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In einer Marktwirtschaft entscheidet allein der Konsument, was er kaufen will oder nicht kaufen will. Die Anbieter orientieren sich an den Wünschen des Käufers. Die, die es besser als ihre Wettbewerber machen, kommen voran, die, die es schlechter machen, bleiben auf der Strecke. In der staatlichen Kommandowirtschaft entscheidet eine Behörde oder Regierung über das, was angeboten wird. In der Woche, in der dieses Land den Tag der Deutschen Einheit feiert, darf man daran erinnern: Was in der Zeit vor 1989 im östlichen Teil dieses Landes angeboten wurde, war vorbestimmt. Die Produzenten richteten sich nicht nach den Wünschen der Konsumenten, sondern nach den Vorgaben des Regimes. Die Folge war eine Fehllenkung der Produktion an den Wünschen der Konsumenten vorbei. Weder die Qualität noch die Quantität wurden zur richtigen Zeit am richtigen Ort zur Verfügung gestellt. Der Grund war: der Sozialismus funktioniert nicht, weil er keine Preissignale kennt. Anbieter und Konsumenten leben aneinander vorbei. Das Regime konnte die Präferenzen des Einzelnen nicht kennen, und plante an der Wirklichkeit vorbei. Das Ende kennen wir.

Heute verlieren die Marktwirtschaft und ihre Orientierung am Konsumenten leider ebenfalls zunehmend an Bedeutung. Das liegt daran, dass diejenigen, die wahrscheinlich auf der Strecke bleiben, das Prinzip der Marktwirtschaft umgehen wollen. Sie nehmen auf die Regulierer und den Gesetzgeber Einfluss. Sie führen dabei wohlklingende Argumente an. Oft sind es die Arbeitsplätze, der Jugendschutz oder die Steuerzahlungen des vermeintlich Benachteiligten. Argumente wie diese gibt es viele. Sie sind aber meist vorgeschoben.

Jüngstes Beispiel ist die neue Richtlinie für TV und Videos, die das Parlament der Europäischen Union in dieser Woche verabschiedet hat. Darin verpflichtet das Parlament die Anbieter von Video-on-demand und Video-sharing-Plattformen wie Netflix, YouTube und Facebook dazu, dass mindestens 30 Prozent ihrer Inhalte in Europa produziert werden müssen. Das erinnert ein wenig an die Forderung, die meist in der nachrichtenarmen Sommerzeit aufgestellt wird, eine Schlagerquote bei Radiosendern in Deutschland einzuführen. Der Unterschied ist jedoch, dass letzteres meist ein Sommer-Gag ist, aber ersteres bald Rechtskraft erlangt. Lediglich der Ministerrat muss noch zustimmen.

Dass dies am Interesse der Kunden und Käufer vorbeigeht, zeigt auch die Begründung der zuständigen Berichterstatterin im EU-Parlament Sabine Verheyen. Sie sagte zur Verabschiedung der Richtlinie: „Dies wird der Kreativindustrie im audiovisuellen Bereich großen Auftrieb verleihen“. Es geht also nicht um die Wünsche der Kunden, sondern um die „Kreativindustrie“. Nach dem Motto: Wenn die Pferde nicht richtig saufen, müssen sie zur richtigen Tränke geführt werden. Diese Form von Industriepolitik ist eine perfide Form des Protektionismus, die in vielen Bereichen Schule macht. Sie ist auch eine Form des Nationalismus, eines europäischen Nationalismus, der hier zum Ausdruck kommt. Mit Eingriffen in die Selbstbestimmung des Einzelnen, will man die Industrie im eigenen Land oder einzelne Berufsgruppen bevorteilen, weil diese nicht leistungsfähig genug sind. Man glaubt, eine höhere Instanz könne das besser entscheiden als der Einzelne.

In so einem Umfeld kann dann Donald Trump auch ein Abkommen mit Mexico und Kanada erzwingen, in dem er dem jeweilig anderen Land und dessen Unternehmen vorschreibt, wie hoch der Anteil der Autoteile sein muss, der in den USA produziert werden muss. Das NAFTA-Nachfolgeabkommen USMCA sieht hierfür eine Quote von 75 Prozent vor. Zusätzlich müssen die Autos zu 40 Prozent aus Teilen bestehen, die von Arbeitern mit einem Mindeststundenlohn von 16 US-Dollar zusammen- bzw. eingebaut wurden. Erschwinglicher werden so die PKWs in den USA sicherlich nicht. Am Ende werden sich Geringverdiener weniger Auto leisten können oder ihre Ersatzbeschaffung hinausschieben. Soll noch jemand sagen, Trump hätte Kanada angeboten, sämtliche Zölle und Handelsschranken abzubauen. Das neue Abkommen spricht da eine völlig andere Sprache.

Wir leben aktuell in einer weltweiten Protektionismus-Spirale, deren Antreiber nicht nur Donald Trump ist, sondern wo auch die Europäische Union vorne mit dabei ist. Das ist nicht nur eine Gefahr für den weltweiten Handel, sondern letztlich für den Wohlstand aller. Konsumenten überall auf der Welt können nicht die Güter und Dienstleistungen erwerben, die sie persönlich für vorteilhaft ansehen, sondern sie müssen erst die EU, Donald Trump oder die eigene Regierung fragen. Freiheitlich ist das nicht. Es bedarf eigentlich eines breiten Widerstandes gegen diese Entwicklung. Doch alle schauen zu, ducken sich weg, als sei das alles Gottgegeben und ein unaufhaltsamer Trend. Wo ist der Aufschrei der Bürger, der Konsumenten, der Arbeitslosen, der Geringverdiener, der Autokäufer und der Netflix-Nutzer? Wo nur?

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Man kann sich über das Bundesverfassungsgericht beklagen, Richterschelte betreiben und in Lethargie verfallen. Immerhin hat das Bundesverfassungsgericht das Rundfunk-Beitragssystem im Grunde nach gebilligt. ARD und ZDF jubeln. Sind sie doch als klarer Sieger hervorgegangen. Sicher könnte man kritisieren, warum eine gemietete Zweitwohnung vom Rundfunkbeitrag bald befreit ist, aber ein gemietetes Zweitfahrzeug nicht. In der Logik des Ersten Senats könnte man ja auch auf die Idee kommen, dass nicht der Mieter für den Rundfunkbeitrag verantwortlich ist, sondern der Vermieter. Genau so hat es das Gericht bei Mietwagen entschieden und bei der Zweitwohnung gerade nicht. Das klagende Unternehmen Sixt muss weiter für seine Fahrzeugmieter den Rundfunkbeitrag für das eingebaute Radio bezahlen. Das ist irgendwie komisch.

Doch ähnlich wie bei anderen Fragen, die sehr hoffnungsvoll nach Karlsruhe getragen werden, ist es auch beim Rundfunkbeitrag wohl eine Überforderung des Verfassungsgerichts, politische Vorgaben von so weitreichender Bedeutung zu revidieren. Das kann man bedauern. Doch dieses Verhalten der Verfassungsrichter ist aus vielerlei Gründen logisch. Nicht nur, weil alle Richter zeitlebens im Öffentlichen Dienst tätig waren und daher eine natürliche Staatsnähe aufweisen. Den Rundfunkbeitrag grundsätzlich in Frage zu stellen, hätte die rund 90 öffentlich-rechtlichen Programme sicherlich in akute Finanzierungsprobleme gestürzt. Generell gilt: das Verfassungsgericht scheut seit langem, Entscheidungen der Politik grundsätzlich zu revidieren. Dies war bereits in der Euro-Schuldenkrise so und das ist jetzt wieder so.

Was folgt daraus? Eine Änderung der Rundfunkordnung in Deutschland kommt nicht über Nacht. Sie ist in veränderter Form jahrzehntelange Praxis in Deutschland. Dies zu ändern, bedarf eines langen Atems. Zwar hat sich die analoge Welt aus ARD, ZDF und einem dritten Programm mit Kabelfernsehen, Streamingdiensten und YouTube grundlegend geändert, doch es ist nicht ungewöhnlich, dass dies im öffentlichen Bereich noch nicht angekommen ist. Im Bundestag sind Faxgeräte und Schreibmaschine auch noch allgegenwärtig. Als ich kürzlich den Schlüssel für mein Bundestagsbüro abgeholt habe, schrieb der Büroleiter der Schlüsselabgabestelle die Karteikarte auch noch mit der Schreibmaschine. Immerhin war sie elektronisch. Als ich etwas verwundert dreinblickte, sagte er mir, dass er die Karteikarte heute Abend nochmals abtippen müsse. Sicher ist sicher. Das ist kein Scherz.

Daher sollten wir etwas großzügig mit den Karlsruher Richter umgehen und darauf setzen, dass letztlich politische Entscheidungen notwendig sind, um die Finanzierung des Rundfunks in Deutschland neu zu ordnen. Dies ist keine verfassungsrechtliche Frage, sondern eine politische. Dort muss angesetzt werden. Und dafür braucht es ein breiteres gesellschaftliches Klima. Es gibt keinen Grund für einen öffentlich finanzierten Rundfunk. Erst recht nicht in diesem Umfang. Die Rundfunkwelt ist so bunt wie die Zeitungswelt. Niemand käme daher auf die Idee, den Rückgang der Auflage beim Handelsblatt oder der Bildzeitung dadurch zu kompensieren, dass die Allgemeinheit für die Finanzierung dieser Zeitungen zuständig sein sollte. Um es mit den Worten des Ersten Senats zu sagen, damit „die Wirklichkeit unverzerrt dargestellt wird“. Auch nicht, wenn alle dann ein Zwangsabonnement bekämen. Ungewöhnlich wäre es auch, wenn dadurch die Qualität besser würde. Warum auch? Wahrscheinlich würden beide Medien sogar noch mehr Rücksicht auf das Regierungshandeln nehmen. Man stelle sich nur vor, die Zeitungsverleger würden tatsächlich auf diese Idee kommen. Was wohl die Karlsruher Richter entscheiden würden? Faxgeräte und Schreibmaschinen im Blick lassen böses erahnen.

 

Zuerst erschienen bei Tichys Einblick.

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Am 17. Mai 2018 werden wichtige Urteile des Bundesverfassungsgerichts zur Finanzierung des öffentlichen Rundfunks erwartet. Die Richter in Karlsruhe werden sich mit konkreten Verfassungsbeschwerden befassen, die auf den 2013 eingeführten Rundfunkbeitrag abzielen. Sie werden laut der Neuen Juristischen Wochenschrift diesen Beitrag komplett auf den Prüfstand stellen. So wird unter anderem untersucht, ob die Länder, die den neuen Staatsvertrag abgesegnet haben, hierzu überhaupt legitimiert gewesen sind.

Die Urteile werden auch deshalb mit Spannung erwartet, weil die deutsche Rundfunkverfassung weitgehend auf die [Karlsruher] Rechtsprechung und nicht auf konkrete Vorgaben im Grundgesetz zurückgeht. So verlautbarte das Bundesverfassungsgericht in einem Urteil von 1961, dass im Fernsehen – im Gegensatz zur Presse – eine „Sondersituation“ bestehe. Hiernach kann der Staat das Fernsehen gestalten, weil es aufgrund der damaligen technischen Voraussetzungen schlichtweg nicht möglich gewesen ist, dass viele Einzelne Fernseh-Rundfunk betreiben. Und das nicht zuletzt, weil Fernsehen damals mit einem „außergewöhnlich großen finanziellen Aufwand“ verbunden war.

Dies bewegte das Gericht zu einer erforderlichen Notlösung: Die Meinungsvielfalt sollte vom Staat organisiert werden. Die Privilegien, die die Öffentlich-Rechtlichen seitdem genießen, sind also auf die technischen Umstände zur Zeit der Gründungen von ARD und Co. zurückzuführen.

Tatort: Fernsehen aus Gründen der Nostalgie

Seitdem hat sich die Medienlandschaft aber drastisch verändert. Neue technologische Möglichkeiten haben das Angebot an Information und Unterhaltung erhöht und eine nie da gewesene Vielfalt in die Haushalte, ja sogar in die Hosentaschen gebracht. So können über den Fernseher heute bis zu 400 Sender empfangen werden; des Weiteren sorgen Informationen im Internet für einen Pluralismus an Meinungen, den der gut sortierte Zeitungsfachhandel nicht mal im Traum abdecken könnte.

Als Konsequenz hat sich das Konsumverhalten in der Bevölkerung diesen neuen Möglichkeiten angepasst. So sitzt der Großteil der Bevölkerung nicht mehr um Punkt 20 Uhr zur Tagesschau vor dem Fernseher, sondern informiert sich individuell. Das bewegte Bild ist dabei längst kein finanzieller Aufwand mehr, sondern ein Tool, dessen sich jeder private Informationsanbieter bedient. Auch der teuer produzierte Tatort wird höchstens noch aus Nostalgie geschaut – aufwendige Krimiserien bietet längst auch der freie Markt.

Überangebot von Kanälen und Sendern

Doch als Reaktion der Verantwortlichen, die um ihren Einfluss fürchten müssen, erleben wir aktuell ein „Jetzt erst recht!“. Der Zwangsbeitrag muss seit dem Staatsrundfunkvertrag von 2013 von jedem Haushalt gezahlt werden. Mit den 17,50 Euro im Monat kommt so jede Familie, Wohngemeinschaft oder jeder Single-Haushalt auf stolze 210 Euro im Jahr.

Im Auftrag des Prometheus Instituts ermittelte Professor Justus Haucap die jährlichen Einnahmen der Öffentlich-Rechtlichen von 7,2 Milliarden Euro: der absolute Spitzenwert – vor Japan (6,4 Milliarden) und Großbritannien (4,6 Milliarden). Finanziert wird damit ein Überangebot von 23 Fernsehkanälen und 63 Radiosendern, um ein vermeintlich vielfältiges Angebot zu gewährleisten. Zusätzlich versucht man, über teure Produktionen und Live-Übertragungen von Sportevents Marktanteile zu sichern.

Die Urteile Ende Mai beziehen sich auf den Rundfunkbeitrag. Doch angesichts der obsoleten historischen Privilegien, die der öffentliche Rundfunk genießt, brauchen wir eine grundsätzliche Debatte über die Anstalten per se. In Zeiten der Digitalisierung kämpfen die Staatssender mit öffentlichen Geldern erfolglos um ihre schwindende Bedeutung und produzieren ein Angebot, das der Markt längst liefert. Gleichzeitig hemmen sie den Wettbewerb, für den Ludwig Erhard stets seine Lanze gebrochen hat: „Wo kein Wettbewerb lebendig ist, tritt notwendig ein Stillstand ein, der schließlich zu einer allgemeinen Erstarrung führt. Jedermann verteidigt dann gerade das, was er besitzt.“ Der öffentliche Rundfunk lässt grüßen.

Erstmals erschienen in der Fuldaer Zeitung.

Photo: Prometheus

Von Norbert Häring, Journalist.

Am Faschingsdienstag den 13. Februar hatte der Hessische Verwaltungsgerichtshof in Kassel in zweiter Instanz über mein Begehren zu urteilen, den Rundfunkbeitrag mit dem gesetzlichen Zahlungsmittel zu begleichen. Das Gericht ließ sich offenbar von dem besonderen Datum zu argumentativen Bocksprüngen inspirieren. Im Folgenden die Highlights der nun zugestellten Urteilsbegründung. Rechtskundige sollten sich setzen und anschnallen, um nicht vom Stuhl zu fallen.

Der Hessische Rundfunk will mein Bargeld nicht annehmen, weil in seiner Satzung geschrieben steht, dass man nur mit Banken-Buchgeld seinen Rundfunkbeitrag begleichen kann. Das Verwaltungsgericht Frankfurt hatte dem hr Recht gegeben.

Der Verwaltungsgerichtshof gibt zu Anfang (aber nur zu Anfang) immerhin noch §14 Abs 1 Satz 1 Bundesbankgesetz korrekt und vollständig wieder:

Nach Satz 2 der Vorschrift, sind auf Euro lautende Banknoten das einzige unbeschränkte gesetzliche Zahlungsmittel. (Hervorhebungen durchgängig von mir).

Dann geht’s schon los:

Die letztgenannte Vorschrift dient offensichtlich der Klarstellung, dass etwa Sachwährungen (Edelsteine, Edelmetalle und dergleichen) und Wertpapiere ebenso wie auf andere Währungen als Euro lautende Banknoten (…) kein gesetzliches Zahlungsmittel sind. Dies gilt sowohl für Banknoten ausländischer Währungen ebenso wie auf dem Gebiet der heutigen Bundesrepublik Deutschland früher gültig gewesene historische Währungen (Reichsmark, Deutsche Mark, Mark der DDR etc.).

In der Interpretationsvariante „dient auch“  könnte man dem Satz ohne weiteres zustimmen, auch mit dem „offensichtlich“ darin. Argumentiert wird hier aber, ohne es ausdrücklich zu sagen, es sei offensichtlich, dass es der Vorschrift nur um die Abgrenzung gegenüber Gold, Wertpapieren oder Schecks (die später noch genannt werden) geht, nicht aber um die Abgrenzung gegenüber Giroverbindlichkeiten von Banken (Buchgeld). Nichts daran ist mir offensichtlich. Dem Bundesgerichtshof auch nicht, wie wir noch sehen werden.

Auch wenn dies gleichzeitig bedeuten mag, dass grundsätzlich jedermann Eurobanknoten als ordnungsgemäße Erfüllung einer monetären Verbindlichkeit zu akzeptieren hat, gilt dies jedenfalls nur, soweit in der jeweils zu beurteilenden Rechtsbeziehung eine Begleichung im Wege der Barzahlung vereinbart, vorgeschrieben oder nach der Verkehrssitte allgemein üblich und zu erwarten ist.

Aha. Jeder muss grundsätzlich Bargeld akzeptieren, wenn dieses entweder vereinbart ist ( wenn §14 Abs. 1 Satz 2 also unnötig ist), wenn es anderweitig vorgeschrieben ist (§14 Abs. 1 Satz 2 also wieder unnötig ist) oder wenn es nach der Verkehrssitte allgemein üblich und zu erwarten ist (§14 Abs. 1 Satz 2 also unnötig ist). Aus §14 Abs. 1 Satz 2 folgt also, dass jedermann Bargeld annehmen muss, wenn und nur wenn er es schon aus anderen Gründen muss. Helau.

Hieraus folgt sodann, dass sich der Gläubiger etwa nicht mit der Entgegennahme eines Schecks oder eines Wechsels begnügen muss, sondern auf Barzahlung mit Euro-Banknoten bestehen und auch Banknoten anderer Währung ablehnen kann.

Aha. Schecks kann man ablehnen, und auf Bargeld bestehen, wenn man vertraglich oder anderswie Barzahlung vereinbart hat. Schecks sind kein Bargeld, das wussten wir.

Dann kommt der wilde und äußerst kreative Kern der Argumentation:

So wie im Privatrechtsverkehr vertraglich eine andere Abrede getroffen werden kann (..), kann im öffentlich-rechtlichen – durch das Über-/Unterordnungsverhältnis geprägten –Bereich die Rechtsbeziehung zwischen (…) öffentlich-rechtlichen Institutionen und rechtsunterworfenen Bürgern eine Rechtsvorschrift ebenfalls anderes regeln und eine von der Barzahlung abweichende Zahlungsweise ausdrücklich vorschreiben, ohne dass hierdurch der Anwendungsbereich des §14 Abs. 1 Satz 2 BBankG tangiert wird.

Dass Private auf freiwilliger vertraglicher Basis vereinbaren können, was sie wollen, solange es nicht gegen die guten Sitten verstößt oder eine Seite unfair übervorteilt wird, ist unbestritten. Dass der Staat das gleiche dann auch vorschreiben darf, wird hier noch nicht begründet, aber schon einmal einfach so behauptet. Der Anwendungsbereich der §14 Abs. 1 Satz 2 wird nur dann nicht tangiert, wenn man diesen begründungslos (durch Behauptung von Offensichtlichkeit) entsprechend eingeschränkt hat. Das Verwaltungsgericht Frankfurt hatte diese Einengung  im Zuge der „teleologischen Reduktion“ ausdrücklich vorgenommen. Der Verwaltungsgerichtshof sagt, dieser (unzulässige) Kunstgriff der Frankfurter sei gar nicht nötig, denn er setzt die Einengung einfach als offensichtlich voraus. Und das, obwohl der Bundesgerichtshof konsistent das Gegenteil sagt. Hierfür vergisst der Kasseler Senat in der unmittelbar folgenden Passage die Zusätze „unbeschränktes“, und „gesetzliches“ vor Zahlungsmittel:

Mit dieser Auslegung wird die Regelung in §14 Abs. 1 Satz 1 BBankG auch nicht bedeutungslos, wie der Kläger (…) geltend macht, sondern behält die oben dargestellte Bedeutung der Abgrenzung zu anderen Währungen und zur Zahlung mittels Wertpapieren. Zudem bleibt die eingeführte Währung „Euro“ unangetastet, zumal auch die unbare Zahlung auf Euro lauten muss, und die Banknoten verlieren nicht ihre Eigenschaft als unbeschränktes gesetzliches Zahlungsmittel. Lediglich für einen Teilbereich wird die Barzahlung ausgeschlossen aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung und Praktikabilität.

Würde er diese wichtigen Zusätze nicht einfach weglassen, könnte er auch nicht so unbefangen fortfahren mit „Lediglich für einen Teilbereich wird die Barzahlung ausgeschlossen …“ An keiner Stelle in der 31-seitigen Urteilsbegründung setzt sich der Senat ausdrücklich mit der Bedeutung der Wörter „unbeschränkt“ und „gesetzlich“ in dem für das Verfahren zentralen Satz des Bundesbankgesetzes auseinander. Wäre auch gar zu unbequem in diesem Zusammenhang.

In Zusammenhang mit Artikel 128 EU-Vertrag (AEUV), der die gleiche Regelung enthält wie §14 Abs. 1 Satz 2 BBankG, kommt noch eine besonders schöne Formulierung hinzu:

Die Verwendung von Euro-Banknoten ist nur dann erforderlich, wenn in bar bezahlt wird.

Wo sie Recht haben, haben sie Recht. Helau.

Aber der Senat versucht dann auch wieder ernsthaft zu werden, mit mäßigem Erfolg:

Ein bundesgesetzliches Verbot (von) Regelungen zur bargeldlosen Zahlungsweise (…) ist §14 Abs. 1 Satz 2 nicht zu entnehmen. Hierfür spricht bereits der Umstand, dass die genannte Regelung im Gesetz über die Deutsche Bundesbank enthalten ist, die im Wesentlichen Rechtsform, Aufgaben, Organisation und Zuständigkeiten der Deutschen Bundesbank regelt. Hätte der Bundesgesetzgeber mit der Bestimmung die vom Kläger postulierte weitreichende Rechtswirkung beabsichtigt gehabt, hätte es nahegelegen, die Bestimmung nicht in das bereichsspezifische Gesetz über die Deutsche Bundesbank aufzunehmen.

Das ist eine sehr sonderbare Argumentation. Im Bundesbankgesetz muss die Regelung stehen. Denn die Eigenschaften der Währung, für die die Bundesbank (heute die EZB) zuständig ist, müssen dort geregelt werden. Wenn aber dort steht, dass das Geld der Bundesbank (EZB) unbeschränktes gesetzliches Zahlungsmittel ist, was in der juristschen Kommentierung bisher durchgängig so verstanden wurde, dass es bedeutet, dass man mit Bargeld grundsätzlich jede Zahlungsverpflichtung in Euro erfüllen kann, dann wirkt sich das überall aus, wo es um Zahlungsverpflichtungen geht. Gerade wenn die Vorschrift so allgemeingültig gemeint ist, wie es der Wortlaut nahelegt, und wie die juristischen Kommentare es verstehen, wäre es völlig unnötig und unüblich, sie in jedem Gesetz mit Bezug zu Geldschulden noch einmal zu wiederholen.

Der Senat versteht die Regelung in §14 Abs. 1 Satz 2 BBankG dahingehend, dass auf Euro lautende Banknoten das einzige unbeschränkte gesetzliche Barzahlungsmittel sind, ohne eine Regelung darüber zu treffen, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Barzahlung zugelassen, vorgeschrieben oder untersagt ist.

Wo der Senat oben einfach das „gesetzlich“ und das „unbeschränkt“ weggelassen hat, neutralisiert er es hier kurzerhand durch ein „Bar“ vor „zahlungsmittel“. Bargeld ist also das einzige Barzahlungsmittel. Helau. Hier ist ganz indirekt eine Auseinandersetzung mit dem Wort unbeschränkt enthalten. Unbeschränkt sind Euro-Banknoten nur als gesetzliches Bar-Zahlungsmittel, für die Begleichung von Geldschulden, für die der Gläubiger Barzahlung zu akzeptieren wünscht oder aus anderen Gründen akzeptieren muss. In den weiteren Worten des Gerichts wird das noch einmal so ausgedrückt:

Dass bei Barzahlungen Eurobanknoten verwendet werden dürfen, und diese vom Gläubiger nicht abgelehnt werden können, mag sich durchaus u.a. aus §14 Abs 1 Satz 2 BBankG ableiten lassen. Für die hier zu entscheidende Frage, ob eine andere Zahlungsweise als Barzahlung vorgeschrieben werden kann, gibt die genannte Entscheidung jedoch nichts her.

Helau! Quizfrage: Wer kann sich eine Konstellation ausdenken, in der §14 Abs. 1 Satz 2 nötig wäre um dem Gläubiger zu erlauben, Dollarnoten, Schecks, Edelsteine oder Kartoffeln zur Bezahlung abzulehnen, wenn die Argumentation des Kasseler Senats zuträfe. Mir fällt keine ein. Ich nehme Hinweise sehr dankbar entgegen.

Dass der Verwaltungsgerichtshof mit seiner Auffassung derjenigen des Bundesgerichtshof diametral widerspricht, wird an vielen Stellen deutlich, aber entweder unausgesprochen gelassen oder vernebelt. So heißt es in der Urteilsbegründung:

Dabei liegt §9 Abs. 2. Satz 1 Nr. 2 des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags offensichtlich eine moderne Auffassung (..) zugrunde., die in einer Geldschuld eine Wertverschaffungsschuld versteht und von einer grundsätzlichen Gleichrangigkeit von Bargeld und Buchgeld ausgeht, wonach auch letzteres „Geld“ im Rechtssinne darstellt. Danach auch die Verschaffung von Buchgeld durch den Geldschuldner nicht mehr nur als eine Leistung an Erfüllungs statt im Sinne von §364 BGB verstanden, sondern in einer unbaren Zahlung lediglich eine Zahlungsmodalität gesehen und nicht die Erbringung einer anderen als der geschuldeten Leistung.

§364 BGB lautet:

(1) Das Schuldverhältnis erlischt, wenn der Gläubiger eine andere als die geschuldete Leistung an Erfüllungs statt annimmt.

Zu Bargeld versus Buchgeld steht da nichts. Die nach Ansicht der Kasseler Verwaltungsrichter veraltete Rechtsauffassung, dass Überweisung von Buchgeld nur „Leistung an Erfüllungs statt“ ist, stammt vom BGH, wurde von diesem nie zurückgenommen, sondern bis in die jüngere Zeit immer wieder bestätigt. Beispiele folgen im weiteren Text der Urteilsbegründung:

Zu Unrecht beruft sich der Kläger (…) auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom28. Juli 2015 (XI ZR 434/14 – BGHZ 206, 305). Das genannte Gericht hat hierbei zwar ausgeführt, das Bürgerliche Gesetzbuch gehe selbstverständlich davon aus, dass in Bezug auf Bareinzahlungen jede Geldschuld durch Barzahlung des Nennwertbetrages erfüllt werden und Gläubiger für die Entgegenahme von Bargeld keine gesonderte Vergütung verlangen können, und hierbei in einem Klammerzusatz (…) auch auf §14 Abs. 1 Satz 2 BbankG Bezug genommen. Jedoch hat sich der Bundesgerichtshof mit Inhalt und Reichweite der Regelung in §14 Abs1 Satz 2 BbankG im Einzelnen nicht auseinander gesetzt. In dem dort entschiedenen Fall ging es um die Frage, ob eine Bank für eine Barabhebung eine Vergütung als Kontoführungsgebühr zu verlangen berechtigt ist oder nicht. (…)Aus diesem Grunde hat der Bundesgerichtshof die vom Kläger zitierten Ausführungen ausdrücklich „in Bezug auf Bareinzahlungen gemacht.

Im Streitfall vor dem BGH, bei dem eine Bank eine Gebühr verlangte, um Bargeld auszuzahlen, ist die Bank eine Schuldnerin, die von dem Bankkunden (dem Gläubiger) eine Vergütung dafür verlangt, dass sie ihre Schuld (durch Rückzahlung ihrer täglich kündbaren Giroverbindlichkeiten) begleicht. Im sinngemäß wiedergegebenen Zitat des BGH wird jedoch eine umgekehrte Konstellation angesprochen, in der der Gläubiger eine Vergütung für die Entgegennahme von Bargeld verlangt. Diese Konstellation ist nahe an meinem Fall. Das zeigt, dass die Formulierung „Bareinzahlungen“ hier nicht auf den zu verhandelnden konkreten Fall einer Barauszahlung durch die Bank bezogen ist, sondern allgemein auf die Einzahlung von Bargeld beim Gläubiger, sei das nun in die Kasse einer Bank, eines Wasserwerks oder wessen auch immer.

Zum Abschluss jetzt der größte Klopper, eine Argumentationsführung, mit der kein Jurastudent eine Chance hätte, die Prüfung zur Einführungsveranstaltung in das Öffentliche Recht zu bestehen.

Bereits in einer Entscheidung aus dem Jahre 1983 hatte der Bundesgerichtshof die Auffassung vertreten, eine Geldschuld könne jedenfalls dann auch durch Zahlung von Buchgeld statt Bargeld erfüllt werden, wenn die Parteien dies – gegebenenfalls auch stillschweigend – vereinbart haben (BGH, Urteil vom 25 März 1983- V ZR 168/81 – BGHZ 87, 156, juris RN 21). Auch hieraus wird deutlich, dass die Wahl der Zahlungsart, jedenfalls für die Vertragsparteien disponibel ist und nicht stets eine Erfüllung einer Geldschuld nur im Wege der Barzahlung zulässig ist.

Bis hierher bestreitet das keiner, aber jetzt kommt der Klopper:

Übertragen auf das öffentliche Hoheitsprinzip, das nicht durch eine Gleichrangigkeit der Vertragsparteien und entsprechende Vertragsverhandlungen gekennzeichnet ist, sondern durch ein Über-/Unterordnungsverhältnis, bedeutet dies, dass auch durch Rechtsvorschrift andere Regelungen getroffen werden können, die eine bargeldlose Übermittlung vorschreiben und eine Barzahlung ausschließen.

Mit gleicher salopper Begründung schließt der Senat aus dem von uns zum Beleg unserer Auffassung angeführten BGH Urteil vom 20. Mai 2010, in dem der BGH befunden hatte Geldschulden seien grundsätzlich durch Barzahlung zu erfüllen, aber Tilgung durch Banküberweisung sei zulässig, wenn die Parteien das vereinbart hätten, das könne dann auch der Staat durch Rechtsvorschrift so regeln. Es ging um eine Fluggesellschaft, die kein Bargeld annahm und das zuvor deutlich kundgetan hatte.

Liebes Gericht, zum Mitschreiben und Lernen, als kleiner Nachhilfeservice von mir als Dreiviertellaien: Grundprinzip des Privatrechts ist, dass alles erlaubt ist, was nicht verboten ist, und insbesondere, dass zwei Parteien auf freiwilliger Basis vereinbaren können, was sie möchten. Grundprinzip des öffentlichen Rechts ist, dass der Staat vom Bürger nur etwas verlangen und ihm eine Handlung verbieten darf, wenn er ausdrücklich durch Gesetz, dem die Volksvertretung zugestimmt hat, dazu ermächtigt worden ist. Daraus, dass Private etwas vereinbaren dürften, folgt nicht und niemals, dass der Staat den Bürgern dieses vorschreiben darf. Ich kann vertraglich mit meinem Nachbarn vereinbaren, dass ich für 9 Euro die Stunde seine Toiletten putze. Daraus folgt ganz sicher nicht, dass der Staat mich verpflichten kann, für 9 Euro die Stunde öffentliche Toiletten zu reinigen.

Im Ernst. Allein schon die Tatsache, dass es diese Urteile des BGH gibt – immerhin ein oberstes Bundesgericht- zeigt, dass die Argumentation der Kasseler falsch ist, aus dem Status von Euro-Banknoten unbeschränkten gesetzlichen Zahlungsmittel folge offensichtlich keine Verpflichtung, Euro-Banknoten zur Bezahlung anzunehmen. Der BGH geht offensichtlich, ja sogar erklärter Maßen, von dem Grundsatz aus, dass jeder Gläubiger Euro-Banknoten unbegrenzt annehmen muss, wenn nicht auf freiwilliger Basis etwas anderes vereinbart ist. Andernfalls hätte er im Fall der Fluggesellschaft den Kunden mit der Begründung abgewiesen, aus dem Bundesbankgesetz erwachse ihm kein Recht auf Barzahlung. Der BGH hat aber dieses Recht grundstätzlich bejaht und geurteilt, der Kunde habe durch Vertragsabschluss mit der Fluggesellschaft wissentlich und freiwillig auf dieses Recht verzichtet.  Es gibt also für den BGH eine Bindungswirkung von §14 BBankG. Es ist ziemlich frech von den Kasseler Verwaltungsrichtern, hinzuschreiben, dass das offensichtlicher Quatsch sei, was der BGH meint. Das hätten sie dann wenigstens mit offenem Visier tun sollen und es klar aussprechen.

Doch zum versöhnlichen Abschluss kommt ein Satz, der zwar auch wieder allem zuvor Geschriebenen widerspricht, dem Gerede von der Offensichtlichkeit ebenso wie der Begründung, warum man die offenbar ungeklärte Frage, was gesetzliches Zahlungsmittel bedeutet, nicht dem Europäischen Gerichtshof vorlegt:

Die Revision ist zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.

Das Bundesverwaltungsgericht muss sich also mit unserer Revision befassen. Dabei wird dann das Gesetz bindend, das den obersten Bundesgerichten der verschiedenen Instanzenzüge aufträgt, zu einer gemeinsamen Rechtsprechung zu kommen. Die durchgängige Rechtsprechung des BGH, dass nur Bargeld richtiges Geld ist, muss also entweder offiziell zu Grabe getragen oder fortan auch von Verwaltungsgerichten beachtet werden, die sich um die Praktikabilität in „Massenverfahren“ sorgen. Diese Sorge müssten sie dann vielleicht dem (europäischen) Gesetzgeber überlassen. Die Sache geht einer grundsätzlichen Klärung entgegen. Dies ist eine Operation am Herzen der Geldordnung, wie mein Anwalt Carlos A. Gebauer treffend zu sagen pflegt.
(Änderungshinweis: Im letzten Satz Währungsverfassung in Geldordnung geändert.)

Zuerst erschienen auf dem Blog von Norbert Häring.

Photo: Daniel von Appen from Unsplash (CC 0)

Von Dr. Helge Gondesen, Rechtsanwalt.

Seit Einführung des flächendeckenden Zwangsbeitrages zur Finanzierung des staatlich organisierten Rundfunks im Jahr 2013 wehrt sich die Bevölkerung mit unzähligen Klagen. Diese richten sich gegen die Zahlung, ihre Höhe, die Art der Erhebung, die Frage, ob es sich um eine Steuer handelt, die Zahlungsmodalitäten, die Verwendung bzw. Verschwendung der Mittel etc. Das zugrundeliegende Problem ist jedoch das Betreiben der Öffentlichen selbst. Wenn man ein Recht des Staates anerkennt, ein System des öffentlichen Rundfunks zu betreiben –wie „staatsfern“ organisiert auch immer– dann muss der Staat auch die Mittel aufbringen dürfen, um diesen zu finanzieren. Wem ist gedient, wenn der Zwangsbeitrag abgeschafft, aber die Steuern entsprechend erhöht und das Ganze einfach aus allgemeinen Steuermitteln finanziert wird? Deshalb drängt sich auf zu betrachten, ob der Staat überhaupt berechtigt ist, einen quasi-staatlichen Rundfunk in dem vorhandenen Ausmaß zu betreiben und dessen Finanzierung durch die Bevölkerung zu erzwingen.

Eine deutliche Einschränkung des Umfangs der Öffentlichen oder sogar die Abschaffung in seiner gegenwärtig bestehenden Form haben in der letzten Zeit viele Stimmen gefordert. Ein Gutachten des wissenschaftlichen Beirats beim Bundesfinanzministerium von 2014 („Öffentlich-rechtliche Medien, Aufgaben und Finanzierung“) hat eine Rückführung auf ein Subsidiaritätsprinzip gefordert. Der bayerische Ministerpräsident hat 2016 („ein nationaler Sender reicht“) und der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt 2017 („das Öffentlich-Rechtliche ist Westfernsehen geblieben“) das System kritisiert. Die wenigen freien Wettbewerber fühlen sich in ihrer Existenz bedrängt, z.B. die RTL-Chefin Schäferkordt („Die Marktverzerrung muss endlich eingedämmt werden“). Ein von Prof. Dr. Haucap und anderen im Auftrag von Prometheus – Das Freiheitsinstitut erstelltes Gutachten aus dem Jahr 2015 stellt fest: „Deutschland hat den größten und teuersten öffentlich-rechtlichen Rundfunk der Welt“ Dieser strebt nach weiterer „Expansion und aktiver Verdrängung privater Inhalte“. Das Vertrauen der Bundesbürger in die öffentlich-rechtlichen Medien ist im vergangenen Jahr weiter gesunken. Wie aus einer neuen Forsa-Umfrage im Auftrag von RTL hervorgeht, haben nur noch 28 % (nach 36% im Vorjahr) der Befragten Vertrauen in das Fernsehen.

Was sagt unsere Verfassung?

In Deutschland muss jedes von den Parlamenten erlassene Gesetz und jeder Staatsvertrag zwischen den Ländern mit der Verfassung vereinbar sein. Wenn die gesetzlichen Grundlagen der Öffentlichen gegen das Grundgesetz oder die Menschenrechte verstoßen, sind sie nichtig. Lässt man die Äußerungen und Urteile der Richter und die Meinungen der sonstigen Vertreter des Staates einmal unbeachtet und betrachtet nur den Wortlaut der Verfassung und der dazugehörigen Menschenrechte, zeigt der neutrale juristische Befund: Der Betrieb des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in seiner gegenwärtigen Ausgestaltung ist verfassungswidrig und damit unzulässig.

Rundfunk ist das Verbreiten geistiger Botschaften mit technischen Mitteln an eine unbestimmte Anzahl von Empfängern. Der Inhalt ist beliebig. Dies können Botschaften aller Art sein, z.B. Tatsachenbehauptungen oder Meinungen, Ideologien, Satire und Unterhaltung, die durch Sprache oder Text, Töne oder Bilder vermittelt werden. Eine von staatlichen Stellen nicht behinderte Verbreitung geistiger Botschaften wird von allen Seiten als ein unverzichtbares Merkmal freiheitlicher, rechtsstaatlicher Gesellschaften angesehen, auch (in Lippenbekenntnissen) von den Befürwortern staatlicher Reglementierung und staatlichen Zwangs. Die besten Ideen und Konzepte für die Bewältigung der Herausforderungen der Zukunft  können sich nur in einen freien Austausch der Informationen, Erkenntnisse und Meinungen durchsetzen. Deshalb drängt es sich auf, dass eine Behinderung des freien Austausches und der Verbreitung geistiger Botschaften für den Bestand und dauerhaften Erfolg einer Gesellschaft schädlich sein muss. Aus diesem Grund ist gegenüber jeder Art von Einmischung in den freien Austausch, insbesondere einer Behinderung, Reglementierung oder Organisierung der Verbreitung geistiger Botschaften durch den Staat, äußerste Zurückhaltung geboten. Die letzten 2000 Jahre europäischer Geschichte haben dies immer wieder bestätigt.

Nicht zuletzt deshalb haben, unter dem noch unverblassten Eindruck absolutistischer, keine andere Meinung duldender Diktaturen und insbesondere der Verbrechen des deutschen Nationalsozialismus die UNO in ihrer allgemeinen Erklärung der Menschenrechte 1948, das deutsche Grundgesetz von 1949 (GG) sowie die Konvention des Europarates zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten von 1950 (EMRK) die freie, ungehinderte Verbreitung geistiger Botschaften in den Rang eines unveräußerlichen Menschenrechtes bzw. in Verfassungsrang erhoben, zur Abwehr staatlicher Einmischung.

Die Universal Declaration of Human Rights der UNO von 1948 besagt in Article 19: „ Jeder hat das Recht auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung. Dieses Recht schließt die Freiheit ein Meinungen zu vertreten ohne Einmischung und … Informationen und Ideen durch jedwedes Medium zu übermitteln.“

In Art. 5 Abs. 1 GG heisst es: „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt“.

Und Art. 10 Abs.1 EMRK lautet in dem neben dem französischen Wortlaut allein verbindlichen englischen Text: „Jeder hat das Recht sich frei auszudrücken. Dieses Recht schließt die Freiheit ein, Information und Ideen zu übermitteln ohne Einmischung staatlicher Stellen.“

Von staatlicher Einmischung, Leitung oder Organisierung der freien Verbreitung von Meinungen durch technische Hilfsmittel ist in keiner dieser Rechtsgrundlagen die Rede. Im Gegenteil, die UN Menschenrechtskonvention und die EMRK verbieten ausdrücklich jede Art von staatlicher Einmischung. Das Grundgesetz garantiert die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk. Auch hier findet sich kein Wort von staatlicher Einmischung.

Dieses Grund- und Menschenrecht wird durch die Öffentlichen in rechtlicher und in tatsächlich-wirtschaftlicher Hinsicht stark eingeschränkt. In rechtlicher Hinsicht durch unzulässige Zulassungsvoraussetzungen. In tatsächlicher Hinsicht durch explosionsartig gewachsenes, permanentes Senden auf immer mehr Kanälen mit der Wirkung, ein wirtschaftliches Betreiben von Rundfunk durch Privatpersonen weitestmöglich zu verhindern. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat im TV, aber auch im Radio, in den letzten Jahren sein Programm drastisch erhöht und versucht mit gegenwärtig rund 100 Sendern, jede auch noch so kleine thematische Nische zu besetzen.

Der heutige Umfang der Öffentlichen führt faktisch dazu, Private bei der Verbreitung ihrer Inhalte deutlich zu behindern. Die vom Grundgesetz und den Menschenrechten garantierte Freiheit der Verbreitung von Meinungen ist nachhaltig nur möglich, wenn eine wirtschaftliche Tragfähigkeit hergestellt werden kann. Und gerade dies behindern die Öffentlichen durch ihr Agieren praktisch mit allen Mitteln und unter Einsatz unbegrenzt fließender Einnahmen aus Zwangszahlungen. Nicht zuletzt deshalb gibt es freies, privates Fernsehen mit Breitenwirkung in Deutschland, vereinfacht ausgedrückt, nur von zwei Rundfunkbetreibern: die RTL-Gruppe und  ProSieben/Sat1. Daneben gibt nur noch eine Handvoll nicht breitenwirksamer Nischenanbieter.

Die ins Gigantische ausgeuferten Öffentlichen haben demgegenüber ein in der Welt unvergleichbares Ausmaß angenommen, wie das o.g. Gutachten von Prof. Dr. Haucap u.a. deutlich macht. Sie behindern durch ihre bloße Existenz die Meinungsäußerungsfreiheit der Bürgerinnen und Bürger in unserem Land. Mit Zynismus stellt die „Bundeszentrale für politische Bildung“ fest, der private Rundfunk „befindet sich in einer schwierigen Wettbewerbssituation“.

Der Konzentrationsdruck und die Programmgestaltung der Privaten wird maßgeblich durch das öffentlich-rechtliche Fernsehen verursacht und determiniert. Wenn ein privat veranstaltetes Sendeformat wirtschaftlich interessant wird, wird es häufig von den staatlich privilegierten Kollegen kopiert. Auf diese Weise wird den Privaten ein Marktanteil von der öffentlich-rechtlichen Konkurrenz weggenommen mit dem Effekt, dass die privaten Veranstalter sich aus den wirtschaftlich nicht mehr tragfähigen Sendungen wieder zurückziehen müssen. Deshalb suchen die Privaten sich immer entlegenere, absurdere Nischen in diesem wirtschaftlichen Überlebenskampf. Eine Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk, wie sie Art. 10 EMRK und Art. 5 GG garantieren, ist in Deutschland nur ohne den staatlich privilegierten Rundfunk in seiner gegenwärtigen Form möglich.

Was sagt das Bundesverfassungsgericht?

Das Bundesverfassungsgericht hat die Entwicklung des deutschen öffentlich-rechtlich organisierten Rundfunks zum weltweit teuersten und größten öffentlichen Rundfunk bis heute zustimmend begleitet. Es musste sich in mehr als 50 Jahren wiederholt mit dessen Berechtigung befassen. Mehrere Generationen von Richtern haben dabei im Laufe der Zeit widersprüchliche und logisch nicht nachvollziehbare Ansichten vertreten. Ein klares und eindeutiges Bild ist dem Ganzen bis heute nicht zu entnehmen:

1961 hat das BVerfG den Versuch Kanzler Adenauers zunächst abgewehrt, zusätzlich zur 1950 gegründeten ARD einen weiteren öffentlich-rechtlichen TV-Sender einzurichten. Die Zuständigkeit für das Fernsehen läge bei den Ländern. Grundsätzlich war das Gericht damals aber der Meinung, der Staat sei dazu aufgerufen Fernsehen zu veranstalten. Im Gegensatz zur Presse, bestehe beim Fernsehen eine „Sondersituation“. „Aus technischen Gründen“ und mit Rücksicht auf den „außergewöhnlich großen finanziellen Aufwand“ nahm das Gericht an, die Zahl der Träger solcher Veranstaltungen müsse zwangsläufig verhältnismäßig klein bleiben. Das Gericht erkannte damals noch, dass Art. 5 GG ein individuelles Grundrecht des Bürgers gegen den Staat auf Respektierung seiner Freiheitssphäre zur Meinungsäußerung enthält (BVerfGE 12, 259f). Die technische Sondersituation rechtfertige jedoch eine staatliche Organisierung des Rundfunks.  Da technisch nicht viele Einzelne Rundfunk betreiben konnten, erlaubte das Gericht eine seiner Ansicht nach erforderliche Notlösung: der Staat organisiert den Rundfunk und sorgt dafür, dass die im Volk vorhandene Pluralität der Meinungen und Kulturen sich innerhalb des Rundfunks widerspiegelt.

Es ist offensichtlich, dass diese “Sondersituation” heute nicht mehr vorliegt. Durch Satellitenübertragung und Kabelfernsehen und das Internet ist es möglich, Tausende von Rundfunksendern zu betreiben. Den Wegfall der technischen Gründe, mit denen der öffentliche Rundfunk einst gerechtfertigt wurde und damit den Wegfall seiner Existenzberechtigung hat das o.g. Gutachten des wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium der Finanzen vom Oktober 2014 ausführlich dargestellt.

Als in den 80er Jahren Privatpersonen erstmals zur Veranstaltung von Fernsehen zugelassen wurden, lag nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts die „Sondersituation“ unverändert vor. Technisch sei man auf terrestrisch verbreitete Programme angewiesen. Zusätzlich erfanden die Verfassungsrichter einen vermeintlichen „klassischen“ Auftrag des Staates zur Veranstaltung von Fernsehen. Zwar garantiere das Grundgesetz (auch) privaten Rundfunk, aber die öffentlich-rechtlichen Anstalten hätten eine Bestandsgarantie, weil nur sie praktisch alle Menschen erreichen könnten. Der Staat müsse die „unerlässliche Grundversorgung“ sicherstellen. Das Grundgesetz erteile dem Staat den Auftrag, die Bevölkerung bei der Meinungsbildung (!) zu unterstützen. Statt von dem Recht zur freien Verbreitung der Meinung spricht das Verfassungsgericht hier nur noch von einem Recht auf Bildung der Meinung. Der Staat müsse für die Meinungsbildung der Bevölkerung sorgen. Eine gewisse Ablehnung gegenüber dem Menschenrecht und Grundrecht der freien Meinungsverbreitung und der Urteilsfähigkeit der Bevölkerung lässt sich herauslesen, wenn das Gericht ausführt: „Private sind zu umfassender und wahrheitsgemäßer Information verpflichtet“ und zugleich: „Private können der Aufgabe umfassender Information nicht gerecht werden“. Rundfunkfreiheit ist nach dieser Auffassung nicht ein Recht der Bevölkerung gegenüber dem Staat, wie alle anderen Grundrechte, sondern das Recht und die Pflicht des Staates, die Bevölkerung mit „umfassenden“ und „wahrheitsgemäßen“ Informationen zu versorgen. Diese „Grundversorgung“ dürfe keinesfalls der Bevölkerung selbst (den „Privaten“) vorbehalten sein.

Ganz im Gegensatz zu dieser erstaunlichen Meinung des höchsten deutschen Gerichts haben die obengenannten Rechtsquellen dieses Problem klar erkannt und befassen sich nicht mit Fragen von „Wahrheit“ oder „umfassenden Informationen“, sondern garantieren die freie Äußerung und Verbreitung jedweder Art von Meinungen. Auch die „falsche“ Meinung oder die umstrittene Meinung, die „unvernünftige“ Meinung sind durch die Menschenrechte und das Grundgesetz geschützt und dürfen frei verbreitet werden. Gerade die isolierten, die eigenwilligen, die von der Mehrheit nicht nachvollziehbaren Ideen und Meinungsäußerungen des Menschen dienen nicht nur dem Individualinteresse, sondern der Gesellschaft insgesamt. Fast aller Fortschritt, aller Wohlstand, alle Technik in der Gesellschaft wurde von selbstbestimmten Individuen geschaffen, sehr oft gerade von solchen, die in ihren Ideen ganz erheblich abgewichen sind von dem, was allgemein für „vernünftig“ gehalten wurde.

In den 90er Jahren hatte das Bundesverfassungsgericht das Problem des staatlich organisierten Rundfunks zeitweilig erkannt:  Es müsse sichergestellt sein, dass der Staat im Fernsehen keinen „bestimmenden Einfluss“ ausüben kann. Dies müsse „gesellschaftlich relevanten Gruppen“ vorbehalten sein. Der Auftrag zur Grundversorgung bestehe nur unter den „gegenwärtigen Bedingungen“. Kurz darauf haben die Richter jedoch erneut eine Wende vollzogen und nunmehr geurteilt, der Rundfunk dürfe nicht allein den gesellschaftlichen Kräften überlassen werden. Es bleibt die Frage offen: wem denn dann, wenn nicht der Bevölkerung?

Einige Jahre später ignorierte das Gericht immer noch die mittlerweile offensichtliche technische Revolution durch Kabelfernsehen, Satellitenfernsehen und insbesondere das Internet. Die 1961 konstatierte, technische „Sondersituation“, die 1986 vertretene Meinung, mit einem echten Markt könne auf absehbare Zeit nicht gerechnet werden, und die 1991 für maßgebend gehaltenen „gegenwärtigen Bedingungen“ waren sämtlich entfallen. In einem Urteil vom Februar 1998 geht das Gericht unbeirrt und unverändert von „beschränkten Übertragungskapazitäten“ aus. Der öffentliche Rundfunk wird gerechtfertigt und ein angeblich von der Verfassung vorgegebenes „duales System“ postuliert. Das höchste deutsche Gericht hat geradezu in Umkehrung der Grundrechte ein Grundrecht des Staates gegen die Bürger auf Veranstaltung eines mit dem Geld der Bürger finanzierten stattlich organisierten Rundfunks erfunden und das Recht der Bürger auf eine Freiheit der Meinungsbildung reduziert. Das Recht der Bürger auf freie Verbreitung ihrer Meinungen wird in den einschlägigen Urteilen nur theoretisch anerkannt. Die dafür erforderlichen rechtlichen Rahmenbedingungen und technischen und tatsächlichen Voraussetzungen werden der Bevölkerung vorenthalten und weitgehend dem Staat zugewiesen.

Das Grundrecht bzw. Menschenrecht verbürgt nicht nur die Freiheit zur Verbreitung geistiger Botschaften durch Presse oder Rundfunk, sondern auch die Freiheit zur Ablehnung bzw. Nicht-zur-Kenntnisnahme entsprechender Botschaften. Es darf niemand gezwungen werden, die Presse zu lesen oder Rundfunk zu empfangen. Die Umdeutung der Freiheit zur Ablehnung von Presse und/oder Rundfunk in einen Zwang zur Inanspruchnahme bzw. Finanzierung derselben ist abwegig. Es sollte jedem Einzelnen überlassen sein, ob und wie er Meinungen äußert, sich bildet oder Informationen bezieht oder weitergibt.

Wir leben im Informationszeitalter. Fast jeder trägt ein kleines Wunderwerk der Technik bei sich welches sofortigen, jederzeitigen Zugang zu privaten und öffentlichen Informationen, Archiven und Bibliotheken, Unternehmen, Banken und staatlichen Institutionen rund um den Globus vermittelt. Millionen Seiten mit Nachrichten, Meinungen, Unterhaltungs- und Konsumangeboten buhlen um unsere Aufmerksamkeit. Durch Internet, Kabel und Satellitenübertragung haben wir Zugang zu Medien überall auf der Welt, wann immer wir wollen. In diesem Umfeld, wo jeder ohne Schwierigkeiten Informationsgeber und Informationsempfänger für jeden sein kann, sollte man meinen, der Staat könne sich aus den Medien langsam zurückziehen und sie den Bürgern überlassen. Aber weit gefehlt! Statt sich zurückzunehmen wird der öffentlich-rechtliche Rundfunk offensiv ausgebaut. Der Ruf der Öffentlichen nach mehr Geld ist grenzenlos und nur beschränkt durch die (vermutete) Tragfähigkeit der Bevölkerung. Diverse Skandale aus der letzten Zeit haben den im Grunde zwangsläufigen Missbrauch der Struktur offengelegt.

Und was sagt der Hüter unserer Verfassung dazu? Anstatt die genannten Umstände aufzugreifen, haben die Verfassungsrichter die unter den gegebenen Verhältnissen existierenden Programme vergleichen lassen und mit bedauerlichem Zynismus das Sendeangebot der Öffentlichen mit der Feststellung gerechtfertigt, Vergleiche der Angebote öffentlich-rechtlicher Sendeanstalten und „Privater“ zeigten „deutliche Unterschiede“ aus denen sich ergäbe, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk nötig sei.

Vor unser aller Augen wird, finanziert mit Zwangsgebühren und Werbeeinnahmen, ein gnadenloser Konkurrenzkampf gegen private Meinungsäußerung durch privaten Rundfunk geführt. Einen ähnlichen Kampf führt das öffentlich-rechtliche Fernsehen mittlerweile auch gegen die Presse. Der BGH hat vor kurzem zur Tagesschau-App festgestellt, dass ARD und NDR unlauteren Wettbewerb betreiben.

Nach dem theoretischen Konzept des Bundesverfassungsgerichts zur Rechtfertigung der Öffentlichen sollen die Personen, die die Macht im Staat innehaben, mit diesem Rundfunk eine Organisation schaffen, die ihnen potentiell gefährlich werden und evtl. durch Berichterstattung zum Verlust ihrer Macht beitragen kann. Und diese Organisation sollen die Machthaber „staatsfern“ strukturieren, damit sie selbst keinen bestimmenden Einfluss in dieser Organisation haben. Mit anderen Worten: es wird von ihnen erwartet, ihren eigenen fundamentalen Interessen entgegenzuwirken. Dass dies nicht funktionieren kann, ist offensichtlich und wird auch deutlich in dem Minderheitsvotum eines Richters zum Urteil vom März 2014 zum Ausdruck gebracht.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte:

Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hatte sich bereits mit staatlich organisiertem bzw. beeinflusstem Rundfunk zu befassen. Er hat wiederholt betont, dass Artikel 10 EMRK nicht nur den Inhalt von Informationen und Ideen schützt, sondern auch die Mittel ihrer Verbreitung. Danach ist die unbehinderte Meinungsäußerungsfreiheit der Bürger grundlegende Bedingung für den Fortbestand demokratischer Gesellschaften und die Entwicklung jedes Individuums (vgl. Europäischer Rat Veröffentlichungen, Band 18, Meinungsäußerungsfreiheit in Europa, Dezember 2005, S.7).

Im November 1993 hat der EGMR im Fall „Informationsverein Lentia und andere“ entschieden, dass die Freiheit der Weitergabe von Meinungen durch Rundfunk nicht durch faktische Monopolisierung oder wirtschaftliche Behinderung seitens staatlicher Systeme eingeschränkt werden darf. Die Restriktionen durch staatliche Organisierung vermeintlicher Qualität und Ausgewogenheit der Programme („quality and balance of programme output“) durch Aufsichtsgremien („supervisory powers over the media“) ist wegen der technischen Entwicklung der vergangenen Dekaden nicht zu rechtfertigen und ein Verstoß gegen Art. 10. Diese Auffassung hat der EGMR nochmals bestätigt in der Entscheidung Telesystem Tyrol Kabeltelevision vom 9. Juni 1997 (ebenda, Fn.153). Eine Entscheidung zum deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunk steht noch aus.

Es ist zu hoffen, dass das Bundesverfassungsgericht unserem Land und unserer Freiheit einen Dienst erweist und den Öffentlichen endlich Grenzen aufzeigt. Sonst muss erneut der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte feststellen, dass Deutschland rechtsstaatliche Defizite aufweist.