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Die Menschen hierzulande sind oft skeptisch, wenn neue Entwicklungen auf die etablierte Wirklichkeit treffen. Der Innovationsgeist in Deutschland konzentriert sich meist auf rein technische Fertigkeiten im Maschinenbau, in der Anlagetechnik oder in der Automobilfertigung. Digitale Innovationen finden dagegen anderswo statt – in Nordamerika oder Südostasien. Das hat viel mit der Staatsgläubigkeit der Deutschen zu tun. Sie glauben, dass Innovationen vom Staat angestoßen, reguliert und überwacht werden müssen. Die Förderung der Elektroautos, das faktische Verbot von Gentechnik oder die drohenden Kartellverfahren gegen Google und Facebook sind prominente Beispiele dafür. Viele sehen in diesem Land im Neuen erst die Gefahr anstatt die Chance für Wohlstand.

Diese Innovationsfeindlichkeit hört beim Geld nicht auf, obwohl die Cyber-Währung Bitcoin derzeit immer neue Kursrekorde erklimmt und Investoren weltweit Millionen in die weitere Anwendung der Blockchain-Technologie investieren. Von Geld zu sprechen, ist bei Bitcoin eigentlich noch zu früh. Geld ist ein allgemein akzeptiertes Zahlungsmittel. Davon ist Bitcoin noch weit entfernt. Ob es sich jemals dazu entwickelt, ist ebenfalls fraglich. Es ist eher vergleichbar mit Gold. Es ist digitales Gold, weil es nicht beliebig vermehrbar ist und keiner staatlichen Kontrolle unterliegt.

Am Mittwoch war ein Bitcoin über 1.000 Euro wert. Vor einem Jahr waren es noch 400 Euro, ein Plus von 150 Prozent. Wer vor drei Jahren bei 736 Euro eingestiegen ist, hat dennoch ein sattes Plus erlebt. Wahrscheinlich war die Anlage in Bitcoins im zurückliegenden Jahr die erfolgreichste Anlageklasse weltweit. Diese Schwankungsbreite wird oft kritisiert, ist aber für eine so fundamentale Innovation nicht ungewöhnlich. Schon rufen die ersten Mahner nach einer staatlichen Regulierung. Die Regierungen und Notenbanken sehen ihren Einfluss schwinden. Wenn in Indien das Bargeld von einem Tag auf den anderen ungültig, in China die Währung immer weniger Wert wird, in Griechenland und Zypern die Banken schließen, dann suchen Menschen Alternativen, mit denen sie ihr Vermögen, ohne eine Bank kontaktieren zu müssen, schnell von A nach B grenzüberschreitend transferieren können. Das ist mit Bitcoins innerhalb weniger Minuten möglich, ohne dass es hier Kurswechselrisiken gibt. Dieser entscheidende Vorteil wird die Bankenwelt in ihrer Substanz verändern, so wie das Auto, die Eisenbahn oder das Flugzeug im letzten Jahrtausend das Reisen verändert hat. Man kann versuchen, sich dem als Land, als Volkswirtschaft oder als Wirtschaftsraum entgegen zu stellen, den Zug der Zeit kann man dadurch aber nicht aufhalten. Bitcoin ist ein weltweit genutztes Zahlungssystem, das nicht an staatlichen Grenzen haltmacht.

Auch die zugrundeliegende Technologie der Blockchain ist davon nur schwer zu trennen. Bitcoin ist an die Blockchain gekoppelt und umgekehrt. Natürlich gibt es auch weitere Cyber-Währungen wie Ehtereum, Ripple oder Litecoin, die ebenfalls auf einem Peer-to-Peer-Verfahren beruhen, in einem öffentlichen Datenprotokoll dargestellt werden und daher auch geeignet sind, das Zahlungssystem oder die generelle Abwicklung von grenzüberschreitenden Verträgen zu revolutionieren. All diesen Cyber-Währungen ist jedoch gemein, dass sie von ganz vielen genutzt werden – und jede Transaktion dezentral von den Teilnehmern auf ihre Richtigkeit überprüft wird. Innerhalb dieser Community werden Bitcoin und andere zu einem Standard, der nicht durch eine staatliche Kontrolle ersetzt werden muss und kann. Kurz: es entsteht – wie beim staatlichen Grundbuch – ein öffentlicher Glaube, der aber nicht durch den Staat garantiert ist, sondern durch die Community.

Will Deutschland den Zug der Zeit nicht verpassen, müssen die Rahmenbedingungen für Cyberwährungen hierzulande verbessert werden. Derzeit finden Entwicklung nur selten in Deutschland statt oder werden in das Ausland verlagert. Der Grund: BaFin und Bundesbank fassen alles rund um Bitcoin nur mit Samthandschuhen an. Daher finden die Entwicklungen in Großbritannien, China oder den USA statt. Innerhalb des EU-Binnenmarktes werden die Unternehmenssitze nach Malta, Luxemburg oder Dublin verlagert. Dabei hat die deutsche Regierung viele Fragen auch sehr schnell und klar beantwortet. Bereits 2013 wurde Bitcoin als privates Geld vom Finanzminister anerkannt. Auch steuerliche Fragen wurden frühzeitig im Sinne der Anleger geklärt. So sind Veräußerungsgewinne nach einem Jahr steuerfrei. Jetzt wäre die Zeit, einen weiteren Innovationsschub in Deutschland zuzulassen. Dazu braucht es politischen Mut und Entschlossenheit.

Anmerkung: Der Autor ist stellvertretender Verwaltungsratsvorsitzender der Bitcoin Group SE.

Erstmals erschienen bei Tichys Eindruck.

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Wer meint, der Sozialismus sei mit dem Tod von Fidel Castro endgültig untergegangen, dem muss man vehement widersprechen. Der Sozialismus lebt. Er lebt in einer neuen Spielart. Er blüht und gedeiht und verdrängt den Kapitalismus und seine Wirtschaftsordnung, die Marktwirtschaft, zunehmend. Nicht durch einen tiefen Einschnitt, wie es der Fall der Mauer für den DDR-Sozialismus war. Nein, der Sozialismus kommt auf Samtpfoten daher, schleichend und aus vielen unterschiedlichen Ecken. Die Saat, die Castro, Che Guevara und andere „Revolutionäre“ in den 1960er und 1970er Jahre in die Köpfe Millionen junger Menschen der westlichen Welt eingepflanzt haben, ist längst aufgegangen.

Vielleicht hat die neue Variante des Sozialismus sogar eine gesellschaftliche Akzeptanz. Heute traut die Mehrheit dem Einzelnen nicht zu oder will ihm nicht zugestehen, selbst über sein Schicksal oder sein Lebensglück zu bestimmen. Es gilt als modern, wenn der Staat nicht nur den Menschen in Existenznot hilft, sondern auch denjenigen, die sich bislang selbst geholfen haben. „Vätermonate“ oder „verpflichtende Kindergartenjahre“ zeigen das. Der Staat übernimmt einen Erziehungsauftrag, den bis dahin die Eltern gegenüber ihren Kindern wahrgenommen haben. Der Staat wird so zum Übervater mit Mutti als Kanzlerin.

Es ist eine Art Scheinmoderne, die uns hier vorgespielt wird. Nicht mehr die kleinste Einheit in der Gesellschaft, der Einzelne oder die Familie, werden vor den Übergriffen der Mehrheit geschützt, sondern unter dem Duktus einer Demokratisierung in allen Lebensbereichen werden die Rechte des Einzelnen immer mehr zurückgedrängt und einer politischen Mehrheitsentscheidung unterworfen.

Diese Entwicklung umfasst nicht nur den engsten Bereich der Familie, sondern hat längst auch die Wirtschaft erreicht. Auch hier wird der einzelne Unternehmer durch politische Mehrheiten im Parlament zum vermeintlichen Glück gezwungen. Auch hier findet letztlich ein Eingriff in die Privatautonomie und das Eigentum statt. Beide werden waidwund geschossen. Wenn Sigmar Gabriel die Übernahme eines heimischen Technologieunternehmens an einen chinesischen Investor verhindern kann und dabei ist, ein Gesetz zur Investitionsprüfung vorzubereiten, das Übernahmen ausländischer Investoren an deutschen Unternehmen unter Zustimmungsvorbehalt der Regierung stellt, ja dann verkommt das Eigentum nur noch zu einer leeren Hülle. Auch auf Kuba gibt es formal noch privates Eigentum.

Gabriels Agieren ist Teil einer Entwicklung, die die Wirtschaft, ihre Verbände und die Gewerkschaften längst erreicht hat. Eine „Verkumpelung“ der Akteure ist die Folge. Zwar sind nur noch etwa zwanzig Prozent der Arbeitnehmer Gewerkschaftsmitglieder, dennoch wird die Kungelei der Gewerkschaftsfunktionäre mit den Arbeitgeberverbänden zum Maßstab für alle Arbeitnehmer gemacht. Unternehmer werden mit dem goldenen Zügel in die Tarifbindung gezwungen, um die Existenz der Gewerkschaften trotz schwindender Akzeptanz zu sichern.

Wer sich brav dem Tarifvertrag unterwirft, wird durch Regelungen in der Zeitarbeit, bei der betrieblichen Altersvorsorge oder beim Lohngleichheitsgesetz großzügig belohnt. Den Mindestlohn handeln längst nicht mehr einzelne Unternehmer und Arbeitnehmer aus, sondern die BDA und Gewerkschaften schlagen ihn der Regierung vor. Mehr Korporatismus geht nicht.

Diese „Verkumpelung“ der großen Unternehmen mit den Gewerkschaften und der Regierung ist Kennzeichen dieser „neuen“ Wirtschaftspolitik. Sie passt zur großen Koalition, die Scheingefechte in der Öffentlichkeit führt, in Wirklichkeit sich aber in allen großen Fragen einig ist. Der schleichende Verfassungsbruch ist nicht ohne. Die „negative Koalitionsfreiheit“ ist von unserem Grundgesetz ebenso geschützt wie das Recht, sich als Arbeitgeber oder Arbeitnehmer aktiv zusammenzuschließen. Sich nicht in das Tarifkartell zu begeben, darf daher nicht diskriminiert werden. Mit Marktwirtschaft hat diese Kungelwirtschaft nur noch am Rande zu tun. Im 19. Jahrhundert nannte man diese Wirtschaftsform „Kathedersozialismus“. Sie war der Wegbereiter der verheerenden Sozialismen des 20. Jahrhunderts.

Die Ablehnung dieses Dirigismus und Korporatismus liegt auch dem Konzept der Sozialen Marktwirtschaft zugrunde. Der erste Wirtschaftsminister Ludwig Erhard sah in jeder korporativen Lenkung der Wirtschaft eine Einschränkung der Grundfreiheiten und eine Aushöhlung des Rechts auf freie Entfaltung. Er lehnte also diese Eingriffe prinzipiell ab. Sein Credo war: „Es gibt nur eine gerechte Verteilung und das ist die, die durch die Funktion des Marktes erreicht wird. Der Markt ist der einzig gerechte demokratische Richter, den es überhaupt in der modernen Wirtschaft gibt.“

Erstmals erschienen in Tichys Einblick.

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Es gibt wohl fast keinen Wirtschaftsbereich, vom Finanzsektor einmal abgesehen, der so stark von staatlicher Lenkung beeinflusst ist wie der Energiesektor. Das hat auch diese Woche wieder gezeigt. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Atomausstieg zeigt glücklicherweise die Grenzen staatlicher Willkür. Der Staat darf eben nicht alles. Er muss auf Eigentumsrechte und Verträge – wie etwa vorher mit ihm vereinbarte Kraftwerkslaufzeiten – Rücksicht nehmen. Verstößt er dagegen, muss er die Unternehmen entschädigen. Ärgerlich ist nur, dass die Kanzlerin und ihr damaliger Umweltminister Peter Altmaier für diese rechtswidrigen Entscheidungen vom Steuerzahler nicht schadensersatzpflichtig gemacht werden können. Es wäre aber zumindest „des Schweißes der Edlen wert“, darüber nachzudenken.

Diese willkürlichen Eingriffe des Staates in den Energiesektor finden sich häufig und besonders ausgeprägt im Bereich der Erneuerbaren Energien. Im Jahr 2019 steigen die Ökostromumlage und die Kosten anderer Maßnahmen auf dann 28,5 Milliarden Euro pro Jahr. Dagegen war der Kohlepfennig, der ebenfalls über eine Umlage finanziert wurde, eine Petitesse. Sein Volumen betrug im Jahr 1989 lediglich 5,4 Milliarden DM. Als der damalige Wirtschaftsminister Jürgen Möllemann 1991 den Abbau von 10 Milliarden DM an Subventionen, unter anderem bei der Kohle, zur Bedingung für seinen Verbleib im Kabinett machte, demonstrierten 800 Kumpel gegen Möllemann und verbrannten eine Strohpuppe, die ihn darstellen sollte. Erst 1994 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass der Kohlepfennig nicht zu rechtfertigen sei, da er eine Allgemeinheit von Stromkunden belaste, die keine besondere Finanzierungsverantwortlichkeit für Steinkohle aus Deutschland habe. Diese Argumentation passt heute ebenfalls wie die Faust aufs Auge für die Erneuerbaren Energie.

Ähnlich wie bei der heimischen Steinkohle, deren Bergschäden noch heute weite Teile des Ruhrgebiets belasten, ist es auch mit den Erneuerbaren Energien. Sie führen zu Monokulturen in der Landwirtschaft und zu immer mehr Eingriffen des Staates. Allein die Herstellung von Biogasanlagen hat sich in den vergangenen zehn Jahren vervierfacht, die der installierten Leistung verzehnfacht. Wer so viel elektrische Leistung produzieren will, braucht Futter. Mais ist dafür der gängige Rohstoff. Inzwischen ist die Maisanbaufläche in Deutschland auf 2,6 Millionen Hektar angewachsen – das ist mehr als die Fläche Mecklenburg-Vorpommerns. Einer der Kollateralschäden dieser Entwicklung ist die massive Zunahme von Schwarzwild. Wildschweine können sich im Mais besser verstecken und haben eine auskömmliche Nahrungsquelle. Allein in Hessen hat sich in den vergangenen Jahren die Abschusszahl der Wildschweine versiebenfacht.

Jetzt hat die EU angekündigt, dass der Biodiesel, der überwiegend aus Raps gewonnen wird, bei der Zwangsbeimischung für Diesel und Benzin von derzeit 7 Prozent auf dann nur noch 3,8 Prozent anzupassen sei. Noch 2009 wurde genau umgekehrt argumentiert. Damals galt die Beimischung als wichtiger Beitrag für den Klimaschutz und gleichzeitig als langfristige Existenzsicherung für die Landwirtschaft.

2011 wurde sogar mit viel Tamtam der E10-Kraftstoff eingeführt, den viele Fahrzeuge dann ins Stottern brachte. Eine ganze Industrie im In- und Ausland lebt inzwischen von dem Glauben, dass hier etwas Gutes getan wird. Landwirte werden in Märkte und Produkte gedrängt und finanziell angeschubst. Sie investieren in neue Geräte und Anlage und plötzlich überlegt sich die Regierung etwas Anderes. Schon schreien und beschweren sich die Angeschubsten und betonen, wie wichtig Bioethanol für die Umwelt sei. Gleichzeitig erwähnen sie beiläufig, dass weniger Rapsanbau mehr Getreideanbau zur Folge hätte und damit die Getreidepreise ins Rutschen geraten würden. Und nicht nur das: die Reste des Rapsanbaus könnten auch nicht mehr an die Tiere verfüttert werden. Damit müsste der Sojaimport erhöht werden. Soja sei allerdings häufig genmanipuliert und der Anbau würde die Regenwälder in Südamerika vernichten. Kein Argument ist zu flach, um nicht für die Lobbyarbeit herhalten zu können.

Letztlich führt diese Art der Wirtschaftspolitik zur Entmündigung. Alle Unternehmer, erst recht die Landwirte, werden von der Regierung an die kurze Leine genommen. Sie sind abhängig von der Willkür der Regierenden. Sie schauen nur noch, welche kurz gültigen Entscheidungen die Politik trifft, versuchen darauf über ihre Verbände Einfluss zu nehmen, verstehen aber offensichtlich nicht, dass sie sich dadurch ihre unternehmerische Freiheit “nachhaltig” rauben lassen.

Erstmals erschienen auf Tichys Einblick.

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Apotheken, Hotels, Taxi-Unternehmen – die Liste der Branchen, die sich mit Hilfe staatlicher Eingriffe gegen Wettbewerb schützen, wird immer länger. Und mit jedem Eingriff entfernen wir uns weiter von einer der wichtigsten Ideen der Sozialen Marktwirtschaft: alle haben ein Recht auf Wohlstand.

Verbraucherschutz? Von wegen: Lobbyismus!

Es verging nur eine Schamfrist von einer Woche nachdem der Europäische Gerichtshof die Preisbindung von rezeptpflichtigen Medikamenten gekippt hatte. Dann brachte Gesundheitsminister Gröhe auch schon ein Verbot von Versandapotheken auf den Tisch. In vielen deutschen Städten wird diskutiert, die Vermietung der eigenen Wohnung über Anbieter wie Airbnb zu verbieten. In Berlin gibt es solch ein Verbot bereits: Bis zu 100.000 Euro Strafe können hier fällig werden, wenn man seine Wohnung temporär vermietet. Im März vergangenen Jahres wurde UberPop verboten, eine Art innerstädtische Mitfahrgelegenheit.

Irgendwelche hübschen Rechtfertigungen lassen sich immer finden, mit denen man die Bürger überzeugen kann, wie sinnvoll solche Maßnahmen seien: Der Apotheken-Versandhandel gefährde die flächendeckende Versorgung durch reale Apotheken. Wohnungsvermittler führen angeblich zu Wohnungsknappheit und steigenden Mieten, weil sie Wohnraum für Ferienwohnungen „zweckentfremden“. Und wenn Privatleute innerstädtische Personenbeförderung betreiben, sei nicht ausreichend Schutz und Sicherheit für die Mitfahrer gewährleistet. In den allermeisten Fällen sind diese Argumente nur Deko. Hauptsächlich geht es darum, bestehende Geschäftszweige und Anbieter vor unangenehmer Konkurrenz zu schützen.

Konsumenten und Angestellte sind die Verlierer

Während ausländische Konkurrenz durch Zölle und Importquoten in Schach gehalten wird, nutzen Politiker innerhalb eines Landes Regulierungen, Verbote, Subventionen, Strafen und Steuern, um etablierte Anbieter vor Neuankömmlingen in Schutz zu nehmen. Dabei geht es sicherlich nicht um die Kunden, denn die bezahlen aufgrund dieser staatlichen Sonderbehandlung höhere Preise. Oft geht es aber auch nicht einmal um diejenigen, die angeblich geschützt werden sollen. Beispiel Kohleabbau: Über fünfzig Jahre hinweg wurde dieser längst hoch unrentable Wirtschaftszweig durch Subventionen künstlich am Leben erhalten. Alle Bewohner Deutschlands haben das gleich doppelt mitbezahlt – durch ihre Steuern, mit denen die Subventionen finanziert wurden, und durch höhere Energiepreise.

Doch was ist mit den Kohlekumpeln? Ja, deren Arbeitsplätze waren vorübergehend gesichert – auf Abruf. Oder um es etwas anschaulicher zu formulieren: Sie konnten noch weitere Jahrzehnte ihre Gesundheit unter Tage ruinieren. Und noch ihre Kinder fanden einen Arbeitsplatz in einem Sektor, der längst schon dem Untergang geweiht war. Anstatt etwas Neues zu lernen und sich den Gegebenheiten anzupassen, wurden zehntausende von jungen Menschen einer Zombie-Wirtschaft zugeführt, um dann schließlich in die Arbeitslosigkeit gedrängt zu werden. Zugleich wurde dadurch verhindert, dass Innovation stattfindet, um möglicherweise erheblich sauberere Energieformen zu finden und neue Arbeitsmöglichkeiten zu erschaffen.

Alle bezahlen die Privilegien von wenigen

Was hat das nun alles mit Apothekern, Taxifahrern und Hoteliers zu tun? Wir begegnen hier demselben Phänomen. Einige wenige Anbieter werden vor Veränderung und Anpassung geschützt. Zumindest eine Zeit lang – denn es ist schon sehr deutlich absehbar, dass auch ihre Gewerbezweige früher oder später von der Innovation überrollt oder zumindest erheblich zurechtgestutzt werden. Wie die Kohle. Während nun diese paar fragilen Privilegien nur einer ziemlichen kleinen Gruppe zugutekommen, bezahlen alle anderen den Preis: Kunden, die nur noch ein eingeschränktes Angebot wahrnehmen können – und das auch nur zu überteuerten Preisen. Potentielle Anbieter, denen es verboten wird, ihre Ressourcen und Fähigkeiten anderen zur Verfügung zu stellen und somit für alle Beteiligten nutzbringend einzusetzen. Und auch die derzeitigen Angestellten der geschützten Firmen, denen Sicherheit und Perspektive vorgegaukelt werden.

Die einen reden von Miet-Haien und profitgierigen Konzernen. Man kann die Geschichte auch anders erzählen: Man kann von den Studenten berichten, die sich dank der Kombination aus Semesterferien und Airbnb etliche Wochenstunden Kellnern ersparen kann. Oder von der Kassiererin, die für sich und ihre Tochter einen gemeinsamen Urlaub finanzieren kann, weil sie nebenbei für UberPop fährt. Man kann auch auf das Rentnerehepaar hinweisen, das seine hohen Ausgaben für Medikamente durch die Rabatte beim Versandhandel etwas reduzieren kann. Das sind die Wohltaten, die durch den Schutz bestehender Anbieter verhindert werden.

Der neue Feudalismus bedroht die Soziale Marktwirtschaft

Wohlstand für alle wollten Ludwig Erhard und seine Mitstreiter im Nachkriegsdeutschland ermöglichen. Die alte Zeit des deutschen Kaiserreichs und der Weimarer Republik steckte ihnen noch in den Knochen. Damals hatten sich viele Unternehmen mit eifrigem Zutun des Staates zu Kartellen zusammengeschlossen, um die eigenen Gewinne zu maximieren – im Zweifel auch immer auf Kosten der Käufer und Konsumenten. Dazu sollte es nie wieder kommen. Walter Eucken, wohl der wichtigste Vordenker der Sozialen Marktwirtschaft, nannte diese Wirtschaftsform sehr treffend „neufeudal“, weil sie die Interessen einiger kleiner Gruppen auf Kosten der Allgemeinheit schützt.

Wir erleben derzeit ein beständiges Wachstum von Wirtschaftsformen, die es vielen Menschen auf unkomplizierte Weise ermöglichen, als Anbieter wie als Kunden ihre eigene Situation zu verbessern. Simultan wächst leider auch auf der Gegenseite der Druck, diese Menschen aus dem Markt herauszuhalten. Das gilt auf internationaler Ebene mit dem wachsenden Protektionismus ebenso wie innerhalb der einzelnen Länder mit restriktiven Maßnahmen gegenüber den verschiedenen Angeboten der sharing economy und der disruptiven Technologien. Auch in Deutschland verspielen wir damit das Erbe der Sozialen Marktwirtschaft, deren Ziel es war, Wohlstand für alle zu ermöglichen.

Photo: Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0 DE)

Mario Draghis Zinsvernichtungspolitik verhindert derzeit die Insolvenz von Staaten und Banken in Europa. Um diesen Zustand zu konservieren, muss der Italiener immer stärker in das Preissystem der Marktwirtschaft eingreifen. Der Ökonom Ludwig von Mises bezeichnete diese Entwicklung als Interventionsspirale. Je größer der Eingriff ist, desto umfangreicher sind die Kollateralschäden, auf die dann mit neuen, noch größeren Interventionen reagiert wird. Einer dieser Kollateralschäden ist die Enteignung der Sparer, die in Anleihen und Lebensversicherungen investieren. Sie werden kalt enteignet. Ein weiterer ist die Entstehung von Blasen an den Immobilien- und Aktienmärkten, die Mondpreise erzeugen, die bei Lichte betrachtet, nur heiße Luft sind.

Der wachsende Protektionismus ist ein weiterer Kollateralschaden. Wenn Notenbanken den Wert ihrer Währung manipulieren, um für „ihre“ Exportindustrie Wettbewerbsvorteile zu erzielen, ist das letztlich nichts anderes als eine Subvention. Manipulieren Sie den Kapitalmarktzins, dann erleichtern sie die Finanzierungsfähigkeit „ihrer“ Unternehmen. Übernahmen von Wettbewerbern oder Zukäufe sind so leichter möglich.

Die Gegenreaktionen der betroffenen Staaten sind meist Handelsbeschränkungen bis hin zu Investitionsbeschränkungen ausländischer Unternehmen. Auch bei uns droht dies nun. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel bereitet gerade ein Gesetz zur Investitionsprüfung vor, das Übernahmen ausländischer Investoren an deutschen Unternehmen unter Zustimmungsvorbehalt der Regierung stellt. Es wäre einer der größten Eingriffe ins Eigentum und in die Vertragsfreiheit seit langem. Er wird mit der Gegenseitigkeit begründet. Andere Länder machten das schließlich auch. Das stimmt zwar, hilft den Eigentümern hierzulande aber wenig. Sie werden in ihrem Handeln beschränkt.

Gabriel trifft mit seinem Vorschlag eine Grundstimmung, die sich in den Vorstandsetagen der DAX-Konzerne ebenfalls etabliert. Sie fürchten um ihre eigenen Jobs, daher wollen sie das alte Modell der „Deutschland AG“ aus dem letzten Jahrhundert wiederbeleben. Unliebsame Übernahmen aus dem Ausland sollen verhindern werden, indem die großen Unternehmen Überkreuzbeteiligungen eingehen und sich damit gegenseitig gehören. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) ist vorne mit dabei und koordiniert bereits das Vorgehen.

Aufgeschreckt wurden sie durch die Übernahmen des Roboterherstellers Kuka und jüngst auch durch den Verkauf des Aachener Spezialmaschinenbauers Aixtron an chinesische Investoren. Vom Ausverkauf von deutschem Know-How ist dabei die Rede, als ob dieses Know-how der Bundesregierung, den DAX-Konzernen oder allen Deutschen gehören würde.

Wären beide Unternehmen derart wichtig für die deutsche Industrie oder einzelne Unternehmen in Deutschland, hätten sich wohl auch andere Investoren gemeldet. Beides ist aber nicht geschehen oder die Angebote waren zu schlecht. Es gibt keine zwingende Logik für diese Entwicklung. Daher gilt: wehret den Anfängen, insbesondere dann, wenn plötzlich Argumente angeführt werden, die dem Investitionsstandort Deutschland und seinen Menschen schaden.

Natürlich wollen Investoren das Know-How des zu übernehmenden Unternehmens nutzen. Es ist ein wesentlicher Grund, wieso Übernahmen überhaupt stattfinden. Der deutsche Chemieriese Bayer wird den amerikanischen Agrarkonzern Monsanto nicht nur deshalb übernehmen wollen, weil deren Hauptsitz St. Louis im US-Bundesstaat Missouri so eine schöne Stadt ist und sich daher für eine Dienstreise des Bayer-Vorstandes besonders gut eignet. Der Bayer-Konzern will selbstverständlich auch das Wissen Monsantos nutzen und dadurch Wettbewerbsvorteile generieren. Daran ist nichts Verwerfliches. Problematisch ist jedoch, wenn der deutsche Wirtschaftsminister die Investitionsfreiheit und das Eigentum beschränkt und die führende Industrievertreter sich zum gegenseitigen Kartell verabreden. Ludwig Erhard würde sich in beiden Fällen im Grabe umdrehen. Beides hat Erhard Zeit seines Lebens bekämpft.

Die Entwicklung führt weg von der Marktwirtschaft und führt zu einer immer stärkeren „Verkumpelung“ von Regierung, Großindustrie und Banken. Es fördert eine Kungelwirtschaft, die nicht auf Befehl der Konsumenten wirtschaftet, sondern auf Befehl der Bürokraten. Wer weit weg ist von den Mächtigen, bleibt auf der Strecke oder schließt sich zu größeren Einheiten zusammen, um ebenfalls den Mächtigen nahe zu sein. Abschottung und Diskriminierung von ausländischen Investoren ist daher höchst problematisch.

Man muss dabei nicht nur die hohe Exportorientierung der deutschen Volkswirtschaft anführen, sondern kann generell die Freihandelsidee ins Feld führen. Nichts hat dem Wohlstand in Deutschland, in Europa und in der Welt so sehr gedient wie der Freihandel. Dafür im eigenen Land, in Europa und in der Welt zu kämpfen, wäre der eigentliche Auftrag eines wahren Nachfolgers Ludwig Erhards.

Erstmals erschienen auf Tichys Einblick am 20. Oktober 2016.