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Photo: Ted McGrath from Flickr (CC BY-NC-SA 2.0)

Die Bundesregierung ist mit ihrer Ausländermaut krachend gescheitert. Dennoch gibt es gute Argumente für eine nutzungsabhängige Finanzierung deutscher Fernstraßen. Eine Maut ist gerechter und hilft effektiver und effizienter gegen kaputte und überfüllte Straßen.

Der Quatsch ist vom Tisch

Ich bin ein Fan des Europäischen Gerichtshofs. Über Jahrzehnte hat er behutsam aber bestimmt dem europäischen Binnenmarkt eine Seele verliehen. Die Klassiker unter den Entscheidungen aus Straßburg wie „Cassis-de-Dijon“ oder „Centros“ verwirklichten einen am Wettbewerbsprinzip orientieren gemeinsamen Rechtsraum. Mit seiner Entscheidung zur geplanten PKW-Maut in Deutschland halten die Richter an ihren Prinzipien fest. Weder haben sie sich von Europas größter Volkswirtschaft einschüchtern, noch von der komplizierten aber durchsichtigen Konstruktion der deutschen „Ausländermaut“ blenden lassen. Die geplante Maut war nichts als dumpfer Wahlkampf-Populismus. Und das ganz nach den Vorstellungen eines Horst Seehofers, der Gesetze ja bekanntlich am liebsten derart komplex formuliert sieht, dass die kritischen Passagen schlicht niemandem auffallen. Den holländischen Schnecken(häusern), den skandinavischen Volvos und den österreichischen Vignetten-Abzockern sollte es an den Kragen gehen, aber für Deutsche sollte weiter gelten „Freie Fahrt für freie Bürger“. Gott sei Dank ist dieser Quatsch vom Tisch. Zeit also, sich darüber zu unterhalten, warum wir trotzdem dringend eine Maut brauchen.

Seit 243 Jahren auf dem Holzweg

Als der Ökonom Adam Smith vor 243 Jahren sein Hauptwerk „Der Wohlstand der Nationen“ veröffentlichte, enthielt dies nicht nur die berühmt-berüchtigte „unsichtbare Hand“, sondern auch eine ausführliche Passage über die Bereitstellung und Instandhaltung von Straßen. Smith kommt zum Schluss, dass:

Wenn die Wagen, die über eine Straße oder Brücke fahren (…) im Verhältnis zu ihrem Gewicht oder ihrer Tonnage eine Mautgebühr zahlen, zahlen sie für die Instandhaltung dieser öffentlichen Arbeiten genau im Verhältnis zu der Abnutzung, die sie verursachen. Es scheint kaum möglich zu sein, eine gerechtere Art der Erhaltung solcher Bauwerke zu erfinden.

Klingt vernünftig, aber auf deutschen Straßen sind wir, zumindest im PKW-Bereich, weit entfernt von einer solchen Lösung. Da hat man sich ein ungleich komplizierteres und dafür lukrativeres System für die Finanzierung öffentlicher Fernstraßen ausgedacht.

In Deutschland zahlten wir Steuerzahler im Jahr 2015 über 35 Milliarden Euro an Energiesteuern für den Bezug von Benzin und Diesel. Hinzu kamen knapp 9 Milliarden Euro durch die KFZ-Steuer. Diesen über 40 Milliarden Euro an Einnahmen standen Investitionen in Neubau und Erhalt der Bundesfernstraßen in Höhe von 5,2 [sic!] Milliarden Euro gegenüber. Der Rest ging beispielsweise für Mütterrente und schicke Panzer drauf. Und diese Steuern fallen an, unabhängig davon ob ich überhaupt je eine Bundesfernstraße nutze oder aus Spaß an der Freude auf meinem Privatparkplatz Donuts drehe.

Um es mit Adam Smiths Worten zu sagen: Es scheint kaum möglich zu sein, eine ungerechtere Art der Erhaltung unserer Straßen zu erfinden.

Eine nutzungsabhängige Straßenfinanzierung ist gerechter und hilft gegen Stau und Schlaglöcher

Der Staatshaushalt macht mit den Autofahrern den großen Reibach. Gleichzeitig stehen Millionen Bürger täglich überall in Deutschland stundenlang im Stau, rumpeln über zweispurige Flicken-Autobahnen oder schleichen an Baustellen vorbei, an denen scheinbar seit Jahrzehnten gearbeitet wird. Und niemanden scheint es zu kümmern.

Eine nutzungsabhängige Gebühr müsste qua Definition anders als die Steuern direkt in Ausbau und Erhalt der Fernstraßen gesteckt werden. Gleichzeitig erlauben flexible Preise für die Nutzung von Straßen die Lenkung von Verkehrsströmen. Das verhindert Staus und ermöglicht weniger wohlhabenden Verkehrsteilnehmern eine günstigere Straßennutzung. So könnten höhere Preise zu Stoßzeiten den Verkehr besser über den Tag verteilen. Oder aber man richtet Express-Spuren nach kalifornischem Vorbild ein, auf der Autofahrer mit einer höheren Zeitpräferenz auch höhere Gebühren zahlen. Das würde es preissensiblen Autofahrern ermöglichen, die Stoßzeiten zu meiden und dadurch Gebühren zu sparen.

Preise sind außerdem unersetzliche Träger von Informationen. Flexible Autobahngebühren könnten beispielsweise die Betreiber von Straßen darüber informieren, wo ausgebaut oder neugebaut werden sollte. Oder aber den Betreibern von öffentlichen Verkehrsmitteln zeigen, welche Preise Autofahrer bereit, sind für Mobilität zu zahlen. Stichwort öffentliche Verkehrsmittel: Der umweltfreundliche Schienenverkehr würde eine ganz neue Attraktivität gewinnen, könnten Autofahrer (natürlich auch nicht subventionierte) Ticketpreise direkt mit den anfallenden Mautgebühren vergleichen.

Zuletzt würden es kalkulierbare aber flexible Mauteinnahmen weitaus besser ermöglichen, Bau und Betrieb von Fernstraßen an private Akteure auszulagern. Diese hätten natürlich ein ganz anderes Interesse daran, eine kundenfreundliche und kosteneffiziente Autobahn zu schaffen: mit kurzen Bauzeiten, einer schlaglochfreien Fahrbahn, schnellem Streuen im Winter und wenig Staus zu Ferienzeiten durch intelligente Preisgestaltung.

Vorbilder gibt es genug

Sei es Spanien mit den exzellenten privaten „Autopistas“, die USA mit ihren gebührenpflichtigen Express-Lanes, London mit der City-Maut oder das deutsche LKW-Maut System : Wir müssen das Rad nicht neu erfinden. Und die Digitalisierung macht es sogar immer leichter, Mautgebühren auf effiziente und effektive Weise zu erheben. Die Ersetzung von KFZ- und Energiesteuer durch nutzungsabhängige Gebühren würde einiges ändern: Vor allem müssten Einnahmen direkt in Erhalt und Neubau gesteckt werden. Auf der anderen Seite könnte der Bund die Autofahrer nicht mehr unbegrenzt schröpfen und damit soziale Wohltaten finanzieren. Zuletzt stünden den Verkehrsplanern eine ganze Reihe an neuen Instrumenten zu intelligenten, preisbasierten, Verkehrssteuerung zur Verfügung. Möglichkeiten, von denen Mautbefürworter Adam Smith nur träumen konnte. Die Maut ist tot – lang lebe die Maut!