Photo:Heath Cajandig from Flickr(Attribution 2.0 Generic (CC BY 2.0)
In der Corona-Krise kommen die Konzepte aus der Mottenkiste der Wirtschaftspolitik wieder zum Vorschein. Staatliche Investitionsprogramme, die Förderung von Konsum und Nachfrage und jetzt auch noch die Vier-Tage-Woche.
Die Idee einer 30-Stunden-Woche ist keinesfalls neu, sondern wurde bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts von Gewerkschaftsvertretern formuliert und gewann im Zuge der Weltwirtschaftskrise Ende der 1920er Jahre zunehmend an Brisanz. In den 50ern fragte sich selbst Ludwig Erhard, damals noch Wirtschaftsminister, in Folge des gestiegenen Wohlstands: „Wollen wir in Deutschland angesichts der noch mannigfach zu lösenden Aufgaben die steigende Produktivität in einer Verbesserung der Lebensmöglichkeiten und in einer Mehrung des Wohlstandes zur Auswirkung kommen lassen, oder aber wollen wir bei dem derzeitigen Zustand Genüge finden und eine steigende Produktivität zu mehr Muße und Freizeit nutzen?“ In den 1970er Jahren forderten dann vornehmlich linke Interessenverbände und Gewerkschaften die Einführung einer Vier-Tage-Woche, um drohender Arbeitslosigkeit zu begegnen. Diese jetzt erneut aufgegriffene Diskussion steht also in einer langen Tradition von Unverständnis für eine wohlstandsschaffende Arbeitsmarktpolitik.
Eines der großen Missverständnisse in der Diskussion ist, dass Arbeit einen Mehrwert in sich darstellt. Dabei ist sie primär ein Mittel zum Schaffen von Wohlstand. Vom liberalen Ökonom und Nobelpreisträger Milton Friedman hält sich die (möglicherweise erfundene) Geschichte, dass dieser auf einer China-Reise an einer Baustelle Halt machte und verwundert bemerkte, dass die Arbeiter Geröll mit Schaufeln und nicht mit modernen Maschinen bewegten. Auf Friedmans Frage nach dem „warum“, wurde ihm erklärt, dass man so die Beschäftigung im Baugewerbe aufrechterhalten könne. Friedman warf daraufhin ein: „Oh, ich dachte sie wollen einen Damm bauen. Wenn es Jobs sind, die sie erhalten wollen, dann sollten die Arbeiter Löffel statt Schaufeln verwenden.“ Grundsätzlich muss es Ziel der Wirtschaftspolitik sein, die Produktivität der Arbeitnehmer zu steigern und nicht Arbeitsplätze künstlich am Leben zu erhalten.
Mit gesteigertem Wohlstand und höherer Produktivität lassen sich dann auch geringere Arbeitszeiten erreichen. Der schwedische Schriftsteller Johan Norberg beschreibt in seinem Buch „Fortschritt“, das in seiner deutschen Fassung dieses Jahr als „Edition Prometheus“ erschienen ist, wie sich Löhne und Arbeitsbedingungen im Zuge der Industrialisierung und darüber hinaus bis heute signifikant verbessert haben. Wie er ausführt, war die Armutsrate Mitte des 19. Jahrhunderts selbst in den reichen Ländern, also Europa und Nordamerika, höher als sie dies aktuell in den ärmsten Ländern dieser Erde ist. In den USA, Großbritannien und Frankreich lebten 40% bis 50% der Menschen in Verhältnissen, die wir heute als extreme Armut bezeichnen würden. Erst durch das Aufkommen moderner Produktionsverfahren – bedingt durch Wettbewerb und Unternehmertum – verbesserten sich die Umstände rapide.
Mit sinkender Armut und wachsender Produktivität ging auch die Arbeitszeit massiv zurück. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts lag die durchschnittliche Wochenarbeitszeit in Deutschland noch bei rund 70 Stunden. In den 1950ern war sie schon auf knapp unter 50 Stunden gesunken. Heute sind es nur noch 34,9 Stunden, die ein Arbeitnehmer durchschnittlich seinem Beruf nachgeht. Trotzdem kann sich der heutige Arbeitnehmer von seinem Gehalt einen Wohlstand leisten, den sich der Arbeiter aus dem 19. Jahrhundert nicht hätte erträumen können.
Man zäumt das Pferd also von hinten auf, wenn man Gesetze erlässt, die sicher wohlintendiert sind, aber eben genau die Mechanismen beschneiden und lähmen, die einen höheren Lebensstandard erst möglich machen. Wahrscheinlich läuft es in Deutschland noch zu gut, so dass man meint, man könne sich diese Diskussionen erneut leisten. Schon jetzt werden allerdings viele Probleme aktuell vernebelt. Dazu gehören beispielsweise die Verlängerung des Kurzarbeitergeldes auf 24 Monate oder jüngst auch die geplante Aussetzung der Insolvenzantragspflicht um ein weiteres halbes Jahr. Das Kurzarbeitergeld ist ein Instrument für den kurzfristigen Auftragseinbruch von Unternehmen und Branchen, es ist nicht geeignet für ein dauerhaftes Wegbrechen der Nachfrage. Diese Vorschläge setzen auf Zeit. Die Verlängerung des Kurzarbeitergeldes zahlt letztendlich der Bürger über Steuern und Sozialabgaben. Bei der Insolvenzantragspflicht ist es nicht anders. Je länger sie ausgesetzt ist, desto schädlicher wird sie. Denn jedem überschuldeten Unternehmen stehen Gläubiger gegenüber, die ihre Forderungen nicht eintreiben und dadurch selbst in Schwierigkeiten geraten können. So droht im Frühjahr eine noch größere Insolvenzlawine als ohnehin schon.
Was die deutsche Wirtschaft braucht, um Arbeitsplätze zu erhalten, ist, die durch Corona gestörten Produktionsketten wieder ins Laufen zu bekommen. Dafür braucht es jedoch mehr unternehmerische Freiheit und weniger Bürokratie. Eine staatlich verordnete Verkürzung der Arbeitszeit hätte genau den gegenteiligen Effekt. Es steht den einzelnen Betrieben natürlich frei, mit ihren Mitarbeitern eine Vier-Tage-Woche einzuführen. Wichtig dabei ist jedoch, den Unternehmen genug Beinfreiheit zu lassen, schnell und effizient auf unterschiedliche Gegebenheiten reagieren zu können.
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