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 Photo: Netflix

Die Sehgewohnheiten der Bürger ändern sich derzeit radikal. Die Zeiten, als die ganze Familie am Sonntag erst die Tagesschau und anschließend den Tatort sahen, sind vorbei. Gemeinsame Fernsehabende finden heute vielleicht noch statt, um die nächste Folge der Serie „Designated Survivor“ zu sehen, weil die Familie wissen will, wie die Verschwörung gegen den US-Präsidenten Tom Kirkman, alias Kiefer Sutherland, weitergeht. Wann dies der Fall ist, entscheiden die Nutzer beim Streamingdienst Netflix selbst. Auch bei den Wettbewerbern Amazon Prime und Maxdome laufen Blockbuster-Serien, die an schauspielerischer Qualität und finanziellem Aufwand, den klassischen Serien der öffentlich-rechtlichen Sender um Lichtjahre voraus sind. Auch die Erfolge von YouTube-Kanälen vollziehen sich in einer fast schon unfassbaren Geschwindigkeit. Weltweit finden täglich eine Milliarde Aufrufe statt, davon mehr als die Hälfte über Mobilgeräte.

Die Veränderung der Sehgewohnheiten hat natürlich sehr viel mit der digitalen Revolution zu tun. Datenmengen können viel schneller und und in viel größerem Umfang übertragen werden. Sie machen das klassische Endgerät, den Fernseher, nicht mehr zum ausschließlichen Abspielgerät, sondern nur noch zu einem unter vielen. Der Laptop, das Smartphone oder das Tablet ersetzen den Fernseher immer mehr. Letztlich entscheiden nicht mehr die Programmdirektoren bei ARD und ZDF darüber, wann eine Sendung gezeigt wird, sondern die Nutzer schlüpfen in diese Rolle und sehen eine Sendung, wenn sie dafür Zeit und Muße haben.

Doch die persönlichen und statistischen Marktuntersuchungen sind eigentlich nicht notwendig, um den Wandel im Medienverhalten der Bürger zu beurteilen. Dafür reicht es, wenn man die Regulierungsversuche der Politik betrachtet. So hat jetzt das EU-Parlament eine Mindestquote von 30 Prozent für europäische Filmproduktionen für Streamingdienste verlangt. Man befürchtet einen Überhang amerikanischer Produktionen zulasten der europäischen Filmindustrie. Das erinnert sehr stark an politische Vorstöße im eigenen Land, Mindestquoten für deutschsprachige Musik im Radio zu verlangen.

Dahinter steckt eine Industriepolitik, die durch Quoten heimische Industrien schützen will. Quoten sind Ruhekissen, sie schützen nicht, sondern machen Industrien träge und faul. Aber nicht nur das. Dieser Vorschlag ist auch ein Ausdruck des Nanny-Staates. Wer nicht europäische Filme als Konsument nachfragt oder deutsches Liedgut im Radio hören will, der wird dazu genötigt. Nicht der Konsument entscheidet darüber, was gespielt und angeboten wird, sondern fürsorgliche Politiker, Parlamente und Regierungen.

Die Landesmedienanstalt in NRW will jetzt bestimmte YouTube-Kanäle regulieren und verlangt von diesen Kanälen eine eigene Rundfunklizenz. Die audiovisuellen Medien seien grundsätzlich gleich zu behandeln. Für Plattformen im Netz gälten dieselben Grundsätze wie für andere Medienunternehmen, wird der Vorstoß begründet. Das wäre neben einer Europa-Quote für Streamingdienste der nächste massive Eingriff in Freiheit des Nutzers. Gelingt der Politik, YouTube unter das jeweilige Landesmedienrecht zu stellen, würde eine Branche, die auch in Deutschland dynamisch wächst und in der sich viele StartUps bewegen, in ihren Freiheiten massiv eingeschränkt. Ob sich Deutschland überhaupt durch diese Regulierung abkoppeln kann, wenn YouTube-Produktionen überall auf der Welt hergestellt werden können, sei zudem dahingestellt. Mehr staatlichen Irrweg kann es nicht geben.

Photo: Dean Hochman from flickr (CC BY 2.0)

Von Dr. Alexander Fink, Universität Leipzig, Senior Fellow des IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues, Kalle Kappner, Promotionsstudent an der Humboldt-Universität zu Berlin, Research Fellow bei IREF, Fackelträger von Prometheus und Fabian Kurz, Student der Volkswirtschaftslehre, ehemaliger Praktikant bei Prometheus.

Die Europäische Zentralbank hat das Ziel, in der Eurozone eine Inflationsrate von jährlich 2 % herbeizuführen. Obwohl sie dieses Ziel in den letzten Jahren deutlich nach unten verfehlte, überrascht es nicht, dass die nominellen Preise von Konsumgütern über die Zeit steigen. Allerdings misst die Inflationsrate den Preisanstieg eines repräsentativen Warenkorbs und die Preise der darin enthaltenen Güter und Dienstleistungen entwickelten sich über die vergangenen 25 Jahre sehr unterschiedlich.

So fiel beispielsweise der Preis der Nachrichtenübermittlung relativ zu den Preisen der übrigen Güter um etwa 60 %, während der relative Preis von Bildungsdienstleistungen um etwa 45 % stieg. Diese beiden Beispiele passen ins Muster. Tendenziell stiegen die relativen Preise in Branchen, die der Staat durch seine eigenständige Bereitstellung von Leistungen oder spezifische Regulierungen dominierte. Die relativen Preise fielen hingegen tendenziell in Branchen, in denen der Staat eher wenig Einfluss nahm oder seine Aktivitäten zurückbaute.

Ein Index, viele Preise und unterschiedliche Preisentwicklungen

Das Statistische Bundesamt berechnet regelmäßig, wie sich die Preise in Deutschland verändert haben. Der sogenannte Verbraucherpreisindex misst, wie sich die Preise für einen Warenkorb einer Vielzahl von Gütern und Dienstleistungen, die ein repräsentativer Verbraucher konsumiert, entwickeln.

Von 1992 bis 2016 stiegen in Deutschland die Preise für den vom Statistischen Bundesamt als repräsentativ identifizierten Warenkorb um ca. 45 %. Das entspricht einer durchschnittlichen Inflationsrate von etwa 1,6 %.

Allerdings entwickelten sich die Preise der in den Warenkorb aufgenommen Güter und Dienstleistungen bisweilen sehr unterschiedlich. Das Statistische Bundesamt gliedert den Warenkorb in zwölf Abteilungen und stellt Preisdaten für jede dieser Warengruppen bereit.

Verbraucherpreisindex_Preisentwicklung_verschiedene Güter__relative preise

Hier dargestellt sind die Preise für die zwölf Warengruppen relativ zur Entwicklung des Verbraucherpreisindex. Daraus wird ersichtlich, um wie viel teurer oder günstiger Warengruppen relativ zum gesamten Warenkorb über die Zeit wurden. So sind die Preise im Bildungswesen um etwa 45 % stärker gestiegen als die Preise im Durchschnitt über alle Warengruppen hinweg. Der relative Preis für alkoholische Getränke und Tabakwaren nahm um etwa 30 % zu.

Die Preise für die Nachrichtenübermittlung gingen hingegen relativ zum Preis für den repräsentativen Warenkorb um etwa 60 % zurück. Ebenfalls deutlich − um etwa 20 % − sank der relative Preis für „Freizeit, Unterhaltung und Kultur“. Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke sind im Zeitverlauf ebenfalls etwas günstiger geworden – um etwa 5 %.

 Weniger Staat, niedrigere relative Preise

Es zeichnet sich ein Muster ab: Relativ günstiger sind vor allem die Güter und Dienstleistungen geworden, deren Anbieter miteinander in intensivem Wettbewerb um die Gunst von Kunden stehen. Wettbewerb sorgt für fallende Preise und Qualitätssteigerungen. Relativ teurer geworden sind dagegen vorwiegend jene Güter und Dienstleistungen, deren Märkte durch staatliche Eingriffe geprägt sind – durch wettbewerbshemmende Regulierung, hohe Besteuerung oder die Bereitstellung der Leistungen durch den Staat selbst.

Beispiel Kommunikation

Nach dem relativen Preisrückgang für Nachrichtenübermittlungen seit 1992 um ca. 60 % ist es heute sogar nominell günstiger als je zuvor, mit anderen Menschen zu kommunizieren − auch auf sehr weite Entfernungen. Im Mobilfunksektor gibt es seit Jahrzehnten einen starken Wettbewerb um Kunden und durch ihn induzierte fallende Preise. Bahnbrechende Innovationen und stetige Qualitätsverbesserungen haben die Kommunikation mit anderen Menschen zudem deutlich vereinfacht. Das gute alte Fax wurde von der E-Mail abgelöst. Grüße aus dem Auslandssemester werden nicht mehr von der Bundespost zugestellt. Via Internet kann heute ein jeder mit seinen Nächsten skypen.

Beispiel Bildung

Anders als in der Telekommunikation ist der Einfluss des Staates auf die Bereitstellung der relativ deutlich teurer gewordenen Bildungsdienstleistungen allgegenwärtig. Bildungsangebote werden in Deutschland entweder staatlich bereitgestellt oder im hohen Maße vom Staat reguliert.

Insbesondere der relative Preis für Leistungen im tertiären Bildungsbereich (Universitäten, Fachhochschulen, Berufsakademien) stieg über die vergangenen 25 Jahre. Hier lag die Preissteigerung relativ zum Konsumentenpreisindex bei über 100%.

Politiker aller Parteien schreiben sich regelmäßig das Ziel besserer Bildung auf die Fahnen. Die Ausgaben für Bildung und Forschung im Verhältnis zu den Gesamtausgaben des Staates sind in den letzten Jahren jedoch relativ konstant geblieben. Hauptproblem scheinen nicht fehlende Investitionen in Bildung zu sein, sondern eine niedrige Qualität der Leistungen relativ zu den Kosten der bereitgestellten Bildung.

Die vermehrte Bereitstellung von Bildungsdienstleistungen durch private Anbieter könnte dazu beitragen, die relativen Preise von Bildungsleistungen zu senken und die Qualität zu steigern. Eine Möglichkeit, privaten Anbietern den Marktzutritt zu erleichtern und damit für Schüler, Eltern und Studenten mehr Wahlmöglichkeiten auf den verschiedenen Bildungsmärkten zu schaffen, wäre die Einführung von Bildungsgutscheinen. Sie würden die Finanzierung von der Bereitstellung von Bildungsleistungen trennen. Finanziert würde der Konsum von Bildungsleistungen weiterhin aus Steuermitteln, aber der Staat würde die Leistungen nicht mehr notwendigerweise bereitstellen.

Auch Steuern beeinflussen Preise für Endverbraucher

Mangelnder Wettbewerb ist nicht der einzige Grund für steigende Preise. Steuern und Abgaben verteuern Kraftstoffe, obwohl es Hinweise darauf gibt, dass es auf den Märkten für Öl und Benzin der Wettbewerb intensiv ist.  Vom Preis  jeder morgendlichen Tasse Kaffee gehen rund 28% direkt an den Fiskus. So trägt der schwarze Kaffee zur schwarzen Null bei. Ein ähnliches Bild zeigt sich beim Strompreis. Maßgeblicher Preistreiber sind die steigenden Abgaben für Ökoenergie.

Auch bei Alkohol und Tabakwaren, deren relativer Preis seit 1992 um ca. 30 % stieg, fällt auf, dass es sich um Produkte handelt, die nicht nur stark reguliert, sondern auch hoch besteuert werden.

Wettbewerb zwischen Unternehmen schützt Konsumenten

Die in den letzten 25 Jahren bei jährlich durchschnittlich 1,6 % liegende Inflationsrate ist moderat, doch sie verdeckt, dass die Preise für einige Güter und Dienstleistungen im gleichen Zeitraum weitaus stärker gestiegen sind. Es ist kein Zufall, dass es sich dabei um Wirtschaftsbereiche handelt, in denen staatliche Eingriffe besonders stark ausgeprägt sind. Geringer fielen die Preisanstiege dagegen tendenziell für jene Güter und Dienstleistungen aus, die seit langem durch private Unternehmen bereitgestellt werden können oder – wie im Fall der Kommunikationsdienstleistungen – in jüngster Zeit dereguliert und privatisiert wurden.

Wettbewerbshemmende Regulierungen, Staatsbeteiligungen und Steuern mögen ausgewählten Interessengruppen nützen und bei Zeiten politischen Zielen dienen. Doch gesamtgesellschaftlich sind sie kostspielig. Werden neue Anbieter vom Markteintritt abgehalten, werden Ressourcen vergeudet, weil überlegene Produktionsmethoden nicht zum Einsatz kommen und die Einführung neuer Produkte verhindert wird. „Wettbewerb belebt das Geschäft“ – ein Blick auf die Verbraucherpreisdaten zeigt, dass der Volksmund dieses Mal Recht behält.

Erstmals erschienen bei IREF.

Photo: David van der Mark from Flickr (CC BY-SA 2.0)

Fasten ist beliebt. Für die einen hat es religiöse Gründe, daher kommt das Fasten in unterschiedlicher Form in allen Weltreligionen vor. Christen, Juden und Muslime tun es. Für die anderen hat es nichts mit Religion zu tun, sondern ist die Verklausulierung einer Diät. Etwas weniger Wein und Kohlehydrate und schon sind nach sechs Wochen die Kilos weg. Eine neue Kategorie des Fastens haben jetzt SPD-Umweltministerin Barbara Hendricks und die Grünen vorgeschlagen: Auto-Fasten.

Hendricks Umweltbundesamt sekundiert, zwischen Aschermittwoch und Ostern sollten Autofahrer ihren Wagen möglichst die vollen 40 Tage lang stehen lassen und stattdessen auf andere Verkehrsmittel umsteigen. Der Vorstoß der Paternalisten und Maternalisten passt zum beliebten Bashing gegen den Individualverkehr. Jüngst haben die Grünen vorgeschlagen, ab 2030 Diesel- und Benzinmotoren generell zu verbieten. Parteichefin Simone Peters meinte dazu, der Verbrennungsmotor sei ein Auslaufmodell. Fritz Kuhn, grüner Oberbürgermeister in der Autohauptstadt Stuttgart, will bereits jetzt Dieselfahrzeuge aus der Innenstadt verdrängen. Schöne Grüße an die Daimler-Arbeiter in Stuttgart-Degerloch.

Es braucht keinen Donald Trump, der durch Abschottung und Zölle den Welthandel vor die Wand fährt. Es reichen schon eine deutsche Umweltministerin und grüne Gesellschaftsklempner, um die heimische Autoindustrie und ihre Millionen Arbeitsplätze infrage zu stellen. Das ist beileibe nicht witzig. Diese Umerziehungversuche sind eine ernste Gefahr für unseren Wohlstand und sogar unsere freiheitliche Wirtschaftsverfassung.

Wer mit dem Ordnungsrecht ganze Industrien vernichten will, greift tief in unsere Gesellschaftsordnung ein. Diese beruht, bei allen Einschränkungen und Restriktionen, auf Vertragsfreiheit und Marktwirtschaft. Jeder Eingriff des Staates muss daher verhältnismäßig sein. Gesetze sollten nicht in den Einzelfall eingreifen, sondern abstrakt, allgemein und für alle gleich sein.

Diese Paternalisten tragen auch zur Entwicklung dessen bei, was sie eigentlich bekämpfen – Ungleichheit. Diese ist durch die Regierung verursacht. Wer kann sich denn ein Elektroauto oder generell ein neues, dann schadstoffärmeres Auto leisten? Sind es die Verkäuferin oder der kleine Angestellte, die gerade über die Runden kommen? Die ihr zehn Jahre altes Auto so lange weiterfahren, bis es nicht mehr geht. Die darauf angewiesen sind, aus der Peripherie, wo sie sich eine günstige Wohnung leisten können, in das Ballungszentrum zu kommen, um dort zu arbeiten? Wohl kaum. Diese Markteingriffe der Regierung und der Grünen tun Wohlhabenden nicht besonders weh. Sie belasten den unteren Teil und die Mitte der Gesellschaft. Wo ist denn der Anspruch dieser Parteien, auch die Schwachen mitzunehmen und die Mitte der Gesellschaft am Wohlstand teilhaben zu lassen? Chancen werden dadurch nicht geschaffen, sondern zerstört.

Wer glaubt, das sei gerecht, hat sich über den Gerechtigkeitsbegriff nie wirklich Gedanken gemacht. Gerechtigkeit erfordert, dass die Bedingungen im Leben der Menschen, die von der Regierung bestimmt werden, für alle gleich sind. Die Konsequenz bedeutet, dass das Ergebnis zwangsläufig ungleich ist, da die Startbedingungen und Entwicklung jedes Einzelnen anders sind. Das gefällt den Sozialisten in allen Parteien nicht. Ihr Bestreben ist es deshalb zeitlebens, den Wohlfahrtsstaat als umfassende Umververteilungsmaschinerie auszubauen. Wenn die Regierung oder andere staatliche Vertreter jedoch Einzelne bevorzugen, sogar diejenigen, die wohlhabender als andere sind, dann führt diese zu einer Ungleichheit die größer ist, als wenn die Regierung nicht eingegriffen hätte. Sie erreichen das Gegenteil dessen, was sie eigentlich apostrophieren.

Vielleicht ist es der Wunsch nach einer besseren Welt, die Hendricks und andere antreibt. Das sei ihnen zugestanden. Doch wer eine bessere Welt in ferner Zukunft dadurch verspricht, dass es erstmal allen schlechter gehen muss, bevor es möglicherweise besser wird, verachtet letztlich den Einzelnen und seine Wünsche und Lebensziele. Es ist ein Konstruktivismus, der nur den großen Staat, die große Regierung und die großen Gesellschaftsziele kennt, aber den Einzelnen ganz klein werden lässt.

Erstmals erschienen bei Tichys Einblick.

Photo: Stewart Black from Flickr (CC BY 2.0)

Inflation ist Diebstahl. Das Perfide an ihr ist, dass der Dieb nicht direkt ins Haus einbricht und das teure Gemälde mitgehen lässt, sondern im fernen Frankfurt sitzt und Geld druckt. Der Staat ist daran schuld. Inflation hat ihre Ursache in der expansiven Geldpolitik der Notenbanken. In der Eurozone ist die Menge an Bargeld und Sichteinlagen (M1) in den letzten Jahren um über 10 Prozent pro Jahr gestiegen, wie auch die breitere Geldmenge (M3), die Kredite und andere Geldmengenaggregate berücksichtigt, im Durchschnitt pro Jahr um über 5 Prozent wuchs.

Wer die Möglichkeit hat, die Geldmenge zu bestimmen oder zu beeinflussen, schafft die Grundlage für Preissteigerungen. Bislang konnte sich Mario Draghi im EZB-Turm noch rausreden. Seine Zielmarke für die Inflation war lange Zeit weit unter den von ihm angestrebten zwei Prozent. Jetzt lag sie nach langer Zeit in Deutschland im Februar darüber – bei 2,2 Prozent. Die Grundlage hat die EZB seit vielen Monaten selbst geschaffen. Ihre Nullzinspolitik und ihr Schuldenaufkaufprogramm spülten Geld aus dem Nichts in die Märkte. Damit schuf sie die Basis für diesen Preisanstieg, der zuerst bei den Immobilien- und Aktienmärkten ankam und jetzt auch bei den Konsumgütern. Zwar definiert das Statistische Bundesamt die Inflation als „die durchschnittliche Preisentwicklung aller Waren und Dienstleistungen, die von privaten Haushalten für Konsumzwecke gekauft werden“, doch mit dieser Art von Statistik ist es so eine Sache.

Es gibt nicht den Durchschnittskonsumenten, die Durchschnittsfamilie oder den Durchschnittsstudenten. Jeder ist anders. Aber nicht nur das. Viel entscheidender ist die Tatsache, dass die Geldmengenveränderung nicht alle zum gleichen Zeitpunkt erreicht, sondern einige früher und einige später. Deshalb ist jeder Veränderung durch die Geldpolitik der Notenbanken ein Eingriff in das Handeln einzelner und das hat Folgen für Sparer, Investoren, Steuerzahler, Konsumenten, Unternehmer, Politiker, Rentner, Schüler und Studenten, Banker, Arbeitnehmer, Beamte und alle anderen am Gesellschaftsleben Beteiligten.

Dieser Sachverhalt ist nicht neu. Bereits der irische Ökonom Richard Cantillon (1680-1734) untersuchte die Folgen einer Veränderung der Geldmenge für die Marktteilnehmer. Cantillon beschreibt, welche Auswirkungen eine Geldmengenerhöhung auf die Geldhalter hat. Keineswegs ist dieser Vorgang – die Inflation – für alle Geldhalter gleichermaßen von Vorteil. Es profitieren besonders diejenigen, die das frische Geld zuerst erhalten. Insbesondere der Staat und die Geschäftsbanken ziehen den Nutzen aus der Geldmengenerhöhung, zu Lasten der Bürger. Heute gilt das immer noch. Finanzminister Schäuble muss fast keine Zinsen mehr für seine Schulden bezahlen und marode Banken können sich immer noch über Wasser halten. Cantillon lebte in Zeiten des Goldstandards, in der die Geldschöpfung nur durch eine stärkere Förderung von Gold in Goldminen oder durch Entdeckung und Raub von Gold möglich war. Heute ist die fast unbegrenzte Geldschöpfung durch Kreditvergabe der Banken aus dem Nichts möglich.

Was vielfach nicht beachtet wird, ist, dass dadurch eine schleichende Umverteilung von arm zu reich stattfindet. Diejenigen, die in den letzten Jahren in Vermögenswerte wie Aktien und Immobilien investieren konnten, haben tendenziell profitiert. Diejenigen, die das nicht konnten, müssen jetzt mit steigenden Preisen bei den Konsumgütern dafür bezahlen. Draghis Eingriff in den Preismechanismus unserer Marktwirtschaft enteignet die kleinen Sparer und läßt dem normalen Konsumenten immer weniger von seinem Einkommen. Leider ist Draghi kein Einzeltäter. Die Geschichte staatlichen Umgangs mit Geld ist bekanntlich eine Geschichte von unablässigem Lug und Trug.

Erstmals erschienen bei Tichys Einblick.

Photo: Navy MedIcIne from Flickr (CC 0)

Der Kanzlerkandidat der SPD, Martin Schulz, hat in diesen Tagen eine Revision der Agenda 2010 für seine Partei angekündigt. In Bielefeld sagte er dazu: „Auch wir haben Fehler gemacht“. Soviel Ehrlichkeit kommt an. Konkret schlägt Schulz unter anderem vor, die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes zu verlängern und befristete Arbeitsverträge einzudämmen. Er streichelt mit solchen Forderungen die sozialdemokratische Seele. Für den schlichten Betrachter scheint die neue Agenda 2017 des Martin Schulz attraktiv. Auch die sozialistische Regierung in Frankreich schlägt diese Töne an. Bei seinem Besuch in Deutschland hat der französische Staatssekretär für Wirtschaftsfragen, Christophe Sirugue, kürzlich vorgeschlagen, Deutschland und Frankreich mögen gemeinsam gegen Übernahmen heimischer Unternehmen vorgehen und diese im Zweifel untersagen. Auf Zollschranken solle man mit Zollschranken antworten. Und er schlägt vor, Roboter in Unternehmen zu besteuern, um Arbeitsplätze zu retten. Was Schulz und seinen französischen Parteifreund eint, ist die Unkenntnis oder die Vernachlässigung der Folgen ihrer Forderungen.

Der französische Ökonom Frédéric Bastiat hat dies Phänomen im frühen 19. Jahrhundert mit der treffenden Formulierung „Was man sieht und was man nicht sieht“ beschrieben. Von der Wirkung dieser Maßnahmen sei nur die erste direkt, sie zeige sich gleichzeitig mit ihrer Ursache: man sieht sie. Die anderen entwickeln sich erst nach und nach: man sieht sie nicht. Bastiat wählt zur Veranschaulichung seiner Überlegungen das Beispiel einer zerbrochenen Scheibe. Er fragt: Was würde aus den Glasern, wenn man niemals Scheiben zerschlüge? Durch zerbrochene Fenster haben die Glaser mehr Arbeit und damit mehr Einkommen. Die positive Wirkung für die Glaser sei, so Bastiat, sofort sichtbar. Was man dagegen nicht sieht, ist, dass derjenige, der die Scheibe ersetzen muss, mit seinem Geld auch eine alternative Verwendungsmöglichkeit gehabt hätte, wäre die Scheibe nicht zerbrochen. Vielleicht hätte er sich, anstatt seine abgelaufenen Schuhe weiter tragen zu müssen, neue Schuhe kaufen können. Wäre die Scheibe heil geblieben, hätte er eine Scheibe und neue Schuhe besessen. Zerstörung führt daher zu keinem Wohlstand.

So ist es auch bei Schulz und seinem französischen Parteifreund. Wenn die SPD in einer Regierung die Dauer des Arbeitslosengeldes erhöht, dann hilft das dem Einzelnen, der gerade entlassen wurde. Das ist die Wirkung, die man sieht. Die andere ist diejenige, die man nicht sieht oder sehen will: Konzerne werden die Verlängerung für Frühverrentungsprogramme nutzen und ältere Arbeitnehmer zu Lasten der Arbeitslosenversicherung in den Vorruhestand schicken. Die Ausgaben der Arbeitslosenversicherung steigen so an, und anschließend müssen das alle Arbeitnehmer und die kleinen und mittleren Unternehmen bezahlen.

Die Befristung von Arbeitsverträgen zu beschränken, hilft dem Einzelnen, der gerade in solch einem Arbeitsverhältnis beschäftigt ist und noch nicht gekündigt wurde. Das ist die Wirkung, die man sieht. Die andere ist diejenige, dass Spitzen in der Auftragslage von Unternehmen nicht mehr flexibel aufgefangen werden können. Die Unternehmen müssen sich dann etwas anderes einfallen lassen. Vielleicht verlagern sie ihre Produktion ins Ausland, vielleicht müssen die verbliebenen Mitarbeiter mehr Überstunden machen, oder vielleicht können die Unternehmen den Auftrag gar nicht mehr bedienen.

Und die Besteuerung von Robotern macht die Automatisierung in der Industrie teurer und damit personalintensive Produktion relativ gesehen preiswerter. Arbeitsplätze werden erst einmal gesichert. Das ist das was man sieht. Was man nicht sieht, ist, dass Unternehmen ihre Wettbewerbsfähigkeit verlieren und im schlimmsten Fall ganz vom Markt verschwinden oder wiederum ihre Produktion in andere Länder ohne Robotersteuer verlagern. Und auch den Zollschranken des einen mit Zollschranken des anderen zu antworten ist falsch. Bastiat schrieb 1846 in einer Glosse über die Forderung der Kerzenmacher, die in einer Petition den Schutz vor der Konkurrenz der Sonne forderten. Die Kerzenmacher appellieren an das Parlament: „Verfahren Sie logisch, denn wenn Sie schon Steinkohle, Eisen, Getreide und ausländisches Gewerbe ausschließen, …, wie konsequent würde es da sein, den ganzen Tag lang das Sonnenlicht zuzulassen…“

Dieser Beitrag erschien zuerst in der Fuldaer Zeitung am 25. Februar 2017.