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Photo: Bunnyfrosch from Wiki Commons (CC BY-SA 2.0) 

Mit einem bemerkenswerten Vorschlag zur Neuordnung der Rundfunkordnung in Deutschland hat am Wochenende Pro Sieben-Sat 1 auf sich aufmerksam gemacht. Ihr Vorstand Conrad Albert hat in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung doch tatsächlich einen Anteil am Beitragskuchen der Öffentlich-Rechtlichen für die Privaten eingefordert. Dazu legte der Münchner Medienkonzern am Montag mit einem umfangreichen Gutachten für eine „Medienordnung 4.0“ der beiden Medienrechtler Mark Cole und Jan Oster nach. Wettbewerber RTL widersprach dem Vorschlag umgehend: „Wir setzen nicht auf Subventionen für einzelne Inhalte, sondern auf einen fairen Wettbewerb, der zugleich die publizistische Unabhängigkeit bewahrt“, ließ RTL verlautbaren.

So einfach darf man es sich jedoch nicht machen. Denn die Rahmenbedingungen im Rundfunkwesen sind massiv verzerrt. Deutschland hat den teuersten öffentlich-rechtlichen Rundfunk der Welt. Rund 8 Milliarden Euro Beitragseinnahmen können ARD, ZDFund DeutschlandRadio verbuchen. Über 23 Fernsehkanäle und 63 Radioprogramme werden darüber finanziert. Hohe Personalkosten, üppige Pensionen und ein undurchsichtiges Beteiligungsgeflecht müssten eigentlich die Rechnungshöfe des Bundes und der Länder auf den Plan rufen. Doch deren Zugriffsmöglichkeiten auf die Daten der ARD-Anstalten und des ZDF sind unzureichend, was von den Rechnungshöfen selbst kritisiert wird. Auch die Beitragszahler können keinen Einfluss auf das Ausgabengebaren der Öffentlichen nehmen. Sie haben kein Mitspracherecht, dürfen aber fröhlich bezahlen.

Dabei gibt es keinen Mangel an Information. In Deutschland sind allein über 400 TV-Programme frei empfangbar. Streaming-Dienste und Youtube-Kanäle ersetzen zunehmend das herkömmliche Fernsehen. Zeitungen und andere Medien informieren umfangreich und in großer Vielfalt. Deshalb nehmen die Proteste und Widerstände gegen das derzeitige Finanzierungssystem zu: Rund 10 Prozent der Beitragszahler sind im Mahnstatus des so genannten „Beitragsservice“. Davon wurden im letzten Jahr fast 1,5 Millionen Vollstreckungsbescheide erwirkt.

Das Sat 1-Gutachten lenkt den Blick wieder auf diesen Sachverhalt, schon daher ist es zu begrüßen. Es folgt im Übrigen dem gleichen Ansatz wie die Studie des Düsseldorfer Wettbewerbsökonomen Justus Haucap, die er bereits im Mai 2015 für das Berliner Prometheus-Institut erstellt hat. Beide Gutachten wollen einen vorher definierten Programminhalt, der im öffentlichen Interesse ist, über ein Ausschreibeverfahren vergeben. An diesen Ausschreibungen sollen sich private und öffentliche Sender beteiligen können.

Der wesentliche und entscheidende Unterschied beider Vorschläge ist aber deren Finanzierung. Und hier trennt sich die Spreu vom Weizen. Während Haucap eine Privatisierung der öffentlich-rechtlichen Anstalten vorschlägt und deren Privatisierungserlöse in eine Stiftung einbringen will, deren Erträge dann die künftig gewünschten Programminhalte finanzieren sollen, wollen Cole und Oster am System des Zwangsbeitrages nichts ändern. Sie schlagen sogar „eine Beteiligung privater Rundfunkveranstalter bei erhöhtem Rundfunkbeitrag“ vor. Und damit schießt sich das Gutachten und leider auch Pro Sieben-Sat 1 aus der Bahn, denn eine wachsende Abhängigkeit vom sich dynamisierenden Beitragskuchen ist sehr wahrscheinlich und auch gefährlich. Es ist wohl vorauseilender Gehorsam, wenn die Gutachter die Bestands- und Entwicklungsgarantie von ARD und ZDF dogmatisch zementieren wollen. Ob das Bundesverfassungsgericht heute noch den jetzigen Umfang (8 Milliarden Euro Einnahmen, 23 Fernseh- und 63 Radioprogramme) als notwendig erachten würde, darf sicherlich bezweifelt werden.

Dennoch ist das aktuelle Gutachten wichtig und sinnvoll, weil es mit vielen Mythen und Legenden aufräumt. Eine Legende lautet, dass auch das EU-Recht die Öffentlich-Rechtlichen schütze. Dabei ist es ein geschickter Übersetzungsfehler, da das EU-Recht nicht von Anbietern (ARD, ZDF), sondern von einem bestimmten Angebot ausgeht. Wenn also von „service public de radiodiffusion“ oder von „public service broadcasting“ die Rede ist, darf dies nicht mit „öffentlich-rechtlichen Rundfunk“ übersetzt werden, sondern mit einem öffentlichen Angebot. Und dies Angebote können sehr unterschiedlich finanziert werden. Auch ein Stiftungsmodell, das die Privatisierungserlöse von ARD und ZDF und weiteres Stiftungskapital, für diese Zwecke einsetzt, wäre europarechtskonform. Aber nicht nur das – es wäre auch das Ende des Zwangsbeitrages. Eine Privatisierung der öffentlich-rechtlichen Sender würde dann auch den privaten Sendern und allen anderen Medienangeboten endlich eine faire Chance auf dem Markt geben.

Photo: Devin Stein from Flickr

In früheren Zeiten waren es die Justizminister, also die Verfassungsminister, die sich als Hüter der Grundrechte im Gesetzgebungsverfahren verstanden. Sie leisteten Widerstand, wenn andere Minister allzu großzügig mit der Einschränkung von Verfassungsrechten umgingen. Sie waren also ein Gegengewicht innerhalb einer Regierung. Nicht ohne Grund werden auch deshalb in einer Koalitionsregierung auf Bundesebene der Innenminister und der Justizminister in der Regel von unterschiedlichen Parteien gestellt. Doch in einer großen Koalition verschwimmen diese bewährten Prinzipien. Zwar werden Innen- und Justizminister aktuell von unterschiedlichen Parteien gestellt, aber heute ist es der Justizminister höchstselbst, der die Meinungsfreiheit massiv einschränkt.

Am Freitag sollte eigentlich der Bundestag in erster Lesung über das so genannte Netzwerkdurchsetzungsgesetz der Bundesregierung, das Verfassungsminister Heiko Maas erarbeitet hat, beraten. Jetzt hat die Unionsfraktion den Gesetzentwurf ihrer eigenen Bundesregierung angehalten. Es müsse substantiell nachgebessert werden. Das ist durchaus ein Zwischenerfolg der Kritiker. Es ist eine Art Notbremse, die die CDU/CSU-Fraktion hier zieht. Denn tatsächlich haben alle Unionsminister im Kabinett und auch das Kanzleramt den Gesetzentwurf aus dem Hause Maas durchgewunken. Es ist ein beispielloser Fall. „Reporter ohne Grenzen“ befürchten „einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Presse- und Meinungsfreiheit“. Das Gesetz mache Mitarbeiter sozialer Netzwerke zu Richtern über die Meinungsfreiheit, so der Vorwurf des Journalistenverbandes. Maas will gegen Hasskriminalität und andere strafbare Inhalte vorgehen. Soziale Netzwerke wie Facebook oder Twitter werden verpflichtet, offensichtlich rechtswidrige Inhalte innerhalb von 24 Stunden zu löschen und fragliche Inhalte innerhalb von 7 Tagen zu löschen, in deren Zeit der Verfasser Stellung nehmen oder externe Expertise eingeholt werden kann. Facebook wird so in die Rolle der Sittenpolizei und des Hilfssheriffs der Strafverfolgungsbehörden gedrängt. Die Unternehmen müssen ein Beschwerdemanagement aufbauen und regelmäßig Berichte vorlegen. Bei Nichteinhaltung drohen den Unternehmen Strafzahlungen von bis zu 50 Millionen Euro.

Die Regierung will damit Facebook zähmen und an die Kandare nehmen. Sie glaubt nicht, dass die Nutzer selbst in der Lage sind, ihre Schlüsse aus den Fehlentwicklungen zu ziehen. Das ist schon erschreckend, weil es einem Menschenbild folgt, das die Bürger zu einer stumpfsinnigen Schafherde oder zu einem böswilligen Wolfsrudel degeneriert. Diese Oberlehrerattitüden sind erst der Anfang des fortgesetzten Gangs in den Nanny-Staat.

Im Entwurf ihres Wahlprogramms zur Bundestagswahl wollen die Sozialdemokraten Google und Facebook verpflichten, Inhalte von ARD und ZDF zu veröffentlichen. Eine Zwangsquote Rosamunde Pilcher und Musikantenstadl auf der eigenen Timeline? Claus Klebers „heute-journal“ als Pflichtmitteilung bei jeder Google-Suche? Die Zwangsinformation für alle Nachrichtenmuffel? Wenn immer weniger die Öffentlich-Rechtlichen regulär im TV schauen, müssen die Inhalte halt zu den Zwangsbeitragszahlern gebracht werden. Immerhin müssen ja alle dafür bezahlen, also sollen sie es auch alle sehen müssen. Wer nicht hören will, muss fühlen. So weit weg sind daher die Sozialdemokraten nicht vom Leitkulturgedanken der Union. Sie verstehen nur etwas anderes darunter.

Nicht alles ist gut bei Facebook, Twitter und Co. Wie sollte es auch? Aber deren herausragender Beitrag für die Meinungsfreiheit und -vielfalt und überhaupt für die Demokratie ist unverkennbar. Meinungsdiktaturen in autoritären Regimen überall auf dieser Welt sind viel schwerer durchzusetzen. Informationsasymmetrien, die Despoten in die Lage versetzen, durch Falschinformationen Meinung zu lenken, sind viel weniger möglich.

Auch eine deutsche Regierung verfolgt Interessen mit den Millionenetats ihrer Informationspolitik. Sie wollen in gutem Licht stehen. Sie wollen ihre herkömmlichen Kanäle bedienen. Die Atomisierung dieser Kanäle auf ganz viele Plattformen, Nutzer und Anbieter löst Misstrauen bei den Regierenden aus. Der Missbrauch der neuen Plattformen durch einige wenige wird dann schnell zum Anlass genommen, diese Atomisierung kritisch zu hinterfragen. Staatliche Eingriffe und Regulierungen sollen dann nicht nur die wenigen schwarzen Schafe disziplinieren, sondern auch die Masse lenken.

Gegen diese unlauteren Absichten der Regierenden hilft nur der bürgerliche Protest. Die Vielen müssen sich gegen diese Entwicklung stellen. Und dass dies gelingt, sieht man am heutigen Tag. Doch die Schlacht ist noch nicht geschlagen. Es genügt nicht, Fristen zu verlängern oder einen Halbsatz zu ergänzen. Es braucht gar kein Zensurgesetz im Netz, die Rechtslage ist ausreichend. Daher muss es verhindert werden.

Denn das Netzwerkdurchsetzungsgesetz ist nicht ein Gesetzgebungsverfahren wie viele. Es geht nicht nur um Facebook oder Twitter. Es ist auch nicht eine Bagatelle im Wust von wichtigen anderen Problemen. Es ist der Angriff auf die Grundfesten unserer Demokratie – der Presse- und Meinungsfreiheit. Ohne sie ist alles nichts.

Erstmals erschienen auf Tichys Einblick. 

Photo: Wikimedia Commons (CC 0)

Lange nichts gehört an der Zwangsbeitragsfront zur Finanzierung von ARD und ZDF. Jetzt tut sich wieder etwas. Die ARD soll laut Medienberichten eine automatische Anpassung des Rundfunkbeitrages fordern, die sich an der Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts orientiert. Für 2021 soll dann ein Monatsbeitrag von 18,28 Euro und 2025 von 19,59 Euro fällig werden. Die ARD hält dies für notwendig, um die Öffentlich-Rechtlichen zu einem umfassenden Content-Netzwerk auszubauen. Ähnliche Überlegungen hat der Chef der „Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten“ (KEF), Heinz Fischer-Heidlberger dem MDR gegenüber geäußert: „Es gibt natürlich auch durch die Technikveränderungen, durch die Ausdehnung der Mediatheken und Telemedien zusätzliche Aufwendungen. Alles muss finanziert sein.“

So einfach, wie es ARD und ZDF praktizieren, kann man schon den Hut ziehen. Für die 23 Fernsehkanäle und 63 Radiosender berechnet die KEF anhand der Anforderungen der Sender einen Bedarf und schlägt diesen dann den Ministerpräsidenten der Länder vor. Diese lassen es anschließend durch ihre Landtage beschließen. Da das neue Beitragsmodell seit 2013 zu erheblichen Mehreinnahmen gegenüber dem vorherigen Gebührenmodell führte, konnte der Beitrag vorübergehend von fast 17,98 Euro auf 17,50 Euro reduziert werden. Dennoch nehmen die Sender inzwischen Beiträge von über 8 Milliarden Euro ein. Kein Land dieser Erde leistet sich nur annähernd diesen Umfang an durch Zwangsbeiträge oder Steuern finanzierten Rundfunk.

Nicht nur die Meinungsvielfalt wird dadurch geschwächt, sondern auch der Wettbewerb verhindert. Allein bei den Preisen für Film- und Sportrechte sind ARD und ZDF mit ihren Beitragsmilliarden dick im Geschäft. Gegen das Einkaufsvolumen der Öffentlichen muss ein privater Anbieter schon erheblich in Vorleistung gehen, um mithalten zu können. Das öffentlich-rechtliche Rundfunksystem stammt aus dem letzten Jahrhundert. Die Briten haben ihr System nach dem 2. Weltkrieg auf Deutschland übertragen. Es hat sich in der analogen Welt von damals bewährt und hat sicherlich zum Aufbau der Demokratie in Deutschland maßgeblich beigetragen. Heute ist diese Welt aber von gestern. Es gibt im digitalen Zeitalter keinen Mangel an Fernsehsendern in Deutschland. Über 400 sind inzwischen empfangbar. Daneben verändert sich das Sehverhalten entscheidend. Streamingdienste wie Netflix und Amazon Prime laufen ARD und ZDF den Rang ab. Youtube-Kanäle begeistern junge Zuschauer mehr als Rosamunde Pilcher-Filme. Warum sollen alle Bürger des Landes ein Content-Netzwerk der ARD finanzieren? Muss sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk immer weiter ausdehnen? Müssen die Öffentlichen im Netz präsent sein? Wohl kaum. Wenn sich die Gewohnheiten verändern, eine Aufgabe nicht mehr ausreichend nachgefragt wird, dann sollte eigentlich auch die Finanzierung dieser Aufgabe zurückgedrängt werden. Doch der Amtsschimmel wiehert anders in Deutschland. In Behördenmanier wird einfach nach neuen Aufgaben gesucht. Bis zur nächsten Beitragserhöhung.

Erstmal erschienen auf Tichys Einblick.

 Photo: Netflix

Die Sehgewohnheiten der Bürger ändern sich derzeit radikal. Die Zeiten, als die ganze Familie am Sonntag erst die Tagesschau und anschließend den Tatort sahen, sind vorbei. Gemeinsame Fernsehabende finden heute vielleicht noch statt, um die nächste Folge der Serie „Designated Survivor“ zu sehen, weil die Familie wissen will, wie die Verschwörung gegen den US-Präsidenten Tom Kirkman, alias Kiefer Sutherland, weitergeht. Wann dies der Fall ist, entscheiden die Nutzer beim Streamingdienst Netflix selbst. Auch bei den Wettbewerbern Amazon Prime und Maxdome laufen Blockbuster-Serien, die an schauspielerischer Qualität und finanziellem Aufwand, den klassischen Serien der öffentlich-rechtlichen Sender um Lichtjahre voraus sind. Auch die Erfolge von YouTube-Kanälen vollziehen sich in einer fast schon unfassbaren Geschwindigkeit. Weltweit finden täglich eine Milliarde Aufrufe statt, davon mehr als die Hälfte über Mobilgeräte.

Die Veränderung der Sehgewohnheiten hat natürlich sehr viel mit der digitalen Revolution zu tun. Datenmengen können viel schneller und und in viel größerem Umfang übertragen werden. Sie machen das klassische Endgerät, den Fernseher, nicht mehr zum ausschließlichen Abspielgerät, sondern nur noch zu einem unter vielen. Der Laptop, das Smartphone oder das Tablet ersetzen den Fernseher immer mehr. Letztlich entscheiden nicht mehr die Programmdirektoren bei ARD und ZDF darüber, wann eine Sendung gezeigt wird, sondern die Nutzer schlüpfen in diese Rolle und sehen eine Sendung, wenn sie dafür Zeit und Muße haben.

Doch die persönlichen und statistischen Marktuntersuchungen sind eigentlich nicht notwendig, um den Wandel im Medienverhalten der Bürger zu beurteilen. Dafür reicht es, wenn man die Regulierungsversuche der Politik betrachtet. So hat jetzt das EU-Parlament eine Mindestquote von 30 Prozent für europäische Filmproduktionen für Streamingdienste verlangt. Man befürchtet einen Überhang amerikanischer Produktionen zulasten der europäischen Filmindustrie. Das erinnert sehr stark an politische Vorstöße im eigenen Land, Mindestquoten für deutschsprachige Musik im Radio zu verlangen.

Dahinter steckt eine Industriepolitik, die durch Quoten heimische Industrien schützen will. Quoten sind Ruhekissen, sie schützen nicht, sondern machen Industrien träge und faul. Aber nicht nur das. Dieser Vorschlag ist auch ein Ausdruck des Nanny-Staates. Wer nicht europäische Filme als Konsument nachfragt oder deutsches Liedgut im Radio hören will, der wird dazu genötigt. Nicht der Konsument entscheidet darüber, was gespielt und angeboten wird, sondern fürsorgliche Politiker, Parlamente und Regierungen.

Die Landesmedienanstalt in NRW will jetzt bestimmte YouTube-Kanäle regulieren und verlangt von diesen Kanälen eine eigene Rundfunklizenz. Die audiovisuellen Medien seien grundsätzlich gleich zu behandeln. Für Plattformen im Netz gälten dieselben Grundsätze wie für andere Medienunternehmen, wird der Vorstoß begründet. Das wäre neben einer Europa-Quote für Streamingdienste der nächste massive Eingriff in Freiheit des Nutzers. Gelingt der Politik, YouTube unter das jeweilige Landesmedienrecht zu stellen, würde eine Branche, die auch in Deutschland dynamisch wächst und in der sich viele StartUps bewegen, in ihren Freiheiten massiv eingeschränkt. Ob sich Deutschland überhaupt durch diese Regulierung abkoppeln kann, wenn YouTube-Produktionen überall auf der Welt hergestellt werden können, sei zudem dahingestellt. Mehr staatlichen Irrweg kann es nicht geben.

Photo: R/DV/RS from Flickr (CC BY 2.0)

Von Prof. Dr. Frank Daumann, Professor für Sportökonomie und Gesundheitsökonomie an der Universität Jena.

„ARD und ZDF werden nicht von den Olympischen Spielen 2018 bis 2024 berichten. Das US-Unternehmen Discovery und die öffentlich-rechtlichen Sender konnten sich nicht auf den Verkauf von Sub-Lizenzen einigen…“ (Bericht der Tagesschau am 28.11.2016).

Aus Sicht der sportinteressierten Gebührenzahler ist das natürlich eine eher schlechte Nachricht, da sie nun eventuell, um in den Genuss einer Live-Übertragung interessanter Wettkämpfe der Olympischen Spiele zu kommen, zusätzliche Aufwendungen auf sich nehmen müssen. Den Rundfunkbeitrag müssen sie ja trotzdem entrichten.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage nach der Rechtfertigung der Existenz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.

Bevor wir dieser Frage nachgehen, wollen wir uns kurz die Struktur des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland anschauen: In Deutschland existieren neun Landesrundfunkanstalten (BR, HR, MDR, NDR, Radio Bremen, RBB, SR, SWR und WDR), die für einzelne oder mehrere Bundesländer Hörfunk und Fernsehen anbieten. Daneben offerieren das ZDF und das Deutschlandradio Programme für die gesamte Republik. Die Landesrundfunkanstalten sind in der ARD („Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland“) zusammengeschlossen. Die ARD wiederum bietet ebenfalls deutschlandweite Programme wie etwa „Das Erste“ an.

Finanziert wird der öffentlich-rechtliche Rundfunk durch den Rundfunkbeitrag und durch Werbeeinnahmen („duale Finanzierung“), wobei sich das Gesamtbudget auf etwa 9 Mrd. Euro pro Jahr beläuft. Den Rundfunkbeitrag müssen zum einen natürliche Personen (hier ist er an den Haushalt geknüpft) und zum anderen Unternehmen und Institutionen sowie Einrichtungen des Gemeinwohls zahlen (hier ist er im wesentlichen an die Anzahl der Beschäftigten geknüpft). Der Beitrag ist unabhängig davon zu zahlen, ob der Beitragspflichtige selbst Empfangsgeräte vorhält oder ob er tatsächlich das Programmangebot der öffentlich-rechtlichen Sender nutzt. Die Festlegung des Beitrags erfolgt durch Staatsvertrag der Bundesländer, wobei hier idR. den Empfehlungen der Kommission zur Überprüfung und Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) – eines unabhängige Sachverständigengremiums – gefolgt wird.

Um die Frage nach der Notwendigkeit der Existenz des öffentlichen-rechtlichen Rundfunks aus ökonomischer Sicht zu prüfen, wird regelmäßig die Marktversagenstheorie ins Feld geführt: Existiert in diesem Bereich ein Marktversagenstatbestand, der eine staatliche Intervention rechtfertigt? Im wesentlichen wäre demzufolge zu untersuchen, ob ein öffentliches Gut oder ein natürliches Monopol vorliegen.

Ein öffentliches Gut zeichnet sich dadurch aus, dass Nutzer nicht von der Nutzung ausgeschlossen werden können und bei der Nutzung keine Rivalitäten auftreten. Tatsache ist, dass durch entsprechende Verschlüsselungstechniken, wie sie etwa von Pay-TV-Sendern angewandt werden, Nutzer problemlos ausgeschlossen werden können. Nicht-Rivalität besteht jedoch weitgehend – zumindest solange bei der Nutzung der Verbindungswege keine Überfüllungsexternalitäten auftreten (durch zu viele Nutzer werden die Übertragungszeiten länger). Insgesamt liegt demnach hier kein öffentliches Gut vor.

Das Vorliegen eines natürlichen Monopols hätte insofern Auswirkungen, da es im unregulierten Falle nicht nur zu einer monopolistischen Ausbeutung etwa in dem Sinne käme, dass die Preise auf Monopolpreise angehoben würden, sondern es würde auch Konsequenzen dergestalt zeitigen, dass sich mit dem einzigen Anbieter zugleich ein Informationsmonopol mit erheblichen negativen Folgen für den politischen Entscheidungsprozeß etablieren würde. Beim natürlichen Monopol setzt sich aufgrund der Kostenstruktur (steigende Skaleneffekte) und der Nachfragesituation nur ein einziger Anbieter durch. Sicherlich lassen sich in diesem Bereich erhebliche Skaleneffekte nachweisen, aber offenbar sind die Angebote unter qualitativen Gesichtspunkten so heterogen, dass auch Anbieter mit ungünstigeren Kostenstrukturen erfolgreich am Markt agieren können, da sie höhere Preise erzielen können, wie sich eindrucksvoll auf vielen ausländischen Märkten zeigt. Auch in der Bundesrepublik Deutschland sind wir weit davon entfernt, dass bei einem freien Wettbewerb etwa die öffentlich-rechtlichen Sender die privaten aus dem Markt drängen würden. Die realen Marktgegebenheiten sprechen also eindeutig gegen die Existenz eines natürlichen Monopols. Zudem wäre das damit verbundene Argument des fehlenden Außenpluralismus nicht zutreffend, da es unzählige Möglichkeiten gibt, an entsprechende Informationen zu kommen; Meinungsvielfalt wäre selbst dann gewährleistet, wenn bspw. im linearen Fernsehen sich ein natürliches Monopol durchsetzen würde. Insofern fällt auch dieses Argument als Rechtfertigung weg.

Neben der Marktversagenstheorie, deren Tatbestände hier nicht vorliegen, werden zwei weitere Argumentationslinien für die Begründung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ins Feld geführt:

1. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk würde als einziger entsprechende Qualitätsstandards auf diesem Markt gewährleisten. Die Beseitigung desselben würde demzufolge zu einem Absinken der Qualität führen.

2. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk stellt sicher, dass bestimmte qualitativ hochwertige Sendungen produziert und gezeigt würden, was ansonsten mangels Nachfrage nicht geschähe.

Beide Aspekte gehen von einem paternalistischen Menschenbild aus: das Individuum hat „falsche“ Präferenzen, die es veranlassen, Sendungen minderer Qualität zu bevorzugen und sich von Sendungen höchster und hoher Qualität abzuwenden. Teilt man ein derartiges Menschenbild, dann ist die Bevormundung des Konsumenten folgerichtig. Geht man jedoch von selbstbestimmten und mündigen Individuen aus, dann sind diese beiden Argumente zurückzuweisen. Wenn der Konsument Sendungen mit hoher Qualität (hier stellt sich freilich gleich die Frage, was ist „hohe Qualität“? Muss Qualität nicht zwangsläufig kundenorientiert sein?) möchte, dann wird er diese nachfragen. So zeigt der amerikanische TV-Markt eindrucksvoll, dass Anbieter mit qualitativ hochwertigen Produktionen ohne Probleme am Markt existieren können.

Es gibt also in einer Marktwirtschaft, die von dem Menschenbild des mündigen Bürgers ausgeht, keine Rechtfertigung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.

Lässt man einmal die rechtlichen Rahmenbedingungen, also die Gesetzeslage und die höchstrichterliche Rechtsprechung außen vor, die eine Absicherung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks garantieren, so wäre es einer Überlegung wert, die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks von einem Rundfunkbeitrag auf ein klassisches Nutzerentgelt umzustellen, wie dies etwa bei Sky Deutschland der Fall ist. Damit würde der öffentlich-rechtlichen Rundfunk in einem Wettbewerb ohne Rettungsanker mit den privaten Anbietern eintreten, der sowohl Anreize zur Innovation als auch entsprechende Sanktionen etwa in Form des erzwungenen Marktaustritts bereithält.

Erstmals erschienen bei Wirtschaftliche Freiheit.