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Photo: Vladimir Pustovit from Flickr (CC BY 2.0)

Von Frank Schäffler und Clemens Schneider.

Der Ökonom Prof. Jan Schnellenbach hat im Auftrag von „Prometheus – Das Freiheitsinstitut“ eine Studie erstellt zu der Frage „Respektiert eine Politik des ‚weichen‘ Paternalismus die Autonomie individueller Konsumenten?“ Zeitgleich mit der Veröffentlichung startet Prometheus die Kampagne „Ich brauch kein Kindermädchen“, die sich kritisch mit Nudging und Paternalismus auseinandersetzt.

Gerne berufen sich Politiker auf die Legitimation, die sie in regelmäßigen Abständen durch den Bürger erhalten. Im freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat wurden sie vom Wähler mit dem Auftrag ausgestattet, seine Interessen zu vertreten. Selbstverständlich haben sie eine sehr hohe Meinung von ihren Wählern – schließlich waren die klug genug, ihnen ihre Stimme zu geben. Der Respekt vor dem Wähler und Bürger hört auf anderen Gebieten jedoch schnell wieder auf. Als Verbraucher kann derselbe Wähler nämlich aus ihrer Sicht oft keine so klugen Entscheidungen mehr treffen. Wie kann man noch von einem mündigen Wähler ausgehen, wenn man den mündigen Verbraucher abschafft?

„Freiheit ist immer die Freiheit der Andersdenkenden“, heißt es. Dieses Zitat sollten sich die Politiker und Bürokraten an die Wand hängen, die versuchen, mit Hilfe des Nudging und einer „sanften“ Verbrauchersteuerung den besseren Menschen zu erschaffen. Aus deren Perspektive sollte der Bürger seine Freiheit nämlich nur nutzen, wenn er sie auch richtig nutzt. Was richtig ist, bestimmt aber nicht jeder für sich selbst. Was richtig ist, bestimmen Fachleute.

Wer sich Risiken aussetzt, macht in diesem Weltbild etwas falsch, auch wenn er selbst die möglichen negativen Konsequenzen zu tragen bereit wäre. Wer raucht und trinkt oder Aktiengeschäfte macht statt sichere Staatsanleihen zu kaufen, wer riskante Sportarten betreibt oder zu viel Schokolade isst, tut in diesem Verständnis etwas, das er gar nicht tun will. Er ist Opfer seiner eigenen Schwäche, Faulheit oder gar Dummheit. Kein vernünftiger Mensch kann doch so etwas wollen.

In einer Welt, in der alles vorherbestimmt ist, gibt es keine Autonomie mehr. Wenn die Schicksalsgötter bereits alles entschieden haben, kann der Mensch sich nur noch fügen. Zwar sind die Zeiten größtenteils vorbei, in denen Menschen eine solche Vorstellung der Welt hatten. Die Aufklärung hat aufgeräumt mit der Vorstellung des Menschen als Spielball von göttlichen Mächten. Doch diese Religion kehrt in neuer Gestalt mit Macht wieder. Die neuen Götter sind die Fachleute und Experten. Die neuen Hohepriester die Verbraucherschützer und Politiker. Sie sind Herren über das Schicksal, weil sie den richtigen Weg kennen. Sie sind im Besitz eines höheren Wissens und einer tieferen Einsicht.

Der freie Mensch glaubt nicht an solche Götter und folgt nicht solchen Hohepriestern. Er kann als freier Mensch selber entscheiden, was er konsumiert, wie er investiert und was seine persönlichen Ziele sind. Doch auch diese Freiheit und die damit untrennbar verbundene Verantwortung will erlernt sein. Jeder, der Kinder hat oder selbst einmal Kind war, weiß: Freiheit und Verantwortung lernt man nur, indem man Freiheit und Verantwortung übernimmt.

Je mehr staatliche Fürsorge es gibt, je mehr der Verbraucher geschützt wird, umso weniger Möglichkeiten gibt es für ihn, Freiheit und Verantwortung zu lernen. Wenn nun dieser Schutz im sanften und subtilen Gewand des Nudging daherkommt, wird es noch gefährlicher: Während der Bürger sich gegen eine gesetzliche Gängelung wehren kann, arbeitet diese Methode des unterbewussten Schubsens ja gerade dadurch, dass sie gar nicht auffällt. Es bleibt also nicht einmal mehr die Möglichkeit der Rebellion und des Ungehorsams, um Freiheit und Verantwortung zu lernen.

Nur wer die Freiheit hat, Dummes zu tun, wird mit der Zeit lernen können, was klug ist. Die Freiheit zum Irrtum ist die wichtigste Quelle menschlicher Erkenntnis und Entwicklung – im persönlichen Leben jedes einzelnen wie im großen Ganzen menschlicher Zivilisation. Wenn der „sanfte“ Paternalismus des Nudging die Freiheit vom Irrtum verheißt, droht er genau diese Quelle auszutrocknen.

Den perfekten Menschen und mithin das Paradies auf Erden zu schaffen, ist noch keinem Menschen gelungen. Es hat ganz im Gegenteil oft fatale Folgen gezeitigt. Wir müssen akzeptieren, dass Menschen ein Recht haben, Fehler zu machen. Es mag Entscheidungen geben, die uns unvernünftig erscheinen. Mit Worten und Argumenten können wir versuchen, jemanden davon abzuhalten. Aber der Vorrang der Freiheit verbietet es uns, in sein Leben einzugreifen. Nicht mit Gesetzen und Vorschriften. Und erst recht nicht mit subtiler Manipulation. Zumal keiner von uns wissen und nachvollziehen kann, welche Präferenzen jemand hat. Selbstverständlich kann man den genüsslichen Zug an der Zigarette oder das Freestyle Klettern den möglichen negativen Folgen vorziehen. „Carpe Diem“ – „Genieße den Tag“ ist eine legitime und gar nicht so seltene Einstellung.

Freiheit ist nicht nur die Freiheit der Andersdenkenden, sondern immer auch die Freiheit der Andershandelnden. Die Politik in einem freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat muss Respekt haben vor den Bürgern. Dazu gehört ganz wesentlich, zu akzeptieren, dass sie Entscheidungen treffen, die einem selbst nicht passen. Der Versuch, sie davon abzuhalten, ist nicht legitim – ganz besonders dann nicht, wenn er so geschieht, dass es die Bürger möglichst gar nicht bemerken.

Photo: Danny Huizinga from Flickr (CC BY 2.0)

Die bizarre bis erschreckende Situation, in der sich die USA derzeit befinden, ist auch das Ergebnis überzogener Versprechen der Politik. Wenn Weltenrettung der Mindeststandard geworden ist, darf man sich nicht über Kandidaten wie Trump oder Sanders wundern.

„Wenn Du mich wählst, sorge ich dafür, dass Du ein glücklicher Mensch wirst.“

George W. Bush versprach seiner Nation nach dem Trauma des 11. September einen harten, mühsamen, im Ende aber siegreichen Kampf gegen den Terrorismus. Mit dem Irak-Krieg wurde der Agenda auch noch die Demokratisierung des Nahen und Mittleren Ostens hinzugefügt. Nachdem diese beiden Vorhaben einen ganz anderen Verlauf genommen hatten, als ihn sich der Präsident vorgestellt hatte, punktete sein Nachfolger Barak Obama mit der Verheißung, einen Wandel herbeizuführen und die Vereinigten Staaten wieder zu versöhnen. Gemeinsam ist beiden in so vielen Punkten antagonistischen Präsidenten, dass sie gewaltige Versprechen abgegeben haben. Ihr Anspruch war nicht, das ein oder andere Problem zu lösen. Ihr Anspruch war die Rettung der Welt.

Damit haben sie nicht nur bei weitem die Grenzen dessen überschritten, was Politik in einer Demokratie überhaupt zu leisten befähigt ist. Sie haben vor allem auch ein Anspruchsdenken der Wähler an die Politiker befördert, dessen Früchte nun im Vorwahlkampf zu begutachten sind. Politik, so das implizite Versprechen von Bush und Obama, würde sich nicht mehr nur darauf beschränken, Art und Maß der Steuern zu bestimmen, die Umverteilung zu organisieren und Möglichkeiten der Gewährung von innerer und äußerer Sicherheit auszuloten. Politik würde die Welt fundamental verändern und das Leben der Menschen nachhaltig verbessern. Auch wenn das explizit nie so formuliert wurde – das was bei vielen Wählern ankam, war die Verheißung: „Wenn Du mich wählst, sorge ich dafür, dass Du ein glücklicher Mensch wirst.“

Das veränderte Politik-Verständnis

Natürlich wurden diese so geschürten Erwartungen auf voller Linie enttäuscht. Die beiden Präsidenten verloren sich auch im Klein-Klein der Alltagspolitik, machten technische Fehler, schätzten Situationen falsch ein, mussten äußeren Zwängen gehorchen und wurden von der Öffentlichkeit und vom Parlament vor sich hergetrieben. Die Bilanz nach acht Jahren Bush war viel erfolgloses Militärengagement, ein exzessiver Überwachungsstaat und eine enorme Steigerung der Staatsverschuldung. Die Bilanz nach acht Jahren Obama wird, von einigen Ausnahmen abgesehen, auch nicht viel besser ausfallen. Zudem hat sich die Spaltung des Landes eher noch verschlimmert.

Die Enttäuschung über die nicht eingehaltenen Versprechen hat allerdings nicht dazu geführt, dass sich die amerikanischen Wähler jetzt wieder den Pragmatikern zugewandt hätten, also etwa grundsoliden, wenn auch etwas langweiligen Leuten wie dem Republikaner John Kasich oder dem Demokraten Martin O’Malley. Und das liegt daran, dass Politiker wie Bush und Obama mit ihren völlig überzogenen Weltrettungs-Plänen das Politik-Verständnis der Mehrheit verändert haben. Dass noch keine paradiesischen Zustände eingetreten sind, liegt dann im Verständnis vieler an der Person Bush oder an der Person Obama, nicht an der Unerfüllbarkeit von deren Versprechen. Ein anderer, so die Erwartung, werde das dann aber schon hinbekommen.

Streben nach Glück statt Glücksversprechen

Das Ergebnis ist, dass extreme Exponenten wie Trump und Sanders einen erschreckenden Zulauf haben. Die beiden sind in gewisser Weise groteske und überzeichnete Karikaturen der letzten Präsidenten: Trump in seiner Hemdsärmeligkeit als vulgäre Variante von Bush und Sanders in seiner Intellektuellen-Manier als kompromisslose Variante von Obama. Anstatt die Erwartungshaltung an die Politik wieder zurückzuschrauben, wurde sie noch einmal um etliche Windungen weitergeschraubt. Das ist der Fluch unerfüllbarer Versprechen. Der Fluch der Verheißung, die Welt retten zu können.

Gerade weil viele Trends aus den USA oft mit ein paar Jahren Verspätung in Europa ankommen, kann man nur inständig hoffen, dass der derzeitige Alptraum eine vorübergehende kurze Episode bleiben wird. Hoffentlich wacht die Mehrheit der Amerikaner bald erschrocken auf und wendet sich wieder jenem Verständnis von Politik zu, das ihre Gründerväter formuliert hatten und das sie zu ihrer jetzigen Größe geführt hat. Denn das „Streben nach Glück“, das als unveräußerliches Recht in der Unabhängigkeitserklärung festgeschrieben wurde, ist eben nicht ein Glücksversprechen, das von außen kommt. Es wird nicht versprochen, dass die Bürger glücklich gemacht werden, sondern dass sie die Möglichkeit haben, ihr eigenes Glück zu verfolgen. Weder Grenzzäune noch ein massiver Ausbau der sozialen Sicherungssysteme werden Amerika wieder zu alter Größe führen. Einzig der Einsatz, der Fleiß, der Unternehmergeist und der Optimismus jedes einzelnen Bürgers kann ein Land nach vorne bringen – ob in den USA oder in unserem Land.

Photo: Francesco Gasparetti from Flickr (CC BY 2.0)

Von Dr. Titus Gebel, Unternehmer, Mitgründer der Deutschen Rohstoff AG.

Warum sollte eine kleine Gruppe von Menschen darüber entscheiden, wie Sie Ihr Leben zu führen haben? Insbesondere, wenn Sie diese Menschen weder beauftragt haben noch diese dazu besonders befähigt sind. Vielleicht geht es Ihnen wie mir und sind Sie stattdessen der Auffassung, dass Sie das Recht haben, Ihr Leben so zu gestalten, wie Sie dies selbst für richtig halten? Sie begehren nicht Mitbestimmung, sondern Selbstbestimmung? Dann gibt es eine Alternative: die Private City.

Sie beruht auf zwei Prinzipien: Erstens, dass jener, der anderen kein Leid zugefügt und für sich selbst sorgen kann, Anrecht darauf hat, in Ruhe gelassen zu werden. Auch von der Regierung oder der Mehrheit. Zweitens, dass die menschliche Interaktion, auch innerhalb grosser Gruppen, auf freiwilliger Basis und nicht auf der Basis von Zwang stattfindet. Heutige Staaten, Demokratien eingeschlossen, können keines der beiden Prinzipien garantieren. Sie basieren vielmehr auf der Verletzung derselben. Als Staatsbürger müssen Sie militärische Auslandseinsätze mitfinanzieren, Lehrstühle für Genderstudien, Subventionen für unwirtschaftliche Technologien, staatliche Fernsehsender – selbst wenn sie all dies ablehnen. Sie werden weiter gezwungen, Renten-, Kranken- und Pflegeversicherungen abzuschliessen, egal ob Sie das wollen oder nicht. Sie dürfen keine Glühbirnen, leistungsstarken Staubsauger, Plastiktüten oder Zigaretten ohne Warnhinweise erwerben. Die Verbotsliste wird jedes Jahr länger. Mit anderen Worten: sie sind kein Kunde, sondern Untertan.

Praktisch alle Staaten dieser Welt funktionieren nach dem gleichen, seit Jahrtausenden unveränderten System: Eine durch Erbfolge, Putsch oder Wahl an die Macht gelangte Gruppe von Auserwählten bestimmt die Geschicke aller. Im Laufe der Zeit bildet sich um diese Gruppe herum eine wachsende Menge von Zuarbeitern und Günstlingen. Diese wollen sich dem Risiko des freien Marktes entziehen und Leistungen ohne adäquate Gegenleistung erhalten (sogenanntes Rent-Seeking). Daneben finden Interessengruppen und Einzelpersonen nach und nach heraus, dass sie über die Politik ihre Wünsche der Allgemeinheit in Rechnung stellen können. Dadurch steigen unvermeidlich die Zahl der Gesetze, die Steuerbelastung und die Staatsschulden immer weiter an. Produktivitätshemmnisse und Freiheitseinschränkungen vermehren sich.

Am Ende steht der Ruin bzw. der Zusammenbruch des jeweiligen Gemeinwesens – und das Spiel beginnt von neuem. Obgleich viele meinen, die westlichen Demokratien seien zu stabil, um diesem Mechanismus erliegen zu können, stellten gar das Ende der Geschichte dar, ist dem nicht so. Der aufgezeigte Prozess findet augenblicklich statt, und zwar genau so wie beschrieben. Leider unterliegen auch Gesetze und Verfassungen, welche die Rechte des einzelnen schützen, faktisch dem Willen der Mehrheit. Sie können von dieser jederzeit geändert oder «zeitgemäss» ausgelegt werden. Entsprechend ist in den westlichen Demokratien während der letzten hundert Jahre der Anteil der Staatsausgaben am Bruttoinlandsprodukt (Staatsquote) von durchschnittlich 12 Prozent auf 50 Prozent gestiegen. Von 1979 bis heute wuchsen allein die deutschen Staatsschulden von 64 Milliarden auf 2000 Milliarden Euro.

Die zehn Grundregeln

Es gibt einen Ausweg. Staaten existieren, weil offenbar eine Nachfrage nach ihnen besteht. Eine staatliche Ordnung schafft einen Rahmen, innerhalb dessen der Mensch sozial interagieren und friedlich Leistungen und Güter tauschen kann. Das Bestehen von Sicherheit und festen Regeln macht es möglich, dass Menschen in grosser Zahl mit- und nebeneinander leben können. Ein derartiges Zusammenleben ist so attraktiv, dass dafür auch erhebliche Freiheitseinschränkungen akzeptiert werden. Vermutlich würden selbst die meisten Nordkoreaner das Verbleiben in ihrem Land dem freien, aber einsamen Robinson-Dasein vorziehen.

Wenn man nun die Leistungen des Staates bieten und gleichzeitig dessen Nachteile vermeiden könnte, hätte man ein besseres Produkt geschaffen. Nach über 30 Jahren politischer Aktivität bin ich zum Schluss gekommen, dass echte Freiheit im Sinne von Freiwilligkeit und Selbstbestimmung auf demokratischem Wege nicht zu erreichen ist. Diese Werte werden schlicht nicht ausreichend nachgefragt. Je mehr ich darüber nachdachte, desto mehr gelangte ich zu der Überzeugung, dass Staatsdienstleistungen rein privatwirtschaftlich von Unternehmen angeboten werden können und dass ich ein solches Unternehmen gründen möchte. Alles, was wir vom Markt her kennen, lässt sich auf unser Zusammenleben übertragen: die enorme Vielfalt des Produktangebotes, das Recht, etwas nicht zu kaufen, was uns nicht gefällt, und schliesslich der Wettbewerb zwischen den verschiedenen Produkten, der dafür sorgt, dass diese immer billiger und immer besser werden. Der «Staatsdienstleister» bietet auf einem abgegrenzten Territorium ein bestimmtes Modell an und nur derjenige, dem dies zusagt, siedelt sich dort an. Solche Konzepte müssen attraktiv sein, sonst kommt niemand bzw. wandert man wieder ab in andere Systeme.

In einer solchen Private City erhalten Interessenten vom Betreiber ein Vertragsangebot. In diesem Vertrag ist klar niedergelegt, welche Leistungen er erbringt. Dies umfasst eine Basisinfrastruktur, Polizei, Feuerwehr, Notfallrettung, einen rechtlichen Rahmen sowie eine unabhängige (Schieds-)Gerichtsbarkeit, damit Bewohner ihre berechtigten Ansprüche auch in einem geregelten Verfahren durchsetzen können. Diese Basisleistungen sind nicht abdingbar, die dafür jährlich anfallenden Kosten jedoch klar beziffert. Man bezahlt mithin nur, was man mit Vertragsschluss auch bestellt hat. Jeder Bewohner hat einen Rechtsanspruch darauf, dass der Vertrag eingehalten wird, und einen Schadensersatzanspruch bei Schlechterfüllung. Um alles andere kümmern sich die Bewohner selbst, können aber auch machen, was sie wollen.

Zusammenfassend gelten in einer Private City folgende Grundregeln:

  • Jeder Bewohner hat das Recht, ein selbstbestimmtes Leben ohne Einmischung anderer zu führen.
  • Die Interaktion zwischen den Bewohnern erfolgt auf freiwilliger Basis, nicht auf der Basis von Zwang. Auch die Teilnahme an und der Verbleib in der Private City sind freiwillig.
  • Die entsprechenden Rechte Dritter sind strikt zu achten, auch wenn einem deren Lebensweise oder Einstellung nicht gefällt.
  • Es besteht uneingeschränkte Meinungsfreiheit, mit einer Ausnahme: Wer Gewalt gegen andere oder deren Enteignung propagiert, muss die Private City verlassen. Das Kritisieren von anderen Personen, Weltanschauungen, Religionen usw. ist hinzunehmen und stellt keine Rechtsverletzung von Bewohnern dar, die sich dadurch empört fühlen.
  • Der Betreiber der Private City gewährleistet einen stabilen Rechts- und Ordnungsrahmen, um das friedliche Zusammenleben und Interagieren einer grossen Zahl von Menschen zu ermöglichen.
  • Dieser Rahmen wird zwischen dem Bewohner der Private City und dem Betreiber in einem Vertrag niedergelegt, der sämtliche gegenseitigen Rechte und Pflichten festhält. Dazu zählt auch die Höhe der Gegenleistung durch jeden Bewohner. Dieser Vertrag kann später nicht einseitig geändert werden.
  • Alle erwachsenen und geschäftsfähigen Bewohner sind für die Konsequenzen ihres Tuns selbst verantwortlich, nicht «die Gesellschaft» oder der Betreiber. Es besteht kein wie auch immer geartetes Recht, auf Kosten Dritter zu leben.
  • Interessenkonflikte zwischen den Bewohnern oder zwischen Bewohnern und dem Betreiber werden von unabhängigen Gerichten bzw. Schiedsgerichten verhandelt. Deren Entscheidungen sind zu respektieren, auch vom Betreiber.
  • Der Betreiber kann Bewerber nach eigenem Ermessen ablehnen. Es besteht kein Rechtsanspruch auf Aufnahme in die Private City.
  • Jeder Bewohner kann den Vertrag jederzeit kündigen und die Private City wieder verlassen, der Betreiber kann – nach Ablauf einer Probezeit – jedoch nur aus wichtigem Grund kündigen, etwa wegen Verstosses gegen die Grundregeln.

Private Cities sind kein Refugium für Reiche. So sind etwa Regelungen denkbar, nach denen für arbeitssuchende, aber mittellose Neubewohner in den ersten Jahren die Zahlungen gestundet werden, interessierte Unternehmer für ihre Mitarbeiter die Beitragszahlungen übernehmen usw. Trotzdem kann der Betreiber als Privatunternehmen dabei etwas verdienen. Wenn er den Deckungsbeitrag der Bewohner auf 100 000 Einwohner berechnet hat und es kommen 200 000, macht er Gewinn, weil er Polizei, Justiz, Infrastruktur usw. nicht ebenso verdoppeln muss, um das gleiche Dienstleistungsniveau zu bieten. Der Betreiber muss vermutlich die ersten Jahre vorfinanzieren, aber das ist bei anderen Geschäftsmodellen genauso. Ergänzend wäre es möglich, indirekte Steuern zu erheben, etwa Mehrwertsteuern oder Grunderwerbssteuern.

Grundsätzlich mischt sich der Betreiber nicht in private Entscheidungen der Bewohner ein. Im Hinblick auf Verkehrsregeln, Baurecht, Emissionen und dergleichen wird er freilich im Sinne einer geordneten und zügigen Stadtentwicklung Vorgaben machen. Auch wird er für den öffentlichen Teil der Infrastruktur gewisse Verhaltensregeln festlegen, z.B. das Verbot zu betteln oder nackt herumzulaufen. In Fragen der Neuaufnahme von Bewohnern entscheidet der Betreiber allein. Es ist schliesslich seine Hauptdienstleistung, für die bereits ansässigen Bewohner sicherzustellen, dass die freiheitliche Ordnung nicht gestört oder gar Leib und Leben bedroht werden. Das vermag er nur, wenn er die Zuwanderung entsprechend kontrollieren bzw. Störer auch wieder hinauswerfen kann.

Für alles andere gibt es private Unternehmer, die vom Krankenhaus über Schulen und Kindergärten bis hin zur Müllabfuhr abdecken, was nachgefragt wird. Gegen sämtliche Eventualitäten des Lebens versichern sich die Bewohner auf Wunsch privat oder gründen Selbsthilfegruppen, sei es zum Schutz vor Krankheit, Tod, Pflegebedürftigkeit oder Unfällen. Strassen, Hochhäuser, Häfen, Flugplätze und Einkaufszentren werden von Investoren erstellt und betrieben. Jeder kann zollfrei importieren und exportieren, was immer er will. Jeder kann neue Produkte und Dienstleistungen ohne Genehmigung oder Lizenz anbieten und sich in jeder gewünschten Währung bezahlen lassen. Das Korrektiv ist allein der Wettbewerbsdruck mit anderen Modellen des Zusammenlebens.

Dazu ein Beispiel: Das Fürstentum Monaco ist eine konstitutionelle Monarchie, die für Nichtmonegassen, welche immerhin 80 Prozent der Bevölkerung stellen, keinerlei Mitbestimmungsrechte vorsieht. Trotzdem gibt es mehr Interessenten, als der Wohnungsmarkt fassen kann, auch ich selbst bin dorthin übergesiedelt. Warum? Ich habe eine kleine Umfrage im Bekanntenkreis gemacht: weil man uns hier in Ruhe lässt. An dem Tag, an dem in Monaco alle EU-Regulierungen einschliesslich Einkommenssteuern eingeführt werden, ziehen die meisten einfach weg. Das weiss der Fürst und deshalb wird es nicht geschehen. Trotz dessen formal grosser Machtposition ist es somit ausschliesslich der Wettbewerb (mit anderen Gebietskörperschaften), der den Einwohnern die Freiheit sichert, nicht Gewaltenteilung, Parlament, Verfassung oder das Recht zu Volksabstimmungen.

Keine Utopie, sondern ein Geschäftsmodell

Eine Private City ist keine Utopie, sondern eine Geschäftsidee, deren Elemente bereits bekannt sind und die lediglich auf einen anderen Sektor übertragen werden, nämlich den des Zusammenlebens. Im Grunde stellt der Betreiber als Dienstleister nur den Rahmen, innerhalb dessen sich die Gesellschaft ergebnisoffen entwickeln kann. Die einzige Veränderungssperre zugunsten von Freiheit und Selbstbestimmung ist der Vertrag mit dem Betreiber. Nur er konstituiert Rechte und Pflichten. So können sich zwar die Bewohner darauf einigen, einen Gemeinderat zu etablieren. Aber auch wenn 99 Prozent der Bewohner dort mitmachen, hat dieses Gremium kein Recht, den übrigen 1 Prozent, die damit nichts zu tun haben wollen, seine Ideen aufzuzwingen; z.B. eine Kinderbetreuung, ein Schwimmbad, eine Städtepartnerschaft einzurichten und jeden dafür einen Pflichtbeitrag zahlen zu lassen. Das ist der entscheidende Punkt, an dem bisherige Systeme regelmässig gescheitert sind: die dauerhafte Gewährleistung der individuellen Freiheit.

Um ein derartiges Konzept umzusetzen, ist eine (Teil-)Autonomie im Sinne territorialer Souveränität unumgänglich. Diese muss das Recht umfassen, die eigenen Angelegenheiten selbständig zu regeln. Zur Etablierung einer Private City bedarf es daher einer vertraglichen Vereinbarung mit einem bestehenden Staat. In diesem Vertrag räumt der Mutterstaat dem Betreiber das Recht ein, auf einem genau umrissenen Territorium die Private City nach eigenen Regeln zu etablieren. Bestehende Staaten können für ein solches Konzept gewonnen werden, wenn sie sich Vorteile davon versprechen. Um die Stadtstaaten Hongkong, Singapur oder auch Monaco herum hat sich ein Gürtel von dicht besiedelten und wohlhabenden Gegenden gebildet. Dessen Einwohner zahlen ihre Steuern im Mutterstaat. Wenn nun in einem vormals strukturschwachen Gebiet derartige Gebilde entstehen, dann ist dies auch für den Mutterstaat ein gutes Geschäft. Dies ist auch einer der Gründe, weshalb Hongkong nach 1997 nicht von China einverleibt wurde. Freilich könnte später im Mutterstaat ein Demagoge ins Amt gelangen, der die Auffassung vertritt, man sei beim Vertragsschluss betrogen worden, und der die Rückgabe verlangt. Hier gibt es kein Patentrezept, man wird versuchen müssen, durch eine Kombination verschiedener Massnahmen den Aggressor von militärischen Schritten abzuhalten, etwa mittels Öffentlichkeitsarbeit, diplomatischer Kontakte zu anderen Staaten und gegebenenfalls auch durch ein Defensivkonzept, welches die Einnahme der Private City mit einem gewissen Preis verbindet.

Private Cities sind weit mehr als nur ein Gedankenspiel. Sie haben das Potenzial, eine echte Alternative zur bestehenden Ordnung zu werden bzw. diese im Sinne schöpferischer Zerstörung zu überwinden. Sind verschiedene Private Cities erst einmal weltweit verbreitet, wird das die bestehenden Staaten unter erheblichen Druck setzen, ihre Systeme in Richtung auf mehr Freiheit zu verändern, wollen sie nicht ihre Leistungsträger verlieren. Und das ist genau die positive Wirkung von Wettbewerb, die im Staatsmarkt bisher gefehlt hat.

Das gilt auch für die soziale Absicherung. Gerade weil diese Frage für viele Menschen so wichtig ist, wird es Angebote geben, die dies abbilden. Es gibt aus Vergangenheit und Gegenwart zahlreiche Beispiele, wie soziale Sicherung ohne Zwang erfolgreich funktioniert, z.B. kollektive Selbsthilfeeinrichtungen. Ebenso denkbar ist, dass sich im Laufe der Zeit spezialisierte Private Cities bilden, die gezielt religiöse, ethnische oder weltanschauliche Gruppen ansprechen. Der Mensch ist nun mal gern unter seinesgleichen. Für diese gelten dann ganz andere Grundregeln. Alles, wofür Nachfrage besteht, ist zulässig, solange die Freiwilligkeit der Teilnahme gegeben ist. Es steht keinem zu, darüber zu richten, wie seine Mitmenschen ihr Zusammenleben gestalten möchten. Private Cities sind eine friedliche, freiwillige Alternative, die ohne Revolution und Gewalt entstehen kann und für die nicht erst die Mehrheit überzeugt werden muss. Die ersten dürften innerhalb der nächsten zehn Jahre entstehen.

Erstmals veröffentlicht im Schweizer Monat.

Photo: dedljiv from Flickr (CC BY 2.0)

Von Dr. Hubertus Porschen, Vorsitzender des Verbandes „Die Jungen Unternehmer„, CEO von iConsultants.

Deutschland steht vor einer großen gesellschaftlichen Herausforderung. 2015 sind mehr als eine Million Menschen in unser Land gekommen. Und auch in diesem Jahr sind weiterhin viele auf der Flucht. Wie können wir Unternehmer dazu beitragen, damit aus dieser Herausforderung neue Chancen entstehen? Fest steht: Integration gelingt nur, wenn Flüchtlinge nicht abseits unserer Gesellschaft leben. Statt in Flüchtlingsunterkünften zum Nichtstun verdammt zu sein, müssen wir ihnen ermöglichen, in Arbeit zu kommen – Mitarbeiter und Kollegen zu werden. Eine geregelte Beschäftigung und Unabhängigkeit sind wichtige Bestandteile der menschlichen Würde. Und: Wenn Flüchtlinge ihr eigenes Geld verdienen, entlastet das auch unsere Sozialsysteme.

Eine Agenda „Arbeit für Flüchtlinge“

Deshalb müssen wir uns die Frage stellen: Wie schaffen wir in kurzer Zeit bis zu 1 Million zusätzliche Arbeitsplätze für Menschen, die zumeist weder die deutsche Sprache beherrschen noch hier gängige Berufsqualifikationen mitbringen? Das erfordert ein Reformpaket, das weit über die Agenda 2010 hinausgeht. Über sie sind ca. 800.000 Arbeitslose in Beschäftigung gekommen – allerdings bei weitem nicht in nur einem Jahr. Bei Anhalten des jetzigen Flüchtlingszustroms müsste unsere Volkswirtschaft jedes Jahr etwa so viele Menschen zusätzlich in Lohn und Brot bringen. Es wird also um den richtigen Mix aus Marktwirtschaft und intelligenten staatlichen Anreizen gehen, die dabei helfen, Chancengleichheit zu ermöglichen. Dazu müssen die Regierungsparteien endlich umschalten: Statt „Erste-Hilfe-Maßnahmen“ benötigen wir zügig eine strategisch und dauerhaft angelegte Agenda „Arbeit für Flüchtlinge“.

Die Rahmenbedingungen müssen stimmen

Diese muss Bildung und Arbeit in den Mittelpunkt stellen und zudem vieles gleichzeitig ermöglichen: Flüchtlingen starke Anreize zur eigenen Qualifizierung bieten. Arbeitgeber motivieren, Flüchtlinge zu beschäftigen, aus- und weiterzubilden. Und zugleich Investitionen und Wachstum in Deutschland zu beschleunigen. Vorab: Die Bemühungen zur Integration dürfen möglichst wenig „Sonderregelungen“ schaffen. Durch ihre Incentivierung darf die Politik inländische Arbeitnehmer nicht benachteiligen. Bei allen Maßnahmen muss es darum gehen, Chancengleichheit zu ermöglichen. Zu der schwierigen Frage, wie wir Flüchtlinge also bestmöglich in den Arbeitsmarkt integrieren, stellen wir jungen Unternehmer und Familienunternehmer folgende erste Ideen zur Diskussion:

Spracherwerb und Ausbildung

Flüchtlinge haben in unserer hochentwickelten Volkswirtschaft nur Chancen, wenn sie unsere Sprache beherrschen und sich aus eigenem Antrieb qualifizieren. Wir haben die Idee, vor die Aufnahme einer Ausbildung oder Berufstätigkeit eine staatliche „Vorausbildung“ vorzuschalten, die an zwei Tagen/Woche Sprach- bzw. Staatskundeunterricht und an drei Tagen/Woche ein Praktikum im Betrieb vorsieht. Daran kann eine „triale“ Ausbildung anschließen, bestehend aus praktischer Ausbildung, Berufsschule und Spracherwerb. Die dritte Säule kann zu einer Verlängerung der Ausbildungszeit auf vier Jahre führen. Die Leistung des Ausbildungsbetriebs liegt darin, dem Azubi an sämtlichen Tagen, die er im Betrieb tätig ist, einen vollwertigen Rahmen für seinen praktischen Spracherwerb zu bieten von der Fachsprache bis zur Umgangssprache, den er sonst so in keiner Sprachschule vorfinden würde. Diese Leistung wird über einen Dienstleistungsvertrag vom Staat mit 1.000 Euro pro Monat pro Flüchtling für die ersten beiden Ausbildungsjahre honoriert. Von diesem Zuschuss finanziert der ausbildende Betrieb zusätzliche Sprachlehrer und den Wettbewerbsnachteil, wenn sich erfahrene Facharbeiter mehr um diese Azubis kümmern müssen, als um Kunden und Produkte.

Öffnung des Arbeitsmarktes

Der aktuelle Aufwind des Front National in Frankreich sowie die Situation in den Banlieues zeigt, welche Abwärtsspirale mangelnde Integration in Gang setzen kann. Statt den Arbeitsmarkt für Flüchtlinge zu öffnen, hat ihn die sozialistische Regierung unter François Hollande lange Zeit noch stärker zugeschnürt. Gesellschaftliche Integration funktioniert jedoch nur über eine Integration in den Arbeitsmarkt. Und: Gesellschaftliche Integration ist die Basis für soziale Stabilität. Sie ist für uns Unternehmer der wichtigste Standortfaktor.

Wichtige Reformanstrengungen müssen deshalb in der Öffnung und Flexibilisierung des Arbeitsmarktes bestehen. Hierzu einige erste Ansätze:

  • Ein Praktikum sollte 12 Monate ohne Mindestlohn möglich sein. So können Flüchtlinge erste Berufserfahrung sammeln und Unternehmer deren Fähigkeiten in der Praxis bewerten
  • Asylberechtigte sollten sofort in Zeitarbeitsfirmen arbeiten dürfen. Die aktuell geplante Verschärfung der Regulierung der Zeitarbeit und der Werkverträge wirkt kontraproduktiv, da auf diesem Weg viele Migranten Arbeit finden.
  • Damit die Unternehmen, trotz der geringen Qualifikationen vieler Flüchtlinge risikobereiter bei den Einstellungen werden, muss der Kündigungsschutz reformiert und schrittweise in ein Abfindungsmodell umgewandelt werden.
  • Bei der „trialen Ausbildung“ sollte der Kündigungsschutz gelockert oder ganz ausgesetzt werden, damit die Einstellungsbereitschaft der Unternehmer steigt.
  • Darüber hinaus fordern wir, dass die Sozialversicherungsbeiträge halbiert werden für alle zusätzlichen Stellen, die in Deutschland zunächst bis 2020 geschaffen werden – egal ob für Migranten oder für hiesige Arbeitslose. Um die zusätzlichen Stellen ohne zu viel Bürokratie zu erfassen, könnte die Jahreslohnsumme eines Stichjahres herangezogen werden.

Investitionen und Wachstum

1,6 Prozent Wirtschaftswachstum unserer Volkswirtschaft reichen bei weitem nicht aus, damit eine große Zahl zusätzlicher Arbeitsplätze innerhalb weniger Jahre entstehen kann. Deshalb müssen wir rasch Innovationen und Wachstum ankurbeln. Ein zügiges Inkrafttreten des Freihandelsabkommens TTIP kann beispielsweise neue Wachstumsimpulse freisetzen. Zudem brauchen wir mehr innovative Start-Ups. Dafür benötigen wir einen besseren Zugang zu Wachstumskapital. Damit Gründer schnell wachsen und Arbeitsplätze anbieten können, sollten wir sie in den ersten drei Jahren durch eine umfassende Bürokratie-Schutzglocke vor steuerrechtlichen und arbeitsrechtlichen Regulierungen schützen. Und nicht zuletzt: Ein schneller Aufbau von Personalkosten muss auch über ausreichend Eigenkapital gegen Konjunktureinbrüche abgesichert werden. Zugleich ist Eigenkapital wichtig zur Finanzierung von Investitionen, mit denen dann weitere Arbeitsplätze geschaffen werden. Daher muss Eigenkapital steuerlich mit Fremdkapital gleichgestellt werden.

Wir jungen Unternehmer und Familienunternehmer sind bereit, Flüchtlinge mit unseren oft hochtechnisierten Arbeiten vertraut zu machen und bei dieser gesamtgesellschaftlichen Verantwortung mitzuwirken. Jetzt kommt es auf die Politik an, die Weichen zu stellen, damit ein neues Wirtschaftswunder möglich werden kann.

Die Familienunternehmer und die Jungen Unternehmer haben im Dezember 2015 ein Diskussionspapier „1 Million Arbeitsplätze – wie schaffen wir das?“ veröffentlicht, das Sie hier finden.

Photo: Dave from Flickr (CC BY-ND 2.0)

Charles Dickens‘ weltberühmte Erzählung „A Christmas Carol“ von 1843 ist eine fundamentale und zu Herzen gehende Kritik des beginnenden Kapitalismus. Manche Probleme hat der sozialkritische Schriftsteller richtig erkannt. Leider schießt er am Ende aber auf Pappkameraden.

Die Macht der Bilder

Wir Menschen, auch die mehr vergeistigten unter uns, reagieren stark auf Bilder und Erzählungen. Die Botschaften, die sie vermitteln, sind in der Sprache von Akademikern und Intellektuellen oft sperrig und kompliziert. Wenn sie aber mithilfe einer anschaulichen Erzählung transportiert werden, bekommen sie existentielle Plausibilität. Abstrakte Theorien werden dann anschaulich und nachvollziehbar, appellieren an unsere Emotionen, die immer noch einen Großteil unserer Entscheidungen bestimmen. Vielleicht haben Charles Dickens‘ Romane mehr zum Erfolg sozialistischer Ideen beigetragen als die Schriften von Karl Marx.

In seiner Erzählung beschreibt Dickens, wie der Geizhals und Ausbeuter Ebenezer Scrooge mit Hilfe von Geisterbegegnungen in der Weihnacht seinen Lebenswandel radikal ändert. Der erste Geist, der seines verstorbenen Geschäftspartners, führt ihm vor Augen, dass er sein jenseitiges Leben nunmehr in Ketten führen muss, die er sich selbst durch seine Geldgier auf Erden angelegt hat, und warnt seinen alten Kollegen, dass ihm dasselbe Schicksal drohe. Der Geist der vergangenen Weihnacht bringt Scrooge in Erinnerung, welche Chancen auf ein frohes und gutes Leben er durch seine Lieblosigkeit bereits verpasst hat.

Der Geist der gegenwärtigen Weihnacht zeigt dem misanthropischen Geschäftsmann Menschen aus seiner Umgebung – seinen Angestellten, seinen Neffen, seine Nachbarn –, die er allesamt schlecht behandelt hat und die, obwohl zum Teil in elenden Situationen, doch ein frohes Fest im Kreis ihrer Lieben feiern. Der Geist der künftigen Weihnacht schließlich offenbart Scrooge wie sich nach seinem Tod nicht ein Mensch findet, der sein Hinscheiden bedauert. Nach diesen Geisterbegegnungen entschließt sich der alte Mann dann, sein Leben von Grund auf zu ändern. Die Geschichte schließt damit, dass er seinem Angestellten eine kräftige Gehaltserhöhung verpasst.

Das Zerrbild des bösen Unternehmers

Viel Wahres steckt in dieser Geschichte. Geld macht nicht glücklich. So banal diese Aussage klingt: durch unser eigenes Verhalten widersprechen wir dem oft genug. Übrigens machen sich keineswegs nur geldgierige, geizige, böse alte Säcke bisweilen etwas zu viel Gedanken um Geld … Tatsächlich sind Familie, Freundschaften und ein freundliches, zugängliches Wesen oft viel wichtiger, um glücklich zu werden als prall gefüllte Kassen. Leider vergaloppiert sich Dickens allerdings am Ende seiner Reichenschelte.

Ebenezer Scrooge ist nämlich im Rahmen der Erzählung – und erst recht im Kontext von Dickens‘ Gesamtwerk – mehr als nur ein fehlerhaftes Individuum. Er ist vielmehr ein menschgewordenes Klischee. Und auch das nicht etwa ganz allgemein für jeden Geizhals, sondern speziell ein Klischee, ja ein Zerrbild, des Unternehmers. Und das ist der Punkt, wo die Geschichte kippt. Denn mit seiner bildgewaltigen Erzählung bewirkt Dickens auch, dass die Leser subtil den Eindruck vermittelt bekommen: Arme und einfache Leute seien reichen Menschen moralisch überlegen. Nicht aufgrund ihrer persönlichen Qualitäten, sondern weil sie arm und benachteiligt sind.

Nur Individuen sind gut oder böse

Kein Mensch ist gut oder böse wegen seiner Umstände, seines Berufs, seiner Klassen-, Rassen- oder Geschlechtszugehörigkeit: Weder der Flüchtling noch die Managerin, weder die Rollstuhlfahrerin noch der Millionenerbe. Menschen tun Gutes oder Böses. Ihr Handeln definiert sie moralisch und nicht ihre Gruppenzugehörigkeit. Einer der großen Irrtümer des Sozialismus war immer dessen Denken in Klassen. Sobald Menschen pauschal zugeordnet werden, besteht immer die Gefahr, dass man den Angehörigen der einen Gruppe die Rolle der Guten und den der anderen die der Bösewichte zuweist.

Lesen wir Dickens‘ Weihnachtsgeschichte mit leicht korrigierten Augen! Dann können wir tatsächlich etwas lernen darüber, was das Leben schön und wertvoll macht. Behalten wir nur beim Lesen im Hinterkopf, dass auch ein Armer, dass jeder von uns, hartherzig sein kann. Und vor allem auch, dass es viele privilegierte Menschen gibt, die sich ihres Privilegs wohl bewusst sind und es als Verantwortung begreifen. Eine Generation nach Charles Dickens schrieb der reichste Mann seiner Zeit, Andrew Carnegie, den Satz: „Der Mann, der reich stirbt, stirbt in Schande.“ Diese Überzeugung ließ ihn zu einem der bedeutendsten Philanthropen in der Geschichte werden. Schade, dass Dickens nicht mehr erleben konnte, wie seine Erzählungen von der Realität widerlegt wurden.