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Photo: Navin75 from Flickr (CC BY-SA 2.0)

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin Dr. Merkel,

vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass Sie am 11. Oktober 2011 in einem von der NSA abgehörten Telefongespräch Ihre Sorge geäußert haben, dass selbst ein zusätzlicher Schuldenschnitt die Probleme in Griechenland nicht lösen könnte. Einen Tag zuvor hatte ich die notwendigen 3500 Unterschriften für einen Mitgliederentscheid in der FDP gegen den Europäischen Stabilitätsmechanismus und weitere Hilfen für Griechenland beim damaligen Generalsekretär der FDP, Christian Lindner, abgegeben. Insofern hat uns beide zum gleichen Zeitpunkt die Sorge umgetrieben, dass die von Ihnen angestoßene Griechenland-Rettung nicht funktionieren wird.

Wie Sie wissen, habe ich am 7. Mai 2010 beim 1. Griechenland-Paket im Deutschen Bundestag erklärt, dass Griechenland nicht in der Lage sein werde, mit seiner Wirtschaft die Mittel zu erwirtschaften, die zur Schuldenreduzierung notwendig seien, solange Griechenland Mitglied der Eurozone sei. Notwendig wäre dafür ein Produktivitätsfortschritt der griechischen Wirtschaft von 30 Prozent, der in dieser kurzen Zeit nicht erreicht werden könne.

Der von Ihnen befürchtete Schuldenschnitt kam in zweifacher Ausführung im Frühjahr und Herbst 2012. Trotz des größten Schuldenerlasses in der Nachkriegsgeschichte hat Griechenland heute mehr Schulden als vor der Krise. Doch anders als zum Zeitpunkt Ihres nun bekanntgewordenen Telefonats sind die Gläubiger nicht mehr private Investoren, sondern fast ausschließlich staatliche Geldgeber. Es ist das eingetreten, was die Linken uns immer vorwerfen: Die Gewinne werden privatisiert und die Verluste sozialisiert.

Doch das ist vergossene Milch. Was können Sie in dieser Situation jetzt und heute tun? Meine Empfehlung ist: Sorgen Sie dafür, dass das Recht in Europa wieder zur Geltung kommt. Die griechische Regierung darf innerhalb des Euros kein weiteres Hilfspaket bekommen, da die Schuldentragfähigkeit bislang nicht gegeben war und sie auch künftig nicht gegeben ist.

Bedenken Sie bitte, dass die neue griechische Regierung unter Alexis Tsipras seit dem 27. Januar 2015 im Amt ist. Seitdem hat diese Regierung faktisch nichts unternommen, um die Einnahmen zu erhöhen sowie die Ausgaben zu reduzieren. Nach wie vor werden die Reeder in Griechenland nicht besteuert, fast 70 Milliarden Steuerforderungen werden nicht eingetrieben, und nach wie vor hat Griechenland einen der größten Militäretats pro Kopf der Bevölkerung in der Welt. Ich glaube inzwischen, dass dahinter nicht die Unfähigkeit der dortigen Regierung steckt, sondern eine Strategie, die zum Ziel hat, dass die Regierung Tsipras schon längst die Zeit nach dem Euro plant. Nur sie wollen nicht selbst den Euro aufgeben müssen, sondern sie wollen Sie, Wolfgang Schäuble, Mario Draghi und Jean-Claude Juncker für die Übergangsprobleme verantwortlich machen. Diese Strategie hat im Januar schon zum Wahlsieg von Syriza geführt. Die Maßnahmen der Troika und der Staatengemeinschaft wirkten wie Doping für die radikalen Kräfte in Griechenland.

Die Staatengemeinschaft sollte der Wahrheit ins Gesicht schauen und mit Griechenland über den Ausstieg aus dem Euro verhandeln. Der Ausstieg als Gegenleistung für einen Schuldenschnitt und anschließende Aufbauhilfen. Das wäre für beide Seiten ein akzeptabler Kompromiss. Es wäre in gegenseitigem Interesse. Heute infiziert Griechenland mit der ständigen Rechtsbeugung alle anderen Krisenstaaten in Europa. Gleichzeitig zwingt die Staatengemeinschaft Griechenland einen immer stärkeren Souveränitätsverzicht auf. Das hält keine Demokratie auf Dauer aus.

Nur wenn Risiko und Verantwortung wieder eine Einheit werden, nur wenn Regierungen und Staaten auf der einen Seite und Banken und andere Investoren auf der anderen Seite für ihr Handeln haften, nur dann hat der Euro als Gemeinschaftswährung eine Chance.

Mit freundlichen Grüßen
Frank Schäffler

Erstmals erschienen in der Fuldaer Zeitung am 4. Juli 2015.

Photo: Tony Webster from Flickr (CC BY 2.0)

Asyl für Edward Snowden forderte vor zwei Jahren eine Petition von Campact. Ehrenwert. Aber wer daraus schließt, dass Snowden ähnliche Überzeugungen vertritt wie Campact, liegt definitiv daneben. Er will einen beschränkten Staat – sie wollen einen Staat, der ihre Ziele verfolgt.

Gentechnik und höhere Steuern

Art und Ausmaß staatlicher Überwachung jenseits und auch diesseits des Atlantiks sind erschreckend. Das erkennen auch viele Aktivisten auf der linken Seite des politischen Spektrums. Die punktuelle, aber wiederholte Verletzung von Persönlichkeitsrechten haben sie ebenso als Problem erkannt wie die pauschale Dauerverdächtigung der Bürger. Ganz zu Recht schätzen sie den Mut Edward Snowdens, mit seinen Enthüllungen die Abgründe der Geheimdienste ans Licht der Öffentlichkeit zu bringen. Und dennoch liegen Welten zwischen dem, was Campact sonst vertritt und fordert, und der Vorstellung, die Snowden von Staatstätigkeit hat.

Schaut man auf die Rubrik „Über Campact“ auf deren Website, dann kann man dort Forderungen finden wie: „Die Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen lehnen wir ab“ oder „Höhere Einkommen und Vermögen müssen stärker an der Finanzierung unseres Gemeinwesens und des Sozialstaates beteiligt werden“. Dies sind Ziele, die ein gerütteltes Maß an staatlicher Präsenz bedingen. Ein Verbot von Gentechnik kann nur mit massiver Behörden- und in der Konsequenz Polizeipräsenz durchgesetzt werden. Man muss dafür zwar keine Telefone abhören, aber doch Felder und Gewächshäuser überwachen. Auch die stärkere Beteiligung höherer Vermögen und Einkommen an der Finanzierung des Sozialstaats wird nicht ohne zum Teil massive Überwachung vonstattengehen können. Denn mit steigenden Steuern würde natürlich auch die Steuerflucht zunehmen.

Der Zweck heiligt die Mittel

Campact ist gegen die staatliche Überwachung, wenn sie pauschal und flächendeckend geschieht, wie etwa bei der Vorratsdatenspeicherung. So weit so gut. Aber viele ihrer Ziele können nur erreicht werden mit dem Einsatz von gezielter Überwachung, die freilich nicht weniger tief in Persönlichkeitsrechte eingreift als pauschale Überwachung. Gerechtfertigt wird dann dieser Eingriff in die Grundrechte der Bürger implizit mit der Überlegenheit des Ziels. Mit anderen Worten: der Zweck heiligt die Mittel. Gentechnik ist so bedrohlich, mehr Umverteilung so wünschenswert, dass staatlicher Zwang zum legitimen Mittel wird.

In einem freiheitlichen Rechtsstaat dürfen aber gerade nicht unsere persönlichen Präferenzen die Leitlinien der Gesetze sein, sondern einzig und allein der Schutz der Freiheit jedes einzelnen. Ein Gesetz, das aus einem anderen Grund erlassen wird, erodiert diesen Rechtsstaat und öffnet der Willkür Tor und Tür. Diese Gesetze, die durch Privilegien oder Verbote politische Ziele durchsetzen sollen, widersprechen zutiefst der Tradition, die wir in unseren freiheitlichen Demokratien über Jahrhunderte entwickelt haben: Dass das Recht immer den Primat über die Politik haben muss.

Wenn Regierungen mehr darüber nachdenken, was sie tun können als was sie tun sollten

Diesen Primat geben diejenigen auf, die wie Campact konkrete politische Ziele über Vorschriften, Verbote und Steuern durchsetzen wollen. Snowdens Ansatz ist da ein fundamental anderer. Er hat seinen sehr mutigen Schritt nicht getan, weil er sich irgendwie unwohl fühlte angesichts des Überwachungssystems oder weil es seiner persönlichen Präferenz entsprochen hätte, nicht überwacht zu werden. Er hat das Treiben der NSA enthüllt, weil er den Primat des Rechts bedroht sah. Lassen wir ihn selbst zu Wort kommen:

„Unsere Rechte werden uns nicht von Regierungen gewährt. Sie sind Teil unserer Natur. Für Regierungen liegt der Fall genau andersrum: deren Rechte sind einzig auf das beschränkt, was wir ihnen zugestehen. Wir haben uns mit diesen Fragen in den letzten Jahrzehnten nicht so ausführlich beschäftigt, weil sich unser Lebensstandard in fast jeder Hinsicht signifikant verbessert hat. Das hat zu Bequemlichkeit und Selbstzufriedenheit geführt. Doch wir werden im Laufe der Geschichte immer mal wieder in Zeiten geraten, in denen Regierungen mehr darüber nachdenken, was sie tun können als was sie tun sollten. Und was gesetzeskonform ist, wird dann immer stärker von dem abweichen, was moralisch ist. In solchen Zeiten tun wir gut daran, uns zu erinnern, dass nicht das Gesetz uns verteidigt, sondern wir das Gesetz. Und wenn es sich gegen unsere moralischen Maßstäbe wendet, haben wir sowohl das Recht als auch die Pflicht, es wieder auf den Pfad der Gerechtigkeit zu führen.“

Wer fordert, Gentechnik zu verbieten und Steuern zu erhöhen, der fordert in letzter Konsequenz eine Regierung, die – um Snowden zu zitieren – darüber nachdenkt, was sie tun kann. Campact und ihre Unterstützer täten gut daran, sich mit Snowdens Motivation etwas genauer auseinanderzusetzen. Der Staat, den er sich wünscht, ist nämlich ein möglichst schlanker Staat, der sich so weit wie möglich aus dem Leben der Bürger heraushält. Das wäre das Gegenteil von dem Staat, den wir hätten, wenn Campact sich mit seinen Vorstellungen durchsetzen würde.

Photo: Wikimedia Commons

Heute jährt sich zum 800. Mal die Unterzeichnung der Magna Carta. Sie kann uns immer noch in unserem Verständnis von Freiheit, Rechtsstaat und Demokratie inspirieren. Vielleicht auch im Blick auf die von Großbritannien angestoßene Debatte über EU-Reformen.

Robin Hood lässt grüßen

Die Invasion Englands durch den Normannenherrscher Wilhelm im Jahr 1066 hatte die dortige Staatsorganisation grundlegend verändert. Vor allem König Heinrich II., der von 1154 bis 1189 regierte, baute in seiner für damalige Verhältnisse sehr langen Regierungszeit den Zentralstaat aus und führte eine Bürokratie ein, die die Kontrolle des Königs über die örtlichen Herrscher, die Barone, sichern sollte. Der berühmte Sheriff von Nottingham war ein solcher Bürokrat, der lokale Adlige und Bauern gleichermaßen drangsalierte. Aus der Geschichte um Robin Hood kennt man auch den Sohn Heinrichs II., König Johann Ohneland. Er war es, der vor 800 Jahren gezwungen wurde, seine Unterschrift unter die Magna Carta zu setzen.

Nach dem strengen Regiment seines Vaters und der eklatanten Misswirtschaft seines großen Bruders Richard Löwenherz sah sich Johann bei Herrschaftsantritt mit einem harschen Krieg in Frankreich konfrontiert. Dieser Krieg verschlang Unsummen und so erhöhte sich die Steuerlast von Jahr zu Jahr. Gleichzeitig kam es zu einer starken Inflation. Es kam der Punkt, an dem die Barone sich nicht mehr in der Lage sahen, diese Bürde zu schultern. Zumal sie von ihren eigenen Untertanen, an die viele der Lasten natürlich durchgereicht wurden, auch immer mehr Druck bekam. Robin Hood lässt grüßen.

Ein dauerhafter Garant gegen Willkür

Zentralstaat, Bürokratismus, hohe Steuern, Inflation – kommt einem irgendwie bekannt vor. Genau. Und vielleicht ist es auch keine ganz große Überraschung, dass in dem Land, dessen Bürger sich schon vor 800 Jahren dagegen gewehrt haben, auch heute der Widerstand relativ groß ist gegen solche Entwicklungen. Der Zufall will es, dass der derzeitige EU-Kommissionspräsident auch Johann (Jean-Claude) heißt – und in der Tat ja auch ein Ohneland ist. Doch abseits dieser anekdotischen Petitessen können wir tatsächlich an das Jahr 1215 anknüpfen, wenn wir darüber nachdenken, wie die Freiheit des Bürgers am besten gesichert werden kann.

Bereits im ersten Artikel des Dokuments wird der langfristige Gültigkeitscharakter festgeschrieben. König Johann unterschreibt es nicht als Person, sondern in seiner Funktion als Souverän. Er vererbt die Verpflichtung an seine Nachfahren. Es handelte sich also bei der Magna Carta nicht nur um einen Deal mit dem König. Vielmehr stand die Idee dahinter, eine schriftliche Verfassung zu etablieren, um einen dauerhaften Garanten gegen die Willkür der Herrschenden zu haben. Auch wenn in den folgenden Jahrhunderten die Magna Carta viel häufiger ignoriert als befolgt wurde, hielt sich die Idee eines auf Dauer angelegten Vertrags und inspirierte mehr als 400 Jahre später die britischen Vertragstheoretiker wie John Locke, die unser modernes Demokratieverständnis geprägt haben.

Die Wurzel der Bürgerrechte

Mehrere Artikel widmen sich der Frage der Besteuerung. Fortan sollte der König nicht mehr nach eigenem Gutdünken Steuern erheben dürfen. Das Schildgeld, eine Art Kopfsteuer, die wichtigste Finanzierungsquelle des Königs bei seinen Kriegen, durfte nur noch nach Zustimmung des „common counsel“ erhoben werden. Damit war der Grundstein gelegt für das Entstehen eines Parlaments im modernen Sinne. Fünfzig Jahre später, im Januar 1265, tritt dann auch zum ersten Mal ein englisches Parlament in Westminster zusammen. Fortan sollte der König sich genauer überlegen, ob eine Investition – in der Regel ein Krieg – wirklich nötig ist, und sollte gleichzeitig gezwungen sein, sich vor dem Parlament dafür zu rechtfertigen. Jahrhunderte später hallte der Ruf „No taxation withour representation“ aus den amerikanischen Kolonien wie ein Echo dieser Bestimmungen über den Atlantik.

Indem man dem königlichen Etat Fesseln anlegte, sollte dessen Willkür eingeschränkt werden. Der Willkür seiner Beamten setzte man klare rechtstaatliche Bestimmungen gegenüber. Es ging um die Herrschaft des Rechts, den Rule of Law. Um einen Prozess anzustrengen, sollte die Anklage allein nicht mehr ausreichen – „zuverlässige“ Zeugen waren zwingend nötig. Auch bestimmte das Dokument: „Kein freier Mann soll verhaftet, ins Gefängnis geworfen, enteignet, geächtet oder verbannt werden … außer aufgrund des rechtmäßigen Urteils seiner Standesgenossen oder aufgrund der Gesetze dieses Landes.“ Diese Bestimmungen waren wegweisend für die Geschichte der Bürgerrechte vom Habeas Corpus Act von 1679 über die Bill of Rights in der US-Verfassung bis hin zu all den Kämpfern gegen Tyrannen in unserer Zeit, in Syrien und China, in Venezuela und Russland.

Sogar die Personenfreizügigkeit und die Zollfreiheit, die wohl wichtigsten Errungenschaften der Europäischen Union wurden in der Magna Carta bereits für das Königreich England garantiert: „Alle Kaufleute sollen sicheres Geleite haben, nach England zu können und es zu verlassen, dort zu bleiben und durchzureisen, sowohl zu Land als zu Wasser; … zu kaufen und zu verkaufen, ohne alle bösen Zölle.“ [sic! „evil tolls“]

Aus der Geschichte Robin Hoods lernen

Die Magna Carta Libertatum, wie sie vollständig heißt, also die „Große Urkunde der Freiheiten“, sollte nicht lange überdauern. Viele der Adligen, die zur Zeit Johann Ohnelands die Opposition gebildet hatten, wurden bald wieder zu Komplizen des Königs. Ihre Nachfahren machten es nicht besser. Es bedurfte noch vieler hundert Jahre voller Unterdrückung und Krieg bis sich die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit und der Selbstbestimmung stärker durchsetzen konnten. Das schmälert allerdings nicht die Bedeutung des Dokuments. Denn auch wenn England 1215 nicht sofort von einer Despotie zu einer modernen Republik wurde, war der Same gelegt, die Idee in die Welt gekommen.

Diese Idee kann uns heute noch als Leitstern dienen. Kehren wir dafür noch einmal zurück zu Robin Hood. Und zwar unabhängig davon, ob man in ihm einen verklärten Kriminellen, einen Retter der Entrechteten oder einen Vorläufer von Che Guevara sieht. Robin Hood und seine Mitmenschen hätten alle mehr davon gehabt, wenn er eine Töpferei betrieben hätte und sein Sohn eine Schule in Nottingham aufgemacht hätte. Das war aber nicht möglich, weil sie in einem Land lebten, das gebeugt wurde von zu hoher Steuerlast und in dem fast alle Bewohner der Willkür von Beamten ausgesetzt waren.

Nun ist die Situation heute vielleicht nicht mehr ganz so dramatisch wie damals im Sherwood Forrest. Und trotzdem gilt auch heute noch: Hohe Steuern, immer mehr und immer willkürlichere Gesetze und ein aufgeblähter Staatsapparat führen nicht in die Freiheit und den Wohlstand. Sie sind vielmehr der Weg in den Sherwood Forrest. Das sollten die Verantwortlichen in der EU bedenken, wenn sie mit den Reformvorschlägen aus dem Land der Magna Carta konfrontiert werden. Möge die EU ein Ort sein, an dem Robin Hood ungehindert seinen Geschäften nachgehen kann – zum Nutzen aller!

Photo: Policía nacional de los colombianos (CC BY-SA 2.0)

Der angekündigte Rücktritt des gerade wiedergewählten FIFA-Präsidenten Joseph Blatter wurde medial auf allen Kanälen berichtet. Korruptionsverdacht wurde geäußert, über die Festnahmen berichtet und über die matte Rolle der UEFA verwundert die Nase gerümpft. Doch wer ein Monopol im Weltfußball hat, weckt zwangsläufig Begehrlichkeiten überall auf der Welt. Denn die FIFA ist eine Gelddruckmaschine. Allein die WM in Brasilien brachte der FIFA einen Gewinn von beinahe drei Milliarden Euro. Und die 25 Mitglieder des Exekutivkomitees erhalten eine Entschädigung von 175 000 Euro, darunter auch UEFA-Chef Platini und DFB-Präsident Niersbach. Schon der britische Liberale Lord Acton formulierte im 19. Jahrhundert diesen Zusammenhang prägnant: „Macht korrumpiert, absolute Macht korrumpiert absolut“. So ist es wohl auch in der FIFA. Doch Milliarden-Etats können nur dann unter den Mitgliedern legal oder illegal verteilt werden, wenn es auf der anderen Seite Sponsoren, Werbepartner und TV-Anstalten gibt, die das System mit ihren Gelder finanzieren. Inwieweit die Compliance-Regelungen bei privaten Unternehmen wie Visa, Coca-Cola oder Adidas dies alles zulassen, werden die Aktionäre in den nächsten Wochen und Monaten sicherlich prüfen.

Eine andere Frage ist, inwieweit die gebührenfinanzierten Rundfunkanstalten in Deutschland das System Fifa ermöglicht haben. Immerhin werden beide Sender für die Übertragungsrechte für die WM in Russland 2018 218 Millionen Euro und für die WM in Qatar 2022 noch einmal 214 Millionen Euro bezahlen. Das sind die jährlichen Beitragseinnahmen von über einer Million Beitragszahlern in Deutschland. Eine stolze Summe, um den Grundbedarf an Informationen zu decken.

Es stellt sich daher generell die Frage, ob die Rundfunkbeiträge und die steuerähnliche Finanzierung des öffentlichen Rundfunks noch zeitgemäß sind. Denn das Beispiel Fußball-WM ist ja nur eines von vielen. Bei den Olympischen Spielen in London 2012 reisten 480 Mitarbeiter von ARD und ZDF nach London, um 260 Stunden zu berichten. Das waren mehr Mitarbeiter, als Deutschland Athleten auf die Insel schickte – 392 Olympioniken kämpften um die begehrten Medaillen. Und um die Überdimensionierung aufzuzeigen: Der Sender Eurosport schaffte fast die gleiche Sendeleistung mit 25 Mitarbeitern.
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk betreibt aktuell 20 Fernsehsender und 63 Radioprogramme und nimmt mehr als 8,3 Milliarden Euro jedes Jahr ein. Es ist der größte und teuerste öffentliche Rundfunk der Welt. Damit kann man nicht nur jeden Wettbewerber vom Markt fegen, sondern auch Systeme wie aktuell bei der FIFA weiter füttern. In einer Fernsehwelt, die durch die Digitalisierung nicht mehr auf wenige Frequenzen begrenzt ist, sondern inzwischen 400 Sender in Deutschland angeboten werden, ist der Sinngehalt der Öffentlichen nicht mehr zu erklären.

Doch wie kann man sich gegen den Gebührenwahnsinn wehren? Die Beitragszahlung von 210 Euro pro Jahr einfach einzustellen, führt aktuell zu 60 000 Vollstreckungsbescheiden, die ARD und ZDF pro Monat gegen säumigen Beitragszahlern erwirken. Wer diesen Weg nicht gehen, weil er nicht seinen Fernseher pfänden lassen will, sollte vielleicht die Einzugsermächtigung widerrufen und die Barzahlung anbieten. In Deutschland sind auf Euro lautende Banknoten das einzige unbeschränkt gesetzliche Zahlungsmittel. Eine Barzahlung dürfen ARD und ZDF daher nicht verweigern, auch wenn sie diese in ihrer eigenen Beitragsordnung ausschließen. Ein stiller, aber sicherlich wirksamer Protest, der gleichzeitig das Bargeld und seine schleichende Abschaffung in den Mittelpunkt rückt. Wenn daraus mehr als der Einzelfall des Autors wird, kommen Veränderungen in Gang. Denn diese Veränderungen erfolgen nicht durch Zuschauen, sondern durch persönliches Handeln jedes Einzelnen.

Erstmals erschienen in der Fuldaer Zeitung am 6. Juni 2015.

Photo: Crosa from Photo (CC BY 2.0)

Das Referendum zur gleichgeschlechtlichen Ehe in Irland hat hohe Wellen geschlagen: vom Bundestag bis in den Vatikan. Man könnte sich die Debatte sparen, wenn man die Ehe wieder zu dem machen würde, was sie ja nun wirklich unbestreitbar ist: Privatsache!

Die staatliche Ehe ist noch recht jung

Die Ehe ist eine kulturelle Institution, die für klare Verhältnisse sorgt. Im Idealfall begründet sie eine lebenslange Bindung. Sie garantiert sichtbar Stabilität und Verlässlichkeit für die jeweiligen Eheleute und gegebenenfalls auch für die Kinder. Alles in allem also eine recht erfreuliche Sache. Entwickelt hat sich diese Institution fast überall auf der Welt in einem religiösen oder zumindest rituellen Kontext.

Im Gefolge der Aufklärung haben sich in der westlichen Welt mancherlei religiöse Kontexte zumindest gelockert. Und so haben sich viele Lebensumstände, die bisher von der Religion geregelt wurden, säkularisiert. Eine Variante dieser Säkularisierung war, dass Menschen sich prinzipiell vom Religiösen verabschiedet haben. Die „Ehe ohne Trauschein“ steht dafür. Aber zugleich witterte ein anderer Akteur seine Chance, der gerne in die sinnstiftende Rolle geschlüpft ist, die durch das Verblassen von Religion oft unbesetzt blieb: der Staat.

Der Staat als Ersatzreligion

Eines der krassesten Beispiele dafür, wie der Staat diese Rolle eingenommen hat, ist sicher die „Jugendweihe“, die in der DDR an die Stelle von Firmung bzw. Konfirmation trat. Der junge Mensch, der sich in diesen Ritualen bewusst für das Leben als Gläubiger entscheidet, sollte sich nunmehr bewusst, mit seiner ganzen Persönlichkeit und vollem Herzen für den Staat entscheiden. Angefangen hat diese staatliche Ersatzreligion allerdings schon bevor die Idee des Kommunismus aufkam, der Religion als „Opium für das Volk“ verteufelte.

Während der Französischen Revolution wurden schon Kirchen zerstört und Altäre für die „Göttin der Vernunft“ errichtet. In diesem Umfeld entstand auch die Idee der Zivilehe. Den Kirchen wurde damit die Deutungshoheit über die Ehe entzogen. Es wäre im Sinne des emanzipatorischen Gedankens gewesen, dann komplett auf eine bindende Definition von Ehe zu verzichten und sie ganz zu einem freiwilligen Instrument zu machen. Genau das geschah nicht. Im Zusammenhang mit den napoleonischen Reformen wurde in Frankreich der Code civil eingeführt, der auf sämtliche Rechtssysteme Kontinentaleuropas bis heute prägenden Einfluss ausübt. Im Rahmen dieses Gesetzwerkes wurde dem Staat die Definitionshoheit über die Ehe zugesprochen.

Jeder sollte selber entscheiden, was ihn glücklich macht

Die Ehe wurde also mitnichten zu einer Privatsache. Lediglich die Institution, die darüber bestimmt, hatte sich geändert. Eine echte Emanzipation wäre es gewesen, wenn der Staat sich daraus zurückgezogen hätte. Die nun allenthalben aufkommende Debatte um die „Homo-Ehe“ wäre jetzt ein willkommener Anlass, um dem emanzipatorischen Grundgedanken der Aufklärung auch auf diesem Feld endlich zum Durchbruch zu verhelfen. Der Staat sollte komplett darauf verzichten, zu definieren, was eine Ehe ist. Durch die Einrichtung der gleichgeschlechtlichen Ehe wird seine Definitionshoheit ja nur bestätigt.

Der freiheitliche Weg wäre es, jeden Menschen selbst entscheiden zu lassen, wen er heiratet und wie er das dokumentiert. Wer gerne eine religiöse Zeremonie haben möchte, soll sie auf jeden Fall haben. Wem es reicht, beim Notar einen Ehevertrag abzuschließen – bitte schön! Wenn zwei Männer heiraten wollen oder eine Frau lieber drei als nur einen Gatten haben möchte – wo ist das Problem? Jeder sollte selber entscheiden, was ihn glücklich macht.

Ein Rechtsstaat sollte keine Privilegien gewähren

Es kann nicht legitime Aufgabe des Staates sein, über bestimmte Wertpräferenzen zu entscheiden. Egal ob die Mehrheit der Bevölkerung die Ehe für eine Verbindung zwischen Mann und Frau hält oder ob sie die staatliche Ehe auch auf gleichgeschlechtliche Paare ausdehnen möchte: In einer freiheitlichen Demokratie darf das kein Grund für staatliche Eingriffe sein. Diese Eingriffe sind nur da gerechtfertigt, wo die Freiheit eines anderen beschnitten wird. Das ist definitiv nicht der Fall, wenn Personen entscheiden, ein Leben lang füreinander einzustehen. Es gibt ja auch keine staatlichen Vorgaben und Regulierungen für Freundschaften. Wenn Menschen freiwillig miteinander Verträge schließen, hat der Staat dort nichts verloren.

Dass die Ehe derzeit nur für heterosexuelle Paare offen ist, ist ein Privileg. Und Privilegien sind in einem Rechtsstaat eigentlich nie eine gute Idee – denn sie sind institutionalisierte Willkür. Man verbessert die Gesamtsituation nicht, indem man neue Privilegien einführt, sondern indem man bestehende abschafft. Die einzige Aufgabe, die in diesen Fragen vielleicht noch für den Staat übrig bliebe, wäre die Funktion des Standesamtes als Ort der Dokumentation – und zwar der Dokumentation jeder vertraglichen Bindung, die Menschen miteinander eingehen möchten. Mehr nicht. Und selbst das könnte mit den zunehmenden technischen Möglichkeiten wie Blockchain eines Tages auch überflüssig werden. Darum: statt die Homo-Ehe einzuführen, sollte der Staat seine Finger ganz von der Ehe lassen!