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Mit Wumms soll die deutsche Konjunktur im Sommer wieder aus der Krise kommen: Vor einem Jahr gab Bundesfinanzminister Olaf Scholz dieses Credo aus und stellte ein Konjunkturpaket vor, das die deutsche Wirtschaft aus der Krise wummsen sollte. Nach einem Rückgang des BIP von knapp 5% im Jahr 2020 und schwachen Prognosen für die nächsten Jahre darf man sagen: Wumms sieht anders aus. Liberale tendieren in ihrer Kritik des Pakets dazu, die drei Säulen guter Konjunkturpolitik zu predigen: Steuern runter, Regulierungen weg und Freihandel los. Während diese Ideen wichtig sind, um die Marktwirtschaft zu revitalisieren, lehrt ein Blick in die Wirtschaftsgeschichte was wir noch tun können: Wir müssen Unternehmertum wieder feiern lernen.

Die US-amerikanische Ökonomin Deirdre McCloskey beschreibt in ihrem Magnum Opus The Bourgeois Era wie wichtig die soziale Anerkennung von bürgerlichen Ideen und Verhaltensweisen war, um das fantastische Wachstum der europäischen Ökonomien während der industriellen Revolution zu erklären. Insbesondere in Großbritannien lässt sich das beobachten: Statt Feldherren und Kriegstreiber wie Napoleon oder absolutistische Monarchen wie Ludwig XVI zu feiern, standen im Vereinigten Königreich immer mehr Erfinder und Unternehmer im Mittelpunkt der Bewunderung – z.B. Edward Jenner, James Watt und Richard Arkwright.

Jenner, eigentlich ein gewöhnlicher englischer Landarzt, beschrieb 1798 in einem Aufsatz den schützenden Effekt von Kuhpocken gegen menschliche Pocken und legte damit den Grundstein für moderne Impfungen. James Watt, der heutzutage etwas zu Unrecht als der Erfinder der Dampfmaschine gilt, entwickelte mit dem separaten Kondensator eine Verbesserung der klassischen Dampfmaschine. Eine Verbesserung, die ungeahnte Produktionsfortschritte bringen sollte. Richard Arkwright, einem Jungen aus dem Norden Englands ohne formelle Schulbildung, gelang es mit dem Waterframe, die erste Spinnmaschine mit von Menschenkraft unabhängigem Antrieb zu entwickeln. Das diese Erfindungen die Welt verändert haben, steht außer Frage. Doch stellt sich eine weitere Frage: Warum haben sich die Erfindungen der drei erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts und im darauffolgenden Jahrhundert durchgesetzt, wo doch die nötigen Ressourcen und finanziellen Anreize schon Jahrzehnte, oft sogar schon Jahrhunderte vorher zur Verfügung gestanden hätten?

McCloskey gibt folgende Antwort: „unternehmerische Freiheit“ und „soziale Anerkennung“. Erfinder und Unternehmer brauchen legale Freiheiten, um ihre Erfindungen auszuprobieren und dann auch ökonomisch profitieren zu können. Doch ist der legale Rahmen nur die eine Seite der Medaille. Auf der anderen muss eine Gesellschaft Innovation, Kommerzialisierung und daraus resultierenden Fortschritt zu schätzen wissen. Erfinder und Unternehmer müssen Anerkennung erfahren – sie müssen gefeiert werden. So ungern technokratische Ökonomen es auch hören: Menschen sind soziale Wesen; Geld ist nicht alles; und soziale Anerkennung von Unternehmertum ist mindestens genauso wichtig für Wachstum wie das Profitinteresse.

Im Großbritannien des 18. Jahrhunderts wurde Richard Arkwright, der Gründervater der vollautomatisierten Textilindustrie 1786 in den Adelsstand erhoben. Edward Jenner, der Mann, der sogar auf die Patentierung seiner Pockenimpfung verzichtete, wurde zum Bürgermeister seiner Heimatstadt gewählt. James Watt wurde nach der Erfindung des Kondensators das wohl wichtigste Mitglied in der renommierten Lunar Society, Fellow der bekannten Royal Society und mit vielen weiteren Ehrungen in ganz Europa bedacht. Man muss den royalen Pomp der Briten nicht mögen, kann ihn für aus der Zeit gefallen halten. Doch zeigen uns McCloskeys Buch und die Beispiele aus dem 18. Jahrhundert peinlich genau, dass Deutschland im Jahr 2021 wie eine gänzlich andere Welt ist:

Während staatliche Stellen an jedem Schritt in dieser Krise versagen, haben uns private Retter mittlerweile vier zugelassene Impfstoffe zur Verfügung gestellt, während an knapp 300 weiterhin geforscht wird. Testhersteller und Drogeriemärkte erlauben es uns, Tests in einer Menge zu kaufen, die der Staat vor einigen Monaten noch für unerreichbar hielt, und Lieferdienste von A wie Amazon bis Z wie Zalando versorgen uns keimfrei bis an die Haustür. Gedankt wird es ihnen hingegen nicht: Statt den buchstäblichen Lieferhelden ein Denkmal zu bauen, bekommt die Forderung nach einer neuen Digitalsteuer für Lieferdienste Applaus. Statt Pharmaunternehmen für die Entwicklung von Impfstoffen in Windeseile zu honorieren, verklagt man das einzige Unternehmen, das Lieferschwierigkeiten hat, weil es seinen Impfstoff zum Selbstkostenpreis angeboten hat. Statt den vielen kleinen Selbstständigen zu danken, die ihre Friseursalons zu Testzentren verwandelt, ihre Uber zu Hygienepanzern umgerüstet und ihre Geschäftsmodelle digital umgekrempelt haben, um unser Leben einfach zu machen, gibt es Hilfsgelder fast ausschließlich für „Normal“-Arbeitsverhältnisse. Deutschland feiert Innovation, Kommerzialisierung und Unternehmertum nicht. Deutschland ist der Party Pooper.

Um ab dem Sommer mit Wumms aus der Krise zu kommen, braucht es den Dreiklang: Steuern runter, Bürokratieabbau und Freihandel. Doch das allein reicht nicht. Wachstum braucht die soziale Anerkennung für diejenigen, die machen, anpacken und unternehmen. Der Staat, aber auch seine Bürger, müssen lernen, dass es die Anpacker, die Macherinnen und Unternehmenden waren, die uns aus der Krise geführt haben. Und genau diese werden es auch sein, die uns mit Wumms aus der Krise führen. Dafür brauchen sie aber nicht nur Geld, sondern die Anerkennung, die sie verdienen.

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