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Photo: Vladimir Pustovit from Flickr (CC BY 2.0)

Was zeichnet eigentlich eine moderne Gesellschaft aus? Ist es ihr Wohlstand, die Infrastruktur oder sind es ihre technischen Errungenschaften? Nein, es sind bestenfalls auch die Ergebnisse einer offenen Gesellschaft. Doch hier sind moderne Gesellschaften nicht alleine. Auch Saudi-Arabien kennt Wohlstand und eine gute Infrastruktur, obwohl das Land die Meinungsfreiheit unterdrückt und Steinigungen und Todesstrafen regelmäßig vollzieht. Und auch China kennt einen wachsenden Wohlstand, obwohl die Kommunistische Partei Chinas alles beherrscht und Andersdenkende einsperrt.

Eine moderne Gesellschaft zeichnet in erster Linie aus, dass sie offen für Neues ist und Widerspruch nicht nur zulässt, sondern ihn braucht. Das ist nicht selbstverständlich. Denn das Neue ist unbekannt, unsicher und möglicherweise auch mit Risiken behaftet. Eine moderne Gesellschaft verlässt sich nicht auf die Regierung. In einer modernen Gesellschaft verlässt sich der Einzelne erst mal auf sich selbst und dann auf sein näheres Umfeld, die Familie und Freunde, und erst an letzter Stelle greift der Staat und sein Netz an Hilfen ein.

In einer modernen Gesellschaft sind „die da oben“ auch nicht so wichtig. Sie sind die Dienstleister der Bürger. Nicht die Bürger sind in dieser Gesellschaft zur Transparenz verpflichtet, sondern die Regierung und ihre Organe. Zu diesem Idealzustand muss eine offene Gesellschaft immer wieder erneut streben. Das ist oft leichter gesagt als getan. Denn Regierungen und Parlamente streben nach Macht und Einfluss. Diese Macht ist im Rechtsstaat aber begrenzt durch das Gesetz. Doch auch das Gesetz kann Recht aushebeln. Jüngste Beispiele sind das Netzdurchsetzungsgesetz der großen Koalition, wo die Betreiber von Sozialen Netzwerken wie Facebook zu Hilfssheriffs der Regierung degradiert werden, um die Meinungsfreiheit einzuschränken.

Das Recht muss daher immer von einer offenen Gesellschaft verteidigt werden. Die Gleichheit vor dem Recht ist dabei der Maßstab. Es darf keine Unterschiede machen, ob jemand arm oder reich ist oder Einfluss bei den Oberen hat oder nicht. Dieses Recht unterliegt einem kulturellen und gesellschaftlichen Wandel. Was vor hundert Jahren als unrecht empfunden wurde, muss heute längst nicht mehr unrecht in den Augen einer Gesellschaft sein. Früher war der Ehebruch nicht nur vor dem Gesetz verboten, sondern auch Unrecht in den Augen der Gesellschaft. Seitdem findet ein gesellschaftlicher Wandel statt, der auch die Gesetzgebung beeinflusst hat. Seit 1969 wird der Ehebruch nicht mehr strafrechtlich sanktioniert und seit 1977 wird die Schuldfrage bei Scheidungen nicht mehr hinterfragt. Die hohen Scheidungsraten lassen auch einen gesellschaftlichen Wandel im Rechtsempfinden der Menschen erkennen. Das muss man nicht gut finden, dennoch verändert sich die Gesellschaft.

Damit gesellschaftlicher Wandel stattfinden kann und Regierungen ihre persönliche Meinung nicht zum Maßstab aller erklären, müssen Gesetze allgemein, abstrakt und für alle gleich sein. Wenn Regierungen Einzelfallgerechtigkeit per Gesetz durch immer neue Paragrafen herstellen wollen, dann verschlimmbessern sie das Recht. Es wird bürokratisch, interventionistisch und damit ungerecht. Der Einzelne versteht es nicht mehr, muss sich einen Rechtsbeistand nehmen, den wiederum nicht jeder sich leisten kann. Damit wird das Gesetz ungerecht, weil es nur noch auf dem Papier für jeden gleich ist.

Nicht alles, was gut gemeint ist, ist in seiner Wirkung auch gerecht. Die Sozialgesetzgebung in Deutschland ist das beste Beispiel für diese Einzelfallgerechtigkeit. Sie hilft nicht den wirklich Bedürftigen, sondern auch denjenigen, die sich eigentlich selbst helfen können. Letztere zahlen das mit ihren Steuern und Abgaben, die ein Rekordniveau erreichen und den Staat immer fetter und einflussreicher machen. Auch das führt zu immer mehr Unfreiheit. Haben Sie Mut zu Recht und Freiheit!

Erstmals erschienen in der Fuldaer Zeitung.

Photo: xflickrx from flickr.com (CC BY-SA 2.0)

Von Dr. Hubertus Porschen, Bundesvorsitzender des Wirtschaftsverbands Die Jungen Unternehmer.

Wohin geht es mit Deutschland?

Wir werden immer älter. Wir bekommen weniger Kinder. Der demographische Wandel und die Alterspyramide zeigen: Deutschland ist ein Land der Alten, welches immer älter wird. Für den einzelnen ist das nicht dramatisch. Im Gegenteil, der medizinische Fortschritt führt zu einer längeren Lebenserwartung und auch dazu, dass sich ältere Menschen länger fit fühlen. Die Digitalisierung vereinfacht den Alltag und auch das Berufsleben, sodass Menschen länger arbeiten können. Was jedoch bedenklich ist, ist die Verschiebung der gesellschaftlichen Prioritäten zugunsten der Älteren. Junge Menschen wählen den Fortschritt, den Wandel und die Zukunft. Alte Menschen sind da kritischer. Neue Technologien werden mit Argwohn betrachtet und langfristige Projekte, die das Leben kurzzeitig einschränken und langfristig die Lebensqualität stark erhöhen, kommen nicht in Frage. Große Veränderungen in der Infrastruktur, wie Flughäfen oder Windparks, sind solche Beispiele. Sicher, es nicht bei jedem so, doch wer sich die Änderung des Wahlverhaltens im Alter und Teilnehmer von bestimmten Demos anschaut oder sich einfach selbst reflektiert, sieht: Wir werden mit dem Alter konservativer und treffen weniger mutige Entscheidungen.

Wie reagiert die Politik?

Den großen Parteien bleibt – besonders in Wahljahren – diese Entwicklung nicht verborgen. Anstatt die Fragen, die der demographischen Wandel aufwirft, mutig anzugehen und beispielsweise das Renteneintrittsalter an die Lebenserwartung zu koppeln, wird die zuverlässigste und größte Wählergruppe mit Rentengeschenken im Wahlkampf umgarnt. So geschah es vor vier Jahren mit der abschlagsfreien Rente mit 63 und der Mütterrente. Nach dem Motto: „Ich will Oma nicht die Rente kürzen“ oder „Das Thema Rente ist noch soweit weg“, schauen die Jüngeren entweder zu, oder dürfen noch nicht wählen, weil sie unter 18 Jahren sind. Nur wenige lehnen sich auf. Es bleibt unbeachtet, dass die Parteien zu Lasten der künftigen Generationen die Staatsschulden so sehr in die Höhe treiben, dass Zukunftsthemen, wie Digitalisierung, Infrastruktur und Bildung, völlig untergehen. Die Parteien brauchen wieder Anreize, um solche Themen in Angriff zu nehmen und kommenden Generationen einen stabilen Haushalt zur freien Entfaltung in der Gesellschaft zu bieten.

Was fordern Die Jungen Unternehmer?

Die Politik muss die Jugend ernst nehmen, um selbst ernst genommen zu werden. Das politische Selbstvertrauen der jungen Generation ist auf einem Tiefstand: Das Brexit-Veto, die U.S.-Wahl und auch das Referendum zum Präsidialsystem Erdogans in der Türkei, wurden von vielen jungen Wählern verpasst. Mal aus Desinteresse, mal bewusst aus Politikverdrossenheit. Der Glaube, etwas in der Politik bewegen zu können, schwindet. Daran ist auch die Klientelpolitik für Leute ab 50 plus verantwortlich. Zukunftsthemen bleiben auf der Strecke. Die Jugend muss Politik mitgestalten, sonst geht Deutschland bald am Stock. Wir möchten als Verband das Kernthema unseres politischen Handels, Generationengerechtigkeit, im Grundgesetzt verankert sehen. Politiker haben keinen Anreiz jetzt sparsam zu sein. Wir sollten Sie mit dieser Maßnahme die Regierenden in aller Regelmäßigkeit an die Verantwortungen für die nächsten Generationen erinnern.

Unsere Aktion im Wahljahr

Um das politische Selbstbewusstsein der Jugend zu wecken und auch die Verdrossenheit gegenüber der Politik in Zeiten Trumps, Erdogans und des Brexit zu bekämpfen, haben Die Jungen Unternehmer die Aktion „Germany´s next Bundeskanzler/in“ gestartet. Hier wird die Stimme der jungen Generation gesucht, die die Interessen der Erst- und Zweitwähler am besten vertritt. Die Aktion soll junge Wähler für Politik begeistern. Politik muss wieder erkennen, dass es neben den Interessen der Alten noch die der Jungen gibt. Die politische Agenda braucht neue Prioritäten.

Photo: Wikimedia Commons

Seitdem es Handel gibt, stehen Kaufleute in einem schlechten Ruf. Ihnen wird Profitgier vorgeworfen, betrügerische Absichten und Ausbeutung. Dabei ist es in erster Linie ihr Verdienst, dass wir in einer immer besseren und friedlicheren Welt leben.

Der Händler macht ein Geschäft, der Held bringt ein Opfer

Der Ökonom und Soziologe Werner Sombart (1863-1941) verfasste 1915 eine Schrift unter dem Titel „Händler und Helden – Patriotische Besinnungen“, gegliedert in drei Teile: „Englisches Händlertum“, „Deutsches Heldentum“ und „Die Sendung des Deutschen Volkes“. Hier findet sich auf nur wenigen Seiten zusammengefasst die Summe der Vorurteile, die gegenüber den Kapitalisten und „Kommerzialisten“ im Laufe der Jahrhunderte und Jahrtausende aufgebaut wurden. Händler sind für ihn geistlose Menschen, die nur nach dem eigenen Vorteil suchen und den Weg des geringsten Widerstands einschlagen. Der Gegensatz zu dieser verkommenen Gestalt ist die Person des Helden:

„Händler und Held: sie bilden die beiden großen Gegensätze, bilden gleichsam die beiden Pole aller menschlichen Orientierung auf Erden. Der Händler, sahen wir, tritt an das Leben heran mit der Frage: was kannst du Leben mir geben; er will nehmen, will für möglichst wenig Gegenleistung möglichst viel für sich eintauschen, will mit dem Leben ein gewinnbringendes Geschäft machen; das macht: er ist arm; der Held tritt ins Leben mit der Frage: was kann ich dir Leben geben? er will schenken, will sich verschwenden, will sich opfern – ohne Gegengabe; das macht: er ist reich. Der Händler spricht nur von ‚Rechten‘, der Held nur von Pflichten, die er hat.“

Alte Vorurteile, immer wieder neu aufgebrüht

Es ist eine alte Geschichte: Schon die antiken Griechen hatten dem Gott Hermes nicht nur die Zuständigkeit für Diebe zugeschrieben, sondern auch für Händler. Oft mischen sich auch antisemitische Stereotype in die Abneigung gegenüber den „Krämerseelen“, wie etwa in Shakespeares Drama „Der Kaufmann von Venedig“ oder in etlichen Erzählungen des schwäbischen Märchenautors Wilhelm Hauff. Und heutzutage wird dieses unselige Erbe weitergetragen von Globalisierungsgegnern an den beiden Rändern des politischen Spektrums. Anständige Menschen, so der Grundtenor, findet man auf dem Acker, an der Werkbank oder in der Fabrik (oder auch auf dem Schlachtfeld, wenn man Sombart folgt). Die Schurken hingegen verleihen das Geld, das andere erwirtschaftet haben und zu dem sie auf unehrlichem Wege gekommen sind, zu überhöhten und natürlich nicht verdienten Zinsen. Sie leben von der Arbeit anderer Hände. Anstatt im Schweiße ihres Angesichts mit den eigenen Händen etwas zu fertigen, profitieren sie vom bloßen Handeln und von ihrer Hinterlist und Tücke.

Mit der Realität von Kaufleuten, Händlern und Unternehmern haben all diese Klischees sehr wenig zu tun. Das Gegenteil ist der Fall: Die Menschen, die Sombart und seine rechten und linken Gesinnungsgenossen als Helden darstellen, sind alles andere als Helden. Die Krieger und Kämpfer – für ein vermeintliches Vaterland, für soziale Gerechtigkeit, gegen den „Ausverkauf unserer Kultur“ und gegen „die da oben“ –, diese vermeintlichen Helden sind in der Regel getrieben von Angst. Sie kennen keinen anderen Weg zum Erreichen ihrer Ziele als die Gewalt. Sie sind nicht erfinderisch und nicht experimentierfreudig. Sie sind leicht manipulierbar und suchen den Applaus. Helden sind aus einem ganz anderen Stoff gemacht!

Mit Heldenmut ins Unbekannte

Die wahren Helden in der Menschheitsgeschichte sind die Händler gewesen. Denn sie haben immer wieder Barrieren überwunden und haben sich auf Abenteuer eingelassen, deren Ausgang ganz und gar ungewiss war. Ihre Stärke und Motivation kommt nicht durch Beifall und Verehrung der Gruppe, sondern kommt aus ihrem eigenen Selbstbewusstsein und ihrem Drang zur Verbesserung – statt zur Vernichtung. Die ersten Händler, so haben bedeutende Ökonomen wie Friedrich August von Hayek und Herbert Giersch es versucht zu rekonstruieren, waren Männer und Frauen, die sich aus ihrer kleinen Gruppe herausgetraut haben. Wagemutige und entdeckungsfreudige Menschen, die angefangen haben, mit Fremden in Austausch zu treten. Die die Angst überwunden haben, die der Unbekannte bei uns unwillkürlich auslöst – und die dem Impuls widerstanden haben, ihm den Schädel einzuschlagen um der vermeintlichen eigenen Sicherheit willen.

Doch nicht nur wegen ihres Mutes sind sie Helden. Sondern auch, weil dieser Mut – ob beabsichtigt oder nicht – die Ursache dafür ist, dass wir in einer gesünderen, wohlhabenderen und friedlicheren Welt leben. Erst die Bereitschaft, die anderen nicht als Gegner, sondern als mögliche Partner aufzufassen, hat dazu geführt, dass die Schrift erfunden wurde, Penicillin entdeckt wurde, Smartphones gebaut wurden und Bauern aus der bittersten Armut kommen, indem sie sich auf Kaffeeanbau oder Rinderhaltung spezialisieren. Wenn wir zu Menschen aufblicken wollen, dann sollten das nicht die Che Guevaras oder Hindenburgs sein, sondern die Frauen und Männer, die seit Jahrtausenden ihre Bastkörbe, Schrauben und Computerprogramme in die Welt getragen haben und unser aller Leben verbessert haben. Wie selbst Sombart sehr zutreffend in seinem Text feststellte: „Die theoretische Stellung des Händlers zum Kriege ergibt sich ohne weiteres aus seinen Grundansichten: sein Ideal muß der allgemeine ‚ewige‘ Friede sein.“

Photo: Christopher Czermak from flickr.com (CC BY 2.0)

Henning Lindhoff ist Redakteur beim Institut für Vermögensentwicklung IFVE.

Die Konjunktur in Deutschland gewinnt weiter an Fahrt. Für 2017 rechnet das Research-Team der DZ Bank mit einem Wirtschaftswachstum von 1,7 Prozent. Im kommenden Jahr sollen es 1,8 Prozent werden – nicht zuletzt auch durch vermehrten privaten und staatlichen Konsum.

Und auch die verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte werden in diesem und im kommenden Jahr leicht wachsen – nach Schätzungen der DZ Bank um 2,9 bzw. 3,0 Prozent.

Alles Friede, Freude, Eierkuchen also? Nicht ganz. Während die Bürger immer mehr Gelegenheit bekommen, ihre Arbeitskraft gegen Geld zu tauschen, wird das Feld der lukrativen Anlagemöglichkeiten stetig übersichtlicher.

Mit den Zinseinnahmen der Sparer geht es kontinuierlich bergab. Die Verzinsung ihrer Einlagen, Rentenpapiere und Versicherungen wird in diesem Jahr auf unter 60 Mrd. Euro sinken – rund 50 Prozent weniger als noch vor 10 Jahren. Und das, obwohl die Gesamtsumme der Investments seit 2008 um mehr als 36 Prozent gestiegen sind.

Da in den kommenden Monaten noch einige Rentenpapiere mit relativ hohen Zinsen fällig werden, kann durchaus mit weiter fallenden Zinseinkünften im kommenden Jahr gerechnet werden.

In den letzten Monaten haben Sparer und Anleger immer neue historische Tiefstände bei den Zinsen für Geldanlageprodukte hinnehmen müssen. Laut einer aktuellen Studie der DZ Bank, für die sie das zurückliegende Jahr in ihre Betrachtung einbezog, addierte sich der Zinsverlust der deutschen Privathaushalte zwischen 2010 und 2016 auf fast 344 Milliarden Euro.

Vor allem bei Bankeinlagen verloren Anleger: 188,6 Milliarden Euro. Aber auch Rentenpapiere (-55,7 Milliarden Euro) und Lebensversicherungen (-99,3 Milliarden Euro) konnten ihre Versprechen auf Vermögenswachstum nicht mehr in dem zuvor gewohnten Maße einhalten.

Und diese Talfahrt lässt noch kein Ende erkennen. Auf der einen Seite wird die Europäische Zentralbank ihre Politik des leichten Geldes zukünftig sicherlich eindämmen. Auf der anderen Seite wird es allerdings noch einige Jahre dauern, bis sich die Zinsen für Kredite und Geldanlageprodukte wieder spürbar erholt haben werden.

Hinzu kommen negative Effekte durch die in den letzten Monaten wieder leicht steigenden Inflationsraten. Für das Jahr 2017 rechnet die DZ Bank daher mit einem negativen Realzins von -0,8 Prozent. Dieser allein lässt einen Vermögenswertverlust im mittleren zweistelligen Milliardenbereich vermuten.

Doch trotz aller Widrigkeiten sparen die deutschen Haushalte weiter.

Mit Blick auf die demographische Entwicklung ist dies sicherlich eine positive Nachricht. Allerdings ist diese deutsche Sparsamkeit noch von zu großer Risikoscheu geprägt.

Nur 14 Prozent aller Bürger haben hierzulande Aktien in ihrem Portfolio. Statt auf Unternehmensbeteiligungen setzen sie auf unsichere Versprechen der Lebensversicherer, auf verfallende Geldwerte wie Sparbücher und Tagesgelder.

Das Vermögensbarometer 2016 veranschaulicht die Verunsicherung der deutschen Sparer. Im Auftrag der Sparkassen wurden hier mehr als 1.800 Bürger befragt. Die Ergebnisse machen deutlich, dass viele Deutsche, trotz sinkender Zinsen für Anleihen, weiter auf die vermeintliche Zuverlässigkeit der festverzinsichlichen Wertpapiere setzen. 57 Prozent der Befragten nannten „Sicherheit‟ als wichtigstes Kriterium für ihre Anlageentscheidung. „Rendite‟ rangiert nur auf dem fünften Platz. Und eine Umfrage der Postbank zeigt, dass sich 47 Prozent der Deutschen lieber mit dem zinslosen Girokonto zufrieden geben als sich mit vermeintlich riskanten Aktien zu beschäftigen. Nur 532 Milliarden Euro halten deutsche Anleger aktuell in Form von Unternehmensanteilen. Diese trugen immerhin rund 44 Mrd. Euro zum Vermögenszuwachs der Deutschen im Jahr 2016 bei.

Doch dies ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Mit ihrem falschen Anlageverhalten betrügt sich die deutsche Mittelschicht selbst.

Unsere europäischen Nachbarn freuen sich derweil über sehr viel höhere Renditen. Abzulesen ist dies am Netto-Geldvermögen (das Vermögen abzüglich der Schulden) pro Einwohner, das in vielen Ländern mit sehr viel niedriger Sparquote deutlich höher ist als in Deutschland. In den Niederlanden (80.182 Euro pro Kopf im Jahr 2015) und selbst im wirtschaftlich gebeutelten Italien (53.494 Euro) haben die Bürger mehr auf der hohen Kante als die Deutschen (47.681 Euro).

Der Grund: Die Italiener, Niederländer und viele andere legen ihr Geld sehr viel effektiver an. Laut einer Studie der Allianz-Versicherung erwirtschafteten sie zwischen 2012 und 2015 ein Plus von 4,6 Prozent.

Aktien im Portfolio verbriefen die Teilhaberschaft an einem realen Unternehmen. Weniger „German Angst“ bedeutete in Sachen Geldanlage also vor allem auch ein Mehr an unternehmerischem Selbstverständnis. Es ist zu hoffen, dass fallende Zinsen die deutschen Anleger diesem Mindset näher bringen werden.

Photo: Ms Salo from Flickr (CC BY 2.0)

Nach Brexit und Trump ging in den letzten Monaten häufiger ein erleichterter Seufzer durch Europa: Österreich, die Niederlande, Frankreich und auch Großbritannien vor einem Monat schienen zu zeigen: der Trend ist aufgehalten. Eine neue Studie deutet an: so sicher ist das noch nicht.

Nachhaltiger und beständiger Erfolg für die Populisten

Die Studie, die von unseren schwedischen Partnern, der Denkfabrik Timbro, verantwortet und von dem europaweiten Netzwerk Epicenter vorgestellt wurde, kommt zu dem Schluss, dass populistisch-autoritäre Parteien über die letzten knapp vierzig Jahre in Europa einen konstanten Zuwachs erfahren. Sechs Kriterien machen sie aus, die diese Politiker, Parteien und Bewegungen ausmachen – unabhängig davon, ob sie sich auf der rechten oder linken Seite des Spektrums einordnen: Selbstdarstellung als Kämpfer gegen eine korrupte und verfilzte Elite. Unzufriedenheit mit den bisweilen langwierigen Prozessen und unbefriedigenden Ergebnissen eines Rechtsstaats. Die Forderung nach mehr direkter Beteiligung des Volkes. Der Ruf nach dem starken Staat – als Polizei- und Militärstaat auf der rechten Seite; in der Forderung nach Verstaatlichung auf der linken. Starke Vorbehalte gegenüber EU, Zuwanderung, Globalisierung, Freihandel und der NATO. Und eine revolutionäre Terminologie, die grundlegende Veränderungen fordert.

Der anhaltende Zuwachs an Wählerstimmen hat sich in den letzten anderthalb Jahrzehnten exponentiell gesteigert. So ist innerhalb der EU der Stimmenanteil der sich selbst als Anti-Establishment bezeichnenden Parteien seit der Krise 2007/08 von etwa 10 % auf fast 20 % gestiegen. Und in der Tat: in Österreich hat fast die Hälfte der Wähler für den FPÖ-Kandidaten gestimmt; in den Niederlanden haben Geert Wilders Partei und einige ähnliche Kleinparteien noch einmal zugelegt. In Frankreich haben Le Pen und Melenchon im ersten Wahlgang der Präsidentenwahl über 40 % der Stimmen geholt, bei der Parlamentswahl hatten sie gemeinsam im ersten Wahlgang mehr Stimmen als die Bewegung von Macron. Und in Großbritannien hat die Labourpartei unter dem Linkspopulisten Jeremy Corbyn bei der Wahl 3,5 Millionen Stimmen hinzugewinnen können.

Die gemäßigten Pragmatiker verlieren an Boden

Die stärksten Verlierer dieses Trends sind die beiden großen politischen Bewegungen der Nachkriegs- bzw. Nachwendezeit: Konservative und Christdemokraten haben in den letzten zwanzig Jahren europaweit 4,7 Prozent der Wähler eingebüßt, Sozialdemokraten 4,1 Prozent, während die liberalen Kräfte erstaunlicherweise ziemlich gleichgeblieben sind. Autoritäre Populisten haben sich allerdings von 7,9 auf 15,4 Prozent hochgearbeitet und nehmen derzeit rund 17,5 Prozent der Sitze in allen europäischen Parlamenten ein. In neun Staaten sind sie an Regierungen beteiligt. International sind sie immer besser vernetzt, wobei vor allem die russische Regierung eine Schlüsselstellung bei der Förderung einnimmt – rechts wie links.

In den meisten europäischen Ländern ist die Front gegenüber diesen aufkommenden Strömungen noch relativ klar: Von Podemos in Spanien und Cinque Stelle in Italien bis zum Front National und Geert Wilders. Allerdings gibt es eben auch Fälle wie die Labour Party, die von linken Populisten gekapert wurde, oder die SPÖ, die sich vorsichtig der FPÖ öffnet. Ob Einbinden oder Ausschließen die richtige Methode ist – keiner weiß es so recht. Die große Gefahr beim Ausschließen wird oft zusammengefasst unter dem Begriff „österreichische Verhältnisse“. Wenn die einzige Option große und immer größere Koalitionen sind, schrumpft in der Regel die Mitte immer mehr zusammen. Am Ende müssen etwa wie in Sachsen-Anhalt CDU, SPD und Grüne eine Koalition bilden, um linke und rechte Populisten von der Macht fernzuhalten. Der fehlende politische Wettbewerb zwischen den zwei bis vier Hauptströmungen der Mitte führt zu einem dauernden Zuwachs für die Parteien am Rand.

Sie saugen Hoffnung aus den Menschen wie Vampire

Schon vor neun Jahren hat Obama und zuletzt Macron versucht, sich den Bedrohungen der Mitte entgegenzustellen, indem sie einer Atmosphäre der Verzweiflung, Angst und Wut eine Botschaft der Hoffnung gegenüberstellten. In den USA kann man jetzt die Bilanz ziehen, dass Obamas Versprechen von „Hope“ und „Change“ wesentlich den Boden bereitet hat dafür, dass acht Jahre später ein irrlichternder Populist mit offensichtlich unhaltbaren Heilsversprechen ihm im Amt nachfolgen konnte. Es bleibt sehr zu hoffen, dass es Macron nicht ähnlich gehen wird. Ein grundlegendes Problem an dieser Strategie ist, dass man ein klassisches Mittel der Populisten verwendet, um sie zu schlagen – ihnen dabei aber in der Regel eher den Boden bereitet. Die Botschaft „Wir lösen die Probleme für Dich“ kann dann doch von populistischen Politikern glaubhafter vermittelt werden als von Pragmatikern und Zentristen.

Die größte Schwachstelle der Populisten – das haben Politiker wie Obama und Macron durchaus richtig erkannt – ist, dass sie davon leben, dass sie den Menschen wie Vampire die Hoffnung aussaugen: Wilders, der die Islam-Apokalypse an die Wand malt; Trump, der vom „amerikanischen Gemetzel“ spricht; Corbyn, Iglesias und Melenchon, die Horrorszenarien von Ausbeutung und Verarmung zeichnen. Ihr politisches Geschäftsmodell funktioniert am besten, wenn die Menschen hoffnungslos werden. Darum ist wohl wirklich die einzige (mühsame und langwierige) Antwort auf Populisten, den Menschen wieder reale Hoffnung zu geben statt ihre Hoffnung zu zerstören, um sich selbst als Heilsbringer zu inszenieren. Dass der Populismus in unserem Land (noch) nicht so stark ist, kann auch daran liegen, dass vor 14 Jahren ein deutscher Bundeskanzler gegen starken und populistischen Widerstand in den eigenen Reihen eine reale Veränderung in Gang gesetzt hat. Wo die Politik solchen Mut nicht aufbringt, schlägt bald die Stunde der Populisten-Vampire. Gegen die hilft kein Knoblauch, sondern nur die klare Botschaft der Selbstverantwortung: „Du schaffst das!“