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Echte Männer sind rechts. In den USA werben Fitness-Influencer für Trump. Jordan B. Peterson und Andrew Tate erreichen Millionen junger Männer mit ihren Lebensweisheiten. Und auf TikTok erzielt Maximilian Krah mit seinem Männlichkeitsideal enorme Reichweite. Was sie erfolgreich macht: Sie verkörpern einen klaren Lebensentwurf.  Die Suche nach Orientierung, nach Rollenbildern, wird so zu einem politischen Faktor, denn rechte Akteure verbinden ihre Weltanschauung mit einem Versprechen vom guten Leben – und leben dieses Versprechen sichtbar vor. Andrew Tate ist deshalb erfolgreich, weil er die Art von Mann zu sein scheint, für die er wirbt. Als Liberale halten wir uns aus Debatten um Männlichkeit, Lebensführung und das gute Leben jedoch meist vornehm raus. Klar: Wenn es um Sprache oder Selbstbestimmung geht, lehnen wir Staatseingriffe ab – wir wollen weder Pflicht noch Verbot. Doch auf die kulturellen und ethischen Fragen, die viele junge Menschen umtreiben, haben wir keine Antworten. Ich frage mich deshalb, ob wir Liberale nicht eine Debatte verschlafen, deren Ergebnis uns Probleme bereiten wird.

Rechte Politiker, Influencer und öffentliche Intellektuelle haben verstanden, dass vielen jungen Männern glaubwürdige Vorbilder fehlen. Sie suchen Halt genauso wie Antworten auf die Frage, wie man gut leben kann. Beides bieten Figuren wie Krah, Tate und Peterson mit ihren glaubhaften vorgelebten und einfach vermittelten Entwürfen für ein gutes Leben – was gerade in unruhigen Zeiten attraktiv wirkt. Leider so sehr, dass die New York Post kürzlich berichtete, junge Frauen würden lieber ältere Männer daten, weil Gleichaltrige zunehmend von Tate & Co. geprägt seien.

Liberale haben diese Entwicklung lange ignoriert. Das hat Prinzip: Jeder soll selbst entscheiden, wie er oder sie leben will. Der Staat soll keine Lebensmodelle vorgeben und auch die Gesellschaft sollte in diesen Fragen keinen Druck ausüben. Doch aus dieser richtigen Skepsis ist eine gefährliche Sprachlosigkeit geworden. Liberale dürfen durchaus Angebote machen auf dem Markt der Lebensentwürfe. Wir sollten zeigen, dass liberale Überzeugungen nicht nur politische Ordnungsprinzipien sind, sondern auch individuelle Lebenshaltungen: Selbstverantwortung, Toleranz, geistige Unabhängigkeit – Tugenden, die Orientierung bieten können, gerade für junge Menschen. Über Tugenden sprechen reicht jedoch nicht. Um Tate und Krah etwas entgegensetzen zu können, brauchen wir Liberale, die einen Lebensentwurf nicht nur präsentieren, sondern auch glaubhaft verkörpern können.