „Honorar“ wird so zurechtgebogen, dass es passt – wohl noch nie vom kranken Kassenrabatt gehört? – da gehen von-den-ach-so-üppigen 8,35€ dann mal sportliche 17%! ab. Dass die angeführten 3% mal kurz u.a. für die Vorfinanzierung von Arzneimitteln dient (bis zu 8 Wochen) – geschenkt. Hey, in Zeiten, in denen die kranken Kassen vor den superteuren, neuen Medikamenten warnen (5.000 – 100.0000 pro Packung im Einkauf) spielt die (Vor-)Finanzierung ja keine Rolle. Muss man doch nicht erwähnen. Recherche wird ja auch vollkommen überschätzt.
    Die „liberalen“ Apothekenmärkte in Schweden und auch Norwegen (seltsamerweise nicht genannt) sollte man sich vielleicht mal genauer ansehen, v.a. was die ländliche Versorgung so angeht. Der Versand wird vom Autor hochgelobt – seltsamerweise ist Deutschland eines der wenigen europäischen Länder, welches überhaupt den Versand von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln erlaubt… warum machen das bloß die anderen nicht? Und immer wieder gern unterschlagen, wenn es um Arzneimittelpreise und europäische Vergleiche geht: die Mehrwertsteuer. Da ist Deutschland europaweit (fast) einsame Spitze. Weshalb haben sich wohl so viele Versandklitschen in der Steueroase Holland angesiedelt? Auf die weiteren Polemisierungen oben will ich gar nicht eingehen. Das lohnt nicht.
    Aber mal wirklich Butter bei die Fische! Was spart eine „Liberalisierung“ des Apothekenmarkts effektiv? Der Text unterstellt ja quasi eine Versorgung für umme nach dem Tag X…

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  3. Johann Vetter
    Johann Vetter sagte:

    Ein interessanter Beitrag.
    Aber die Apotheker-Lobby meldet sich sogleich.
    Wundert mich nicht. War (oder „ist“?) die FDP doch „die“ Ärzte- und Apothekerpartei.
    Oder stimmt die Behauptung der politischen Konkurrenz nicht?

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    • Rolf Lachenmaier
      Rolf Lachenmaier sagte:

      Welche Apotheker-Lobby? Die gibt es nur auf dem Papier. Wo bleiben denn die belastbaren Zahlen und Statistiken – mit denen ein „Ökonom“ eigentlich argumentiert – außer Polemik steht da leider nix.

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  4. Aures Gabriela
    Aures Gabriela sagte:

    1. Liberalisierung des Marktes bedeutet: internationale Konzerne, die sicher ihre Steuern NICHT in D zahlen. Aber „Liberalisierung“ ist so hip, kosmopolitisch und sexy. Und kurzsichtig.
    2. Der Markt wird unter wenigen „global playern“ aufgeteilt, die ihre Marktmacht ausnützen werden und keine Preissenkungen herbeiführen werden.
    3. Im ländlichen Schweden wurden kaum neue Apotheken eröffnet, in den Städten kam es zum Verdrängungswettbewerb. Im Übrigen muß der schwedische Staat unter bestimmten Vorraussetzungen defizitäre Apotheken mit bis zu 40.00 Euro subventionieren.
    4.“Kosten für die Allgemeinheit“ : die werden durch die VOM ARZT VERSCHRIEBENEN Medikamente verursacht.
    Eine Marktliberalisierung hat KEINERLEI Einfluß auf die Zahl der Verordnungen, also kein Sparpotential.
    Und die Privatkäufe belasten kein Solidarsystem !
    5. „Geiz ist geil“ bei der Gesundheit, Schmerztabletten möglichst günstig – aber Hummer fressen, im schicken Hotel logieren und sich mit Statussymbolen umgeben…aber wegen 2,50 Euro für eine Packung PCM nach
    Liberalisierung schreien….
    6. Wenn sich wenige, profitorientierte global player den Gesundheitsmarkt teilen wird es durchgehend billiger ? Schauen Sie sich die Preise bei Boots in UK an !
    Und lesen Sie die Berichte der Angestellten und recherchieren Sie die kürzlich ruchbar gewordenen Verkaufsmethoden der Ketten.

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    • Gunnar Witzmann
      Gunnar Witzmann sagte:

      Das ist die Analyse.Aber nur ein Teil , weil das Selbstverschulden der geamten Apothekerschaft ausgeblendet wird. Und wie soll die Lösung aussehen ? Denn so wie es ist, kann und darf es nicht weitergehen.Und einen Naturschutzpark für Apotheken darf es in Zukunft nicht geben.

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  5. Kyra Voight
    Kyra Voight sagte:

    Die Geschichte der Apotheken in Europa und in Deutschland scheint wirklich einem immensen Wandel durchlebt zu haben. Die moderne Apotheke von heute mit Notdiensten selbst an Sonntagen und in der Nacht sind ein echter Fortschritt. Sehr interessanter Beitrag, vielen Dank dafür!

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  6. Peter Buschman
    Peter Buschman sagte:

    Wir sind gerade umgezogen und suchen uns jetzt eine neue Apotheke des Vertrauens. Ich wusste nicht das es 1 Apotheke pro ca. 4000 Einwohner gibt. Ich hoffe wir finden eine gute Apotheke in unserer Nähe.

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