Am 22. Oktober trafen sich auf Einladung von Prometheus und der Tax Foundation, im Rahmen der vorgesehenen Hygienevorschriften, Steuerexperten zu eine Podiumsdiskussion zur Vorstellung des Index der internationalen Steuerwettbewerbsfähigkeit in der Landesvertretung des Landes Schleswig-Holstein in Berlin.
An der Diskussion beteiligten sich Dr. Monika Wünnemann, Abteilungsleiterin für Steuern und Finanzpolitik beim BDI, Roland Franke, Leiter der Steuer und Finanzpolitik in der Stiftung Familienunternehmen, Prof. Dr. Stefan Kooths vom Institut für Weltwirtschaft und der Obmann des Finanzausschusses im Bundestag Markus Herbrand.
Wünnemann kritisierte etliche Aspekte des deutschen Steuersystems. Besonders wichtig sei der Abbau der Bürokratie. Die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Steuersystems leide unter anderem an global einzigartigen Steuern wie der Gewerbesteuer oder unsinnigen Regelungen etwa bei den Absetzmöglichkeiten von Kursverlusten bzw. -gewinnen. Dadurch schrecke man Investoren aus dem Ausland ab und mache den Wirtschaftsstandort Deutschland unattraktiv. Zudem sei die Gewerbesteuer anfällig für Konjunkturschwankungen und daher keine verlässliche Einnahmequelle für die Kommunen, was in Krisenzeiten Subventionen durch den Bund notwendig mache. Der Mangel an digitaler Infrastruktur erschwere die Beseitigung der Mängel am deutschen Steuersystem. Auch den zwei-Säulen Vorschlag der OECD zur Reform des internationalen Steuerrechts bewertete Wünnemann als weitestgehend negativ für die deutsche Industrie. Die Gefahr liege unter anderem darin, dass Unternehmen Betriebsstätten und Firmensitze in ihre Absatzmärkte verlegen, wenn die aktuellen Entwicklungen in den Planungen der OECD bestand hätten. Dies würde den deutschen Staat Einnahmen und viele Menschen ihre Jobs kosten. Zudem drohe für Unternehmen Doppelbesteuerung. Der zunehmende bürokratische und juristische Aufwand, den die OECD-Reform durch zwischenstaatliche Steuerstreitigkeiten auslösen könnte, wäre ebenfalls von Nachteil.
Diese Nachteile sieht auch Roland Franke. Er erwähnte eine von der Stiftung Familienunternehmen beauftragte Studie des ifo. Sie verortete Deutschland auf den letzten Plätzen in Bezug auf ein für Familienunternehmen zuträgliches steuerpolitische Umfeld. Das führte Franke auch auf die mangelnde Digitalisierung zurück, was schon allein die Beschaffung der für die Studie notwendigen Daten in den Behörden erschwerte. Die Studie zeigt, dass die Steuerquote von 1998 bis 2017 von 17% auf 23% gestiegen ist. Unternehmen zahlen immer mehr Steuern und allein Familienunternehmen kommen für die Hälfte dieser Einnahmen auf. Unter diesem Gesichtspunkt kritisierte er die Erbschaftsteuer als Bremse der Konjunktur, die Familienunternehmen in ihrer Existenz bedrohen könne. Franke betonte vor allem, dass internationale Steuerangelegenheiten auch im Parlament und nicht nur in der OECD diskutiert werden sollten.
Prof. Dr. Stefan Kooths schließt sich seinem Vorredner an mit der Feststellung, dass, trotz einer kleineren industriellen Rezession, die Steuerquote im Jahr 2019 den Höchststand seit der Wiedervereinigung erreicht habe: 24% in Relation zur Wirtschaftsleistung. Dies stehe auch im Zusammenhang mit dem race-to-the-bottom-Mythos: Im Gegensatz zur weitläufigen Meinung, könne man sehen, dass im OECD-Vergleich die Steuereinnahmen der einzelnen Länder in Relation zum Wirtschaftswachstum eher zu- als abnehmen, weil leicht sinkende Steuersätze meist an eine breiter werdende Bemessungsgrundlage gekoppelt sind. In Bezug auf die Steuersätze könne man OECD-weit eher ein race-to-the-middle identifizieren, da Hochsteuerländer ihre Steuersätze eher senken, während Niedrigsteuerländer sie anheben. In einem Ausblick auf mögliche Reformen brachte Kooths nicht nur die Abschaffung der Gewerbesteuer ins Spiel, sondern forderte auch, sich der Grundsatzfrage zu stellen, ob man Unternehmen überhaupt besteuern sollte, da nicht nur Kapitaleigentümer, sondern ebenso die Angestellten und Konsumenten besteuert würden. Ein Ausweg aus dieser Problematik könnte ein Paradigmenwechsel von der Steuerfinanzierung hin zur Nutzerfinanzierung sein. So stelle sich etwa im Bereich der Verkehrsinfrastruktur die Frage, warum diese aus Steuermitteln finanziert werden solle und nicht durch die jeweiligen Nutzer, etwa über ein Mautsystem. Zur Vermeidung der heimlichen Steuererhöhung schlug Kooths einen “Tarif auf Rädern” vor, bei dem die Steuertarife an die Inflation bzw. an das Wachstum der Nominaleinkommen gekoppelt seien.
Die steigende Steuerquote war auch ein zentraler Kritikpunkt von Markus Herbrand. Der Abgeordnete fürchtet, dass das hiesige Steuersystem die Wettbewerbsfähigkeit des Standort Deutschland einschränken könnte. Darüber hinaus wies er ebenfalls auf strukturelle Schwächen hin, wie etwa bei Zurechnungsbesteuerung und Gewerbesteuer sowie die umständliche Besteuerung unterschiedlicher Rechtsformen. Mit der Thesaurierungsbesteuerung habe der Gesetzgeber, anders als versprochen, sogar noch mehr Bürokratie aufgebaut anstatt Unternehmen zu entlasten. Zum Thema der geplanten globalen Steuerreformen äußerte Herbrand lapidar: “Alte Steuern sind gute Steuern.” Dies bezog sich auf den Umstand, dass mit einem Systemumstieg auch immer eine weitere Bürokratisierung zu erwarten ist. Herbrand betonte, dass eine aktive Beteiligung des Parlaments bei Planung und Durchführung der OECD-Reformen absolut unerlässlich sei.
Die zunehmend schwache Stellung Deutschlands im Wettbewerb mit anderen Staaten um ein effizientes und wachstumsfreundliches bereitete allen Anwesenden Sorge. Der Wirtschaftsstandort Deutschland kann durch Fleiß und Köpfchen weit kommen, bedarf aber auch eines Rahmens, der weder durch Überregulierung noch durch finanzielle Überbelastung ausgerechnet diejenigen besonders trifft, die Arbeitsplätze schaffen, Ressourcen erwirtschaften und jenen Wohlstand für alle schaffen, der unser Land so lebenswert macht.
Die Zusammenfassung der Veranstatung entstand unter Mitarbeit unseres Praktikanten Maximilian Dreutler.
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