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Photo: Gage Skidmore from Flickr (CC BY-SA 2.0)

Deutsche halten Amerikaner gerne für oberflächlich. Nach dem Motto: Amerikaner interessieren sich nicht für den Rest der Welt. Doch ist es bei uns wesentlich anders? Wenn in Deutschland über amerikanische Politik berichtet wird, dann wird ebenfalls sehr einseitig und klischeehaft berichtet: Die Republikaner sind rechts oder zumindest konservativ, und die Demokraten sind sozialdemokratisch bis liberal.

Deshalb ist auch in den deutschen Medien klar: Der anstehende Präsidentschaftswahlkampf ist eine Auseinandersetzung zwischen der „liberalen“ Hillary Clinton auf der einen Seite und einem Gegenkandidaten aus dem konservativen bis rechten Lager der Republikaner. Weltoffenheit und Toleranz gegen außenpolitische Falken und angegraute law-and-order-Männer.

Am Mittwoch letzter Woche hat der republikanische Präsidentschaftskandidat Senator Rand Paul aus Kentucky im US-Kongress mit einer über zehnstündigen Dauerrede (Filibuster) gegen die Vorratsdatenspeicherung gekämpft. Der Konflikt im amerikanischen Parlament drehte sich nicht um das „Ob“, sondern lediglich um das „Wie“ der Überwachung. Soll die umfassende Regelung des im Zuge der 9/11-Anschläge eingeführten Patriot Act durch einen etwas milderen Freedom Act ersetzt werden? Am Sonntagabend hat er dann mit einem Verfahrenstrick eine Entscheidung des Senats über die beiden Alternativen verhindert. Die Genehmigung, massenhaft und anlasslos Telefondaten zu sammeln, lief damit am Sonntag aus. Viele seiner Kollegen bei den Republikanern tobten. Aber für ihn war es ein Riesenerfolg – denn ihm ging es um die Sache, nicht um die Beliebtheit.

Rand Paul ist ein klarer Gegner dieser Überwachungsmethoden. Sie verstoßen nach seiner Auffassung gegen die Verfassung. Ist er jetzt ein Konservativer, weil er Mitglied der Republikanischen Partei ist? Ist Hillary Clinton eine Liberale, weil sie 2001 für den Patriot Act gestimmt hat und jetzt für die weichere Form der Vorratsdatenspeicherung ist? Nein, diese Muster passen nicht. Es ist genau umgekehrt. Rand Paul ist ein Liberaler und Hillary Clinton eine Konservative. Denn was unterscheidet Konservative von Liberalen? Es sind im Wesentlichen drei Merkmale.

Erstens fürchten Konservative die Veränderung und das Neue. Liberale setzten auf Mut und Zuversicht, ohne zu wissen wohin dies führt. Konservative wollen die Staatsgewalt einsetzen, um Veränderungen zu verhindern oder aufzuhalten. Der Konservative fühlt sich nur geborgen in einem starken Staat, der mit einer höheren Weisheit ausgestattet ist und die Veränderungen beobachtet, ordnet und steuert. Dahinter steckt das tiefe Misstrauen gegenüber dem Einzelnen. Um einen Dieb, Mörder oder dessen Schergen zu erwischen, müssen für den wahren Konservativen alle anderen in ihren Freiheitsrechten eingeschränkt werden. Der Zweck heiligt jedes Mittel. Das Ergebnis zählt.

Zweitens glaubt der Konservative an starke Autoritäten. Der Konservative von rechts unterscheidet sich vom Konservativen von links nur dadurch, dass es andere Autoritäten sind, die über uns bestimmen sollen. Beide arbeiten mit Angst. Es ist die Angst vor Veränderungen. Diese Veränderungen müssen durch Grenzen aller Art verhindert werden. Der Liberale dagegen handelt nach Prinzipien und allgemeinen Grundsätzen. Er setzt auf die Kraft der Ideen, die nicht deutsch oder amerikanisch sind, sondern universell. Auch dort gibt es Fehlentwicklungen und Entscheidungen, die sich später als falsch herausstellen. Auch dort gibt es Autoritäten, die über andere bestimmen wollen. Doch es gibt dieser nicht nur wenige, sondern viele. Und diese Vielheit einer Gesellschaft führt dazu, dass schlechte Menschen am wenigsten anrichten können.

Drittens haben Konservative den unbändigen Willen zur Macht um jeden Preis. Sie schrecken nicht vor Zwang und Willkür zurück, solange es dem übergeordneten Ziel nützt, das sie formulieren. Sie tolerieren niemanden neben sich, der andere moralische Ansichten hat. Sie wollen nicht an einer politischen Ordnung arbeiten, die andere Überzeugungen nebeneinander zulässt. Für einen Liberalen ist es unerheblich, welche persönlichen Wertmaßstäbe man selbst hat. Sie rechtfertigen nicht, anderen diese Wertmaßstäbe zu oktroyieren.

Der Unterschied zwischen dem Liberalen Rand Paul und der Konservativen Hillary Clinton ist, dass Clinton dem Ideal eines Primats der Politik folgt. Sie will über andere bestimmen, sie will den starken Staat und die absolute Macht. Rand Paul ist der Vertreter eines Primats von Recht und Freiheit. Er handelt prinzipiengebunden und im Glauben an die Herrschaft des Rechts. Mit seinem mutigen Einsatz gegen den Überwachungsstaat hatte er sicherlich nicht die Hoffnung, die Mehrheit im Senat umzustimmen. Er wollte jedoch die Alternative in ihrer Klarheit und Grundsätzlichkeit darstellen. Es ist die Alternative zwischen einer freien und einer geschlossenen Gesellschaft. Oder wie es Adam Smith einst formulierte: „Er wird nur dann Erfolg haben, wenn er sich nicht auf das beschränkt, was jetzt politisch möglich ist, sondern konsequent die allgemeinen Prinzipien verteidigt, die immer die selben sind.“

Aktualisierte Version eines Beitrags auf Tichys Einblick.

Photo: Hiltibold from Flickr (CC BY 2.0)

Die wesentliche, vielleicht sogar die ausschließlich Funktion des Geldes ist seine Tauschfunktion. Es wäre etwas schwierig, wenn man Schweinehälften gegen Brot oder einen Kasten Bier gegen Heizöl tauschen müsste. Der Tauschfunktion des Geldes widerspricht nicht, dass viele Menschen ihr Geld horten oder sparen. Auch sie wollen damit tauschen, eben nur nicht jetzt, sondern später. Ohne die Existenz von Geld könnte ein Kredit, der ein Schuldverhältnis begründet, auch nicht laufend getilgt werden. Schon gar nicht könnten mit Hilfe des Kredits Waren gekauft werden. Geld hat daher für eine Marktwirtschaft eine sehr wichtige Mittlerfunktion: sie ist ihr Schmiermittel. Das haben die Herrschenden sehr früh erkannt und für sich genutzt. Fürsten, Könige und Landesherren eigneten sich das Recht an, Münzen zu prägen. Durch die Reduzierung des Gold- und Silbergehalts manipulierten sie dann ihre Währung, wenn sie ihren Hof oder etwaige Kriege nicht über Steuern, Zölle und andere Abgaben finanzieren konnten. Sie inflationierten dadurch die Geldmenge und die Preise stiegen.

Die dezentrale Machtverteilung in Europa im Mittelalter und in der frühen Neuzeit schaffte jedoch einen Wettbewerb der Währungen, der für die Manipulation der Landesherren durch eine Verwässerung des Münzwertes natürliche Grenzen einzog. Übertrieb es ein Landesherr mit seiner Fälschung, nutzten die Bürger und Kaufleute einfach anderes Geld. Erst die Machtkonzentration im 19. und 20. Jahrhundert brachte die Staaten in die Lage, den Münzwettbewerb auszuschalten. Die Einführung des Papiergeldes ermöglichte es, nur durch ein Einlöseversprechen eine Deckung mit Gold oder Silber zu suggerieren. Da nicht alle Menschen dieses Einlöseversprechen jeden Tag ausprobierten, erlaubten die Regierenden den Banken, nur einen Teil des eingelegten Geldes vorzuhalten und einen größeren Rest zu verleihen. Diese Geldschöpfung hatte in der Begrenztheit der Goldmenge ihre Grenzen. Seit 1971 ist auch dieser letzte Anker nur noch Geschichte mit der Aufkündigung des Einlöseversprechens der USA für Dollar-Reserven anderer Notenbanken in Gold. Auch hier war ein Krieg, der in Vietnam, ausschlaggebend. Seitdem beruhen alle Währungen nicht mehr auf einer Goldbindung, sondern nur noch auf Vertrauen. Anders als im Mittelalter können Bürger ihr Geld nicht mehr einfach in anderes Geld tauschen, das einen höheren Gold- oder Silbergehalt hat. Kein Geld auf dieser Welt hat diesen inneren Wert noch.

Geblieben ist das Bargeld in Münzen und Scheinen. Für einige Wissenschaftler, Politiker und sogar für Staaten ist dies jedoch ein Relikt aus vergangenen Zeiten, so wie Gold- und Silber auch. Es sei zu teuer, es diene Korruption und Bestechung und sei anfällig für Fälschung und Manipulation. Daher haben viele Länder den Rückzug des Bargeldes eingeleitet. In Griechenland dürfen bereits seit 2011 Bargeldzahlungen nur noch bis 1500 Euro getätigt werden. In Italien wurde die Grenze auf 1000 Euro, in Spanien auf 2500 Euro und in Frankreich auf 3000 Euro reduziert. In Schweden wird seit langem ein komplettes Bargeldverbot diskutiert, und wer nach Norwegen in den Urlaub fährt, kommt gänzlich ohne Bargeld aus. Selbst in Deutschland kauft man einen neuen Fernseher meist nicht mehr mit Bargeld wie vor 30 Jahren, sondern unbar per Kreditkarte.

Eine bargeldlose Welt ist unendlich bequem. Sie ist bequem für den Nutzer, der nicht ständig zum Geldautomaten rennen muss. Sie ist bequem für den Handel, der abends nicht dauernd sein Bargeld zur Bank bringen muss. Sie ist bequem für die Banken, weil Sie ihr Bargeld nicht mehr in Tresore einsperren müssen und sogar negative Zinsen auf Spareinlagen erheben können.

Aber die bargeldlose Welt ist vor allem und besonders bequem für den Staat. Er kann Schwarzarbeit und Geldwäsche besser verfolgen, kann Kapitalerträge einfacher besteuern, die „Kapitalflucht“ verhindern und den Zahlungsverkehr besser überwachen: Wohin wir in den Urlaub fahren, welche Hotels wir bezahlen, ob es ein Doppelzimmer oder Einzelzimmer war und mit wem. Und wenn es mal argentinische, zypriotische oder bald auch griechische Verhältnisse geben sollte, in denen Banken einfach „Ferien“ machen, wenn die Regierung dies befielt. Ja, dann wird klar, was Bargeld in seinem ursprünglichen Sinne ist – der in Münzen geschlagene Teil unserer Freiheit.

Erstmals erschienen in der Fuldaer Zeitung am 23. Mai 2015.

Photo: Cannabis Culture from Flickr (CC BY 2.0)

Der Kern der Freiheitsidee ist das individuelle Eigentum. Und die Marktwirtschaft ist die Gesellschaftsordnung der individuellen Freiheit. Beides bedingt sich: Die Marktwirtschaft kann nicht ohne das individuelle Eigentum existieren und das individuelle Eigentum kann nur durch einen Ordnungsrahmen der Marktwirtschaft gesichert werden. Marktwirtschaft ist die Verteilung von Macht auf viele. Nicht der Einzelne bestimmt über viele, sondern die Vielen entscheiden in einer Marktwirtschaft für sich selbst, was sie kaufen, nutzen oder konsumieren. Die Marktwirtschaft ist aber noch viel mehr. Eine Marktwirtschaft ist ein non-zentralistisches Entdeckungsverfahren. Einige treffen die richtigen Entscheidungen, andere wiederum nicht. Die Fehler der Einzelnen betreffen nicht alle, sondern wenige. Dagegen müssen Fehler und falsche Entscheidungen in einer Planwirtschaft zentralistisch von vielen ausgebadet werden.

Dieser Eigentumsbegriff geht jedoch über Haus, Auto und Yacht hinaus. Das grundlegendste Eigentum ist der „Besitz“ an sich selbst. Es ist das ausschließliche Recht jedes Menschen, über seinen Körper frei von Zwangsmaßnahmen von außen zu bestimmen. Denn kein Mensch, keine Gruppe, keine noch so demokratisch gewählte Mehrheit und auch kein Staat haben das Recht, Menschen zu zwingen, auf eine bestimmte Art und Weise glücklich zu sein. Wenn eine menschliche Handlung, die keinen anderen beeinträchtigt, dennoch von einer Mehrheit oder einer von der Mehrheit legitimierten Regierung oder einem Parlament eingeschränkt oder sogar untersagt wird, dann ist die Freiheitsidee in ihrem Kern bedroht.

Dabei ist es völlig unerheblich, ob eine Entscheidung effizient für die Gesellschaft als Ganzes ist. Die Verfügungsgewalt über sich selbst, ist nicht einem höheren gesellschaftlichen Ziel geschenkt, sondern nur einem: Dem Wunsch des Einzelnen seinen eigenen Zielen und Glücksvorstellungen zu folgen.

In der Konsequenz heißt dies: solange jemand andere nicht schädigt oder in deren Eigentum eingreift, kann dieser mit seinem Eigentum machen was er will. Er kann sich sogar aus der Sicht der Mehrheit selbst schädigen. Seine Motive können von anderen, einer Gruppe, der Regierung oder dem Parlament als falsch interpretiert werden, dennoch haben diese kein Recht, über ihn zu bestimmen und in sein Eigentum einzugreifen.

Genau darum geht es auch in der aktuellen Diskussion um die Legalisierung oder die Entkriminalisierung des Cannabiskonsums. Jeder sollte es in eigener Verantwortung konsumieren dürfen, solange er nicht in das Selbsteigentum oder das Eigentum eines anderen eingreift. Nicht die „Volksgesundheit“ ist der Maßstab, sondern der Einzelne. Auch wenn eine Mehrheit in der Gesellschaft oder im Parlament das Rauchen von Tabak oder Cannabis für gesellschaftlich schädlich oder vielleicht sogar für zu teuer hält, heißt das noch lange nicht, dass der Einzelne seinen persönliche Nutzen eines Genusses im Heute aufgeben muss, um einem höheren gesellschaftliche Ziel im Morgen zu folgen.

Die Selbstschädigung des eigenen Körpers ist ja nicht auf Rauschmittel beschränkt. Wer ohne Helm Fahrrad oder Ski fährt, läuft auch Gefahr, dass er stürzt und dauerhafte Schäden behält. Und wer freies Klettern ohne Sicherung mag, geht auch das Risiko ein, dass er abstürzt. Es sind individuelle Entscheidungen mit Chancen und Risiken. Man kann heil am Ziel ankommen oder auch nicht. Wenn nicht, dann ist das Argument der Kollektivisten meist, dass die Gesellschaft der Vielen über die gesetzlichen Sozialversicherungen die individuell verursachten Kosten übernehmen muss. Doch muss sie das? Wohl nur im real existierenden Unfall-, Kranken- und Rentenversicherungssystem, wo die persönliche Verantwortung über Jahrzehnte atomisiert wurde. Statt das Eigentum an sich selbst durch Mehrheitsbeschluss anzugreifen, sollten Freiheitsfreunde sich lieber für mehr Eigenverantwortung in den Sozialsystemen einsetzen. Das wäre die freiheitliche Antwort. Nur wer Risiken nicht kollektivieren kann, sondern die Verantwortung für eigenes Handeln trägt, ist frei, weil er nicht das macht, was er anderen vorwirft – in das Eigentum anderer einzugreifen.

Über das österreichische Bundesland Kärnten erfährt man in Deutschland zumeist sehr wenig. Es sind zwei Dinge, die man mit dem südlichsten Landstrich der Alpenrepublik verbindet. Für die einen ist es das seenreiche Ferienparadies für den Familienurlaub. Und für die anderen ist es vielleicht noch das Wirken des ehemaligen Landeshauptmannes Jörg Haider, der die österreichische Politik mit seiner rechtspopulistischen Partei FPÖ durcheinanderwirbelte. 2008 starb er bei einem Autounfall. Mit letzterem ist auch die aktuelle Berichterstattung über Kärnten eng verbunden. 2007 kaufte die Bayern LB auf dem Hoch der damaligen Börsenblase für 1,625 Milliarden Euro mehrheitlich vom Land Kärnten die Landesbank „Hypo Alpe Adria“. Seitdem geht es bergab. Korruption, Vettern- und Günstlingswirtschaft erschüttern seitdem Kärnten, Österreich, Bayern und die Bankenwelt.

Für die Bayern LB und den Freistaat Bayern wird der unternehmerische Ausflug an den Wörthersee zum Milliardengrab. Die Milliardendefizite wollten die Bayern irgendwann nicht mehr bezahlen und verkauften die Bank für einen Euro an den österreichischen Staat, der das Institut inzwischen abwickelt. Jörg Haiders Vermächtnis ist eine Garantie des Landes Kärnten von 10,5 Milliarden Euro gegenüber den Gläubigern der Bank. Davon sind alleine 7,1 Milliarden Euro in den Büchern deutscher Institute. Diese wenden sich jetzt an das Land Kärnten und mittelbar an den Österreichischen Staat und wollen ihr Geld zurück.

In Deutschland wäre es sehr einfach. Kann ein Bundesland nicht bezahlen, könnten sich die Gläubiger letztendlich auch an den Bund wenden. Ein Insolvenzverfahren für Kommunen, Länder oder für den Bund ist per Gesetz ausgeschlossen. Diese Einstandspflicht sichert den Kommunen und den Bundesländern faktisch gleiche Finanzierungskonditionen wie dem Bund. Anders ist es in der Schweiz. Dort haben Städte und Kantone eine eigene Insolvenzfähigkeit. Als 1998 die Gemeinde Leukerbad im Kanton Wallis zahlungsunfähig wurde und die Gläubiger sich an den Kanton und an die Zentralregierung im fernen Bern richteten, versagten diese eine Unterstützung mit dem Hinweis auf die Finanzautonomie der Gemeinde. Dies wurde höchstrichterlich bestätigt. Die Folge war: Die Gläubiger mussten auf 78 Prozent ihrer Forderungen verzichten. Seitdem differenzieren die Finanzierungskonditionen zwischen den Städten, den Kantonen und dem Bund. Nicht klar geregelt ist der Fall wohl in Österreich, und schon deshalb ist der weitere Verlauf spannend.

Doch welche Lehre zieht eigentlich die Landesregierung in Bayern aus dem Schlamassel in Kärnten? Und welche Schlussfolgerungen ziehen die Landesregierungen in Düsseldorf, Hannover, Stuttgart, Kiel und Hamburg aus den Schieflagen ihrer Landesbanken? Der missratene Weg der Landesbanken in unserem Land ist gepflastert mit Missmanagement, Korruption und Steuergeldverschwendung. Seit Anfang der 1990er Jahre haben die Landesbanken in Deutschland über 37 Milliarden Euro von den Ländern und Kommunen erhalten, um ihre Defizite auszugleichen. Und mit alleine 198 Milliarden Euro staatlichen und kommunalen Garantien mussten die WestLB, HSH Nordbank, LBBW und wie sie auch alle heißen, gestützt werden.

Zwei Dinge kann man daraus lernen. Erstens: Der Staat ist ein schlechter Unternehmer. Das zeigt sich nicht nur bei den Landesbanken, aber vor allem da. In den Aufsichtsgremien sitzen Politiker, die dafür keine Qualifikation aufweisen, die Vorstände wurden und werden politisch besetzt, und im Zweifel haftet der Steuerzahler für deren Versagen. Das war und ist keine tragfähige Konstruktion. Im Falle der Bayern LB muss man deshalb nicht nur die fahrlässige Rolle der Vorstände diskutieren, sondern auch die Aufsichtsräte zur Verantwortung ziehen. Risiko, Haftung und Verantwortung dürfen nicht zu einer Leerformel verkommen, sondern bewähren sich in der Praxis des politischen Alltags. Und zweitens: Das Schweizer Modell des Wettbewerbsförderalismus ist dem deutschen überlegen. Jeder haftet für seine Schulden selbst. Dieses Prinzip sorgt dafür, dass das Risiko als solches für den Anleger und Gläubiger erkennbar wird. Nur wenn dies der Fall ist, geht man mit Risiken verantwortungsvoll um und verlässt sich nicht auf Dritte. Wie es schon der Ordo-Liberale Wilhelm Röpke formulierte: „Wer den Nutzen hat, muss auch den Schaden tragen.“

Erstmals erschienen in der Fuldaer Zeitung am 25. April 2015.

Photo: Wolfgang from flickr.com

Anfang Februar schrieb ich an dieser Stelle: „Bis Varoufakis ein neues Hilfsprogramm mit dem Euro-Club verhandelt hat, dauert es noch einige Monate. Bis dahin wird ihn die EZB über Wasser halten. Den wesentlichen Schritt dazu hat sie schon geleistet, indem sie ihren Beschluss aufhob, die als Schrottpapiere klassifizierten griechischen Staatsanleihen weiterhin als Sicherheiten zu akzeptieren. Das bedeutet, die griechischen Banken haben damit faktisch keinen Zugang mehr zu Zentralbankgeld der EZB. Damit bewahrt Mario Draghi sein Gesicht, eröffnet aber den griechischen Banken einen direkten Zugang zu sogenannten Ela-Kredite der griechischen Notenbank. Diese kann derzeit bis zu 60 Milliarden Euro auf „eigene Rechnung“ vergeben. In der Hochphase der Krise 2012 betrugen die Kredite über 120 Milliarden Euro. Inzwischen sind sie wieder fast auf Null reduziert. Das verschafft der griechischen Regierung Luft. Sie hat in der Vergangenheit bereits kurzlaufende Anleihen, so genannte T-Bills, herausgegeben. Diese können die heimischen Banken aufkaufen, als Sicherheiten bei der eigenen Notenbank einreichen und erhalten damit frisches Geld aus dem „Keller“ der griechischen Notenbank. Die Staatsfinanzierung durch die Druckerpresse ist perfekt.“

Genauso passiert es jetzt. Die Ela-Kredite werden im wöchentlichen Rhythmus von der EZB genehmigt und betragen derzeit über 75 Milliarden Euro. Der griechische Staat begibt kurzlaufende Anleihen und finanziert sich so über die Druckerpresse der eigenen Notenbank. Und die Staatengemeinschaft verhandelt im Hintergrund ein neues Paket mit Griechenland, welches das jetzige, nicht umgesetzte Programm ersetzen soll. Alle wahren ihr Gesicht: Schäuble kann sagen, die letzte Tranche des aktuellen Programms wurde nicht ausbezahlt, weil die Maßnahmen nicht umgesetzt wurden und er kann sich anschließend im Bundestag wegen seiner harten Haltung auf die Schulter klopfen lassen. Tsipras und Varoufakis können mitteilen, dass sie dem Diktat des Euro-Clubs nicht gefolgt sind und die Reformen rückgängig gemacht haben. Der IWF wird sagen, dass er spätestens im August raus ist, dann sein Geld wiederbekommen hat und die Europäer seine Aufgabe nun übernehmen müssten. Mario Draghi wird sagen, dass der Zugang der griechischen Banken zu EZB-Krediten von ihm gekappt wurde und die Ela-Kredite „nur“ auf das eigene Risiko der griechischen Notenbank (!) vergeben würden.

Das nennt man europäische Politik. Alle sind zufrieden. Mit dem Auslaufen des aktuellen „Hilfsprogramms“ Ende Juni muss dann nochmals eine entscheidende Hürde übersprungen werden. Zwischen Juni und August müssen Varoufakis und Tsipras rund 19 Milliarden Euro aufbringen, um Kredite, Anleihen und Zinsen bedienen und verlängern zu können. Beide Seiten, die Troika und auch die griechische Regierung, stehen vor einem Dilemma. Beide müssen die Verhandlungen als Erfolg verkaufen können. Völlig unstreitig ist, dass ein Grexit für die Troika ausgeschlossen ist. Kann der Euro-Club und die EZB eine Zahlungsunfähigkeit und damit eine Staatsinsolvenz Griechenlands vermeiden, werden sie es um jeden Preis tun. Niemand von den Beteiligten will Milliarden-Beträge abschreiben müssen – weder Schäuble noch Draghi. Beide schreiben an ihrem eigenen Geschichtsbuch. Das Grexit-Kapitel taucht darin nicht auf. Eigentlich könnte nur ein Graccident, also ein ungeplanter Staatsbankrott, zu einem Austritt Griechenlands aus dem Euro-Club führen. Doch dies wird Draghi im Zweifel zu verhindern wissen. Er kann jederzeit in den Keller gehen und Geld in unbegrenzter Höhe „drucken“ und den Banken und der griechischen Regierung zur Verfügung stellen. Er würde dies dann mit der besonderen Situation und der Finanzstabilität des Euros begründen.

Doch auch Schäuble muss dem Bundestag eine Geschichte erzählen können. Diese wird ungefähr so lauten: Griechenland ist ein isolierter Fall. Überall in Europa haben die Maßnahmen geholfen. Das Chaos, das 2010 und 2011 mit der Insolvenz von Staaten im Euro-Raum gedroht hätte, sei Dank des entschlossenen Eingreifens verhindert worden. Jetzt dauere es eben länger und Griechenland müsse über viele Jahre geholfen werden. Doch es ginge nicht an, dass die reichen Griechen immer Geld von den Konten abheben würden und ins Ausland brächten. Daher sei es richtig, dass – wie seinerzeit in Zypern – auch in Griechenland Kapitalverkehrskontrollen eingeführt würden.

Und Tsipras? Was macht der? Natürlich Neuwahlen! Er wird sich seinen Kurs der Erpressung gegenüber den Geldgeber bestätigen lassen, um weiter den Euro-Club mit dem Nasenring durch die Manege ziehen zu können. Doch wie sieht die Wirklichkeit aus? Alle Krisenstaaten sind in ihrer Wirtschaftsleistung unter dem Niveau vor der Bankenkrise 2008/2009. Inzwischen erreicht der Dreimonats-Geldmarktzins Euribor erstmals eine negative Rendite.

Die Rufe, dass die Geldpolitik die Pensionsfonds und Versicherungen zerstört, nehmen derweilen zu. Die Bundesregierung hat schon mal im Voraus die Anlagevorschriften für Lebensversicherungen gelockert. Sie können jetzt einfacher in die Energiewende investieren. So schlägt man zwei Fliegen mit einer Klappe. Das Weltklima wird gerettet und die private Altersvorsorge wird durch garantierte Renditen stabilisiert, die der Stromkunde selbstverständlich bezahlen muss. „Sparen für das Weltklima“ entspricht ohnehin mehr dem Zeitgeist als seinerzeit „Rauchen für die Rente“. Gerade hat die „Alte Leipziger”, einer der solidesten Versicherer in Deutschland, mitgeteilt, dass man im laufenden Jahr in Offshore-Windparks investieren wolle.

Die Quintessenz von all dem ist: Die Intervention nährt die nächste Intervention und die eine staatliche Willkür erzeugt den Nährboden der nächsten staatlichen Willkür. Die Antwort einer freien Gesellschaft darauf lautet: die strikte Verhinderung von Zwang außer für die Durchsetzung allgemeiner, auf alle gleichermaßen anwendbarer abstrakten Regeln.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Tichys Einblick.

Photo: a1ucard from flickr.com