Photo: Thijs Schouten from Unsplash (CC 0)

Eine halbe Billion Euro neuer Schulden und keinen interessiert‘s. Die Politik hat den Steuerzahler mit ihrer Krisenpolitik eingelullt und kann so die kommenden Generationen unwidersprochen in den Ruin treiben.

Fiskus außer Rand und Band

Der Fiskus ist wild geworden: Auf die bereits astronomische Neuverschuldung von 345 Milliarden Euro aus den letzten beiden Haushaltsjahren legt die neue Regierung noch einmal 100 Milliarden für 2022 drauf. Das ergibt zusammen fast eine halbe Billion Euro neuer Schulden und entspricht der insgesamt zwischen 1950 und 1990 angehäuften Summe aller deutschen Staatsschulden. Begründet wird dies mit Krisen: Die Corona-Krise muss bewältigt, die Energiepreis-Krise abgedämpft, die Klima-Krise gelöst werden. Und auch der krisenhafte Zustand der Bundeswehr soll mit Blick auf ein außer Kontrolle geratenes Russland mit umfassenden Waffenkäufen beseitigt werden. Für sich genommen alles politisch nachvollziehbare Ziele. Trotzdem ist hier etwas massiv aus dem Gleichgewicht geraten. Es ist zum Automatismus geworden: man muss nur laut „Krise“ rufen und schon spielt Geld keine Rolle mehr. Wohl gemerkt, das Steuergeld zukünftiger Generationen.

Fiskalische Disziplin: Nur so lange bis man gewählt ist

Theoretisch werden bestimmte Positionen im politischen Spektrum eigentlich immer besetzt. So knüpfen viele Wähler ihre Stimmabgabe an bestimmte Erwartungen im Blick auf das Regierungshandeln. Konservativen und liberalen Parteien wird zugeschrieben, fiskalisch disziplinierter zu handeln. Linke und grüne Parteien sollen eher zur Ausgabenausweitung tendieren. Nicht zuletzt mit dem Ende der 90er und den zur Sparsamkeit gezwungenen Sozialdemokraten Schröder und Blair verschwimmt dieses Bild allerdings. Zwar konnte die letzte bürgerlich geführte Regierung Merkel zuletzt sogar einige Schulden tilgen. Doch dies was eher der sehr vorteilhaften Zinslage als tatsächlicher Ausgabendisziplin geschuldet. Die gern als „Falken“ titulierten fiskalisch konservativen Politiker hatten in den letzten Bundesregierungen stets einen schweren Stand.

Haushaltsdisziplin ist eben vor allem ein Wert der Opposition und abhängiger vom Zeitgeist als von Wahlprogrammen.

Wenn nun ausgerechnet der inzwischen zum Bundeskanzler avancierte Urheber der „Bazooka“ die Fuffis sprichwörtlich durchs Kabinett wirft, dann sollte das erstmal nicht verwundern. Da könnte man sich glatt wünschen, er würde eine ähnliche Hingabe zur Bazooka bei der Unterstützung der überfallenen Ukrainer an den Tag legen. Problematisch ist allerdings, dass er die verfassungsrechtlich verankerte Schuldenbremse mit Verweis auf Krise xyz beinahe unwidersprochen aushebeln kann. Widerstand ist kaum in Sicht: Die Oppositionsführung muss in dieser Frage erst noch die in 16 langen Jahren Regierungsverantwortung abgenutzte Glaubwürdigkeit zurückerlangen. Und die Koalitionspartner halten entweder ohnehin nicht viel von Austerität oder verweisen geschwind auf veränderte Situationen und – natürlich – Krisen.

Nicht jede Herausforderung ist eine Krise

Neu ist dabei allerdings zweierlei: Die Frequenz, in der die Krisenterminologie herangezogen wird, um eine scheinbar alternativlose Ausgabenpolitik zu rechtfertigen. Und die immer tiefer liegende Messlatte zur Definition einer solchen Krise. Zusammengenommen führen beide Phänomene dazu, dass wahre fiskalische Falken in der politischen Diskussion überhaupt keinen legitimen Platz mehr haben. Sie werden mit der Ausgaben-Bazooka abgeschossen. Denn wer könnte schon ernsthaft etwas gegen politische Entscheidungen einwenden, die in unmittelbarer Bedrohungslage Leib und Leben der Bürger schützen? Erst recht, wenn das zinslose Geld quasi auf der Straße liegt und es um Summen geht, die sowieso kein normaler Mensch mehr begreifen kann.

So wird mit den Milliarden jongliert und die Rechtfertigung rückt gänzlich in den Hintergrund.

Dabei sollte die umsichtige Bewältigung von Herausforderungen eigentlich das Kerngeschäft eines Politikers sein. In einer Demokratie geben wir den Gewählten schließlich das Mandat dazu, gesamtgesellschaftliche Probleme unter Einbeziehung zahlreicher Interessen zu lösen. Dazu gehören der Schutz von Minderheiten genauso wie Effektivität und Effizienz. Unter bestimmten Umständen kann diese Abwägung verkürzt werden. Zum Beispiel, wenn, wie bei Ausbruch der Corona-Pandemie, die Folgenabschätzung nahezu unmöglich ist und direktes Risiko für Leib und Leben besteht. Womöglich war der Frühling 2020 aber der einzige wahrhafte Krisenmoment der letzten Dekaden.

Denn viele vermeintliche Krisen sind im Grunde nur Herausforderungen. Sie erfordern weder unmittelbare Dringlichkeit noch Debattenverkürzung. Letzte führt nämlich nur dazu, dass die am schlechtesten vertretene Minderheit überhaupt nicht mehr gehört wird: die zukünftigen Generationen. Auf diese wälzen sich rücksichtlos verschuldende Regierungen die Verantwortung für ihr Handeln ab.

Mit fremdem Geld spielt man nicht

Ändern kann diese Situation nur die Öffentlichkeit: Wähler, Journalisten, Wissenschaftler, Kommentatoren. Denn für die Politik ist das Krisenargument zur Ausgabenbegründung einfach viel zu bequem. Fiskalische Falken sollten wieder mehr Beachtung finden. Nicht, weil sie so harte Hunde sind, sondern weil sie einen Wert verkörpern, der westlichen Demokratie in den letzten Jahren gänzlich abhanden gekommen ist. Das Verständnis, dass Mandatsträger nicht ihr Geld, sondern das Geld ihrer Wähler verwalten. Dazu gehört auch, Rechenschaft einzufordern. Und vielleicht auch einmal darauf hinzuweisen, dass neue Schulden nicht das einzige Finanzierungsinstrument im Köcher der Regierung sind. Stichwort Kürzungen! Die Bürgerpflicht endet nämlich weder mit Abgabe des Stimmzettels noch der Steuererklärung. Und jedes Mal, wenn eine Regierung zur Ausgaben-Bazooka greift, dann ist es auch Ihr Geld, das ungezielt in Welt geballert wird.

3 Kommentare
  1. Ernst Mohnike
    Ernst Mohnike sagte:

    Absolut korrekter Kommentar, aber warum wird nicht „Ross und Reiter“ benannt? Es ist der liberale Finanzminister Lindner, der „außer Rand und Band“ ist, und der nahezu wie fremdbestimmt den Weg einschlägt, den sein Vorgänger im Parteivorsitz, Guido Westerwelle, gegangen ist. Anscheinend hat Helmut Schmidt mit seinem Diktum, dass das Einzige, was man aus der Geschichte lerne, das sei, dass man nichts daraus lernt, wieder einmal recht. Ernst Mohnike

    Antworten
  2. Dagmar Weiner
    Dagmar Weiner sagte:

    Und mir ist als Wählerin nicht klar, wie ich da etwas tun kann. Ich betrachte mich als klassische Liberale und fühle mich von keiner Partei, wirklich von keiner, ausreichend vertreten. Ich wähle notgedrungen FDP, aber auch nicht mehr. Ich halte es für bedenklich, wenn ich als ganz normale Durchschnittsbürgerin (selbstständig und ohne Sicherheitsnetz) meine Anliegen nicht mehr in den Wahlprogrammen, geschweige denn in der realen Politik, finde.

    Antworten
  3. Ralf Becker
    Ralf Becker sagte:

    Unsere Regierung macht nicht nur aus zahlreichen Gründen Schulden. Vielmehr ist der spätere „Schuldenabbau“ bei Staatsschulden wegen der extrem ungleichen Einkommens- und Vermögensverteilung auch gar nicht möglich.
    Wer als Einzelperson kein Geld hat, der wird bei unserem Bankensystem auch dann zur Arbeit erpresst, wenn er dann einen Bullshit Job verrichten muss.
    Unser Geld begünstigt Hochrüstung und Kriege.
    Geld müsste normalerweise der Realwirtschaft dienen und es sollte nicht wie jetzt über sie herrschen.
    Bislang gibt es kein erfolgreich getestetes Wirtschaftssystem. Ob das Projekt Cyber Syn, seinerzeit in Chile, ohne den CIA-Putsch funktioniert hätte, ist nicht bekannt.

    Antworten

Dein Kommentar

An Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns Deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert