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Von Prof. Dr. Thomas Mayer, Kuratoriumsvorsitzender von “Prometheus” und Gründungsdirektor des “Flossbach von Storch Research Institute”. Dies ist ein exklusiver Auszug aus seinem Buch „Die neue Kunst, Geld anzulegen“, das am Montag im Finanzbuchverlag erschienen ist.

Wie hängt die Geldwirtschaft mit der Realwirtschaft zusammen? Zur Produktion von Konsumgütern sind Kapitalgüter notwendig. Sollen mehr Konsumgüter hergestellt werden, so braucht man dazu mehr oder bessere Kapitalgüter. Damit aber Kapitalgüter hergestellt werden können, muss man zunächst auf einen Teil der Konsumgüterproduktion verzichten. Man muss also sparen. Der ursprüngliche Zins setzt den Verzicht auf Konsumgüter in der Gegenwart in Beziehung zu der durch diesen Verzicht möglichen größeren Menge an Konsumgütern in der Zukunft. Dieser Zins muss positiv sein. Denn wäre er negativ, dann würde man ein gleiches Gut lieber morgen als heute haben wollen. Wäre er null, dann wäre es einem egal, ob man das Gut heute oder morgen erhalten würde. Beide Verhaltensweisen widersprechen aber dem Begriff des wirtschaftlichen Handelns, das darauf gerichtet ist, ein Ziel auf dem kürzesten Weg und zu den geringsten Kosten zu erreichen.

Bei der im ursprünglichen Zins gemessenen Zeitpräferenz geht man davon aus, dass der Konsument den Zeitpunkt wählen kann, zu dem er ein Gut konsumieren kann. Hat er diese Wahl und handelt er wirtschaftlich, so wird er aus den oben gegebenen Gründen immer lieber früher als später konsumieren. Nicht immer kann er aber über den Zeitpunkt des Konsums frei disponieren. Eine Weihnachtsgans möchte man eben zu Weihnachten auf dem Tisch sehen und nicht im Hochsommer. Ebenso möchte man manche Gütern während des Erwerbslebens konsumieren und andere während des Ruhestands. Verschiebt der Konsument den Konsum eines solchen zeitgebundenen Guts, bei dem er nicht über den Zeitpunkt des Konsums frei entscheiden kann, dann hat das nichts mit seiner Zeitpräferenz zu tun. Vielmehr handelt es sich um die Substitution zweier verschiedener Güter (ein Gänsebraten im Sommer ist eben nicht gleich einem Gänsebraten an Weihnachten).

Der ursprüngliche Zins kann nicht beobachtet werden. Niemand, auch nicht die Zentralbank, verfügt über die nötigen Informationen, um ihn zu bestimmen. Daher tappt die Zentralbank bei der Manipulation des Kreditzinses im Dunkeln. Hat sie Glück, entspricht der Kreditzins dem ursprünglichen Zins. Dann werden genauso viele Kredite vergeben, wie Ersparnisse vorhanden sind, um die Kapitalgüterproduktion zu finanzieren, welche die geplante Steigerung der Konsumgüterproduktion zulässt. Dies ist jedoch in etwa so wahrscheinlich, wie wenn ein Schütze mit verbundenen Augen ins Schwarze trifft. Setzt die Zentralbank den Kreditzins jedoch fälschlich unter den ursprünglichen Zins, dann werden mehr Kredite zur Kapitalgüterproduktion vergeben, als am Ende durch die Ersparnis gedeckt sind. Es kommt zunächst zum „Boom“ in der Kapitalgüterproduktion. Aber da nicht alle Kapitalgüter bis zu ihrer Fertigstellung durch entsprechende Ersparnisse finanziert werden können, kann ein Teil nicht vollendet werden. Dem Boom folgt daher der „Bust“. Im Bust entstehen die finanziellen Schieflagen, wie wir sie während der Finanzkrise von 2007–08 gesehen haben.

Die Vorstellung, dass Abweichungen des realen Kreditzinses vom ursprünglichen Zins zu Kredit- und Investitionszyklen führen können, stammt von dem schwedischen Ökonomen Knut Wicksell. Er nannte den ursprünglichen Zins den „natürlichen“ Zins, bei dem langfristig Gleichgewicht von realer Ersparnis und Investition herrschte. Ludwig von Mises und Friedrich von Hayek entwickelten Wicksells Theorie weiter, indem sie darauf hinwiesen, dass in der Boomphase des Investitionszyklus über den Kreditmarkt Kapital in die Finanzierung ineffizienter Investitionen geleitet wird. Dadurch entstehen nicht nur Über-, sondern auch Fehlkapazitäten, die im Abschwung des Investitionszyklus liquidiert werden müssen. Wird die Liquidierung der Fehlkapazitäten von der Politik verhindert, um die in diesen Bereichen engagierten Investoren und tätigen Beschäftigten zu schützen, dann kann die Wirtschaft nicht gesunden.

Die Erfahrung hat jedoch gezeigt, dass sich die Politik in den von Finanzkrisen ausgelösten Rezessionen oder Depressionen dem öffentlichen Druck, den Abschwung zu mildern, nicht entziehen kann. Sie gab diesem Druck schon in der Großen Depression der 1930er Jahre nach, auch wenn die Möglichkeiten des Staates zur Einflussnahme auf die Wirtschaft zu dieser Zeit noch weit geringer waren als heute.

Nach dem Platzen der „Blasenökonomie“ in Japan Anfang der 1990er Jahre stemmte sich die Politik so stark gegen den wirtschaftlichen Abschwung, dass sie einen Rückgang des realen Bruttoinlandsprodukts verhindern konnte. Der Preis dafür war aber die Konservierung von im Boom aufgebauten Fehlkapazitäten, wodurch eine kraftvolle und nachhaltige Erholung der Wirtschaft verhindert wurde.

Auch während der jüngsten Finanzkrise nach der Pleite von Lehman Brothers im Jahr 2008 gelang es der Geld- und Fiskalpolitik, mit massiven Eingriffen den wirtschaftlichen Abschwung abzumildern. Jedoch wurde dadurch auch ein schneller Abbau der während des Kreditbooms aufgebauten Überschuldung und Fehlkapazitäten verhindert, so dass die Erholung der Wirtschaft nach der Krise ebenfalls schwach ausfiel. Außerdem wurde sie immer wieder von Rückschlägen begleitet, die dann auftraten, wenn sich neue Wellen im Abbau der Überschuldung aufbauten. So fiel die Eurozone 2012–13 zurück in die Rezession, als der Pleitegeier unter den südlichen Staaten der Zone umging. Erst das Versprechen der Europäischen Zentralbank, im Notfall die Schulden zu monetisieren, konnte den Abschwung anhalten. Im Jahr 2015 begann China zu straucheln, als nachlassendes Wirtschaftswachstum die Solvenz überschuldeter Unternehmen und Gebietskörperschaften bedrohte. Und wieder wurde die Entschuldung durch Bankrotte mit billigem, neuem Kredit verhindert.

Photo: Thomas Quine from Flickr (CC BY 2.0)

Die skandinavischen Länder üben auf viele Menschen in Deutschland eine Faszination aus. Die weite Landschaft, die Seen, der lange kalte Winter und der intensive kurze Sommer haben viele Bürger hierzulande zu Schweden-Fans gemacht. Auch politisch ist für viele Schweden ein Vorbild. Der schwedische Wohlfahrtsstaat galt in den 1970er und 1980er Jahren als Vorbild und als der gemäßigte „dritte Weg“ zwischen Kapitalismus angelsächsischer Prägung und dem Sozialismus der Sowjetunion. Der vor 30 Jahren ermordete Ministerpräsident Olaf Palme stand wie kein anderer für dieses Modell.

Mit der Bankenkrise Anfang der 1990er Jahre trat ein Umdenken ein. Schweden war eines der ersten Länder in Europa, das eine schwere Bankenkrise zu bewältigen hatte. Wie in anderen Ländern später auch, führte das Platzen einer Immobilienblase dazu, dass der schwedische Staat und seine Notenbank mit Garantien die betroffenen Banken und die Einleger schützen musste. Der Preis dafür war nicht nur ein Zurückschrauben des Wohlfahrtsstaates alter Prägung, sondern auch umfangreiche Fusionen im Bankensektor. Heute beherrschen nur vier große Banken den schwedischen Markt.

Schweden gilt auch als Vorreiter der Bargeldabschaffung. Dort kann man jeden Kaffee im Restaurant, jede Kugel Eis und sogar das Toilettenhäuschen mit seinem guten Namen bezahlen. Die Schweden seien viel fortschrittlicher und aufgeschlossener für moderne Entwicklungen, als die an antiquierten Münzen und Scheinen festhaltenden Deutschen, heißt es bei den lobbyierenden Kartenunternehmen.

Kürzlich berichtete der Deutschlandfunk in einer interessanten Reportage über die wachsende Kritik in Schweden am Zurückdrängen des Bargeldes. Darin wird ein anderes Bild über die Hintergründe und Widerstände gezeichnet. Die vier marktbeherrschenden Banken betreiben gemeinsam eine Politik, die das Bargeld diskriminiert. Für sie ist es billiger, ohne den hohen administrativen Aufwand, den der Bargeldverkehr für die Banken verursacht, zu arbeiten. Die Bürger können mangels Wettbewerb dieser Entwicklung nicht ausweichen. So betreiben die vier Banken gemeinsam eine Gesellschaft, die alle Bankautomaten in Schweden unterhält.

Häufig ist das maximale Abhebevolumen nur noch umgerechnet 100 Euro. Einige Banken nehmen gar kein Bargeld mehr an und Einzelhändler können ihr Bargeld nicht mehr am Bankautomaten oder in der Bankfiliale einzahlen. Einzelhändler werden dadurch gezwungen, auf unbare Zahlungsweise umzustellen. Gerade für ältere Menschen wird dies zum Problem, wenn sie keine Kreditkarte haben. Dann werden ihnen bei Überweisungen hohe Gebühren belastet. So kostet eine Überweisung schon mal umgerechnet 8 Euro.

Doch jetzt scheint sich der Widerstand zu formieren. Der größte schwedische Pensionärsverband hat vor einigen Wochen eine Protestnote „Bargeld wird gebraucht“ mit 140.000 Unterschriften an die Regierung überreicht. Auf Deutschland bezogen wären das immerhin 1,2 Millionen Unterschriften. Eine andere Initiative „Bargeld-Aufstand“ formiert sich ebenfalls zu Protest.

Die Schwedische Krone ist zwar alleiniges gesetzliches Zahlungsmittel, dennoch wird sie im Alltag diskriminiert. Diese Tendenz ist auch in Deutschland vorherrschend. Am übernächsten Sonntag wird in Berlin gewählt. Die dortigen Bürgerämter sind überfordert, Meldedaten entgegenzunehmen. Wer dies freiwillig versucht, muss schon mal sechs Wochen auf einen Termin warten. Ob so überhaupt eine reguläre Wahl stattfinden kann, wenn die Meldedaten nicht aktuell sind? Hinzu kommt: will der Berliner die Gebühr für seinen neuen Personalausweis oder Reisepass bar bezahlen, ist dies nicht mehr möglich. Ein wenig freundliches Schild auf dem Tisch des Sachbearbeiters weist einen darauf hin: „Barzahlung nicht möglich“.

Auch wir steuern auf schwedische Verhältnisse zu. Der Staat und seine Institutionen diskriminieren das Bargeld im Alltag ebenfalls. Dabei ist die Rechtslage eindeutig. Das Bundesbankgesetz regelt in Paragraph 14, Satz 2 sehr klar: „Auf Euro lautende Banknoten sind das einzige unbeschränkte gesetzliche Zahlungsmittel.“ Doch Theorie und Praxis klaffen auch in Deutschland auseinander. Der n-tv-Journalist Raimund Brichta hat kürzlich versucht, seine Einkommensteuer beim Finanzamt bar zu bezahlen – ohne Erfolg. Jetzt strengt er dazu eine Klage an. Der Journalist Norbert Häring hat mit Unterstützung meines Prometheus-Instituts eine Klage erwirkt, die die Barzahlung des Rundfunkbeitrages erreichen will. Die Verpflichtung des Beitragszahlers auf unbare Zahlung in der jeweiligen Satzung des Senders beruht auf Landesrecht des einzelnen Bundeslandes. Das Bundesbankgesetz ist jedoch ein Bundesgesetz, das Vorrang hat und nicht durch Landesrecht gebrochen werden kann.

Warum das alles? Bargeld sichert die Privatautonomie jedes Einzelnen und schützt den Bürger vor den Negativzinsen, die EZB-Chef Mario Draghi braucht, um die Sparer kalt und klammheimlich zu enteignen. Wehret den Anfängen!

Erstmals erschienen auf Tichys Einblick.

Photo: James Vaughan from Flickr (CC BY-NC-SA 2.0)

Die Werbung steht mal wieder im Fokus der Kritik. Die Alternative zu vermeintlich oder tatsächlich manipulativer Werbung ist jedoch nicht „Mutter Staat“, die ihre Kinder von allen Bedrohungen und Verlockungen abschirmt. Die Alternative ist der selbstbestimmte Bürger.

Wutbürger auf allen Seiten des politischen Spektrums

Im April dachte der Justizminister laut über ein Verbot sexistischer Werbung nach. In den vergangenen Tagen beschäftigt eine schlüpfrige Werbekampagne der Firma „true fruits Smoothies“ nicht mehr nur den Werberat und die Mitglieder der Wirtschaftsredaktionen, sondern inzwischen auch massenweise Feuilletonisten und Wortwitzkünstler. Und in der letzten Woche ließ sich das „Forum Rauchfrei“ eine Anzeige in der FAZ sportliche 33.000 € kosten, um ein „umgehendes Verbot der Außenwerbung für Tabakprodukte“ zu fordern. Hand in Hand, so könnte die Erzählung lauten, kämpfen Zivilgesellschaft und Politik gegen die übermächtige Interessenmacht der Industrie und ihrer Vermarkter. Die Realität sieht wohl anders aus.

Wutbürger finden sich mitnichten nur auf Pegida-Demonstrationen oder in den Wahlkabinen in Pforzheim und Greifswald. Es gibt sie in den verschiedensten Färbungen und Variationen. Den Wutbürger macht wesentlich aus, dass er sich einer Macht gegenübersieht, die ihn verkauft und verraten hat. Er kann sich kaum gegen sie wehren, weil sie größer und mächtiger ist als er. Aber er will es sich nicht mehr länger gefallen lassen. Darum erhebt er seine Stimme und wirft sich dem Gegner entgegen wie einst David dem Goliath. Im Falle der politisch nach rechts tendierenden Wutbürger sind die Gegner dann „die Eliten“ oder „die Meinungsmacher“. Der auf die linke Seite neigende Wutbürger sieht sich im Kampf gegen Großkonzerne und neoliberale Ausbeuter. Mehr Unterschied ist nicht.

Man muss sexistische Werbung nicht gut finden

Im Wut-Weltbild der Gegner des Neoliberalismus sind die „Gewinnmaximierer“ der Feind Nummer eins. Menschen, die nur nach ihrem eigenen Vorteil streben und das Wohl ihrer Mitmenschen auf dem Altar des Profits opfern. Die Begeisterung über die eigene moralische Erhabenheit in Verbindung mit fanatischem Eifer führt freilich oft dazu, dass Zusammenhänge falsch dargestellt, Ursache-Wirkungs-Ketten verkehrt und Verantwortlichkeiten durcheinandergenbracht werden. Wer das intensiv genug betreibt, wird im Laufe der Zeit immun gegen Argumente.

Nehmen wir sexistische Werbung. Es muss kein Ausweis von Spießigkeit sein, wenn man es als unangemessen empfindet, dass gewisse Zeitschriften auf jedem dritten Cover nackte Menschen abbilden, egal ob es beim Heft-Thema um Altersvorsorge, den Brexit oder das Dritte Reich geht. Man muss nicht prüde und verklemmt sein, um der Meinung zu sein, dass 10jährige Kinder nicht am laufenden Band mit unbekleideten Damen und Herren auf XXL-Plakaten konfrontiert werden müssen. Und man kann sogar der Organisation „Pinkstinks“, die Minister Maas bei seinem Vorschlag beraten hat, zustimmen, wenn sie beklagt, dass „Produkte, Werbe- und Medieninhalte … Kindern eine limitierende Geschlechterrolle zuweisen“.

Gesetz erlassen – Problem beseitigt

Aber man sollte genauer hinsehen. Der Slogan „sex sells“ beruht eben auch auf sehr deutlicher empirischer Evidenz. Das liegt nicht nur an den Verkäufern, sondern auch an den Käufern. Offenbar ist der Einsatz von erotischer Bebilderung ein erfolgreiches Mittel, um Käufer anzulocken. Die sehr niedrige Hemmschwelle beim Gebrauch von nackter Haut hat zudem auch damit zu tun, dass die Käufer geprägt sind von einer Gesellschaft, in der es nur noch wenige Tabus auf dem Gebiet der Sexualität gibt. In den Marketing- und Werbe-Agenturen sitzen mitnichten lauter Machos, die konsequent den Masterplan verfolgen, die komplette Verdinglichung von Frauen zu erreichen. Es sitzen dort vielmehr Kinder ihrer tabulosen Zeit, die versuchen, einen möglichst breiten Geschmack zu treffen und sich deshalb an den Wünschen unserer Mitbürger orientieren. Und so platt das auch klingen mag: Wenn sie es nicht machen würden, würden es andere machen.

Werbung zu verbieten, die mit Nacktheit, Sexualität oder festgeschriebenen Rollenbildern operiert, löst keine Probleme. Ja, es kann sogar den Effekt haben, dass man die Augen vor tatsächlichen Problemen und vor allem vor deren Ursachen verschließt. Die Logik „Gesetz erlassen – Problem beseitigt“ gleicht der Vorstellung kleiner Kinder, dass sie nicht gesehen werden, wenn sie sich die Hände vor die Augen halten. Einem herablassenden Frauenbild kann man nur mit langfristiger Bewusstseinsveränderung entgegenwirken. Eine solche Veränderung kann Jahrzehnte dauern – da „wirkt“ ein Gesetz natürlich schneller. Aber es bleibt bei einer rein äußerlichen Veränderung. Jenseits der Frage, ob ein Gesetz ein wirksames Mittel sein kann, ist natürlich vor allem auch die Frage bedeutsam, ob es ein legitimes Mittel sein kann. Dürfen wir Gesetze nutzen, um unserem mitunter durchaus berechtigen Unmut über Sexismus Luft zu machen?

Aus der Herrschaft des Rechts in eine Herrschaft der Gesetze?

In unserer und anderen Gesellschaften hat es tiefgreifende Veränderungen gegeben in den letzten Jahrzehnten: von der Frauenemanzipation bis zur bewussteren Ernährung, von einer Verbesserung der Aufstiegschancen bis zum friedlichen Miteinander von Menschen unterschiedlichster Herkunft. Dass es zu diesen Veränderungen gekommen ist, liegt an Frauen und Männern, die dafür geworben haben; die ihre Ideale hochgehalten haben, zum Teil gegen massiven Widerstand; die Beharrungsvermögen und ein dickes Fell mitgebracht haben. Wenn in diesen Bereichen mit Gesetzen gearbeitet wurde (z. B. Frauenquote, Nichtraucherschutz, Antidiskriminierung), dann kamen diese oft lange nachdem die Veränderung bereits stattgefunden hatte und hatten kaum noch Einfluss auf das Verhalten, geschweige denn die Einstellung der Menschen.

Die Wutbürger, die heute für Werbeverbote kämpfen, sollten dringend abrüsten. Eine freie und offene Gesellschaft muss auf anderem Wege verändert werden. Aufklärung, öffentlicher Diskurs, Überzeugungsarbeit – das sind die einzigen Mittel, deren man sich in einer freiheitlichen Demokratie bedienen darf, wenn man dem Grundgedanken des selbstbestimmten, mündigen Bürgers treu bleiben möchte. Andernfalls drohen wir, aus der Herrschaft des Rechts in eine Herrschaft der Gesetze zu rutschen – aus der Gerechtigkeit in die Willkür. Und es kann übrigens auch sehr gut sein, dass die meisten Menschen in unserem Land nicht so einfältig, willenlos und manipulierbar sind, wie die Werbeverbots-Wutbürger meinen …

Photo: Michael Muecke from Flickr (CC BY-SA 2.0)

Von Sebastian Körber, ehemaliger Bundestagsabgeordneter und Architekt.

Es ist der Traum vieler Menschen, in den eigenen vier Wänden ein individuelles Heim zu schaffen und sich selbstbestimmt zu verwirklichen: Mit der Traumküche, einem geräumigen Tageslicht-Bad oder der Aussicht ins Grüne vom Balkon in der Lieblingsgegend. Deutschland belegt innerhalb der Eigentumsquote ohnehin nur den vorletzten Platz in Europa mit ca. 46%. Gleichzeitig entscheiden sich auch immer mehr Personen, ihre eigene Altersvorsorge auf Immobilien aufzubauen und erwerben etwa eine Eigentumswohnung, um diese dann zu vermieten. Kapitalgedeckt und vollkommen transparent.

Als Liberaler freue ich mich darüber sehr, wenn eigenverantwortlich Altersvorsorge betrieben und gleichzeitig dem Risiko von Altersarmut durch eine selbstgenutzte Immobilie entgegengetreten wird, nimmt der Wohnkostenanteil im Alter doch teilweise von ca. 25% auf bis zu 40% zu. Der Staat und die öffentliche Hand können sich also darüber freuen, dass ihre Bürger fleißig in Immobilien investieren, schließlich sind unsere Immobilienmärkte weder überhitzt noch sind Immobilien in Deutschland riskant finanziert. Dennoch wird es immer schwieriger, eine Immobilie zu kaufen, das Bauen selbst immer teurer und damit steigen übrigens auch die Mieten immer stärker.

Aber was machen die regierenden Politiker? Bedauerlicherweise wird lediglich mit nachweislich unwirksamer Symbolpolitik wie etwa mit der sogenannten „Mietpreisbremse“ versucht, an den Symptomen herumzudoktern. Die Ursachen hingegen werden nicht wirksam bekämpft. Aber bleiben wir bei den Immobilieneigentümern und solchen die es werden wollen: Mit der Energieeinsparverordnung werden diese gezwungen, auch bei schönen alten Fassaden, die noch nicht unter Denkmalschutz stehen, teure Dämmung aufzubringen, die – im Falle von Styropor – einmal Sondermüll wird und sich über die Laufzeit über tatsächlich eingesparte Energie kaum amortisiert. Schlimmer ist aber noch die Einschränkung beim Lüften, steht doch bauphysikalisch das Öffnen der Fenster dann der Einsparung im Weg. Also muss teure Lüftungstechnik angeschafft werden, man lebt jetzt schließlich in einer dichten Hülle, quasi unter einer Plastiktüte.

Die Baukosten und der Eigentumserwerb werden damit kräftig verteuert und erschwert, das Weltklima retten wir dadurch gar nicht. Denken wir primärenergetisch, ist Styropor wohl sogar noch klimaschädlicher. Mehrkosten ca. 5-10%! Also weder ökologisch noch sozialpolitisch sinnvoll, denn wer zahlt’s? Der Mieter! Und wenn man eine Immobilie kauft, fallen alleine bei Notar und Grundbuch knapp 2% an. Für den Grunderwerb nochmal 3,5% in Bayern – ein Schnäppchen, zahlt man in anderen Bundesländern doch bereits teilweise 6,5%! Bei einem Reihenhaus in Schleswig-Holstein für 350.000 € also weitere knapp 30.000 €! Auch die Kommunen erhöhen gerne mal die Grundsteuer, die dann jährlich anfällt oder wenden die sogenannte Straßenausbaubeitragssatzung an, dann zahlt man als Haus- oder Wohnungseigentümer auch noch für die Straßen- und Kanalsanierung. Im Laufe eines Immobilienlebens übrigens mehrfach möglich, wenn es die Kommune klug anstellt.

Aber noch besser ist die still und heimlich verabschiedete EU-Wohnimmobilienkreditrichtlinie, die seit 2. Quartal 2016 nun Gesetz in Deutschland ist. Die Bank müssen nun insgesamt über mehrere dutzend Seiten Text dokumentieren, dass sich der Kreditnehmer, bei Betrachtung seiner Lebenserhaltungskosten, einen Kredit lebenslang leisten kann. Was macht aber das Rentnerehepaar, welches noch barrierefrei umbauen möchte? Oder die junge Familie, die noch keine großen Sicherheiten vorzuweisen hat und wo gerade nur einer von beiden arbeitet? Bürokratie und nächster Knüppel zwischen die Beine!

Und wenn man dann sein Heim umsetzen möchte, wird man in seiner Kreativität auch noch teilweise unnötig eingeschränkt, etwa beim vorgeschriebenen Sockel des Gartenzauns, der Dachform und im Blick auf die Tiere, die sich in einem Baum eingenistet haben, weshlab der erst im Oktober gefällt werden darf – so schreibt es die Bundesgesetzgebung im Umweltschutzbereich vor. Im Bauausschuss einer Gemeinde diskutieren dann auch Stadt- und Gemeinderäte, selbsternannte Ästhetikkenner und Baufachleute, wie das überhaupt nur genehmigt werden kann. Diese Liste wäre beliebig fortzuführen…

Wir benötigen dringend ein Umdenken, denn es geht um ein Stück Freiheit, Sicherheit und Selbstverwirklichung! Wir brauchen mehr Freiheit für Immobilieneigentümer, denn Eigentum schafft Freiheit und diese Freiheit muss unterstützt werden! Deshalb fünf klare Forderungen:

1. Abschaffung der Grunderwerbsteuer bei Wohnimmobilien

2. Mehr Freiheiten und Flexibilität in Bebauungsplänen

3. Reduktion der Werte der Energieeinsparverordnung

4. Aussetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie

5. Weg mit der Straßenausbaubeitragssatzung

Photo: Markus Tacker from Flickr (CC BY-ND 2.0)

Es ist wie auf der Autobahn: Befindet sich voraus ein Stau, versuchen viele, noch schnell die nächste Ausfahrt zu nehmen, um längere Wartezeiten zu vermeiden. Bei der Bankenregulierung ist es ganz genauso. Dauern Abläufe durch eine überbordende Regulierung länger, überlegen sich die Banken etwas Neues. So auch aktuell die Großbanken UBS, Deutsche Bank, Santander und BNY Mellon. Dabei hilft es, wenn man den Zeitgeist aufnimmt und auf moderne Technologien setzt. Zwar sind viele Banken, Notenbanken und Regierungen skeptisch was die private Kryptowährung Bitcoin betrifft, aber deren technisches Prinzip, die Blockchain, finden sie dennoch faszinierend und überlegen dieses Prinzip auf ihre Welt zu übertragen. Das innovative Prinzip der Blockchain setzt darauf, dass nicht eine zentrale Behörde Transaktionen überwacht. Stattdessen gewährleistet das dezentrale öffentliche Protokoll eines Netzwerkes die Sicherheit.

Doch das Bankenkonsortium denkt nicht daran, auf das bestehende Modell der Bitcoins aufzubauen, sondern sie wollen für ihre Bankenwelt eine eigene Kryptowährung, den „Utility Settlement Coin“, nutzen, um die Abwicklung von Kapitalmarkttransaktionen zu beschleunigen. Die notwendigen Kosten für die Sicherheiten, die Banken derzeit für Transaktion hinterlegen müssen, beziffert das Beratungshaus Oliver Wyman auf weltweit 65 bis 80 Milliarden Dollar. Das ist wahrlich kein Pappenstiel. Dass die Banken diese Summe reduzieren wollen, ist daher sehr naheliegend.

In der derzeitigen Bankenwelt haben diese Sicherheiten jedoch ihren Grund. Es waren die Lehren der Finanzkrise 2008, die dazu führten, dass im Rahmen von Basel III Banken ihre Kapitalmarkttransaktionen nicht mehr an öffentlichen Börsen vorbei tätigen konnten, sondern nur noch über geregelte Marktplätze. Gleichzeitig mussten sie ihre Transaktionen mit Eigenkapital unterlegen. Die langjährige Praxis, über Zweckgesellschaften in Irland Milliardentransaktionen ohne Eigenkapitalunterlegung durchzuführen, brachte das Bankensystem nicht nur in Deutschland ins Schlingern. Noch heute wirken bei uns die Pleiten der HRE, einiger Landesbanken und der IKB nach. Der Preis dafür war, dass diese Regulierungen zeitaufwendiger und teurer für die Banken wurden.

Das Bankenkonsortium hat das Thema Bitcoin und Blockchain nicht wirklich verstanden. Die Blockchain funktioniert nur deshalb bislang störungsfrei, weil sie untrennbar mit der Kryptowährung Bitcoin verbunden ist. Nur die weltweite Akzeptanz von Bitcoins, das internationale Netzwerk von vielen Nutzern, sichert das System. Das ist ein Paradigmenwechsel vom bisherigen Geldsystem. Dort benötigte man immer eine Behörde, eine Zentralbank oder eine Verordnung, die das Handeln der Marktteilnehmer überwacht oder einschränkt. Genau das ist bei Bitcoin nicht nötig. Bitcoins und die Überwachung von Transaktionen sind ohne Zentralbank und ohne staatliche Regulierung möglich.

Es sind eigentlich zwei Welten, die hier aufeinanderprallen. Die alte Welt der Regulierung durch den Staat und seine Zentralbanken, und die neue Welt, die Sicherheit ohne den Staat durch die Kontrolle der Vielen ermöglicht. Banken müssen sich daher entscheiden, was sie wollen. Es kann nicht funktionieren, wenn Banken die Blockchain-Welt übernehmen, aber nur wenige exklusiv daran teilnehmen sollen und dieses Abwicklungssystem dann von Zentralbanken überwacht wird. Wenn die Banken diesen Weg gehen, dann verfolgen sie eigentlich etwas Anderes. Sie schaffen lediglich eine neue Verrechnungseinheit, die möglicherweise auch global zur Anwendung kommt. Diese Verrechnungseinheit kann vielleicht auch Prozesse im Zusammenspiel mit einer Zentralbank vereinfachen, doch das ist etwas ganz Anderes als das, was mit der Blockchain-Technologie hinter dem Bitcoin gemeint ist.

Dass dieses Projekt der Banken überhaupt eine Chance hat, muss generell bezweifelt werden. Manche vermuten gar, dahinter stecke die Absicht, den Dollar als Weltleitwährung abzulösen. Doch aus welchem Grund sollte die amerikanische FED dies zulassen? Sie hat kein Interesse daran, dass der Dollar als Weltleitwährung infrage gestellt wird. Schon einmal hat die USA dies verhindert. Als John Maynard Keynes die Idee des Bancor, als neuer Weltleitwährung einer Nachkriegsgeldordnung bei der Konferenz in Bretton Woods vorschlug, setzte sich Amerika mit dem Dollar durch, der an Gold gebunden war. Am Ende bleibt also nur, das Regulierungsregime „Basel III“ und seine Folgeregulierungen durch ein neues, die Banken schonenderes Regime zu ersetzen. Hier gilt, wie bei jeder Stauumfahrung auf der Autobahn: häufig steht man dann wieder im Stau, weil der nächste Auffahrunfall gerade stattgefunden hat.