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Von Dr. Alexander Fink, Universität Leipzig, Senior Fellow des IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues und Fabian Kurz, Student der Volkswirtschaftslehre.

Der Gesetzgeber hat mit der Übertragung des Versorgungsauftrags auf die etablierte Ärzteschaft den Bock zum Gärtner gemacht. Hätten die Ärzte freie Standortwahl und würde jede Leistung an gesetzlich Versicherten finanziell honoriert, wären vor allem gesetzlich Versicherte besser versorgt als heute.

Ärzte, die in Deutschland gesetzlich Versicherte behandeln wollen, müssen Mitglied in einer Kassenärztlichen Vereinigung sein. Die Mitglieder der Kassenärztlichen Vereinigungen sind dabei in einer ungewöhnlichen Situation. Sie können beeinflussen, wie viel Konkurrenz sie von anderen Ärzten bekommen. Die Rechnung der etablierten Ärzteschaft ist recht simpel: Je mehr neue Praxen es gibt, desto weniger Geld bekommen die bestehenden Praxen.

Bedarfsplanung

Es gibt 17 kassenärztliche Vereinigungen. Für jedes Bundesland ist eine Kassenärztliche Vereinigung zuständig, nur in Nordrhein-Westfalen gibt es zwei. Die Kassenärztlichen Vereinigungen sind für die Versorgung der gut 72,2 Millionen gesetzlichen Versicherten verantwortlich. Unter anderem planen die einzelnen Kassenärztlichen Vereinigungen, wie viele Arztpraxen eines bestimmten Fachgebiets es in einer Region geben soll.

Die Kassenärztlichen Vereinigungen sind nach dem fünften Sozialgesetzbuch dazu verpflichtet, die Versorgung der gesetzlich Versicherten sicher zu stellen. Seit 1992 gibt es für die ambulante Behandlung eine Bedarfsplanung der Kassenärztlichen Vereinigungen. Diese basiert auf der Annahme, dass die Versorgung gewährleistet ist, wenn in einer Region ein bestimmtes Arzt-Einwohner-Verhältnis sichergestellt ist. Für Hausärzte zum Beispiel gilt, dass ein Arzt im Idealfall 1.671 Einwohner versorgt.

Für andere Fachärzte gilt kein bundesweites Verhältnis, sondern regionalspezifische Verhältniszahlen. So gelten beispielsweise in „stark mitversorgenden“ Regionen, zu meist Städte, 2.405 Kinder pro Kinderarzt als angemessen. In „stark mitversorgten“ Regionen dagegen gilt ein Verhältnis von 4.372 Kinder pro Kinderarzt als ausreichend. Die Verhältniszahlen werden nicht auf Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse ermittelt, sondern spiegeln die Versorgungsverhältnisse eines bestimmten Stichtages wieder. Das Arzt-Einwohner-Verhältnis des 31.12.1990 gilt daher als „optimal“.

Liegt der Arzt-Einwohner-Quotient über 110 Prozent des „optimalen“ Niveaus, gilt eine Region als überversorgt. Liegt der Quotient unter 50 Prozent, beziehungsweise bei Hausärzten unter 75 Prozent, gilt eine Region als unterversorgt. In Regionen, in denen derart definiert eine Überversorgung herrscht – zumeist in städtischen Regionen – dürfen grundsätzlich keine neuen Ärzte ihre Dienste gesetzlich Versicherten zur Verfügung stellen. Die Region gilt für den überversorgten Fachbereich als gesperrt. Nur durch die Übernahme einer bereits bestehenden Praxis oder per Antrag auf Sonderbedarf kann ein Arzt sich in einer gesperrten Region niederlassen.

Keine direkte Abrechnung mit Kassen

Kassenärzte rechnen Leistungen für gesetzlich Versicherte nicht direkt mit deren Krankenkassen ab. Jede Kassenärztliche Vereinigung verhandelt einen fixen Betrag mit den Krankenkassen, der von ihr auf ihre jeweiligen Mitglieder verteilt wird. Die Kassenärztlichen Vereinigungen zahlten im Jahr 2015 über 35 Milliarden Euro an ihre Mitglieder aus.

Die jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigungen verteilen die fixe Summe mit Hilfe eines Punktesystems an ihre Mitglieder. Erbringt ein Arzt eine Leistung, erhält er dafür entsprechende Punkte. Jedes Quartal wird der Wert eines Punktes in Euro festgelegt. Die Punkte können allerdings nur bis zu einer gewissen Obergrenze abgerechnet werden. Diese Obergrenze wird als Regelleistungsvolumen bezeichnet und berechnet sich im Wesentlichen aus der Fallzahl des Arztes im Vorjahresquartal. Wird das Regelleistungsvolumen überschritten, erhalten die Ärzte nur noch einen Bruchteil des ursprünglichen Punktwerts.

Auch Ärzte freuen sich nicht über Konkurrenz. Die Verteilung eines fixen Budgets führt jedoch dazu, dass die Ärzte einer Kassenärztlichen Vereinigung neuen Niederlassungen in ihrer Region noch kritischer gegenüberstehen.

Bedarfsplanung und Privatpatienten

Doch Kassenpatienten sind für Ärzte nicht die einzige Einnahmequelle. Auch Privatpatienten werden behandelt. Zudem können Ärzte bei Privatpatienten für identische Leistungen höhere Beträge in Rechnung stellen. Privatpatienten sind also besonders attraktive Patienten – finanziell gesehen.

Wenig überraschend zeigt eine Untersuchung der Universität München, dass sich Kassenärzte bevorzugt in Regionen niedergelassen haben, in denen ein hoher Anteil privat Versicherter wohnt. Dies sind vor allem urbane Gegenden – Regionen die von den Kassenärztlichen Vereinigungen häufig als überversorgt eingestuft werden. Neue Arztpraxen, die sowohl Kassenpatienten als auch Privatpatienten versorgen, können in den als überversorgt ausgewiesenen Regionen nicht mehr eröffnet werden. Dabei mag der Bedarf für weitere Arztpraxen dort sehr wohl bestehen, denn bei der Bedarfsplanung der Kassenärztlichen Vereinigung bleiben die privat versicherten Einwohner der Region unberücksichtigt. Erfreuliche Nebenwirkung für die etablierten Ärzte: Sie sind unter dem Deckmantel der Bedarfsplanung vor weiterer lästiger Konkurrenz geschützt.

Das Kartell wehrt sich

Scheren Mitglieder aus der Monopollogik aus, etwa indem sie versuchen, sich in gesperrten Gebieten mit Hilfe eines Sonderbedarfsantrags niederzulassen, können diese von den Kassenärztlichen Vereinigungen mit einer besonders intensiven Honorarprüfung sanktioniert werden.

Auch Krankenhäuser können niedergelassenen Ärzten Konkurrenz machen. Bieten Krankenhäuser ambulante Behandlungen an, reduziert dies die Auslastung umliegender Praxen. So ging die Berliner Kassenärztliche Vereinigung juristisch gegen ambulante Angebote von Berliner Krankenhäusern vor, darunter auch gegen Angebote des Deutschen Roten Kreuz. Die Berliner Kassenärztliche Vereinigung zwang schließlich das Rote Kreuz drei medizinische Behandlungszentren zu schließen. Einer besseren Versorgung der Patienten ist damit sicher nicht geholfen.

Freie Standortwahl: Versorgungssicherheit nicht gefährdet

Das Verhalten der Kassenärztlichen Vereinigungen ist schwerlich mit Hinweis auf die Interessen der Patienten zu erklären. Doch angesichts der Anreize, denen die Kassenärztlichen Vereinigungen und ihre Mitglieder ausgesetzt sind, verwundert ihr Gebaren nicht. Die Bedarfsplanung der Kassenärztlichen Vereinigungen sollte daher abgeschafft werden: Ärzten sollte es freistehen, Praxen am Ort ihrer Wahl zu eröffnen.

Die Befürworter der Bedarfsplanung würden gegen die freie Standortwahl einwenden, dass es dann zu einer Unterversorgung in manchen Gebieten käme. Die Erfahrung mit Zahnärzten und Apotheken spricht gegen diese Befürchtung. Seit April 2007 können Zahnärzte ohne Beschränkungen auf Grund von Bedarfsplänen ihren Standort frei wählen. Auf eine noch längere Erfahrung können Apotheken zurückblicken. Auch wenn der Apothekenmarkt nach wie vor hoch reguliert ist, dürfen sich Apotheker seit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 1958 am Ort ihrer Wahl niederlassen. Auch die Grundversorgung mit lebensnotwendigen Nahrungsmitteln hängt nicht von einer zentralen Bedarfsplanung der etablierten Lebensmittelgeschäfte ab.

Finanzielle Anreize zum Wohl der Patienten

Die 17 Kassenärztlichen Vereinigungen sollten zudem von der Aufgabe befreit werden, eine zuvor von den gesetzlichen Krankenkassen erhaltene Verteilungsmasse als Honorare unter der Ärzteschaft zu verteilen.

Die Arzthonorare könnten zwischen den gesetzlichen Krankenkassen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung ausgehandelt und von den Ärzten direkt mit den Krankenkassen abgerechnet werden. Dies ist schon jetzt gängige Praxis bei den privaten Krankenkassen. So wären die Umsätze einer Praxis nicht direkt abhängig von Obergrenzen oder dem Behandlungsvolumen bzw. der Anzahl anderer Ärzte der gleichen Kassenärztlichen Vereinigung.

Die gesetzlichen Krankenkassen könnten in einem solchen Rahmen Verhandlungsergebnisse anstreben, die mittels finanzieller Anreize dafür sorgen, dass die gewünschte Versorgung in allen Regionen gewährleistet ist – zum Beispiel durch höhere Honorare in ausgewählten Regionen. Den privaten Krankenkassen scheint der Einsatz finanzieller Anreize seit Jahren erfolgreich zu gelingen. Ärzte lassen sich gerne in Regionen mit vielen Privatpatienten nieder.

Den Bock zum Gärtner gemacht

Der Gesetzgeber hat mit der Übertragung des Versorgungsauftrags auf die etablierte Ärzteschaft den Bock zum Gärtner gemacht. Die regionalen Kassenärztlichen Vereinigungen nutzen ihre Planungshoheit hinsichtlich der Anzahl der Arztpraxen, um ihre eigenen Interessen zu verfolgen. Hätten die Ärzte freie Standortwahl und würde jede Leistung an gesetzlich Versicherten finanziell honoriert, wären vor allem gesetzlich Versicherte besser versorgt als heute.

Erstmals erschienen bei IREF.

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Von Justus Lenz, Leiter Haushaltspolitik bei Die Familienunternehmer/Die Jungen Unternehmer

Deutschland hat ein Problem. Jedenfalls dann, wenn die zunehmende Regeldichte und der mit ihr einhergehende Erfüllungsaufwand nicht als selbstverständlich angesehen werden. So gute Gründe es auch für viele einzelne Regeln geben mag – in der Summe hat die Belastung längst überhand genommen. Betroffen sind natürlich alle Bürger im Land. Besonders hart trifft es viele Unternehmer, die immer mehr Zeit und Geld in die Erfüllung bürokratischer Auflagen stecken müssen. Noch einmal besonders betroffen sind Gründer: Eigentlich müssten sie jede freie Minute in den Aufbau ihres Geschäftsmodells und die Akquirierung neuer Kunden stecken. In der Realität verbringen sie einen erheblichen Teil ihres Zeitbudgets mit Bürokratie.

Unbekannt ist das Problem wirklich nicht. Das Thema gehört vielmehr zum Standardrepertoire der Sonntagsreden. Nur in der Realität kommt trotzdem immer noch eine Schippe drauf. Nach den Mindestlohndokumentationspflichten und der Datenschutzgrundverordnung geht es aktuell um ein Rückkehrrecht aus Teil- in Vollzeit. Offensichtlich gelingt es uns in Deutschland nicht, auf neue Regeln zu verzichten. Aus ordnungspolitischer Sicht ist ein Rahmen für die wirtschaftlichen Aktivitäten der Marktteilnehmer unerlässlich. Bei vielen Regeln darf aber zumindest ein Zweifel angebracht sein, ob sie wirklich noch Spielregeln sind, oder nicht vielmehr in die Marktergebnisse eingreifen. Diese Diskussion müssen wir führen. Kurzfristig werden wir so aber nicht zum Ziel kommen, die bürokratischen Lasten zu senken.

Wenn man auf der Ebene der Regelsetzung nicht weiterkommt, bietet sich noch der Versuch an, den Erfüllungsaufwand zu reduzieren. Zum Glück bringt die Digitalisierung neue technische Möglichkeiten, an diesem Punkt anzusetzen. Für die staatlichen Verwaltungskosten hat der Normenkontrollrat in einem Gutachten 2015 berechnet, dass sich 30 Prozent der Kosten durch eine konsequente Umsetzung von E-Government-Lösungen einsparen lassen würden. Auf Seite von Unternehmern und Bürgern wären die Einsparungen sicher ebenfalls enorm. So geht die Bundesregierung laut der Antwort auf eine Kleine Anfrage der FDP beispielsweise davon aus, dass deutsche Arbeitnehmer mit einfachen Steuererklärungen rund 54 Millionen Stunden Arbeitsaufwand haben, um diese auszufüllen und abzugeben.

Das Beispiel von Estland zeigt, dass es auch anders geht. Normale Steuererklärungen brauchen dort nur wenige Minuten. Estland beweist, wie sehr eine konsequente Digitalisierung der Verwaltung das Leben für Bürger und Unternehmen vereinfachen kann.

Umso bedenklicher ist es, dass Deutschland auch bei der Verwaltungsdigitalisierung nicht vorankommt. Eine hohe Regeldichte, bei gleichzeitig hohen Kosten der Regeldurchsetzung und -erfüllung, ist eine äußerst schlechte Kombination. Bürger und Unternehmen werden so maximal belastet. Dabei ist die Reduzierung des Erfüllungsaufwandes eigentlich der Minimalkonsens, der sich zwischen Liberalen, Konservativen, Sozialdemokraten und Grünen beim Thema Bürokratie erzielen lassen müsste. Doch leider bleibt es bisher, trotz aller Ankündigungen, bei halbherzigen bis katastrophalen Versuchen. Dabei zeigt Estland, dass es technisch und organisatorisch geht – was in Deutschland fehlt, ist anscheinend der politische Wille.

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Von Dr. Alexander Fink, Universität Leipzig, Senior Fellow des IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues und Fabian Kurz, Student der Volkswirtschaftslehre.

Als „CSR“ oder auch Corporate Social Responsibility wird die unterstellte unternehmerische Verantwortung gegenüber der sie umgebenden Gesellschaft bezeichnet. Die Entscheidung eine solche Unternehmenspolitik einzuführen, sollte in den Händen der Unternehmensführung liegen, und nicht über staatlichen Zwang forciert werden.

„Tue Gutes und sprich darüber“ ist seit dem letzten Jahr mit der Umsetzung der europäischen CSR-Richtlinie für Unternehmen ab 500 Mitarbeitern verpflichtend. Das Stichwort ist Corporate Social Responsibility. Die Unternehmen sind verpflichtet, jährlich über ihr freiwilliges Engagement zu berichten. CSR-Regeln sollen dafür sorgen, dass sich Unternehmen freiwillig über gesetzliche Bestimmungen hinaus für Sozial- und Umweltbelange einsetzen. Der Staat sollte sich jedoch auf seine Hauptaufgabe beschränken, Regeln zu definieren und durchzusetzen, die ein friedliches Zusammenleben ermöglichen. Eine Rechenschaftspflicht über „freiwillige“ wohltätige Verhaltensweisen gehört nicht dazu.

Was ist CSR?

Als Corporate Social Responsibility (CSR) wird die Verantwortung von Unternehmen für die Auswirkungen ihrer Handlungen auf die Gesellschaft bezeichnet. Darunter werden sowohl soziale als auch ökologische und ökonomische Aspekte des unternehmerischen Handelns verstanden. Viele Unternehmen verwenden den Begriff CSR und Nachhaltigkeit synonym. Das Engagement der Unternehmen geht dabei über die gesetzlichen Vorschriften hinaus. Die Aktivitäten sind vielfältig und reichen von Mitarbeiterzufriedenheit, Energieeffizienz oder Mindeststandards in der Lieferkette bis hin zu Spendenaktionen für Bedürftige.

Doch um eine ausschließlich freiwillige Übernahme von Verantwortung handelt es sich nicht mehr. Unternehmen müssen nicht mehr nur über ihre freiwilligen nicht-finanziellen Tätigkeiten berichten. Seit der letzten Reform des Vergaberechts im Jahr 2016 können CSR-Kriterien zudem in Vergabeanforderungen öffentlicher Ausschreibungen aufgenommen werden.

CSR: Billige und motivierte Mitarbeiter

Mit CSR-Aktvitäten verfolgen Unternehmen andere Ziele als zusätzliche Gewinne – so die Idee. Allerdings können CRS-Aktivitäten Nebenwirkungen haben, die nicht im Sinne der CSR-Idee sind.

So haben drei amerikanische Ökonomen den Effekt von CSR auf das Verhalten von Angestellten untersucht. Zunächst gründeten sie eine Firma und schalteten auf einem Internetportal verschiedene Jobangebote mit unterschiedlichen Lohnangaben. Zudem versahen die Wissenschaftler manche Jobbeschreibungen mit dem Zusatz, dass die Einnahmen der Firma dafür verwendet werden, unterprivilegierten Kindern den Zugang zu Bildung zu ermöglichen. Dieses Statement führte zu gut 33 Prozent mehr Bewerbungen im Vergleich zu normalen Jobanzeigen. Die gleiche Anzahl an Bewerbern konnte mit einem 27 Prozent geringeren Lohn gefunden werden.

Außerdem waren Bewerber auf Stellen mit CSR-Beschreibung anschließend 10 bis 25 Prozent produktiver. Möglicherweise signalisieren CSR-Regeln, dass ein Unternehmen ein angenehmer Arbeitgeber ist und sie veranlassen motivierte Bewerber dazu, einen geringeren Lohn zu akzeptieren. Es ist jedoch fraglich, ob geringere Löhne für besonders engagierte Personen von den politischen Unterstützern der CSR-Regeln beabsichtigt sind.

CSR: Lizenz für unmoralisches Verhalten?

Lassen sich durch CSR die Lohnkosten senken, spricht aus Unternehmenssicht einiges für CSR-Regeln. Doch ein Experiment von zwei amerikanischen Wissenschaftlern zeigt anschaulich, dass die Einführung von CSR-Regeln in einem Unternehmen unerwünschte Effekte auf die Qualität der Arbeit von Mitarbeitern haben kann.

Die Wissenschaftler gründeten ebenfalls eigens für das Experiment ein Unternehmen und warben auf einer Onlineplattform 3.000 Arbeitnehmer an, die eine relativ einfache Aufgabe erledigen sollten. Die amerikanischen Forscher fotografierten Seiten aus deutschen Büchern, die die amerikanischen Angestellten abtippen sollten. Dabei bestand die Möglichkeit, den Arbeitgeber zu betrügen. Wenn die Mitarbeiter den Text für unleserlich hielten, konnten sie das betreffende Foto überspringen und wurden trotzdem bezahlt. Die Texte waren alle leserlich. Wenn die Angestellten also ein Bild nicht abtippen, betrogen sie ihren Arbeitgeber.

Der Anteil der Betrugsfälle lag um 20 Prozent höher in der Gruppe der Mitarbeiter, die dachte, sie würde für einen sozial verantwortlichen Arbeitgeber arbeiten.

Dieses Phänomen wird auch als „moral-licensing“ bezeichnet. Menschen die überzeugt sind, in einem Bereich etwas Gutes getan zu haben, fühlen sich bei anderen Aktivitäten weniger zu moralischem Verhalten verpflichtet.

Verdeckter Lobbyismus

Zudem ist zweifelhaft, ob Unternehmen mit ihren CSR-Aktivitäten tatsächlich wohltätige Ziele verfolgen. Einige Firmen scheinen unter dem Deckmantel sozialer Aktivitäten Lobbyismus zu betreiben. Dies zeigen vier amerikanische Ökonomen in einem aktuellen Papier. Unternehmen spenden vor allem an gemeinnützige Organisationen in Kongressbezirken in den USA, deren Vertreter in einem für das Unternehmen wichtigen Ausschuss sitzen.

Aufgabe von Unternehmen und Aufgaben des Staates

In einer Marktwirtschaft hält der Wettbewerb unter Anbietern sie dazu an, ihren Kunden ein möglichst attraktives Produkt zu einem niedrigen Preis anzubieten und Ressourcen möglichst effizient einzusetzen – also nicht zu verschwenden. Das ist ihre primäre Aufgabe.

Wie die Unternehmen, sollte sich auch der Staat auf Aufgaben konzentrieren, die er relativ gut wahrnehmen kann. Zu seinen Kernaufgaben gehört, einen Regelrahmen zu setzen und durchzusetzen, der ein friedliches Zusammenleben ermöglicht. Schadhaftes Verhalten einzelner soll er unterbinden. Es gehört nicht zu den Staatsaufgaben, erwünschtes Verhalten beispielsweise in Form von CSR-Aktivitäten einzufordern.

Verantwortliches Handeln: Viele Gesichter

Für manche Unternehmen gilt die alte Weisheit, dass sie Gutes tun und darüber sprechen sollten – etwa, wenn Kunden diese Aktivitäten honorieren. Andere Unternehmen können zu der Überzeugung kommen, dass „Tue Gutes und schweig“ die richtige Strategie ist. Schließlich mögen einige Unternehmen gänzlich auf CSR verzichten, da für sie die Nachteile die Vorteile überwiegen.

Diese vielfältigen Entscheidungen sollte der Gesetzgeber im Falle unternehmerischer Entscheidungen ebenso respektieren wie im Falle individueller privater Entscheidungen. Unterschiedliche Entscheidungen bedeuten nicht, dass die einen verantwortlich handeln und die anderen nicht.

Für und Wider CSR gibt es gute Gründe. Eine staatlich verordnete Hochglanzbroschüre ist für verantwortliches unternehmerisches Handeln gewiss nicht nötig.

 

Zuerst erschienen bei IREF.

Photo: Yanapi Senaud from Unsplash (CC 0)

In einer Marktwirtschaft entscheidet allein der Konsument, was er kaufen will oder nicht kaufen will. Die Anbieter orientieren sich an den Wünschen des Käufers. Die, die es besser als ihre Wettbewerber machen, kommen voran, die, die es schlechter machen, bleiben auf der Strecke. In der staatlichen Kommandowirtschaft entscheidet eine Behörde oder Regierung über das, was angeboten wird. In der Woche, in der dieses Land den Tag der Deutschen Einheit feiert, darf man daran erinnern: Was in der Zeit vor 1989 im östlichen Teil dieses Landes angeboten wurde, war vorbestimmt. Die Produzenten richteten sich nicht nach den Wünschen der Konsumenten, sondern nach den Vorgaben des Regimes. Die Folge war eine Fehllenkung der Produktion an den Wünschen der Konsumenten vorbei. Weder die Qualität noch die Quantität wurden zur richtigen Zeit am richtigen Ort zur Verfügung gestellt. Der Grund war: der Sozialismus funktioniert nicht, weil er keine Preissignale kennt. Anbieter und Konsumenten leben aneinander vorbei. Das Regime konnte die Präferenzen des Einzelnen nicht kennen, und plante an der Wirklichkeit vorbei. Das Ende kennen wir.

Heute verlieren die Marktwirtschaft und ihre Orientierung am Konsumenten leider ebenfalls zunehmend an Bedeutung. Das liegt daran, dass diejenigen, die wahrscheinlich auf der Strecke bleiben, das Prinzip der Marktwirtschaft umgehen wollen. Sie nehmen auf die Regulierer und den Gesetzgeber Einfluss. Sie führen dabei wohlklingende Argumente an. Oft sind es die Arbeitsplätze, der Jugendschutz oder die Steuerzahlungen des vermeintlich Benachteiligten. Argumente wie diese gibt es viele. Sie sind aber meist vorgeschoben.

Jüngstes Beispiel ist die neue Richtlinie für TV und Videos, die das Parlament der Europäischen Union in dieser Woche verabschiedet hat. Darin verpflichtet das Parlament die Anbieter von Video-on-demand und Video-sharing-Plattformen wie Netflix, YouTube und Facebook dazu, dass mindestens 30 Prozent ihrer Inhalte in Europa produziert werden müssen. Das erinnert ein wenig an die Forderung, die meist in der nachrichtenarmen Sommerzeit aufgestellt wird, eine Schlagerquote bei Radiosendern in Deutschland einzuführen. Der Unterschied ist jedoch, dass letzteres meist ein Sommer-Gag ist, aber ersteres bald Rechtskraft erlangt. Lediglich der Ministerrat muss noch zustimmen.

Dass dies am Interesse der Kunden und Käufer vorbeigeht, zeigt auch die Begründung der zuständigen Berichterstatterin im EU-Parlament Sabine Verheyen. Sie sagte zur Verabschiedung der Richtlinie: „Dies wird der Kreativindustrie im audiovisuellen Bereich großen Auftrieb verleihen“. Es geht also nicht um die Wünsche der Kunden, sondern um die „Kreativindustrie“. Nach dem Motto: Wenn die Pferde nicht richtig saufen, müssen sie zur richtigen Tränke geführt werden. Diese Form von Industriepolitik ist eine perfide Form des Protektionismus, die in vielen Bereichen Schule macht. Sie ist auch eine Form des Nationalismus, eines europäischen Nationalismus, der hier zum Ausdruck kommt. Mit Eingriffen in die Selbstbestimmung des Einzelnen, will man die Industrie im eigenen Land oder einzelne Berufsgruppen bevorteilen, weil diese nicht leistungsfähig genug sind. Man glaubt, eine höhere Instanz könne das besser entscheiden als der Einzelne.

In so einem Umfeld kann dann Donald Trump auch ein Abkommen mit Mexico und Kanada erzwingen, in dem er dem jeweilig anderen Land und dessen Unternehmen vorschreibt, wie hoch der Anteil der Autoteile sein muss, der in den USA produziert werden muss. Das NAFTA-Nachfolgeabkommen USMCA sieht hierfür eine Quote von 75 Prozent vor. Zusätzlich müssen die Autos zu 40 Prozent aus Teilen bestehen, die von Arbeitern mit einem Mindeststundenlohn von 16 US-Dollar zusammen- bzw. eingebaut wurden. Erschwinglicher werden so die PKWs in den USA sicherlich nicht. Am Ende werden sich Geringverdiener weniger Auto leisten können oder ihre Ersatzbeschaffung hinausschieben. Soll noch jemand sagen, Trump hätte Kanada angeboten, sämtliche Zölle und Handelsschranken abzubauen. Das neue Abkommen spricht da eine völlig andere Sprache.

Wir leben aktuell in einer weltweiten Protektionismus-Spirale, deren Antreiber nicht nur Donald Trump ist, sondern wo auch die Europäische Union vorne mit dabei ist. Das ist nicht nur eine Gefahr für den weltweiten Handel, sondern letztlich für den Wohlstand aller. Konsumenten überall auf der Welt können nicht die Güter und Dienstleistungen erwerben, die sie persönlich für vorteilhaft ansehen, sondern sie müssen erst die EU, Donald Trump oder die eigene Regierung fragen. Freiheitlich ist das nicht. Es bedarf eigentlich eines breiten Widerstandes gegen diese Entwicklung. Doch alle schauen zu, ducken sich weg, als sei das alles Gottgegeben und ein unaufhaltsamer Trend. Wo ist der Aufschrei der Bürger, der Konsumenten, der Arbeitslosen, der Geringverdiener, der Autokäufer und der Netflix-Nutzer? Wo nur?

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Die Digitalindustrie wird von US-amerikanischen Konzernen dominiert, Europa hinkt weit hinterher. Eine europäische Digitalsteuer sollte für mehr Gerechtigkeit sorgen. Doch es regt sich Widerstand. Zu Recht.

Digitalsteuer: Der Wind scheint sich zu drehen

Noch vor kurzem galt die Einführung einer europäischen Steuer auf digitale Dienstleistungen (Digital Service Tax, kurz DST) als sicher. Bis zu 5 Milliarden Euro sollten dem europäischen Haushalt jährlich durch die Digitalsteuer zufließen. So plante die EU eine Bruttoumsatzsteuer in Höhe von 3% für Digitalunternehmen mit mindestens 50 Millionen Euro Umsatz in Europa und gleichzeitig 750 Millionen Euro weltweit. Eine fundamentale Erneuerung des Steuerregimes: Steuern würden nicht mehr dort anfallen, wo Unternehmen physisch tatsächlich präsent sind, sondern in jenen Ländern, in denen sich die digitalen Nutzer aufhalten.  Mittlerweile scheint sich der Wind jedoch zu drehen. Nach anfänglicher Begeisterung auch auf deutscher Seite, scheint sich zumindest die Bundesregierung von der Idee der DST abzuwenden.

Das ist ein gutes Zeichen in Zeiten, in denen Handelskriege und von nationalen Eitelkeiten geleitete Handelspolitik wieder en vogue zu werden scheint. Ihre Befürworter begründen die DST nämlich vor allem mit einer scheinbaren Steuerungerechtigkeit durch amerikanische Technologiekonzerne. So würden amerikanische Internetunternehmen zwar von europäischen Kunden profitieren, aber keine entsprechenden Steuern zahlen. Und tatsächlich schätzt die EU, dass in etwa die Hälfte der betroffenen Konzerne ihren Sitz in den Vereinigten Staaten haben würden: Technologiegiganten wie Google, Facebook und Amazon.  Das ist nichts anderes als Handelspolitik aus dem 17. Jahrhundert auf Kosten der Verbraucher.

Der wahre Verlierer: Der Konsument

Unabhängig davon, wie eine europäische Digitalsteuer am Ende tatsächlich aussehen könnte, würde sie vor allem auch die sogenannte „Sharing Economy“ treffen. Die Digitalisierung ermöglicht es Menschen aus aller Welt, Besitz ressourcenschonend zu teilen. Es ist heute nicht mehr notwendig ein eigenes Auto, eine eigene Ferienwohnung oder eine gigantische CD- oder DVD-Sammlung zu besitzen. Man nutzt und zahlt auch nur, was man wirklich braucht, und dieses Prinzip ist aus den Leben vieler Europäer nicht mehr wegzudenken. Einer Studie von PwC zufolge nutzen bereits 40 % der Deutschen regelmäßig Angebote der Sharing Economy. Und der Markt wächst exponentiell, könnte sich in den nächsten 10 Jahren gar verzwanzigfachen. Bereits heute stehen den 1 Millionen Hotelzimmern in Italien 190.000 Airbnb-Unterkünfte entgegen. Und in den Niederlanden erreichen digitale Fahrdienstleister mit 1,8 Millionen Nutzern im Jahr 2018 bereits eine Marktdurchdringung von über 10 %.

Davon profitieren vor allem die Konsumenten, für die sowohl niedrigere Preise als auch Ressourcenschonung ausschlaggebend sind. Aber auch die Bedeutung für kleine und mittlere Unternehmen ist nicht zu unterschätzen. Viele könnten ohne die neuen Plattformen im Wettbewerb mit etablierten Branchengrößen nicht existieren. Und gerade kleine Startups nutzen selbst häufig die Dienste der Sharing Economy. Wie jede andere Umsatzsteuer, würde auch die europäische Digitalsteuer direkt an den Endkunden weitergereicht werden. Die kolportieren 5 Milliarden Euro an zusätzlichen Steuereinkünften gingen am Ende wieder einmal mehrheitlich zu Lasten der Konsumenten. Und zu Lasten des Digital-Standortes Europa, der sich schon seit Jahren mit Verboten und Innovationsfeindlichkeit lächerlich und damit zum Abstellgleis der Prä-Digitalisierung macht.

Der neue digitaler Nationalismus

Und das ist des Pudels wahrer Kern: Die europäische Digitalsteuer wirkt wie ein verzweifelter Versuch, den in der Digitalisierung enteilten Amerikanern etwas entgegenzusetzen. Es ist vielen europäischen Entscheidungsträgern ein Dorn im Auge, dass US-amerikanische Unternehmen in nahezu allen digitalen Geschäftsfeldern die Nase weit vorn haben. Erst jüngst verkündete ARD-Chef Ulrich Wilhelm seine Idee eines „europäischen Youtube“, das, getragen von europäischen Medienhäusern, ein Gegengewicht zur amerikanischen Alphabet-Tochter schaffen soll. Wilhelm sieht dabei Parallelen zur Gründung des Flugzeugbauers Airbus, der ein europäisches Gegengewicht zum früher unangefochtenen Weltmarktführer Boeing bildet.

Sowohl die steten Forderungen nach europäischen Versionen erfolgreicher amerikanischer Plattformen als auch im besonderen die Digitalsteuer zeigen vor allem eins: Die europäischen Entscheidungsträger sind weit davon entfernt die Digitalwirtschaft zu verstehen. Mal eben das europäische Steuermodell auf den Kopf zu stellen und dabei die ohnehin fragilen transatlantischen Beziehungen weiter zu belasten, nur um den amerikanischen Internetkonzernen eins auszwischen? Das wirkt genau so verzweifelt wie der rückständige digitale Nationalismus von Wilhelm und Co.

Innovation statt Kopieren und Besteuern

Derweil bietet die Digitalwirtschaft einen gigantischen Vorteil für Europa. Anders als die klassische Industrie mit Ihren Fahrzeug-Fabriken und Stahlhütten, ist sie flexibel und innovationsfreundlich. Wer eine gute Idee hat, kann diese innerhalb kürzester Zeit auf der ganzen Welt vermarkten – die richtigen Rahmenbedingungen vorausgesetzt. Dafür muss das Rad nicht neu erfunden werden wie das derzeit erfolgreichste europäische Sharing Economy-Unternehmen „Transferwise“ zeigt, das den Markt für internationale Überweisungen auf simple Art revolutioniert hat.  Aufholen ist möglich. Aber nicht durch Kopieren und Besteuern, sondern durch die Schaffung von investitionsfreundlichen Rahmenbedingungen.

 Dieser Artikel erscheint in Zusammenarbeit mit „Americans for Tax Reform“. Co-Autor: Andreas Hellmann.