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Der Rücktritt des Bundesbankpräsidenten Jens Weidmann ist für die Deutsche Bundesbank eine Zäsur. Zumindest schreiben das aktuell viele Medien. Doch was es sicherlich nicht ist, ist das Ende der alten Bundesbank. Diese endete bereits 1999, spätestens 2002, als das Währungsmandat auf die EZB überging.

Dem Rücktritt von Weidmann ging der Rücktritt seines Vorgängers Axel Weber am 30. April 2011 voraus, der, nachdem er die Unterstützung Angela Merkels für die Nachfolge des damals scheidenden EZB-Präsidenten Jean-Claude Trichet nicht hatte, ein Jahr vor Ablauf seines Vertrages zurücktrat. Anschließend war der Weg des Italieners Mario Draghi an die EZB-Spitze frei. Damals berief Angela Merkel wenige Tage später mit Jens Weidmann ihren Abteilungsleiter im Kanzleramt für die Nachfolge Webers als Präsident der Deutschen Bundesbank.

Dieser Vorgang löste in Deutschland ähnliche Reaktionen hervor wie aktuell der Rücktritt Weidmanns. „Vom Kanzleramt in die Bundesbank – jetzt bestimmt Angela Merkel direkt den Kurs der Notenbank“, hieß es damals. Die Unabhängigkeit der Institution wurde in Frage gestellt.

Doch Institutionen schaffen Vertrauen oft nicht so sehr durch ihre Leitung und ihr Führungspersonal, sondern durch ihre innere Verfassung, ihre teilweise über Jahrzehnte gelebte Kultur. Diese prägt dann auch die Leitung und das Führungspersonal. Gerade das kann man bei der Bundesbank sehr gut beobachten. Ihr Gewicht im Alltag ist nicht ihre gesetzliche Grundlage. Diese ist im Bundesbankgesetz, also in einem einfachen Bundesgesetz, beschrieben. Das könnte jederzeit mit einfacher Mehrheit in die eine oder andere Richtung geändert werden. Nein, ihr Gewicht ist ihre Unabhängigkeit, die über Jahrzehnte gewachsen und immer wieder verteidigt wurde.

1997 wollte Theo Waigel an die Goldreserven der Bundesbank, um die Maastricht-Kriterien zu erfüllen, die Voraussetzung für den Eintritt in die Währungsunion waren. Der mächtige Finanzminister holte sich eine blutige Nase beim damaligen Präsidenten Hans Tietmeyer. Tietmeyer konnte sich diesen Kurs leisten, weil die Bundesbank mit der Deutschen Mark eine der stabilsten Währungen der Welt kontrollierte. Das Vertrauen in die Unabhängigkeit der Bundesbank war fast grenzenlos. Auch Tietmeyer kam ursprünglich aus dem Bundeswirtschaftsministerium und war danach Staatssekretär im Bundesfinanzministerium.

Jeder, der bislang Präsident der Bundesbank wurde, ist mit dem Übertreten der Türschwelle in der Wilhelm-Epstein-Straße 14 in Frankfurt zum geldpolitischen Falken mutiert. Der eine mehr, der andere weniger. Jens Weidmann gehört dabei sicherlich zu denjenigen, die als Falken das Feld verlassen. Er hat den Kurs intern kritisiert und sein konträres Abstimmungsverhalten ist dabei immer wieder öffentlich geworden. Seine Kritik an der aktuellen EZB-Politik hat er diplomatisch, aber klar geäußert und damit seinen engen Spielraum genutzt.

Dass die Minderheitenposition anstrengend, vielleicht sogar ermüdend für ihn war, ist dem Job geschuldet. Die deutsche Position innerhalb des Euro-Raums ist inzwischen eine Minderheitenposition. Die Verschuldungssituation vieler Mitgliedsstaaten und Volkswirtschaften, insbesondere in Südeuropa, lassen die Mehrheit der EZB-Ratsmitglieder vermeintlich keine andere Wahl. Der Kurs der Null- und Negativzinspolitik und des Ankaufs der Schulden durch die EZB scheinen ohne Alternative zu sein. Doch nichts ist alternativlos. Es gibt immer auch einen anderen Weg. Hier ist es der Weg der Haftung und der Verantwortungsübernahme. Daran krankt die derzeitige Geldpolitik der EZB. Sie unterläuft diese Prinzipien und schafft damit viel größere Probleme. Sie zerstört das Vertrauen in die Marktwirtschaft, die die Grundlage unserer Freiheit ist. Daran muss auch eine neue Präsidentin oder ein neuer Präsident anknüpfen, wenn sie oder er die Türschwelle der Bundesbank überschreitet.

3 Kommentare
  1. Martin Pescheck
    Martin Pescheck sagte:

    Die kritischen Anmerkungen bzgl. des Agierens der EZB sind sehr berechtigt; allerdings schon seit Jahren. Herr Weidmann hat ja ehrlich versucht gegenzuhalten. Dbz. konkrete Erfolge habe ich aber nicht erkennen können. Eventuell sind diese auch nicht kommuniziert worden. Spürbare politische Unterstützung hat er ja aus Deutschland auch nicht erhalten. Aus meiner Sicht war er leider „nur“ ein weiterer einsamer Rufer in der Wüste.

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  2. Hubert Königstein
    Hubert Königstein sagte:

    Die Anzahl der wirkungslosen Falken bewegt nichts, so lange die Rahmenbedingungen nicht stimmen. Dass die Vertreter einer Mehrheit die Gelegenheit haben, die Minderheit auszubeuten, zeugt nur von der Unbedarftheit der Vertragsschließenden. Verträge nützen nichts, wenn sie nicht eingehalten werden und kein wirksames Instrument zur Durchsetzung vorhanden ist oder nicht angewandt wird. Neben den Rücktritten Weber und Weidmann hätten noch weitere Rücktritte Erwähnung finden müssen; zuletzt Sabine Lautenschläger im EZB-Direktorium. Ihre Nachfolgerin Isabell Schnabel, vorher Wirtschaftswe(a)ise, ist zufällig und dummer Weise noch für den Anleihekauf der EZB mittels bedruckten Kontoauszügen zuständig. Dass sie als Nachfolgerin von Weidmann im Gespräch ist, lässt nichts Gutes erahnen. Auf Ausführungen von Hans Werner Sinn und der Erklärung von ExNotenbanker ist hinzuweisen: https://www.hanswernersinn.de/de/ezb-paukenschlag-der-falken-wiwo-11102019 . Dass Italien und Spanien je 200 Mrd. € geschenkt werden, der deutsche Anteil ist 108 Mrd. €, macht bis zu Ende gedacht deutsche Steuerzahler zu Steuersklaven der Italiener und Spanier. Beide Länder schulden der Deutschen Bundesbank daneben bereits im Falle Spaniens 506 Mrd. € und im Falle Italiens 492 Mrd. € in Form von Target2-Salden, zinslos, ohne Fälligkeit, ohne Sicherheiten.
    Neben den Beiträgen an die EU heißt die Nullzinspolitik der EZB, den Sparern die Zinseneinnahmen nehmen und den Schuldnern die Schuldzinsen ersparen. Nach 
    https://www.finanzen100.de/finanznachrichten/wirtschaft/deutsche-sparer-verlieren-344-milliarden-euro_H753076453_431038/
     
    beträgt der Zinsverlust der deutschen Sparer von 2010 bis 2016 allein 344 Mrd. €, auf den Zeitraum von 2010 bis 2021 umgerechnet sind es 540 Mrd. €. Zu großen Teilen Nutznießer Griechenland, Spanien, Italen, Frankreich.

    Die Zahlen lassen es als zwingend erscheinen, den EZB-, Euro- und EU-Spuk zu beenden. Die EU gehört auf die Verhältnisse der EWG, also Vertragsniveau, zurückabgewickelt. Nur dies vermeidet Ausbeutungsverhältnisse. Es ist erscheckend, dass dies nicht erkannt wird. Die Engländer sind ausgetreten trotz eines Britenrabatss aufaddiert von 111 Mrd. €. Die Tatsachen, dass Merkel jetzt in Brüssel in großer Dankbarkeit verabschiedet wurde, und die Wählerstimmen für die CDU in Deutschland sich im Vergleich zu besseren Zeiten halbiert haben, können gedeutet werden, wessen Interessen sie gedient hat. Deutschen Interessen hat sie nicht gedient.

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  3. Ralf Becker
    Ralf Becker sagte:

    Unsere Marktwirtschaft ist in Wirklichkeit ein Debitismus.
    Anders als wie man dies denken könnte, gibt es bei der Marktwirtschaft keinen Tausch mit Geldwerten, weil dies mit Fiatgeld auch gar nicht möglich wäre.
    Die Mechanismen, die unser Geld antreiben, sind vergleichsweise schwer zu verstehen.
    Unserem Geld liegt jedenfalls die Überlegung zu Grunde, dass man doch dann Geld haben müsste, wenn man mit einer Art Schuldschein, der von einer Bank ausgestellt wurde, insofern bezahlt.
    Es kann aber gar nicht funktionieren, dass sämtliches Geld im Umlauf als Schuld bei einer Bank entsteht.
    Jedenfalls muss der Staat viel zu oft mit immer mehr staatlicher Neuverschuldung einspringen, wenn es im System zu wenig „Verschuldung“ bzw. zu wenig Konsum oder ähnlich gibt. Dies ist aber insofern problematisch, weil Staaten ihre Schulden später (fast) nie wieder abbauen können.
    In Ausnahmefällen bauen Staaten ihre Schulden aber auch schon mal sehr begrenzt wieder ab.
    Die expansive Geldpolitik dient ebenfalls dem Zweck, dass uns die vielen Schulden nicht ausgehen, weil das System ohne immer noch mehr neue Schulden kollabieren müsste.
    Damit es nicht zum Systemversagen kommt, sorgen die Instrumente der EZB in welcher Form auch immer für eine Geldexpansion.
    Die Haftung anders zu gestalten kann gar nicht funktionieren, weil die tatsächliche Regierungspraxis ohnehin in keiner Weise dem Gedanken Rechnung trägt, dass Geld eigentlich als eine Art „Bezahlen mit Schuldscheinen“ gedacht ist.
    Stattdessen machen die öffentlichen Haushalte mit Schulden ständig Konjunktur. Wenn dann wieder Geld fehlt, dann machen die öffentlichen Haushalte sogar noch mehr Schulden. Wegen der Allianz zwischen Politik und Banken können sie auch Schulden ohne jedes Limit machen.
    Ich bin jedenfalls davon überzeugt, dass (Schuld-) Geld gar nicht funktionieren kann.
    Die Diskussion müsste daran ansetzen, welche Alternativen es für das heutige Schuldgeldsystem gibt.

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