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Weil Bildung eine so zentrale Rolle im Leben des Menschen spielt, ist der Wunsch weit verbreitet, sie für alle möglichst gut zu organisieren. Das Problem ist, dass es sich dabei um höchst individuelle und persönliche Prozesse handelt, bei denen zentrale Fernsteuerung oft mehr schadet als nutzt.

Die Statistik-Illusion

Anna geht auf ein Gymnasium in NRW und Alex auf eines in Thüringen. Unter Berücksichtigung aller Statistiken müsste Anna sehr viel schlechter dran sein als Alex: NRW belegte 2015 den letzten Platz bei Bildungsausgaben und den vorletzten beim Bildungsmonitor, Thüringen hingegen belegt in beiden Kategorien den zweiten Platz. Freilich kommt in diesen Zahlen nicht zum Ausdruck, dass Annas Akademiker-Eltern genug verdienen, um ihr hervorragende Nachhilfe zu bezahlen; dass sie auf einem der ältesten Gymnasien des Landes ist, wo die Lehrer hochmotiviert sind; dass sie zweisprachig aufgewachsen ist und ihre Großmutter früher Physiklehrerin war. Genauso wenig ist in der Statistik zu sehen, dass Alex der erste in seiner Familie ist, der aufs Gymnasium geht; dass viele seiner Lehrer ein Problem mit ihm haben, weil er etliche Piercings im Gesicht hat; dass er sich nachmittags noch um seine Geschwister kümmern muss und dass er Basketball aufgeben musste, seit seine Mutter das Auto verkauft hat.

Das Problem mit Zahlen und Statistiken ist, dass sie nicht einmal ansatzweise konkrete Situationen darzustellen vermögen. Sie dienen natürlich der Orientierung, aber gerade an der so gern beschworenen Chancengleichheit vermögen sie nicht das Geringste zu ändern. Und die wie ein Totem verehrte Vergleichbarkeit wird dadurch erst recht nicht erfasst. Die Noten, die am Ende bei Anna und Alex auf dem Zeugnis stehen werden, hängen nur in sehr geringem Maße von der Ausgestaltung und finanziellen Ausstattung des jeweiligen Schulsystems ab. Schon die Noten von zwei Schülern aus unterschiedlichen Klassen an derselben Schule sind oft alles andere als vergleichbar – keineswegs nur in Fächern wie Deutsch oder Geschichte. Wenn die eine Mathelehrerin ihrem Beruf mit Herzblut nachgeht, während der andere sich vor allem wegen der attraktiven Arbeitszeiten für den Job entschieden hat, kann man nicht im Entferntesten davon reden, dass die Noten der 10a und der 10b vergleichbar seien.

Bildungspolitischer Budenzauber

Was macht eine gute Schule aus? Heerscharen von Politikern, Bildungsforschern, Pädagogen und Eltern haben sich den Kopf darüber zerbrochen. Das Ergebnis war eine Fülle an Experimenten, die hoch angepriesen wurden, von einer Nachfolge-Regierung dann wieder verschämt verscharrt wurden, nur um wenige Jahre später wieder als Innovation ausgebuddelt zu werden: Gesamtschulen, Kollegstufe, Ganztagsschulen, G8, G9, G8, G9, G8,5 … Der etwas undramatischere Lösungsansatz heißt in der Regel Geld. In die Richtung zielt ja auch die projektierte Grundgesetzänderung. Angestrebt wird eine „Investitionsoffensive für Schulen in Deutschland“, deshalb will man „die Möglichkeiten des Bundes zu einer aufgabenbezogenen Mitfinanzierung der Aufgabenwahrnehmung durch die Länder … erweitern“.

Quellen: INSM Bildungsmonitor; Statistisches Bundesamt

Wie das Totem der Vergleichbarkeit umgibt das Versprechen von mehr Investitionen auch eine magische Aura. Oder etwas banaler formuliert: wenn wieder mehr Geld für Bildung versprochen wird, erinnert das manchmal an den Besuch in einer Spielhölle. Und nochmal einen Euro eingeworfen – diesmal muss es klappen. Aber es klimpert nicht, und die Münze ist einfach weg. Man muss nur einmal die Bildungsausgaben der Bundesländer mit ihrem Abschneiden beim Bildungsmonitor vergleichen. Geld scheint weder positive noch negative Effekte zu haben. (So viel zum Thema Mess- und Vergleichbarkeit). Keiner wird sich gegen mehr Geld, neue Tablets oder eine Aufstockung des Betreuungsangebots sträuben. Die Frage ist nur: erreicht man so das erwünschte Ziel? Und daraus ergibt sich automatisch die davor liegende Frage: Was ist denn überhaupt das Ziel?

Nicht Dienst nach Vorschrift, sondern Dienst nach Begeisterung

Das Ziel müsste sein, dass Anna und Alex in ihrer jeweiligen Situation das Beste aus ihrem Leben machen können. Nun sind die beiden ebenso wie die anderen 11 Millionen Schüler in unserem Land sehr unterschiedliche Persönlichkeiten in sehr verschiedenen Umständen. Was sie brauchen, wie man sie am besten fördert, in welchem System sie sich am besten entfalten, kann kein Abgeordneter, kein Kultusminister und kein Schulamt beurteilen. Am ehesten können das noch diejenigen einschätzen, die sie wirklich kennen, also ihre Eltern, und diejenigen, die sie nicht nur kennen, sondern jahrelang dafür ausgebildet wurden, also ihre Lehrer und Schulleiter. An diesen Stellen entscheidet sich, wo die Reise für die jungen Leute hingeht. Die neuesten Tabletts nutzen nichts in der Hand schlechter Lehrer und die besten Turnhallen bringen nichts, wenn sich Pädagogen nicht für ihre Schüler interessieren.

Die Antwort auf die Herausforderung, die jungen Menschen unseres Landes so gut wie möglich für ihr Leben vorzubereiten, ist leider nicht so einfach zu geben. Es ist nicht einfach getan mit Investitionen und Systemveränderungen, auch wenn beides nicht grundsätzlich falsch sein muss. Aber die Fixierung darauf lenkt ab vom Kernproblem. Der entscheidende Punkt muss sein, dass Lehrer und Pädagogen ihre Verantwortung erkennen und wahrnehmen. Je mehr sie dabei durch Politik und Bürokratie gegängelt werden, desto mehr verschwindet auch das persönliche Verantwortungsbewusstsein. Gerade diese Menschen sollten (und wollen oft) nicht Dienst nach Vorschrift machen, sondern Dienst nach Begeisterung.

Verantwortung, wo sie hingehört

Wenn man Bildung, anstatt sie noch mehr zu zentralisieren, viel stärker dezentral gestalten würde, könnte man die Möglichkeiten, jeder Schülerin individuell gerecht zu werden, deutlich erhöhen – und das ist die wahre Chancengleichheit. Schulen müssen möglichst viel Autonomie haben, um sich auf ihre Schüler einstellen zu können und im Zusammenwirken von Pädagogen, Eltern und Schülern die richtigen Methoden zu finden. Es muss Freiraum geben für Experimente und Innovation, Schulleitungen müssen selbst entscheiden können, wie sie finanzielle und personelle Ressourcen am besten einsetzen. Warum sollten wir bildungspolitischen Sprechern und Ministerialbürokraten mehr vertrauen als den Lehrern unserer Kinder?

Es ist auch an der Zeit, sich vom Vergleichbarkeits-Totem zu lösen. Der Wechsel innerhalb derselben Schule in eine Parallelklasse kann dramatischer ablaufen als der zwischen zwei Bundesländern. Nicht nur Pädagogen sollten wir mehr zutrauen, sondern auch den Kindern und Jugendlichen – sie sind oft klüger und auch flexibler als wir meinen. Wir dürfen Bildung nicht als einen schematischen Vorgang denken, wo es nur darauf ankommt, die richtige Schablone zu finden, und sie mit viel Geld festzukleben. Bildung ist ein dynamischer Prozess, der besonders gut in der Kombination aus Freiheit und Verantwortung gedeiht. Die wenigen freien Schulen, die es gibt, zeigen in der Regel eindrucksvoll: dies ist das Umfeld, in dem Schüler und Lehrer gleichermaßen die erstaunlichsten Ergebnisse zeitigen können.

Photo: Max Langelott from Unsplash (CC 0)

Von Dr. Alexander Fink, Universität Leipzig, Senior Fellow des IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues und Fabian Kurz, Student der Volkswirtschaftslehre, ehemaliger Praktikant bei Prometheus. 

Deutsche Städte stehen angesichts seit Jahren steigender Mieten in der Kritik – allen voran Berlin. Der Vorwurf: Das Wohnungsangebot wird nicht stark genug ausgeweitet, um den Mietanstieg einzudämmen. Ein Blick auf Zahlen aus den zehn größten Städten erlaubt einen Vergleich zwischen den Städten. Der offenbart: es ist nicht alles schlecht in Berlin.

Vor zehn Jahren wurden in Deutschland so wenige Wohnungen fertiggestellt wie seit Kriegsende nicht mehr. 2008 wurden nur 143.000 Wohnungen vollendet. Seitdem ging es mit den Fertigstellungen deutlich aufwärts. 2017 waren es 275.000 Wohnungen. Trotzdem stehen deutsche Städte angesichts seit Jahren steigender Mieten in der Kritik – allen voran Berlin. Der Vorwurf: Das Wohnungsangebot wird nicht stark genug ausgeweitet, um den Mietanstieg einzudämmen. Ein Blick auf Zahlen aus den zehn größten Städten lässt kein Urteil zu, ob insgesamt „zu wenig“ gebaut wird. Er erlaubt jedoch einen Vergleich zwischen den Städten. Der offenbart unter anderem, dass die Anzahl pro 1.000 Einwohner fertiggestellter Wohnungen in Berlin nicht unterdurchschnittlich niedrig ist. Es ist also nicht alles schlecht in Berlin.

Seit 2010: Höhere Mieten, höhere Kaufpreise, mehr Wohnungsbau

Insbesondere seit 2010 stiegen in Deutschland Mieten und Kaufpreise für Wohnungen und Häuser – vor allem in den Städten. Die lockere Geldpolitik der EZB, die gute Konjunktur, die Migration vom Land in die Stadt sowie der Zuzug von EU- und nicht-EU-Ausländern trugen dazu bei. Der Anstieg wäre noch höher ausgefallen, wäre über die letzten Jahre das Angebot an Wohnungen nicht erheblich ausgeweitet worden.

Fertigstellungen von Wohnungen 2017: Berlin Mittelmaß

Den Städten wird dennoch vorgeworfen, dem Anstieg der Mieten nicht angemessen durch die Ausweisung zusätzlichen Baulands und der Erteilung von Baugenehmigungen zu begegnen. Unter den zehn größten deutschen Städten wird vor allem Berlin und hier ganz besonders die seit Dezember 2016 amtierende Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen, Katrin Lompscher (Die Linke), für eine zu geringe Bautätigkeit kritisiert.

Berlin stand allerdings 2017 mit 15.669 Fertigstellungen bezüglich der Fertigstellungen pro 1.000 Einwohner im Vergleich zu den übrigen großen Städten nicht sonderlich schlecht da.

Nur in Frankfurt (6,9), München (5,4) und Düsseldorf (4,4) wurden pro 1.000 Einwohner mehr Wohnungen fertiggestellt als in Berlin (4,2). Hamburg (4,2) und Berlin waren in etwa gleich auf und ließen Stuttgart (3,5) und Leipzig (2,8) hinter sich.

Es lässt sich festhalten, dass unter den zehn größten Städten pro 1.000 Einwohnern nur in Frankfurt, München und Düsseldorf bei wesentlich höheren Neuvertragsmieten mehr Wohnungen gebaut wurden als in Berlin.

Baugenehmigungen 2017: Berlin in der Spitzengruppe

Ein ähnliches Bild zeichnen die Baugenehmigungen für Wohnungen 2017. Absolut waren es in Berlin 24.743.

Pro 1.000 Einwohner liegen München (8,8) und Frankfurt (7,3) an der Spitze und auch hier ist Berlin (6,7) im Vergleich zu Städten wie Hamburg (6,6), Düsseldorf (5,9) und Stuttgart (2,4) nicht abgeschlagen. Die Anzahl der 2017 erteilten Baugenehmigungen lässt darauf schließen, dass auch 2018 und 2019 die Wohnungsfertigstellungen pro 1.000 Einwohner in Berlin nicht dramatisch geringer ausfallen werden als in Hamburg oder Stuttgart.

Bauaktivität in Berlin: Weder Top noch Flop

Würden in Berlin und Hamburg pro 1.000 Einwohner jährlich so viele Wohnungen fertiggestellt wie in München und Frankfurt oder wie im Hamburger Umland und Vororten Berlins wie Potsdam, fiele der Mietanstieg in beiden Städten niedriger aus. In beiden Städten sollten die politisch Verantwortlichen folglich schneller und umfangreicher Bauland ausweisen und freizügiger Baugenehmigungen erteilen.

Der Vorwurf, in Berlin werde der Wohnungsbau politisch besonders erschwert, wird durch den hier vorgenommenen Vergleich allerdings nicht gestützt. Vielmehr scheinen mit München und Frankfurt zwei der größten Städte wünschenswerterweise besonders wohnungsbaufreundliche Politik zu betreiben, wohingegen Berlin diesbezüglich dasteht wie eine gewöhnliche deutsche Großstadt – aber eben auch nicht schlechter.

Erstmals erschienen bei IREF.

Photo: Thirteen Of Clubs from Flickr (CC BY-SA 2.0)

Von Dr. Alexander Fink, Universität Leipzig, Senior Fellow des IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues und Fabian Kurz, Student der Volkswirtschaftslehre, ehemaliger Praktikant bei Prometheus. 

Auf fast der ganzen Welt – mit Ausnahme des Irans – ist der kommerzielle Handel mit menschlichen Organen verboten. Doch das Verbot führt keineswegs dazu, dass Menschen nicht gegen Geld ihre Organe verkaufen. Sie tun es aus der Not heraus ohne Schutz, angemessene Entschädigung oder medizinische Versorgung auf Schwarzmärkten. Die Weltgesundheitsorganisation schätzte 2012, dass jährlich ca. 10.000 illegale Organtransplantationen stattfinden. Ein legaler regulierter Handel mit lebendspendenfähigen Organen sollte in Betracht gezogen werden, um einerseits Erkrankten zu helfen und andererseits die Zahl der unter widrigen Bedingungen durchgeführten illegalen Transplantationen zu verringern.

Hunderttausende warten auf ein Organ

Gut 660.000 Menschen warten weltweit auf eine Organtransplantation. Daten der WHO für das Jahr 2010 zeigen, dass insgesamt 106.879 Organe transplantiert wurden. Davon wurden schätzungsweise 10 Prozent illegal transplantiert. Nieren machen mit 68,5 Prozent den Großteil der Transplantationen aus, gefolgt von Lebern mit gut 20 Prozent. Für beide Organe sind Lebendspenden möglich. Für die meisten Patienten, die sich für den illegalen Kauf eines Organs entscheiden, ist es die letzte Möglichkeit, ihr Leben zu retten.

Wie läuft ein illegaler Organhandel ab?

In der Regel reisen Patienten aus relativ reichen Ländern in relativ arme Länder, um dort ein Organ transplantiert zu bekommen. In diesen Ländern wird das Verbot des Organhandels nicht so konsequent durchgesetzt wie in den Heimatländern der Patienten.

Die Weltgesundheitsorganisation hat dem illegalen Organhandel 2007 einen der wenigen Berichte über diesen illegalen Markt gewidmet. Der Bericht offenbart, dass eine kurze Internetrecherche genügte, um mit Vermittlungsorganisationen in Kontakt zu treten. So wurden auf www.liver4you.org … damals Nieren für 85.000 Dollar auf den Philippinen angeboten. Ein chinesischer Anbieter offerierte eine Niere für 70.000 Dollar.

 

Brutales Geschäft

Der illegale Handel ist vor allem für die Organspender gefährlich. Immer wieder werden Spender, die zunächst freiwillig in den Handel einwilligten, betrogen und erhalten für das Organ nicht den zuvor verabredeten Preis oder werden medizinisch unsachgemäß behandelt. Zudem zwingen Menschenhändler regelmäßig ihre Opfer zur Organentnahme.

Eine besonders perfide Strategie der illegalen Organhändler ist es, schutzbedürftigen Menschen, wie Behinderten, Obdachlosen, (illegalen) Migranten oder Analphabeten vorzugaukeln, sie müssten wegen einer anderen Krankheit behandelt werden, um anschließend ohne das Wissen der Opfer Organe zu entnehmen.

China: Organe von politischen Gefangen

Auch Staaten beteiligen sich an diesem brutalen Geschäft. In China werden die Organe von zu Tode verurteilten Gefangenen für Transplantationen verwendet. Dabei handelt es sich keineswegs nur um verurteilte Mörder, sondern auch um politische Gefangene. Die Organe werden zum Teil mit hohen Gewinnen an ausländische Patienten verkauft. Die Exekutionen werden der Nachfrage entsprechend arrangiert. Zwar ist die zwangsweise Organentnahme von Gefangen inzwischen offiziell verboten, doch wird sie wohl weiterhin praktiziert. Die Gefangenen stimmen nun „freiwillig“ der postmortalen Organentnahme zu.

Illegaler Markt vs. legaler Markt

Auf dem illegalen Organmarkt wird die Not der Organspender von kriminellen Organisationen ausgenutzt. Befürworter des Organhandelsverbots befürchten, dass auch auf einem legalen Organmarkt die Notsituation von Menschen ausgenutzt werden könnte. Es ist jedoch die Illegalität und nicht der Handel per se, die dazu führt, dass die Organspender unter widrigen Bedingungen ausgenutzt werden.

Legaler Organhandel: Schutz durch Regeln

Ein besserer Schutz der Spender und der Empfänger könnte durch gezielte gesetzliche Regelungen auf einem legalen Organmarkt erreicht werden.

Auf den illegalen Märkten ist die finanzielle Not einer der Hauptgründe für den Organverkauf. Auf legalen Märkten könnten Einkommens- oder Vermögensgrenzen dafür sorgen, dass relativ arme Personen vom Verkauf von Organen ausgeschlossen werden. Auch die Auszahlung des Preises könnte verzögert erfolgen – etwa erst nach 3 Jahren. Relativ arme Menschen, die kurzfristig Geld benötigen, könnten so nicht zu einem Organverkauf gedrängt werden.

Auch auf der Käuferseite könnten Restriktionen umgesetzt werden. Vorstellbar ist, dass nur Krankenkassen oder zertifizierte gemeinnützige Organisationen die Organe ankaufen können. Die finanzielle Situation des Versicherten würde beim Kauf eines Organs so keine Rolle spielen.

Außerdem könnten Spender und Empfänger bei einem legalen Verkauf auf hohem medizinischen Niveau behandelt werden. Legale Operationen würden sowohl in armen als auch in reichen Ländern ausschließlich von Experten durchgeführt werden.

Legaler Organhandel unethisch und unnötig?

Auch wenn Spender wie Empfänger durch Regeln auf einem legalen Markt besser geschützt werden, gibt es weitere Einwände gegen die Legalisierung des Organhandels.
Der erste Einwand ist grundsätzlicher Natur: Organe sollten schlicht nicht zum Verkauf stehen – weder legal noch illegal. Dagegen lässt sich basierend auf der Arbeit der Philosophen Jason Brennan und Peter Jaworski einwenden, dass Dinge, die unentgeltlich getauscht werden dürfen, auch gegen Geld getauscht werden können sollten. Unentgeltliche Organspenden sind in den meisten Ländern legal möglich – in Deutschland derzeit zwar nur an Nahestehende. Eine legale entgeltliche Organspende sollte nach diesem Grundsatz ebenfalls möglich sein.

Der zweite Einwand stellt die Notwendigkeit eines legalen Organhandels in Frage. Die Nachfrage nach illegalen Organen könnte gemindert werden, etwa indem die Spenderquote nach dem Tod erhöht wird und Tauschringe sowie Tauchketten erlaubt werden. Außerdem könnte der medizinische Fortschritt, zum Beispiel im Bereich 3D-Druck, in Zukunft Organtransplantationen überflüssig machen. Es ist jedoch möglich, dass in der kurzen Frist auch diese Änderungen nicht ausreichen würden, um die Nachfrage nach Organen gänzlich zu bedienen.

Illegalen Handel durch legalen Handel einschränken

Solange die Nachfrage nach Spenderorganen nicht durch unentgeltliche Organspenden oder den medizinischen Fortschritt vollständig bedient wird, ist die relevante Alternative zu einer Welt mit legalem Organhandel nicht eine Welt ohne Organhandel.

Die relevanten Alternativen sind eine Welt mit ausschließlich illegalem Organhandel und eine Welt, in der der legale Organhandel den illegalen Organhandel weitestgehend zurückdrängt. Ein regulierter legaler Organhandel könnte mehr lebensrettende Transplantationen ermöglichen, professionelle Anbieter von Transplantationen kriminelle Organisationen verdrängen lassen und verlässliche Zahlungen an Spender garantieren.

 

Zuerst veröffentlicht bei IREF.

Photo: „dad and son“ by Picturepest from Flickr (CC BY 2.0)

Das Problem an der Bildungspolitik ist die Bildungs-Politik. Erziehung endet nicht mit der Einschulung und kann auch nicht an der Wahlurne stattfinden. Ein Plädoyer für mehr Elternverantwortung.

Die Bildung dominiert die Politik

Es gibt Landtagswahlen, und ganz Deutschland blickt gespannt auf die Trends, die die Wahlen in Hessen und Bayern aussenden. Unabhängig davon, dass die Volksparteien seit Jahrzehnten stetig schrumpfen, scheint jede Wahl ihre eigene Dynamik und vor allem ihre eigenen Themen zu haben. Könnte man meinen. Denn nicht etwa die Migrationspolitik oder die drohende Ausweitung von Fahrverboten für Dieselfahrzeuge sind für die meisten Wähler entscheidend, sondern die Schul- und Bildungspolitik. Umfragen zeigen, dass sowohl in Bayern (52 Prozent) als auch in Hessen (33 Prozent) die Bildung als wichtigstes Kriterium für die Wahlentscheidung gilt. Die Bildungspolitik ist nicht nur wahlentscheidend. Sie kann ganze Landesregierungen zu Fall bringen. Wie jene jene Ole von Beusts in Hamburg, der 2010 nach einem Volksentscheid gegen die schwarz-grüne Schulreform zurücktrat.

Und sie ist wohl die verlässlichste Quelle von Empörung und Streit, egal ob es um G8 geht, um Kitaplätze, um Inklusion oder um das Zentralabitur. All das ist vor allem Symptom einer massiven Überbewertung und Überlastung der Schulen. Sicher, Schulen sind vermutlich diejenigen staatlichen Einrichtungen, in denen wir die meiste Zeit unseres Lebens verbringen – Tendenz steigend. Nichtsdestotrotz wird das Bildungssystem als Institution mit viel zu vielen und vollkommen falschen Erwartungen überladen. Im Idealfall sollten Schulen alle sozialen Unterschiede nivellieren, den Eltern die nervige Erziehung abnehmen und nebenbei noch die Integration hunderttausender minderjähriger Flüchtlinge schaffen. Absurd, oder?

Sind deutsche Schulen wirklich nicht durchlässig?

Stichwort soziale Unterschiede: Als Indiz für die Ineffizienz der deutschen Bildungssysteme wird immer wieder die mangelnde sogenannte soziale Durchlässigkeit genannt. Damit gemeint ist vor allem die Rate von Kindern aus „Nicht-Akademiker-Haushalten“, die das Abitur machen und zur Universität gehen. Ganz abgesehen von der unsäglichen Überbewertung der akademischen Ausbildung, entbehrt dieser Vorwurf letztlich auch jeder Grundlage. Die staatlichen Schulen sind in Deutschland kostenfrei. Darüber unterstützt der Staat 2,5 Millionen bedürfte Kinder mit Bildungs- und Teilhabeleistungen. Davon abgedeckt sind u.a. Schulmittagessen, Schulbedarf, Schulausflüge und sogar Nachhilfe. Und selbst die stetig wachsende Anzahl an Privatschulen erhebt zumeist einkommensabhängige Schulgelder, und vergibt gar bis zu einem Drittel der Schulplätze über Stipendien.

Eltern machen einen Unterschied und das sollten sie auch

Nicht die Drei- oder Zweigliedrigkeit des Schulsystems, nicht G8 oder G9 sind dafür verantwortlich, dass Kinder unterschiedliche Interessen, Ideen, Ziele und Fertigkeiten haben. Es sind die Eltern. Und das ist eigentlich auch gut so. Es ist richtig, dass das Elternhaus die eigenen Kinder prägt, Normen vermittelt, Werte anbietet und vor allem Neugier auf die Welt schafft. Die Erziehung ist in erster Linie eben nicht die Aufgabe eines Lehrers oder gar des Staates. Dafür ist das starre, unflexible und letztlich auch unpersönliche Schulsystem nicht geschaffen. Sicher, Schulen können einen wertvollen Beitrag leisten. Sie sind wichtig für die Sozialisation und die standardisierte Wissensvermittlung- und Überprüfung, und es ist ein großes Glück, wenn motivierte Lehrer die „extra Meile gehen wollen“ um mit ihren Schülern mehr zu erreichen als der Lehrplan vorgibt.

Doch auch wenn die Erziehung für viele heute mit der Einschulung endet, ändert dies nichts am Einfluss der Eltern. Das zeigen schon die Berichte von Grundschullehrern über die weit auseinander gehenden Fähigkeiten von Erstklässlern. Nun könnte man nach verpflichtenden Vorschulen rufen und immer weiter an der Interventionsspirale drehen, um Kinder am besten gar nicht mehr dem Elternhaus auszusetzen. Das Gegenteil sollte geschehen. Eltern müssen sich ihrer Bedeutung für die eigenen Kinder bewusst werden. Das jedoch geschieht umso seltener, je mehr „dem Schulsystem“ die komplette Verantwortung für die Erziehung übertragen wird. Das auch und gerade zu Lasten der Lehrer, die immer häufiger unter den übermäßigen Erwartungen zusammenbrechen. Ein realistischeres Bild der Institution Schule wäre nicht zuletzt auch ein probates Mittel gegen Lehrerknappheit.

Auch arme Eltern sind gut für ihre Kinder

Am Ende wird die Überfrachtung der Schule vor allem von denjenigen betrieben, die sich nicht vorstellen können, dass arme oder „bildungsferne“ Eltern auch gute Eltern sein können. Das verkennt die Leistung all jener Eltern von Bildungsaufsteigern, die unsere Gesellschaft in den letzten 100 Jahren geprägt haben. Zumeist getrieben von der Überzeugung, dass es die eigenen Kinder einmal besser haben sollten, haben sie ihre Kinder unter viel schwierigeren Bedingungen als heute unterstützt und motiviert. Das ist eine Aufgabe, die kein Schulsystem der Welt zu leisten im Stande ist.

Im bildungspolitischen Verantwortungsvakuum hingegen, „versagen“ Lehrer weil sie der vermeintlichen Aufgabe nicht ansatzweise gerecht werden können. Und Eltern denken, sie könnten die Erziehung ihrer Kinder an der Wahlurne abgeben. Der beste Beitrag für ein sozial gerechtes Schulsystem wäre es, die Schule von der Verantwortung für die soziale Gerechtigkeit freizusprechen. Dann würden sich die Eltern ihrer Bedeutung vielleicht wieder etwas bewusster werden.

Photo: Dmitry Sytnik from Unsplash (CC 0)

Die Bereitschaft zum Experiment ist einer der wesentlichen Gründe dafür, dass unser Leben besser wird. Deshalb sind die Vorschläge des diesjährigen Wirtschafts-Nobelpreisträgers Paul Romer so wichtig. Wenn man ihnen folgen würde, könnten Inkubatoren des Fortschritts entstehen, die das Gesicht der Welt verändern würden.

Städte: Motoren der Zivilisation

Die Entwicklung von offenen Gesellschaften, technologischer Fortschritt, die Herrschaft des Rechts und der Wohlstand für alle sind meist in den Städten entstanden. Die großen Stadtkulturen – vom alten Griechenland über die Hanse und die italienischen Stadtstaaten bis hin zu den modernen Metropolen – waren von jeher Ausgangspunkte menschlicher Zivilisation. Es waren, wie die Ökonomin Deirdre McCloskey in einer dreibändigen Buchreihe beschreibt, die „bürgerlichen“ Tugenden und Werte, die letztlich dazu geführt haben, dass wir heute in einer Welt mit Gesundheitsversorgung, allgemeiner Bildung und Internet leben. Denn diese Städte haben nicht nur dem aufstrebenden Bürgertum politische Freiheit geschenkt, sondern auch als Zentren des Handels dazu geführt, dass deren Bewohner dem zähen Überlebenskampf eines Landlebens entkommen konnten.

Paul Romer, dem Anfang der Woche der Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften zugesprochen wurde, hat dieses Phänomen in einem seiner Lieblingsprojekte aufgegriffen. Er schlägt vor, in Entwicklungsländern die Gründung sogenannter „Charter Cities“ zu ermöglichen. Die Regierung des Landes würde in diesem Projekt ein Stück des eigenen Staatsgebietes – möglicherweise gegen Zahlung einer Pacht – einem anderen Staat oder einer Staatengemeinschaft zur Nutzung überlassen. Ähnlich wie es bis 1997 bei Hongkong der Fall war. Die Stadt würde dann unter der Gesetzgebung und Rechtsprechung eines Landes wie Kanada oder auch der EU stehen, was zu einer sehr viel höheren Rechtssicherheit führen würde als dies in den Ländern der Fall ist.

Freiräume schaffen für die Entwicklung neuer Ideen

Diese Städte, so Romers durch historische Erfahrung auch gut begründete Hypothese, würden wie Fortschritts-Inkubatoren auf die entsprechenden Staaten wirken. Wer heute in Nigeria oder Nicaragua eine pfiffige Idee oder Unternehmergeist hat, wird oft durch Korruption, Behördenwillkür und ausbeuterische Steuern und verschwenderische Ausgaben in seinem Fortkommen gehemmt. Wenn sie oder er die Möglichkeit hätten, unkompliziert in eine Charter City zu ziehen, könnte sehr viel mehr Innovation auf fruchtbaren Boden fallen als dies heute der Fall ist. Gerade auch in einem Zeitalter, in dem mehr Menschen auf der Flucht sind als jemals, kann dieses Konzept leicht modifiziert, eine wirklich nachhaltige Lösung bieten. Was wäre alles möglich in von der EU verwalteten Charter Cities in Jordanien oder der Türkei – verglichen mit dem Elend und der Perspektivlosigkeit jetziger Flüchtlingslager!

Man könnte den Gedanken sogar noch etwas weiterspinnen: Während Entwicklungsländer oft das Problem mit mangelnder Rechtssicherheit haben, sind Länder wie Deutschland oder Staatenzusammenschlüsse wie die EU in der Gefahr, einer überbordenden Verrechtlichung. Ein Übermaß an Bürokratie und Regulierung verhindert, dass die Innovationsdynamik so effizient einsetzen kann, wie es die Mischung aus Unternehmergeist, Bildung und Ressourcen in unseren Breitengraden nahelegen würde. Warum kann man nicht auch innerhalb der EU Städte oder Ballungsgebiete ausweisen, in denen abweichende Regulierungen ausprobiert werden, wie es Frank Schäffler hier bereits vor zweieinhalb Jahren vorgeschlagen hat? Ist der Wettbewerb wirklich eine solche Bedrohung?

Am Ende profitieren alle

Die Herausforderungen für den Fortschritt sind derzeit viele: Während die einen Innovation verhindern wollen, um vermeintlich Arbeitsplätze zu retten, ersticken die anderen sie in Regulierungen, um vermeintlich Verbraucher zu schützen. Unternehmer und Erfinder müssen sich mühsam freischwimmen in einer wahrlich nicht gerade innovationsfreundlichen Welt. Eine geradezu groteske Entwicklung, denn noch nie in der Geschichte der Menschheit waren die Vorzüge von Innovation so offensichtlich wie heute. Noch nie konnten wir ihren segensreichen Beitrag so zeitnah mitverfolgen: Die Hälfte der Menschheit ist unter 30 Jahren alt; und zu ihren Lebzeiten wurde das Internet eingeführt und der „Goldene Reis“ entwickelt, wurden Smartphones erfunden und Medikamente gegen AIDS erforscht.

Wenn wir diesen Fortschritt nicht hemmen oder gar zurückdrehen wollen, müssen wir uns Gedanken darüber machen, in welchem politischen Kontext er am besten gedeiht. Und da scheinen die heutigen Groß-Demokratien, die häufig Opfer von Interessengruppen und Populisten werden, zunehmend ein ebenso ungesunder Kontext zu werden wie Entwicklungsländer. Hier wie dort wären die von Paul Romer und anderen Vordenkern wie Patri Friedman oder Titus Gebel ersonnenen Konzepte von „Charter Cities“, „Seasteading“ oder „Private Cities“ interessante und vor allem realistische Alternativen. Sollten diese freien Städte Erfolg haben, dürften davon – wie schon früher in der Geschichte – am Ende alle profitieren. Denn wie schon Ludwig von Mises 1927 schrieb: „Aller Fortschritt der Menschheit vollzog sich stets in der Weise, dass eine kleine Minderheit von den Ideen und Gebräuchen der Mehrheit abzuweichen begann, bis schließlich ihr Beispiel die anderen zur Übernahme der Neuerung bewog.“