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Sprache ist manchmal entlarvend. Manchmal kommt es sogar vor, dass diejenigen, die sie benutzen, das gar nicht merken. Seit Monaten geistert die Idee der Kulturstaatssekretärin Monika Grütters für eine Kulturgutschutznovelle durch die Feuilletons. Jetzt hat die Berliner CDU-Frau die Begründung nachgeliefert: Man wolle verhindern, dass „Artefakte aus Raubgrabungen, mit deren Verkauf zum Beispiel der IS seine Terrorherrschaft finanziert, nach Deutschland eingeführt und hier illegal gehandelt werden.“ Und ich dachte bisher immer, dass der IS wichtige Kulturgüter zerstören würde. So kann man sich irren… Da hätte man doch mal die Chance, welche zu retten! In der Pressemitteilung Nr. 319 vom 15. September 2015 der Bundesregierung schreibt die Jeanne d’Arc des deutschen Kulturgutes über die wesentlichen Inhalte des Gesetzentwurfes. Derzeit sei bereits nach EU-Recht eine Ausfuhrgenehmigung erforderlich, wenn entsprechende Kulturgüter ins außereuropäische Ausland, also etwa in die wichtigen Kunsthandelsländer USA oder Schweiz (deren außereuropäische Kolonien?) ausgeführt werden solle. Soweit zum Verständnis der Kulturstaatssekretärin der Deutschen Bundesregierung zum Kulturraum Europa.

Mann oh Mann, wie soll ich meinem Sohn in Erdkunde die Hauptstädte und Länder Europas einbläuen, wenn die eigene Bundesregierung bei den Geographiekenntnissen die Schweiz in Afrika vermutet? Okay, wenn Claudia Roth Kulturstaatssekretärin wäre, dann hätte ich ja noch ein gewissen Verständnis, denn sie musste sicherlich in ihrer Schulzeit die Hauptstädte und Länder Europas tanzen. Aber dennoch ist es erschreckend, wenn die eigene Regierung in den Grundlagen der Geographie nicht versetzungsfähig ist.

Grundsätzlich muss man sich ohnehin fragen, was das Ganze soll. Mit welchem Recht greift der Staat in das Eigentum Einzelner ein? Ist es schlimm, wenn Kunstgegenstände irgendwo anders gezeigt werden oder in ausländischem Besitz sind? Der Bestand des Pergamonmuseums auf der Berliner Museumsinsel stammt sicherlich auch nicht aus dem Bayerischen Wald. Vielleicht ist es auch ganz gut, wenn diese Schätze in Berlin gezeigt und nicht vom IS zerstört werden. Am Ende eignet sich die Regierung wieder einmal etwas an, was ihr nicht gehört. Hier hilft eine gute Faustregel: Verlangt der Staat nach „Kulturgütern“, lauf um dein Leben, achte auf dein Portemonnaie und auf das Gemälde, das dir deine Großmutter vermacht hat …

Dieser Beitrag erschien zuerst im Magazin „eigentümlich frei“.

Photo: Lucas Film

Photo: Gabriella Alu from Photo (CC BY-ND-ND 2.0)

Wir sind ein Volk der Regelungswut. Wir regeln nicht nur den Mehrwertsteuer bis in die letzte Verästelung und kommen zu der lebenswichtigen Unterscheidung, dass Schnittblumen mit 7 Prozent und Windeln mit 19 Prozent besteuert werden. Sondern wir legen auch in der Bauordnung fest, dass ein Fenster mindestens 90 mal 120 Zentimeter groß sein und in der Arbeitsstättenverordnung, ob ein Betriebsklo ein Fenster haben muss. Dennoch ist die Akzeptanz des Rechts in Deutschland ausgeprägter als in anderen Ländern. Auf Bahnhöfen stellen sich die Raucher brav in die gelbe Raucherzone auf dem Bahnsteig. Der Hausmüll wird trotz modernster Verbrennungstechnik immer noch ohne Sinn und Verstand bis zur Unkenntlichkeit getrennt. Und selbstverständlich wird am Sonntag nicht rasengemäht. Zuwiderhandlung wird angezeigt und ein fleißiger Beamter schreitet konsequent und entschlossen ein.

Es gibt derzeit etwa 250.000 staatliche Vorschriften, alleine seit der Deutschen Einheit sind 100.000 hinzugekommen. Damals stand die BRD noch für „BeinaheRegelungsDicht“. Inzwischen kann das „Beinahe“ guten Gewissens gestrichen werden. Bei uns wird geregelt was das Zeug hält. Es ist so eine Art Sport. Der schnellste Bürokrat gewinnt. Hinter jedem staatlichen „Empfehlung“ oder Verbot steht ein Gesetz, eine Verordnung oder Vorschrift.

Es stechen dann Geschichten aus der Masse heraus, wie die von Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt. Seit 2007 existiert ein Rauchverbot im gesamten Gebäudekomplex des Bundestages. Helmut Schmidt ließ es sich dennoch nicht nehmen, in seinem Büro im Bundestag weiterhin zu rauchen. Zwar hat er jetzt mit 96 Jahren freiwillig mit dem Rauchen aufgehört, aber vom staatlichen Paternalismus ließ er sich zumindest als Individuum nicht anstecken.

Doch nicht nur Helmut Schmidt ist ein gutes Beispiel dafür, dass ein Erlass oder eine Verordnung nicht ausreichen, um den Willen der Regierung oder des Staates durchzusetzen. Recht muss letztlich überzeugen. Nur wenn es allgemein akzeptiert ist, wird es auch angewandt. Wenn Bürger merken, dass das Gesetz nicht gerecht ist, wenden sie sich ab. Recht wird dann geschleift, umgangen oder schlicht nicht angewandt. Viele Entwicklungs- und Schwellenländer sind hierfür ein gutes Beispiel. Recht wird als Willkürakt einer korrupten Elite verstanden, die sich den Staat zur Beute macht.

Doch Verhalten wird von Regierung und Staat nicht nur durch Gesetze und Verordnungen gesteuert, sondern inzwischen viel subtiler. Es sind psychologische Tricks aus der Verhaltensforschung, die Einzug halten in den alltäglichen Regierungsbetrieb. Dieses „Anstupsen“ oder neudeutsch „Nudging“ ist die vermeintlich weichere Form des Paternalismus. Der Bürger soll mit bestimmten Psychomethoden zu einem bestimmten Verhalten „angestupst“ werden. Dazu bedarf es dann keiner Verbote oder Steuervorteile mehr, sondern der richtigen Werbekampagne. Hierzu hat die Bundeskanzlerin kürzlich eine eigene Arbeitsgruppe im Kanzleramt eingerichtet und der inzwischen für Verbraucherschutz zuständige Justizminister Heiko Maas zeigt sich begeistert von den Möglichkeiten des Nudgings. Schon jetzt geht die Regierung nicht mehr vom Leitbild des „mündigen Verbrauchers“ aus. Deshalb werden jetzt staatliche „Marktwächter“ eingestellt, die den Verbraucher anstupsen und an die Hand nehmen, damit dieser die richtigen Entscheidungen trifft. Weniger Zucker für die Zahngesundheit, weniger Fleisch gegen das Cholesterin, Bilder dunkler Raucherlungen für die Nikotinabstinenz oder Wassersparen für die Sahelzone. Nudging ist die Allzweckwaffe der Gutmenschen. Derer, die ihren Lebensentwurf anderen aufzwingen wollen. Derer, die absolut Wissen, wie die Zukunft aussieht, wie die „Volksgesundheit“ verbessert werden und die Regenwälder im Amazonas von Deutschland aus gerettet werden können.

Doch Nudging ist nicht so harmlos wie es auf den ersten Blick erscheint. Es ist eine Manipulation des Denkens, das den einzelnen und eine Gesellschaft mißbraucht. Es gaukelt ein höheres moralisches Ziel vor, es schafft das Selbstdenken ab und ersetzt es durch eine kollektive Regierungsmeinung. Wir sollten vorsichtig mit diesen historisch belasteten Methoden sein. Bestimmte Normen und Verhaltensweisen, die heute mehrheitlich als richtig empfunden werden, stellen sich vielleicht in einigen Jahren als vollkommen falsch heraus. Es ist die Anmaßung von Wissen, die so fatal ist. Dieses umfassende Wissen haben keine Bundeskanzlerin, kein Justizminister und keine Parlamentsmehrheit. Stellen wir dem Nudging den Wettbewerb der Ideen entgegen. Nur dieser Wettbewerb der Ideen kann zeigen, welche Pläne falsch sind.

Erstmals erschienen in der Fuldaer Zeitung am 12.9.2015.

Photo: sebastian.dahler from Flickr (CC BY-NC-ND 2.0)

Siebzehn Ministerien kümmern sich in Deutschland um Verbraucherschutz, zahlreiche Behörden und parabürokratischen Institutionen widmen sich ihm. Diese Rundumversorgung führt zu einem schleichenden Verlust von Selbstverantwortung und Mündigkeit.

Die Illusion der Sicherheit

Einer der Wege, mit dem ein Politiker am schnellsten punkten kann, ist der des Versprechens von Sicherheit. Arbeitslosigkeit steigt? Der Politiker initiiert Konjunkturprogramme. Terroristen bedrohen das Land? Der Politiker lässt Polizeibataillone in den Straßen aufmarschieren. Ein Crash steht bevor? Der Politiker sorgt dafür, dass die Geldmaschine in Gang gebracht wird. Wenn es schließlich um Fragen wie Fahrzeugsicherheit, Medikamente und Babynahrung geht, dann ist jeder zu Recht besorgt und sehr viele erleichtert, wenn man ihnen verspricht, in solchen sensiblen Fragen für Sicherheit zu sorgen.

Fraglich ist allerdings, ob dieses Versprechen überhaupt einlösbar ist … Denn selbst gut ausgestattete Behörden und ausgewiesene Experten können sich irren. Darüber hinaus kann es bisweilen sogar im Interesse von Politikern und Behörden liegen, mal ein Auge zuzudrücken. Etwa wenn Arbeitsplätze auf dem Spiel stehen oder andere Lobbyinteressen sich stark machen. Die Sicherheit, die dem Bürger im Namen des Verbraucherschutzes versprochen wird, ist jedenfalls eine Illusion. Niemand kann umfassende Sicherheit garantieren. Die Menge an Informationen, die dafür nötig wären, kann kein Computer der Welt bereitstellen. Ganz zu schweigen davon, dass man dafür auch Informationen bräuchte, die jetzt noch gar nicht verfügbar sind.

Der Weg in die Unmündigkeit

Dass diese Sicherheit nicht so vollständig bereitgestellt werden kann, ignorieren freilich viele Bürger. Zu schön, zu verlockend klingt die Verheißung. Die meisten verlassen sich darauf, dass die Flugsicherheitsbehörde, das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, Minister Heiko Maas und seine Leute für Sicherheit sorgen. Das ist aus ihrer Sicht auch durchaus nicht unvernünftig. Im Großen und Ganzen funktionieren diese Einrichtungen nicht ganz schlecht. Man muss sie nicht unbedingt schlecht reden. Aber gerade weil sie so gut funktionieren, stellen sie ein Problem dar.

Je reibungsloser und unkorrumpierbarer die Arbeit staatlicher Verbraucherschutzstellen vonstattengeht, umso mehr verlassen sich die Bürger darauf, dass schon jemand für ihre Sicherheit sorgt. Ohne sich aktiv dafür zu entscheiden, führt ihr Weg oft in die Unmündigkeit. Wer macht sich denn noch die Mühe, sich über ein Produkt zu informieren, wenn ihm ständig suggeriert wird, dass die zuständigen Stellen ein wachsames Auge auf Qualität und Sicherheit haben? In einem solchen System gewöhnen sich Menschen eher die Mündigkeit ab als sie zu entwickeln.

Gute Absichten und schlimme Folgen

Je besser diese Kontrolle seitens staatlicher Stellen funktioniert, umso leichter wird es auch, sie ohne große Gegenwehr auf immer mehr Bereiche auszudehnen. Dann ist schon der Mechanismus in Gang gesetzt, den der Ökonom Ludwig von Mises als Interventionsspirale bezeichnet. Ein Eingriff bringt den nächsten hervor. Das Gefühl der Sicherheit macht die Bürger offen für das Angebot von mehr Sicherheit. Anstatt genervt zu sein von den Einschränkungen, die Vorschriften des Verbraucherschutzes mit sich bringen, ist man erleichtert.

Je tiefer die Menschen in diese Spirale hineinkommen, umso mehr verlieren sie allerdings sowohl das Bedürfnis danach, selber Verantwortung zu übernehmen, als auch das Verständnis für die Notwendigkeit dieser Selbstverantwortung. Staatliche Stellen übernehmen die Rolle von Helikopter-Eltern. Was schon im kleinen Bereich der Familie nicht gut geht, kann erst recht auf so einer großen Ebene nicht funktionieren. Das Ergebnis des beständigen Wachstums staatlichen Verbraucherschutzes ist nicht der mündige Verbraucher, sondern der entmündigte. Der Verbraucher, der sich nicht mehr nur darauf verlässt, dass einer ihm Sicherheit bietet, sondern der es auch zunehmend verlernt, sich selber zu informieren und selber zu entscheiden. Staatlicher Verbraucherschutz ist mithin ein Paradebeispiel dafür, wie gute Absichten oft schlimme Folgen zeitigen können.

Photo: Tambako The Jaguar (CC BY-ND 2.0)

Wenn Panik an den Börsen herrscht, dann gibt es immer zwei Lager. Die einen sagen, dass der Crash eine notwendige, aber lang erwartete Korrektur war, jetzt jedoch ein guter Zeitpunkt für den Einstieg sei. Das haben sich am gestrigen Dienstag wohl einige gesagt. Der DAX sprang nach dem Einbruch vom Vortag sodann gleich wieder über die magische 10.000 Punkte-Marke. Die anderen meinen, dass der Crash der Beginn einer längeren Korrektur und das Ende des Papiergeldsystems einläute. Ich meine: beides ist richtig.

In der öffentlichen Diskussion wird oft auf die realwirtschaftlichen Faktoren wie Investitionen oder Konsum geschaut. Doch in Wirklichkeit sind beide Größen nur die Folgen der Geldpolitik der Notenbanken. Es wird im heutigen Geldsystem, das im Wesentlichen auf Kreditgeld basiert, völlig unterschätzt, welche Wirkung Zinsentscheidungen, Entscheidungen über die Mindestreserve der Banken bei der Notenbank oder regulatorische Rahmenbedingungen für die Kreditvergabe und in der Folge für Investitionen und Konsum in einer Volkswirtschaft haben.

Es sind die Notenbanken!

Die jüngsten Turbulenzen in China zeigen dies. Seit Mitte Mai hat die chinesische Börse inzwischen deutlich mehr als ein Drittel ihres ursprünglichen Wertes verloren. Bei jedem Einbruch reagierte die Notenbank mit noch mehr Eingriffen in den Markt. Erst stellte sie den Banken 150 Milliarden Euro zur Verfügung; Anfang dieser Woche nochmals 20 Milliarden Euro. Dann wurde den staatlichen Pensionsfonds erlaubt (oder sie wurden gezwungen – wer weiß?), bis zu 30 Prozent in Aktien zu investieren. Zusätzlich wertete die chinesische Währung Renminbi mehrmals gegenüber dem Dollar ab. Anfang der Woche senkte die chinesische Notenbank den Leitzins um 25 Basispunkte und reduzierte den Zinssatz für Einlagen der Banken bei der Notenbank ebenfalls um 0,25 Prozent. Die Notenbanker in China schießen aus allen Rohren. Die Milliardenspritze soll den Banken Liquidität verschaffen, damit keine von ihnen förmlich austrocknet. Die Pensionsfonds werden in die Aktienmärkte gedrängt, um so zusätzliche Nachfrage zu erzeugen und die Kurse wieder nach oben zu treiben. Die Abwertung der eigenen Währung soll den Export fördern, um das Wachstum der Volkswirtschaft hochzutreiben. Und die Zinssenkung der Notenbank soll die Kreditvergabe der Banken stimulieren, um das alles zu finanzieren.

Keine nachhaltige Krisenbewältigung

Doch letztlich sind dies alles Rezepte, die das zugrunde liegende Problem nicht lösen, sondern es lediglich kaschieren. Vielleicht helfen die Maßnahmen sogar kurzfristig. Zumindest die weltweiten Börsen scheinen sich nach dem ersten Schock wieder leicht zu erholen. Doch ob dies von Dauer sein wird, darf bezweifelt werden. Denn was sich in China zeigt, ist die große Schwäche des jetzigen Geldsystems: Es basiert auf Geld aus dem Nichts. Geld wird hier durch Kredit erzeugt. Diesen Krediten steht jedoch kein Geld gegenüber, das von jemand anderem, seien es Bürger, Unternehmen oder der Staat, vorab angespart worden wäre. Es wird vielmehr per Knopfdruck von den Banken erzeugt und seine Menge mittelbar von den Notenbanken gesteuert. Mal wird an der Zinsschraube gedreht, mal wird am Mindestreservesatz geschraubt und wieder ein anderes Mal wird die Eigenkapitalunterlegung bei der Kreditvergabe verändert. Es basiert auf dem Glauben an das umfassende Wissen der Notenbanker darüber, wie Menschen sich in der Zukunft verhalten, was sie konsumieren oder sparen. Doch weder Notenbanker, noch Politiker, geschweige denn irgendjemand anderes kann wissen, wie sich einzelne, Millionen oder gar Milliarden Menschen verhalten. Und deshalb passen die Maßnahmen der Notenbanken nicht für den Einzelnen oder eine gesamte Volkswirtschaft. Schlimmer noch: sie verändern sogar deren Verhalten zu ihrem eigenen Schaden. Plötzlich werden Investitionen größer geplant, Konsum vorgezogen oder Eigenkapital durch Kredit ersetzt. Es findet eine Veränderung der Entscheidungen aufgrund der Anreize der Notenbanken statt. Doch wenn kein Notenbanker weiß, wie sich Menschen ohne Eingriffe verhalten würden, dann führt das gelenkte Verhalten der Menschen zwangsläufig zu falschen Ergebnissen. Plötzlich bauen alle ein neues Haus, weil die Zinsen so niedrig sind. Die Regierung kann noch mehr Schulden machen, weil die Zinsen bezahlbar sind, und die Unternehmen können plötzlich ihren viel größeren Konkurrenten mit Krediten der Banken übernehmen, weil die Zinsen billig und Kredite ohne Ende vorhanden sind. All das findet in China statt. Doch nicht nur dort.

Fehlsteuerung in den Wirtschaften

Bereits seit über 40 Jahren nimmt die weltweite Verschuldung immer stärker zu als die wirtschaftliche Entwicklung. Jedes Prozent Wirtschaftswachstum wurde mit noch mehr Prozent Verschuldung erkauft. So ist mit dem Platzen der letzten Kreditblase 2007/2008 die weltweite Verschuldung und damit auch das Kreditvolumen um fast 60 Billionen auf rund 200 Billionen Dollar gestiegen. Der Grund dafür ist, dass alle Notenbanken auf dieser Welt auf die Krise von damals mit noch billigerem Geld und die Banken mit noch mehr Kredit geantwortet haben. Es wurde also noch mehr Luft in die Kredit- und Geldblase gepumpt in der Hoffnung, dass das Wachstum anspringt und die Verschuldung dadurch reduziert werden kann. Das Gegenteil ist eingetreten.

Welche Schlüsse kann man daraus ziehen?

Erstens: Die Zinsen bleiben niedrig. Eine Zinswende – beginnend in Amerika – wird es nicht geben. Das Verschuldungssystem weltweit würde dies nicht verkraften.

Zweitens: Die Notenbanken werden die Aktien- und Immobilienmärkte mit billigem Geld weiter befeuern, um Konjunktur zu erzeugen. Der Wettlauf der jeweiligen Währungsabwertung wird sich beschleunigen, weil sich jedes Land Vorteile für seine Exportwirtschaft erhofft. Eine neue Welle des Protektionismus ist daher zu befürchten.

Drittens: Die Übertreibungen und möglichen Verwerfungen sind in den Märkten am größten, die politisch und ökonomisch am instabilsten sind – in den Emerging Markets. China, Brasilien und Russland sind die jüngsten Beispiele dafür.

Viertens: Wenn Immobilien- und Aktienmärkte boomen, profitieren Vermögensbesitzer besonders davon. Vermögen wird daher in der Folge ungleicher verteilt. Das ist für die Linken immer ein gutes Argument, um Steuern zu erhöhen.

Fünftens: Das sind keine guten Aussichten, aber zum Trost: Sie wissen es bereits jetzt!

Zuerst erschienen in Tichys Einblick

Photo: GH Cheng from Flickr (CC BY-ND 2.0)

Durchschnittlich verabschiedet der Bundestag jeden Monat über zehn Gesetze. Wo ein Problem auftaucht, wird sofort der Ruf nach einem Gesetz laut. Dabei sind Gesetze, Verordnungen und Steuern oft selbst Quelle des Problems.

Terror-Komplize Raucher

„Wir rauchen für das organisierte Verbrechen“. Mit dem Bild eines freundlichen älteren Ehepaares und unter diesem charmanten Motto wirbt Philip Morris gerade dafür, keine geschmuggelten oder gefälschten Zigaretten zu kaufen. Klar, die preiswertere Schmuggelware verdirbt massiv das Geschäft. Insofern ist es verständlich, dass Philip Morris diesen Schwarzmarkt unterbinden möchte. Auch die Begründungen sind zum Teil sehr plausibel: Die Zigaretten sind oft minderwertig. Vom Erlös profitieren kriminelle Vereinigungen, Mafia, Terroristen. Nicht ganz so plausibel, aber im Notfall noch vertretbar, ist ihre Argumentation: „Dadurch entgehen dem deutschen Staat jedes Jahr etwa 1,5 Milliarden Euro an Einnahmen für öffentliche Sicherheit und Gesundheit.“

Aber haben sich die Damen und Herren von Philip Morris wirklich den richtigen Gegner ausgewählt? Ist das Problem tatsächlich der Konsument, der einen geringeren Preis zahlen möchte? Vielleicht sollte man den Blick einmal in die andere Richtung lenken: 2 Euro, so die Website zu der Kampagne, würde eine Schachtel „illegaler“ Zigaretten kosten. Zwischen 1,35 € und 1,50 € Umsatz einer „legalen“ Schachtel gehen laut der Website statista.com an die Zigarettenhersteller. Qualitativ hochwertige Markenzigaretten könnten also offenbar günstiger als Schmuggelware verkauft werden, ohne dass Philip Morris irgendwelche Einbußen hinnehmen müsste.

Wenn Steuern wie Gesetze wirken

Könnten günstiger verkauft werden … Der hohe Preis, der Mafia, Terroristen und andere finstere Gestalten dazu motiviert, ihre billigen Zigaretten auf den Schwarzmarkt zu werfen, entsteht nämlich vor allem durch den hohen Steueranteil von derzeit ungefähr 72 % des Preises pro Schachtel. Ohne Tabaksteuer, nur mit Mehrwertsteuer, würde die Packung momentan 1,78 € kosten. Mit einer Abschaffung der Tabaksteuer wäre der Schwarzmarkt wohl binnen kürzester Zeit verschwunden. Ein Preis von 5,40 € pro Schachtel hingegen ist wie ein Konjunkturprogramm für Kriminelle. Anstatt „Wir rauchen für das organisierte Verbrechen“ sollte es heißen: „Wir besteuern für das organisierte Verbrechen“.

Die Tabaksteuer ist ein klassisches Beispiel für eine Lenkungssteuer oder auch Strafsteuer. Sie wird nicht erhoben, um allgemein Staatsaufgaben zu finanzieren, sondern um die Bürger zu einem bestimmten wünschenswerten Verhalten zu motivieren bzw. sie für vermeintlich schädliches Verhalten zu bestrafen. Damit ist diese Steuer mithin ein in Abgabenleistungen ausgedrücktes Gesetz. Die Tabaksteuer ist nun leider nur eines von hunderten von Beispielen, bei denen staatliche Stellen durch Gesetze und Steuern Probleme eher verschärfen als sie in den Griff zu bekommen. Der französische Ökonom Frédéric Bastiat machte bereits vor über 150 Jahren die scharfsichtige Beobachtung:

„Im Bereich der Ökonomie ruft eine Handlung, eine Gewohnheit, eine Einrichtung, ein Gesetz nicht nur eine einzige Wirkung hervor sondern eine Reihe von Wirkungen. Von diesen Wirkungen ist nur die erste direkt, sie zeigt sich gleichzeitig mit ihrer Ursache, man sieht sie. Die anderen entwickeln sich erst nach und nach, man sieht sie nicht… Dies ist der ganze Unterschied zwischen einem guten und einem schlechten Ökonomen: Der eine klebt an der sichtbaren Wirkung, der andere berücksichtigt sowohl die Wirkung, die man sieht, als auch diejenige, die man vorhersehen muss. Aber dieser Unterschied ist enorm, denn es ist fast immer so, dass die unmittelbare Folge günstig ist und die letztendlichen Folgen unheilvoll und umgekehrt.“

Strafsteuern abschaffen!

Philip Morris hat Recht mit seinem Anliegen: Konsumenten sollten nicht minderwertige Produkte kaufen. Ganz besonders nicht, wenn sich dadurch Verbrecher finanzieren. Aber solange Steuern den eigentlichen Preis so in die Höhe treiben, ist die Versuchung für den Konsumenten doch sehr hoch, moralische und gesundheitliche Bedenken beiseite zu schieben. Wenn Philip Morris sowohl Verluste durch „illegale“ Zigaretten vermeiden will als auch noch den Sumpf dieses Schwarzmarktes trockenlegen möchte, sollten sie sich lieber für die Abschaffung der Tabaksteuer einsetzen.

Das Problem: mit einer Kampagne gegen die Tabaksteuer macht man sich wohl eher weniger Freunde. Und genau das ist die Wurzel des Übels. Teure Zigaretten, so die weitverbreitete Vorstellung, bedeuten weniger Raucher. Würde mit der Abschaffung der Tabaksteuer der Schachtelpreis von 5,40 € um zwei Drittel auf 1,80 € sinken, so die Horrorvorstellung, dürfte auch der Anteil der Raucher proportional steigen. Unabhängig davon, ob das eintrifft, muss in einem Rechtsstaat aber doch eigentlich ein anderes Prinzip gelten: das der Selbstverantwortung. Menschen sollten sich genau überlegen, ob sie rauchen – nicht, weil es teuer ist, sondern weil es ungesund sein kann. Strafsteuern sind nie ein angemessenes Mittel: Zum einen bewirken sie selten das Ziel, unter dem sie erlassen werden. Vor allem aber sind sie unzulässige Eingriffe in die Autonomie der Individuen.