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Photo: Sofi from flickr (CC BY-NC 2.0)

Die Finanzkrise ist zurück. Doch eigentlich war sie nie weg. Sie verbreitete sich nur nicht im Tageslicht, sondern unter dichtem Bodennebel. Heute sind die Probleme größer als noch vor einigen Jahren. Das werden die Heerscharen der „Retter“ vehement bestreiten. War die allgemein verortete Ursache der Krise 2007/2008 doch der „Neo-Liberalismus“ der Jahre zuvor. Diese Zeit der Deregulierung der Finanzmärkte habe den Geist aus der Flasche des Turbokapitalismus gelassen und die Übertreibungen an den Finanzmärkten entstehen lassen.

Seit 2008 kann dieser Vorwurf nicht mehr erhoben werden. Seitdem wird die Finanzwelt mit einer bis dahin nie gekannten Regulierungsfülle überzogen. Basel III, die Zentralisierung der Bankenaufsicht bei der EZB, die Schaffung von Bankenstreßtests bei der EBA, der Europäischer Stabilitätsmechanismus ESM, die Schaffung eines einheitlichen Bankenabwicklungsregimes und bald auch die einheitliche Einlagensicherung im Euroraum sind nur die bekanntesten Regulierungsversuche allein in unserem Währungsraum. All das sollte das Vertrauen in das Banken- und Finanzsystem erhöhen, systemische Risiken frühzeitig offenbaren und künftige Krisen verhindern. Bald eine Dekade später ist nichts davon eingetreten. Gar nichts!

Jetzt kommt die Finanzkrise mit voller Wucht zurück. Die Banken Italiens schieben 367 Milliarden Euro fauler Kredite vor sich her, was rund 20 Prozent aller Kredite ausmacht, die italienische Banken ausgereicht haben. Normal wären 2 bis 3 Prozent. Schmerzhafte Wertberichtigungen in den Bilanzen drohen, die das Eigenkapital auffressen und Banken insolvent werden lassen. Seit Jahren ist das Problem bekannt, dennoch unternahm die Regierung nichts oder zu wenig und ließ das Problem weiter ansteigen. Jetzt setzt Matteo Renzi auf die Aussetzung gerade beschlossener europäischer Regelungen, die die Gläubiger und Eigentümer erstmal zur Kasse bitten, bevor der Staat eingreift. Das erinnert sehr schnell an 2010, als beim erst besten Fall in Griechenland, die Nichtbeistandsklausel der EU-Verträge außer Kraft gesetzt wurde. Seitdem ist der Rechtsbruch nur noch ein Kavaliersdelikt. Dies alles verwundert nicht, da die Situation Italiens dramatisch ist. Die Situation der Banken in Italien ist das Spiegelbild der Entwicklung der dortigen Wirtschaft. Sie darbt auf dem Niveau der 1980er Jahre und die Industrieproduktion liegt fast 30 Prozent unter der Vorkrisenzeit des Jahres 2008.

Die mangelnde Regulierung taugt daher nicht als Krisenursache, sondern verschleppt und verstärkt das Problem. Der Blick und die Kritik müssen sich daher auf die EZB richten. Sie hat, durch ihre Zinspolitik und ihre Programme zum Aufkauf von Schulden der Staaten und Unternehmen, den Zins und damit den Seismograph zur Messung von Erdbeben beseitigt. Die EZB versprüht fortwährend süßes Gift, das, so wie einst die Sirenen vorbeifahrende Seefahrer betörten, heute alle Finanzminister, Kämmerer, Banker und Finanzvorstände geistig vernebelt. Für das Schuldenmachen von Staaten, Banken und Unternehmen gibt es faktisch keine Grenzen. Es gibt kein Morgen mehr. Alle leben im Jetzt.

Doch das dicke Ende kommt noch. Die Banken werden jetzt von zwei Seiten existentiell in die Zange genommen. Die Regulierungsdichte führt auf der einen Seite zur Oligopolisierung der Branche. Nur noch die Großen können sich die Bürokratie und Datenkrake „leisten“. Die Kleinen werden zur Fusion oder Aufgabe gezwungen. Auf der anderen Seite nimmt die Politik der EZB den Banken ihre Ertragskraft und schafft dadurch ein schwelendes systemisches Risiko. Deshalb hat der Kuratoriumsvorsitzende des think tanks Prometheus, Thomas Mayer, recht, wenn er davon spricht, dass die Probleme der italienischen Banken von heute, die Probleme der deutschen Banken von morgen sind.

Der EZB-Präsident Mario Draghi deckt die Probleme zu und schafft dadurch viel größere. Von Anbeginn an war die Finanzkrise eine Bankenkrise. Banken haben Kredite vergeben, die notleidend waren, aber nicht wertberichtigt wurden. So begann jede Krise. Sei es die Lehman-Krise in Amerika, die IKB-, Landesbanken- und HRE-Krise in Deutschland, die Bankia-Krise in Spanien und jetzt auch die Krise der italienischen Banken. Sie konnten nur durch billiges Geld der Notenbanken entstehen. Eine expansive Ausweitung der Geld- und Kreditmenge schuf eine Vermögensillusion, die nicht unendlich fortgesetzt werden konnte. Irgendwann schwindet das Vertrauen, weil Investoren nicht mehr an die Mondpreise von Immobilien- oder Unternehmenswerten glauben und sich zurückziehen. Dann bricht das Kartenhaus zusammen.

Seit 2008 versucht die EZB die Vermögensillusion durch immer größere Eingriffe in den Preismechanismus der Marktwirtschaft aufrechtzuerhalten. So wird es wohl auch dieses Mal ablaufen. Wir stehen wahrscheinlich am Vorabend einer neuen Interventionsrunde der EZB, um den italienischen Banken und dem Flehen der dortigen Regierung nachzukommen. Der Brexit bietet dafür den dankbaren Vorwand.

Das alles ist nicht neu. Schon einmal hatte Mario Draghi seinem Mutterland Hilfe durch die EZB angeboten. 2011 sicherte er in einem geheimen Brief dem damaligen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi zu, italienische Staatsanleihen zu kaufen, wenn Berlusconi Reformen im Land einleiten würde. Heute sind wir 5 Jahre weiter und die Probleme Italiens sind gewachsen. Die Staatsverschuldung hat mit 2.200 Milliarden Euro historische Höchststände erreicht und liegt rund 500 Milliarden Euro über dem damaligen Niveau. Auch die Target2-Salden, als Ausdruck des ökonomischen Ungleichgewichts innerhalb des Euro-Clubs, sind auf Seiten Italiens auf nunmehr fast 300 Milliarden Euro gestiegen. Gleichzeitig steigt der Bargeldumlauf in Italien und erreicht ebenfalls historische Höchststände. Auch dies ist nicht gerade Ausdruck des überschwänglichen Vertrauens in das dortige Bankensystem.

Mario Draghi beseitigt durch sein bisheriges und wohl auch künftiges Vorgehen nicht nur die Insolvenzfähigkeit von Staaten, Banken und Unternehmen, er schafft ein viel größeres Problem. Er zerrüttet den Glauben an die Herrschaft des Rechts. Mario Draghi wird daher zum Totengräber des Euro und der Europäischen Union. Er befördert durch seine Geld- und Wirtschaftspolitik unmoralisches Handeln nach dem Motto: „trocken abstimmen, aber feucht trinken“. Das darf man ihm nicht durchgehen lassen.

Erstmal veröffentlicht bei Tichys Einblick.

Photo: Uwe Kaufmann from flickr (CC BY 2.0)

Der Klimaschutzplan 2050 der Bundesregierung ist zwar derzeit nur ein sogenannter Hausentwurf im Bundesumweltministerium, aber dennoch sagt er viel über die Denke der Ministerialbürokratie aus. In dem 70 Seiten umfassenden Papier kommt all das zum Ausdruck, was Zentralverwaltungswirtschaft so ausmacht. Sie meinen, das sei zu hart? Nein, ganz und gar nicht. Es trifft den Nagel auf den Kopf. Gibt man nämlich im Internet „Zentralverwaltungswirtschaft“ ein, erfährt man beispielsweise auf der Seite www.wirtschaftslexikon24.com prompt: „Die Zentralverwaltungswirtschaft stellt eine Wirtschaftsordnung dar, in der von einer zentralen Stelle des Staates aufgrund eines Planes Produktion und Konsum gelenkt und gestaltet werden. Sie wird auch als zentralgeleitete Wirtschaft oder Planwirtschaft bezeichnet.“

Was in dieser neutralen Beschreibung fehlt, ist die historische Einordnung. Die Zentralverwaltungswirtschaft ist immer gescheitert – immer. Sie ist im China Maos gescheitert, in der Sowjetunion Gorbatschows, in der DDR Honeckers, in Kuba Castros und jüngst im Venezuela von Hugo Chavez. Warum sollte es im Deutschland der Bundesumweltministerin Barbara Hendricks anders sein? Dieses Scheitern liegt weniger am Willen der Maos, Gorbatschows und Hendricks. Sie glaubten und glauben an ihre Mission. Die Zentralverwaltungswirtschaft scheiterte und scheitert an ihrer Komplexität. Niemand hat dieses umfassende Wissen bis in die letzte Verästelung der Produktion und des Konsums hinein. Das Wissen und die Informationen sind subjektiv verstreut und unterliegen einem ständigen Wandel. Die Versorgung mit Brot, Fleisch oder Eiern kann deshalb nicht zentral geplant werden. Welches Brot soll beispielsweise geplant und hergestellt werden? Vollkorn-, Weiß- oder Toastbrot? Wieviel von jedem? 1000 Brote, eine Million oder 100 Millionen? Wieviel davon in München, wieviel davon in Greifswald? Wieviel am Sonntag und wieviel an den Werktagen? Auch die Versorgung mit Strom, Wärme oder Wasser kann nicht zentral geplant werden. Wer soll dieses Wissen haben? Viel zu differenziert und vielschichtig sind die Anforderungen an die Produzenten. Und viel zu differenziert und vielschichtig sind die Wünsche der Konsumenten. Der eine wohnt auf dem Land, der andere in der Stadt. Der eine wäscht jeden Tag, weil er kleine Kinder hat. Der andere bringt seine Wäsche in die Reinigung. Was für Brot, Fleisch, Eier, Strom, Wärme oder Wasser gilt, kann beim Klima nicht anders sein. Wer den CO²-Ausstoß reduzieren will, kann dies nicht zentral planen. Auch dieses Wissen hat niemand. Jeder Versuch wird daher scheitern. Dennoch bereitet das Umweltministerium die Zentralverwaltungswirtschaft 4.0 vor.
Legt man die oben genannten Kriterien an den „Klimaschutzplan 2050 der Bundesregierung“ an, dann ergibt sich eine vollständige Übereinstimmung. Die zentrale Stelle ist hier die Bundesregierung, die wiederum einen Plan bis 2030 und 2050 aufstellt, der die Produktion und den Konsum in der Energiewirtschaft, beim Bauen und Wohnen, bei der Mobilität, in der Industrie und der Land- und Forstwirtschaft lenkt und gestaltet.
Man kann dem Bundesumweltministerium nicht vorwerfen, es sei nicht konkret. Im Papier heißt es: Das Oberziel sei eine „treibhausgasneutrale Wirtschaft und Gesellschaft bis zur Mitte des Jahrhunderts“. Dies sei eine große Herausforderung – aber erreichbar, so die Autoren des Papiers. Dazu schlagen sie unter anderem vor:
• Spätestens bis zum Jahr 2030 muss auf die Neuinstallation von Heizsystemen, die auf die Verbrennung fossiler Brennstoffe beruhen, verzichtet werden. Hinweis: Ziehen Sie sich warm an!
• Das Verkehrssystem in Deutschland wird im Jahr 2050 nahezu unabhängig von Kraftstoffen mit fossilen Kohlenstoffen („dekarbonisiert“) sein. Hinweis: Planen Sie bei Reisen etwas Zeit ein, das Aufladen der Elektroauto-Batterie dauert ein wenig!
• Mit einem nationalen Radverkehrsplan und einer Fußverkehrsstrategie soll der Klimaschutzplan umgesetzt werden. Hinweis: Fahrradfahren hält jung!
• Bis 2050 sollte mindestens eine Halbierung des derzeitigen Fleischkonsums angestrebt werden. Hinweis: Sparen sie schon heute, damit sie sich morgen noch das Schnitzel leisten können!
• Mittel- und langfristig ist eine Änderung der Ernährungsgewohnheiten durch eine „deutliche Reduktion des Konsums tierischer Produkte“ anzustreben. Hinweis: Der Veggi-Day ist doch nicht tot!

Trotz der vielen gescheiterten Planwirtschaftsexperimente in der Geschichte wird immer wieder versucht, das Unmögliche möglich zu machen. An dieser Ignoranz könnte man verzweifeln. Eigentlich bräuchte es heute wieder einen Wirtschaftsminister wie Ludwig Erhard, der die Bürger wach- und aufrüttelt. In seinem wichtigsten Buch „Wohlstand für alle“ schrieb er damals: „Ich lehne das Prinzip der Planung und Lenkung dort radikal ab, wo es den einzelnen Staatsbürger von früh bis abends als Konsumenten oder Produzenten quälen soll.“ Lassen Sie sich nicht weiter quälen und wehren Sie sich. Jetzt!
Wie? Unterstützen Sie uns! Werden Sie Fackelträger. Mehr dazu hier… prometheusinstitut.de/fackeltrager

Photo: Klaus Tenter from Flickr (CC BY 2.0)

Von Dr. Hubertus Porschen, Vorsitzender des Verbandes „Die Jungen Unternehmer„, CEO der App-Arena GmbH.

Es ist still geworden um das große Thema Staatsbeteiligung. Andere Fragen wie die Eurorettung oder die Niedrigzinspolitik binden zurzeit anscheinend alle ordnungspolitischen Kapazitäten. Dabei ist es ein Unding, an wie vielen Stellen der Staat in Deutschland keineswegs nur die Rolle des Schiedsrichters einnimmt, sondern gleichzeitig munter mitspielt. Auf Landesebene widmet er sich z. B. dem Glückspiel, die Kommunen drängen in das Rohstoffrecyling und der Bund ist u. a. als Mobilfunkanbieter in den USA tätig.

Politiker sind keine Unternehmer

Besonders zwei Gründe machen alle diese Staatsbeteiligungen so kritisch: Erstens sind die wirtschaftlichen Aktivitäten des Staates häufig nicht so lukrativ wie vorher vermutet. Die Meeresfischzuchtanlage in Völklingen ist hier nur die Spitze des Eisbergs. Überraschen kann das eigentlich nicht: Politiker und Beamte sind schließlich keine Unternehmer.

Und zweitens führen die staatlichen Ausflüge auf das Spielfeld häufig auch noch dazu, dass bereits bestehende private Unternehmen in die Bredouille geraten, weil sie einer unfairen Konkurrenz ausgesetzt sind. In diesem Fall schadet sich die öffentliche Hand übrigens doppelt: Denn zum Verlustrisiko aus ihren eigenen Aktivitäten (siehe Völklingen) kommen auch noch die entgangenen Steuereinnahmen und sonstige Kosten (z. B. Arbeitslosenhilfe für entlassene Mitarbeiter), da bestehende Unternehmen aus dem Markt gedrängt werden.

Beides geht nicht – der Staat als Schiedsrichter und Spieler

Darüber hinaus kann es natürlich auch zu Zielkonflikten zwischen den Rollen als Schiedsrichter und Mitspieler kommen. Die Versuchung ist groß, die eigenen Interessen als wirtschaftlicher Akteur bei der Regelsetzung besonders zu berücksichtigen. Das Breitbandausbauprogramm des Bundes steht beispielsweise im Verdacht, die Interessen der Telekom besonders zu berücksichtigen (an der der Bund zusammen mit der KfW insgesamt 31,8 Prozent hält). Unabhängig davon, ob sich diese Vorwürfe in der Empirie bestätigen: Es wäre dringend an der Zeit, dieses Aktienpaket zu verkaufen. Denn warum sollte der deutsche Steuerzahler an einem Unternehmen beteiligt sein, dass auf einem funktionierenden Markt agiert – und zudem noch große Teile seines Umsatzes in den USA erwirtschaftet?

Staatsbeteiligung in Breitbandausbau investieren

Mal ganz abgesehen davon, dass die Entscheidung ordnungspolitisch dringend geboten ist: Lukrativ wäre der Verkauf noch obendrauf. So würden je nach Lage und Verkaufsstrategie schnell 10 bis 20 Milliarden Euro zusammen kommen. Mein Vorschlag wäre, die dann gleich in den Breitbandausbau zu investieren. Auch in der Schuldentilgung wären sie z. B. gut angelegt. Sicher ist nur eins: Als Staatsbeteiligung an einem privaten Unternehmen ist das Geld falsch investiert.

Photo: Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen from Flickr (CC BY 2.0)

So unterschiedlich kann die Welt sein: In Venezuela gehen die Menschen aktuell auf die Straße, weil sie hungern, in Deutschland demonstrieren die Landwirte, weil sie meinen, dass die Nahrungsmittelpreise zu niedrig sind. Anschaulicher kann man der Unterschied zwischen einer sozialistischen Planwirtschaft und der Marktwirtschaft nicht darstellen. Das sozialistische Experiment in Venezuela ist rein hausgemacht. Denn Preiskontrollen, Verstaatlichungen und Enteignungen sind nicht vom Himmel gefallen oder von Diktatoren durchgesetzt worden, sondern wurden von einer Mehrheit der Bevölkerung immer wieder demokratisch legitimiert. Jetzt gibt es fast nichts mehr zu kaufen, weder Medikamente noch Nahrungsmittel. Im Sozialismus Venezuelas können sich die Nomenklatura und die Reichen nach wie vor alles leisten, nur die Armen leiden unter der Mangelverwaltung.

Anders bei uns. Hier existieren noch kleine Nischen der Marktwirtschaft. Sie finanzieren den wachsenden Sozialismus an anderer Stelle des Staates. In dieser Marktwirtschaft sinken die Preise deshalb, weil Unternehmer fortwährend versuchen, ihr Produkt noch effizienter und damit besser zu machen, damit sie wirtschaftlich überleben. Der Konsument ist König. Er entscheidet, was sich am Markt durchsetzt und was nicht. Diese Marktwirtschaft hat in ihrer Geschichte gerade für den kleine Mann enorme Fortschritte und den Zugang zu früheren Luxusgütern gebracht. Er kann sich Produkte leisten, die in früheren Jahrzehnten nur den Reichen vorbehalten waren. Zu Beginn des letzten Jahrhunderts konnten nur Vermögende regelmäßig Fleisch oder Milchprodukte kaufen. Vegetarisches Leben war damals nicht Ausdruck eines Lebensstils, sondern eine Frage der Einkommensklasse. Wer arm war, war zum Vegetarier verdammt, ob er wollte oder nicht. Für ihn gab es bestenfalls an Weihnachten mal Fleisch. Er aß altes Graubrot und trank abgestandenes Wasser. Wer reich war, konnte jeden Tag Schnitzel oder Filet zu sich nehmen, Butter aufs Weißbrot schmieren und Milch oder Kaffee zum Frühstück trinken.

Heute wird dieser großartige Fortschritt kritisiert. In dieser Woche beklagten sich führende Vertreter der Grünen über diesen Zustand. Es herrschten Dumpingpreise für Fleisch. Deren Agrarexperte Ostendorff beklagte sogar, dass 70 Prozent der Fleischmenge im Supermarkt verramscht würde. Deshalb schlug der Grüne gleich die Rezepte der Planwirtschaft vor: Mindestpreise. Sein Parteikollege Hofreiter geht auch den Weg Venezuelas. Er nennt diesen Weg nicht Enteignung, es kommt aber auf das Gleiche raus. Er will durch Produktionsauflagen die Landwirte zu „nachhaltiger Produktion“ zwingen. Was nachhaltig für den Landwirt und dessen Kunden ist, definiert jedoch Hofreiter höchstselbst. Wer auf ihn nicht hören will, muss fühlen. Die Folge dieser „nachhaltigen Produktion“ durch Zwang sind höhere Preise.

Damit diese Absicht nicht so auffällt, will er die größten Härten abfedern und den Armen durch einen Zuschlag beim Hartz IV-Satz helfen. Doch im Kern schlägt er vor, wieder die alte Ordnung zu schaffen, wie sie Anfang des letzten Jahrhunderts bei uns herrschte. Es soll eine Frage des Einkommens sein, wer sich wann und wie oft Fleisch leisten kann und wer nicht. Dahinter steckt ein großer Plan. Dieser große Plan folgt einem großen Vorbild: Der so genannten Energiewende. Ihr soll die Ernährungswende folgen. Zwar sollen die Bürger noch bei Landtags- und Bundestagswahlen wählen können, was sie wollen. Jedoch bei der Ernährung gilt das bald nicht mehr. Wir essen zu viel Fleisch, zu viel Zucker, zu wenig Bio und insgesamt zu viel von allem. Appelle scheinen hier nicht mehr zu helfen, sondern oktroyierende Maßnahmen für Unternehmen und Bürger müssen jetzt her, ansonsten steigen die Folgekosten für die Sozialkassen, das Bildungssystem und die Natur. Und was kommt nach der Energiewende und der Ernährungswende? Na klar, die Verkehrswende. Individualverkehr ist schlecht, das Auto ist des Teufels und Radfahren und zu Fuß gehen, ist die Zukunft. Was lernen wir daraus? Die Chávezisierung schreitet auch bei uns unaufhörlich voran.

Erstmals erschienen auf Tichys Einblick.

Photo: Kecko from Flickr (CC BY 2.0)

Es gibt vielerlei, das verboten ist, oder wo der Ruf nach einem Verbot oder Gesetz immer wieder laut wird. Ein häufiger Denkfehler in dem Zusammenhang ist, dass man „legal“ mit „empfohlen“ verwechselt. Oder anders gesagt: Man muss nicht gleich alles verbieten, was einem nicht behagt.

Etwas vor dem Gesetz tun zu dürfen, heißt nicht, es auch tun zu müssen

Es gibt viele gute Gründe, sich für die Legalisierung von Marihuana einzusetzen. Zum Beispiel die Reduzierung von Kriminalität, die mit dem Verbot einhergeht. Aus einer Legalisierung oder zumindest Entkriminalisierung folgt jedoch nicht, dass von nun an der Konsum von Marihuana empfohlen wird. Man muss nicht damit rechnen, dass Menschen wie der ehemalige UN-Generalsekretär Kofi Annan oder der Literatur-Nobelpreisträger Mario Vargas Llosa, die sich für ein Ende des Kriegs gegen die Drogen einsetzen, bald mit der Crack-Pfeife im Mund der Weltöffentlichkeit von bewusstseinserweiternden Substanzen vorschwärmen.

Wenn die NPD nicht verboten wird, ist das keine implizite Wahlempfehlung der Verfassungsrichter. Wer gegen ein Verbot sexistischer Werbung ist, möchte nicht notwendigerweise die Innenstadt mit nackten Frauen plakatiert sehen. Das Tragen der Burka zuzulassen impliziert nicht den Wunsch, möglichst viele Frauen möchten sich für diese Mode-Variante entscheiden. Und man kann das Rauchen in Kneipen erlauben, ohne den Wirten nahezulegen, diese Möglichkeit zu nutzen. Etwas vor dem Gesetz tun zu dürfen, heißt nicht, es auch tun zu müssen oder zumindest zu sollen.

Was ist eigentlich der Zweck von Gesetzen?

Auch wenn das so nie von den Befürwortern von Verboten formuliert wird: es schwingen häufig genau diese unterschwelligen Botschaften mit. Wenn man es nicht verbietet, werden Leute sich aufgerufen fühlen, es zu tun. Durch das Verbot dagegen wird bei vielen Menschen das Gefühl hervorgerufen, das Problem, das dadurch adressiert wird, sei nun unter Kontrolle. Fakt ist: Unter Kontrolle ist es oft genug nicht. Die Drogenpolitik ist vielleicht das krasseste Beispiel dafür, wie ein Verbot vor allem neue Probleme verursacht ohne die alten zu lösen. Aber auch harmlosere Interventionen wie die Mietpreisbremse oder Verbote, nachts Alkohol zu verkaufen, bringen in der Regel eher neue Probleme hervor ohne die bestehenden in den Griff zu bekommen.

Alles fängt an mit einem grundlegenden Missverständnis: Was ist eigentlich der Zweck von Gesetzen? Anders als viele Politiker es kommunizieren und anders als viele Bürger es empfinden, ist ihr Sinn nicht, die Verbindlichkeit von Vorlieben festzuschreiben. In einem freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat wie dem unsrigen ist der Sinn von Gesetzen, die Freiheit der Bürger zu garantieren. Es widerspricht zutiefst dem Geist unseres Grundgesetzes und Gemeinwesens, persönliche Geschmacksurteile oder Meinungen mittels eines Gesetzes zum Maßstab für alle Bürger des Landes zu machen.

Dass das dennoch immer öfter passiert, führt eben auch zu dem Irrtum zu glauben, dass „legal“ gleichbedeutend mit „empfohlen“ sei. Wenn Gesetze und Verordnungen zunehmend zu einem (repressiven) Kommunikationsmittel über das gewünschte Verhalten werden, dann übermitteln sie eben nicht mehr bloß, was man nicht tun soll, sondern immer häufiger, was man tun soll. In letzter Konsequenz wird dann so viel geregelt, dass man davon ausgehen kann: Wenn etwas nicht verboten ist, sollte man es tun.

Argumente nicht durch Vorschriften ersetzen

Wenig überraschend werden sich dennoch viele Menschen nicht daran halten. Wer wirklich etwas verändern will, muss einen anderen Weg als den der Gesetze wählen. Wenn zum Beispiel auch nur ein Teil der enormen Summen, die heute in Strafverfolgung wegen kleinerer Drogendelikte gesteckt werden, in Aufklärung über die Schädlichkeit von Rauschmitteln gesteckt würden, könnte man nachhaltiger Veränderungen bewirken – und das ohne die negativen Nebenwirkungen eines Gesetzes. Das Thema Rauchen ist da ein gutes Beispiel: Die stetig sinkende Zahl der Raucher hat wohl eher mit verstärkter Aufklärung und gewachsenem gesellschaftlichen Bewusstsein zu tun als mit den erst in der Folge eines veränderten Bewusstseins aufgetretenen Nichtraucherschutzgesetzen und abstoßenden Bildern auf Zigaretten-Packungen.

Es gibt sehr gute und überzeugende Argumente dafür, vieles nicht zu tun, was heute verboten, illegal und sanktioniert ist. Diese Argumente sind ein viel wirksameres Mittel, um nachhaltig und langfristig Menschen davon abzuhalten als Verbote und Gesetze. Wer ein Gesetz einführt, hat damit noch keinen Menschen überzeugt. Die Tendenz, über Gesetze die eigenen moralischen Urteile durchzusetzen, ist nicht nur wenig effizient. Sie erodiert auch über die Zeit hinweg unseren Rechtsstaat, indem sie ihn in einen Gesetzstaat transformiert. Gerade in einer Demokratie, die sich aus der Urteilsfähigkeit der Bürger heraus begründet, darf das Argument nicht durch die Vorschrift ersetzt werden.