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Von Frank Schäffler und Clemens Schneider.

Mit diesem Text starten wir unsere Kampagne für Freihandel. Mehr Informationen finden Sie auf unserer Kampagnen-Website unter http://freetrade.world/de/

1.  Freihandel: der Motor einer humaneren Welt

Präsident Trump macht Freihandel für den Verlust von Arbeitsplätzen verantwortlich. Ein breites Bündnis linksgerichteter Organisationen in Europa sieht mit dem Freihandel alle Verbraucherschutz-Standards kollabieren. Das sind Ablenkungsmanöver zum Schutz von Privilegien einiger weniger. Dass es uns heute weltweit, in Europa und Deutschland so gut geht wie noch nie in der Geschichte, ist wesentlich ein Verdienst der zunehmenden Liberalisierung des Welthandels.

2. Freihandel schafft Frieden

Je intensiver Völker und Staaten über den Handel miteinander verbunden sind, umso unwahrscheinlicher wird es, dass sie miteinander Krieg führen. Der Handel steigert die gegenseitige Abhängigkeit. Durch die wirtschaftliche Verflechtung entsteht in der Bevölkerung immer mehr Widerstand gegen Konflikt und Krieg. Keiner hat ein Interesse daran, aufgrund politischer Aggressionen seine Waren nicht mehr verkaufen oder andere Waren nicht mehr zu günstigen Preisen erwerben zu können. Propaganda gegen den Feind verfängt nicht mehr, wenn man ihn kennt und mit ihm in Geschäftsbeziehungen steht. Immer mehr Handel zwischen den Staaten treibt den Preis für Krieg beständig in die Höhe. Zugleich erhöht sich der Wohlstand durch Handel viel schneller und nachhaltiger als durch Eroberung.

3. Freihandel ist fairer Handel

Handelsbeschränkungen in Form von Zöllen, aber auch von Standards und Regulierungen, verschaffen einigen wenigen Einheimischen Vorteile gegenüber Fremden. Gerade die Gruppen, die am besten organisiert sind, nutzen ihren politischen Einfluss, um sich vor der Konkurrenz jenseits der Grenze zu schützen. Es sind oft Großkonzerne und Großgewerkschaften, die sich durch protektionistische Politik diese Privilegien sichern. Dagegen ermöglicht Freihandel jedem Anbieter und jedem Konsumenten Zugang zum Markt. Er verhindert Diskriminierung und ermöglicht jedem Marktteilnehmer eine Chance, unabhängig von seiner Herkunft, seinem Geschlecht, seiner Meinung oder seiner gesellschaftlichen Stellung.

4. Freihandel hilft den Schwachen

Eine der Gründergestalten der Sozialen Marktwirtschaft, Franz Böhm, bezeichnete den Wettbewerb einmal als „das genialste Entmachtungsinstrument der Geschichte“. Diese Beobachtung gilt auch für den Freihandel. Wer reich ist, kann sich auch höhere Preise leisten. Von Handelsbeschränkungen sind am stärksten die Geringverdiener, die mittelständischen Unternehmen, die einfachen Bürger betroffen. Sie müssen die höheren Preise bezahlen und finanzieren durch ihre Steuern die Subventionen für die wenigen Privilegierten mit. Alle müssen zurückstecken, damit einige wenige einen Vorteil haben. Dahingegen ist Freihandel vor allem für die Starken eine Gefährdung, weil er den Schwachen eine Chance zum Aufholen bietet – im eigenen Land und auf der ganzen Welt. Wer Marktmacht brechen will, muss über Freihandel den Wettbewerbsdruck erhöhen.

5. Freihandel stärkt das Individuum

Freihandelsgegner argumentieren, man müsse „unsere Industrie“ schützen oder „unsere Standards“ durchsetzen. Dahinter steckt das antiquierte Denkschema von „wir gegen die“, der Kollektivismus und Nationalismus, der die Welt so oft ins Unglück gestürzt hat. Der Freihandel dagegen ist blind gegenüber Nationen, einzelnen Wirtschaftszweigen oder irgendeinem anderen Kollektiv. Vor ihm zählt nur die kleineste Einheit im Wirtschaftsleben: das Individuum. Wo er herrscht, muss sich kein Individuum einem größeren Wir unterordnen. Der Freihandel lässt zu, dass die einzelnen Vertragsparteien entscheiden, welche Waren und Dienstleistungen sie kaufen und verkaufen. Freihandel ist eine kosmopolitische Idee. Es überrascht nicht, dass in der gegenwärtigen Renaissance nationalistischer Ideen der Freihandel stark in die Defensive gerät, war er doch immer ein Motor der Entnationalisierung.

6. Freihandel ist die beste Entwicklungshilfe

Inzwischen hat sich fast überall die Erkenntnis durchgesetzt, dass es weder hilft, die Machthaber und Bürokratien in Entwicklungsländern durch finanzielle Unterstützung zu stützen, noch einheimische Märkte durch eine Flut von Hilfsgütern zu zerstören. Die größte Chance für die ärmeren Länder dieser Welt liegt darin, dass wir ihnen unsere Märkte öffnen. Dass seit 1990 der Anteil der Weltbevölkerung, die in extremer Armut lebt, von 37 auf unter 10 Prozent zurückgegangen ist, liegt wesentlich an der seit dieser Zeit vorangeschrittenen weltweiten Liberalisierung des Handels. Seit 2001 bzw. 2009 hat die EU zwar ihre Märkte bereits für die etwa 50 ärmsten Länder der Welt komplett geöffnet. Doch es gibt noch eine Vielzahl von Hürden, die Produzenten und Händler aus diesen Ländern überwinden müssen. Regulierungen und Standards, die Monat für Monat mehr werden, machen es für sie zum Teil unmöglich, ihre Produkte hierzulande anzubieten. Auch das gehört zum Freihandel: der Abbau von Schranken, die dadurch entstehen, dass kleine Gruppen ihre Vorstellungen über Gesetze und Regulierungen anderen aufdrängen.

7. Freihandel ermöglicht mehr Teilhabe

Ludwig Erhard bezeichnete den Versuch, den Handel einzuschränken, als „puren Egoismus“. Freihandel schafft eine Vielzahl von Gelegenheiten für Menschen, die bisher von der Teilhabe am gesellschaftlichen Wohlstand und Fortschritt ausgeschlossen waren, auch von diesen Vorteilen zu profitieren. Für die einen werden Produkte und Dienstleistungen günstiger, weil es ein breiteres Angebot und mehr Konkurrenz gibt. Für die anderen ergeben sich neue Gelegenheiten, Geld zu verdienen, indem sie sich neue Märkte erschließen. Dadurch werden auch Ressourcen freigesetzt, die anderswo eingesetzt werden können: Hierzulande kann vielleicht einer für eine nachhaltige Investition sparen, während in einem Entwicklungsland jemand die finanziellen Möglichkeiten bekommt, die Bildung seiner Kinder zu finanzieren. Wohlstand und Fortschritt sind dann nicht mehr ein Privileg kleiner Gruppen, sondern für alle da.

8. Freihandel fördert Wohlstand

Indem Barrieren abgeschafft werden, ergeben sich ganz neue Möglichkeiten, Arbeitskraft, Talent und Ressourcen zu kombinieren. Je leichter es wird, auch über Grenzen hinweg mit anderen zu kooperieren, umso schneller können Innovationen entstehen. Es entstehen mehr und bessere Produkte zu geringeren Preisen. Es erschließen sich neue Absatzmärkte und so entstehen auch neue Arbeitsplätze. Dabei steigt nicht nur die Quantität der Produkte, sondern auch die Qualität. Gerade im Blick auf Anliegen wie menschenwürdige Arbeitsbedingungen und umweltschonende Produktionsmethoden besteht inzwischen ein hoher Anspruch in vielen entwickelten Staaten. Wenn westliche Märkte auch Anbietern aus Entwicklungsländern offenstehen, wächst der Druck auf sie, diesen Vorstellungen zu entsprechen. Besser und zielgenauer als jedes Programm internationaler Organisationen kann der Druck der Konsumenten zu einer Verbesserung der Arbeits- und Umweltbedingungen in Entwicklungsländern beitragen.

9. Freihandel ist ein Prozess des Fortschritts

Der Abbau von Handelsschranken war immer ein steiniger Weg. Das erste Freihandelsabkommen wurde 1860 auf Anregung von Richard Cobden zwischen England und Frankreich formuliert. Es schaffte nicht alle Zölle und Handelsbeschränkungen auf einen Schlag ab, sondern reduzierte diese sukzessive. Auch heute geht es nicht um alles oder nichts, sondern um ein permanentes Reduzieren von Handelshemmnissen. Dabei muss man natürlich manchmal Kompromisse machen. Auch Handelsabkommen und WTO-Vereinbarungen haben mancherlei Schwachstellen. Aber jeder Schritt zu einem freieren Handel ist wichtig. Und unsere demokratischen Institutionen erlauben uns ja zum Glück auch, aus Fehlern zu lernen, so dass wir immer bessere Abkommen schließen können. Die Geschichte der Globalisierung zeigt: diese vielen kleinen Schritte in die richtige Richtung sind Teil eines Fortschritts, der am Ende allen zugutekommt.

10. Auf die Straße für den Freihandel!

Im 19. Jahrhundert gab es, zunächst in Großbritannien, dann auch in ganz Europa, eine Massenbewegung für den Freihandel. Gerade die einfachen Leute, die Arbeiter und kleinen Unternehmer gingen auf die Straße, um gegen Zölle und Handelshemmnisse zu protestieren. Wer heute die Macht kleiner Interessengruppen einschränken will; wer den Armen hierzulande und in aller Welt neue Chancen ermöglichen will; wer etwas gegen Nationalismus, Fremdenfeindlichkeit und Konflikte tun will – der muss auch heute wieder für den Freihandel auf die Straße gehen. Ein Ende der Abschottungspolitik, nicht nur durch Zölle und Subventionen, sondern auch durch Regulierungen und Standards, kann diese Welt ein Stück besser machen. Es wären Meilensteine auf dem Weg zu jener Welt, die sich Richard Cobden vor 170 Jahren erträumte, als er den Anhängern seiner Freihandelsbewegung zurief: „Ich sehe, dass das Freihandelsprinzip die moralische Welt bestimmen wird wie das Gravitationsprinzip unser Universum: indem es Menschen einander nahebringt; indem es den Gegensatz der Rassen, Bekenntnisse und Sprachen beseitigt; indem es uns in ewigem Frieden aneinander bindet …, wenn die Menschheit erst eine Familie geworden ist und Mensch mit Mensch aus freien Stücken die Früchte seiner Arbeit brüderlich austauscht.“

Photo: Wikimedia Commons (CC 0)

Mehr als jeder vierte französische Wähler hat bei der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen für rechts- oder linksradikale Politiker gestimmt. Jetzt ist ein gemäßigter Sozialdemokrat die Hoffnung des Landes und des ganzen Kontinents. Dabei hat Frankreich eine bedeutende freiheitliche Tradition.

Republik und Menschenrechte, Marktwirtschaft und Freihandel

Francois Fénelon (1651-1715) war ein wichtiger Vordenker der Menschenrechte und stand im Frankreich des Sonnenkönigs für individuelle Freiheit ein. Montesquieu (1689-1755) war der Begründer der Theorie der modernen Republik und steht mithin an der Wiege aller freiheitlichen Demokratien der jüngeren Geschichte. Nicolas de Condorcet (1743-1794) trat als einer der ersten für die Gleichberechtigung der Frau ein. Jean-Baptiste Say (1767-1832) war ein mächtiger Fürsprecher unternehmerischer Freiheit. Frédéric Bastiat (1801-1850) ist das Kunststück gelungen, die Ideen der Marktwirtschaft und des Liberalismus so anschaulich darzustellen, dass seine Schriften heute noch klassische Einführungstexte sind. Alexis de Tocqueville (1805-1859) formulierte die Theorie der liberalen Zivilgesellschaft. Michel Chevalier (1806-1879) war der kongeniale Partner des großen Freihändlers Richard Cobden auf der französischen Seite. Andere im Sinne der Freiheit wohlklingende Namen sind Richard Cantillon, Turgot, Olympe de Gouges, Lafayette, Charles Comte und Charles Dunoyer.

Im Laufe des 19. Jahrhunderts und vor allem im 20. Jahrhunderts versiegt diese Tradition zunehmend. In den letzten 100 Jahren stechen mit genialen Gedanken und Schriften noch Bertrand de Jouvenel (1903-1987) und vor allem Raymond Aron (1905-1983) hervor. Danach wird es leider immer dünner … Im Aufbäumen gegen den Absolutismus, Zentralismus und Bürokratismus, der das Land schon vom 17. bis ins 19. Jahrhundert durchdrang, formierte sich zunächst manch anregender und sogar global einflussreicher Widerstand. Ein Denker und ein Ereignis führten jedoch dazu, dass die Idee der Liberté gewissermaßen falsch abbog. Jean-Jacques Rousseau ersetzte den Absolutismus des Königs durch den Absolutismus des Volkswillens. Und die Französische Revolution entartete in eine radikale Tyrannei einer kleinen Gruppe, die sich fatal selbst überschätzte und die Freiheit in einem Blutmeer ertränkte.

Einer der geistigen Führer des Liberalismus des 19. Jahrhunderts

Einer der wichtigsten Kritiker dieser Entwicklung des französischen Liberalismus war der Schriftsteller und Politiker Benjamin Constant (1767-1830), den Friedrich August von Hayek als einen „der geistigen Führer des Liberalismus des 19. Jahrhunderts“ bezeichnete. Constant war ein wahrer Europäer: Geboren in der Schweiz als Abkömmling einer französischen Familie wuchs er unter anderem in den Niederlanden, Brüssel und Großbritannien auf. Er studierte in Erlangen und Edinburgh, wo der Siebzehnjährige mit zentralen Persönlichkeiten der liberalen Geistesgeschichte wie Adam Smith, David Hume und Adam Ferguson Umgang pflegte. Er war mit dem größten deutschen Liberalen jener Zeit, seinem Jahrgangsgenossen Wilhelm von Humboldt, befreundet und übersetzte die Werke Kants ins Französische.

Die Radikalisierung der Französischen Revolution betrachtete er mit zunehmender Sorge. Als die Schreckensherrschaft endete, engagierte sich der Endzwanziger publizistisch für den Aufbau einer freiheitlichen Republik. Nach anfänglicher Unterstützung wurde er auch zu einem scharfen Kritiker Napoleons und nach der Wiederherstellung der alten Monarchie 1815 war er einer der intellektuellen und politischen Führungspersönlichkeiten der liberalen Opposition. Zeit seines Lebens warnte er vor den Gefahren absoluter Herrschaft – ob in Form einer Monarchie oder Demokratie. Er war ein glühender Verfechter von Freiheit der Meinung, der Rede und der Presse. Er verteidigte Markt und Unternehmertum und sprach sich für Non-Zentralismus und Föderalismus aus. Nach seinem Tod rühmten ihn die ehemaligen Sklaven in den französischen Kolonien für seinen Einsatz zu ihrer Befreiung. In Wort und Tat, als Publizist und Politiker war er einer der Leuchttürme in der Geschichte des Liberalismus.

Das Prinzip der Freiheit braucht auch heute Verteidiger

Gegen Ende seines Lebens blickt Constant zurück: „Vierzig Jahre lang habe ich dasselbe Prinzip verteidigt: Freiheit in allen Dingen – in der Religion, der Philosophie, der Literatur, der Wirtschaft, der Politik. Und mit Freiheit meine ich den Sieg des Individuums über eine Autorität, die despotisch herrschen will, wie auch über die Massen, die für sich beanspruchen, eine Minderheit der Mehrheit untertan zu machen. Die Mehrheit hat das Recht, die Minderheit darauf zu verpflichten, die öffentliche Ordnung zu respektieren. Doch alles, was die öffentliche Ordnung nicht stört, was rein persönlich ist wie unsere Meinungen, was als Meinungsäußerung anderen keinen Schaden zufügt, alles was im Bereich der Wirtschaft einem Konkurrenten erlaubt, sich frei zu entwickeln – bei all dem handelt es sich um Ausdrucksformen des Individuums. Und es gibt keinen legitimen Grund, dies staatlicher Gewalt zu unterwerfen.“

Nicht nur für Frankreich, sondern für ganz Europa und die westliche Welt muss man hoffen, dass diese Ideen und Ideale wieder an Bedeutung gewinnen. In einer Zeit, in der die Debatten nur noch um Fragen wie die Leitkultur oder noch mehr Umverteilung kreisen, sind die Stimmen der Freiheit besonders dringend gefragt. Frauen und Männer wie Constant und die anderen oben angeführten Persönlichkeiten haben oft unter erheblichen persönlichen Opfern die Sache der Freiheit verteidigt und vorangebracht. Sie sind das geistige Fundament, auf der unsere freiheitliche Demokratie, unser Rechtsstaat, unsere Marktwirtschaft und unsere offene Gesellschaft stehen. Es ist unsere Aufgabe, dieses Fundament zu erweitern und darauf weiterzubauen – in Frankreich und überall. Denn, so Constant, „ohne die Freiheit gibt es für die Menschen keinen Frieden, keine persönliche Würde, kein Glück.“

Photo: Marco Verch from Flickr (CC BY 2.0)

Werden das Roboter- und Computer-Zeitalter einen erheblichen Teil der Menschheit arbeitslos machen? Wohl kaum. Vielmehr können wir eine zunehmende Humanisierung der Arbeitswelt erwarten. Die Dienstleistungsgesellschaft kommt unserem Drang zu Austausch und Kooperation entgegen.

Innovation und Technik sind nicht die Ursachen der Rückschläge für die Menschheit

In regelmäßigen Abständen skandalisieren und dramatisieren Zeitungen, Magazine und Fernsehdokumentationen den Untergang der gewohnten Arbeitswelt, weil die Digitalisierung immer mehr Arbeitsplätze vernichte. Der österreichische Kanzler und der Präsidentschaftskandidat der Sozialisten in Frankreich forderten kürzlich eine Maschinensteuer. Diese Ausbrüche der Zukunftsangst sind nichts Neues. Es fällt einem nicht wirklich schwer, sich vorzustellen, wie vor Zehntausenden von Jahren die Lastenträger und Eseltreiber panisch auf die Einführung des Lastkarrens reagiert haben müssen. Schon der römische Kaiser Vespasian verbot den Gebrauch technischer Innovation, um den Arbeitern zu garantieren, dass sie auch weiterhin in ihren alten Berufen ihr Brot verdienen können. Durch die Menschheitsgeschichte haben Politiker immer wieder eingegriffen, um Innovation zu behindern oder zumindest zu verlangsamen: aus Angst vor Massenarbeitslosigkeit und vielleicht mitunter auch aus echter Sorge um die Arbeiter. Oft nahmen die Arbeiter, die sich durch Maschinen und Technologie bedroht fühlten, die Sache in die eigenen Hände. Insbesondere in der Zeit der Industriellen Revolution gab es regelmäßige Aufstände sogenannter Maschinenstürmer.

Auch wenn die herbei beschworenen apokalyptischen Szenarien wieder und wieder ausgeblieben sind, finden sich doch zu jeder Zeit Politiker und Wissenschaftler, die argumentieren, nun sei aber wirklich der Zeitpunkt erreicht, wo Maschine, Roboter oder Computer den Menschen ersetzen. Und natürlich finden diese Theorien auch immer dankbare Abnehmer bei den Amateur- und Profi-Pessimisten dieser Welt. Angst ist eben immer ein gutes Geschäftsmodell. Und Katastrophenszenarien geben einem auch noch das erhebende Gefühl, in einer ganz besonderen Zeit zu leben, die anders sei als alles, was die Menschheit bisher erlebt habe. Die enttäuschende Realität: so besonders ist man dann doch nicht und auch die Katastrophen bleiben aus. Die wirklichen Rückschläge für die Menschheit kommen nicht aus Innovation und Technik, sondern aus politischen Entscheidungen, die sich von Ressentiments und Angst ernähren.

Es gibt immer mehr entlohnte Arbeit

Auch die Zahlen sprechen deutlich gegen die Theorie, dass Arbeit durch technischen Fortschritt verschwindet. Trotz des zunehmenden Grades an Automatisierung und des Niedergangs vieler Produktionszweige steigt die Zahl der Menschen, die einer Erwerbsarbeit nachgehen, in Deutschland und anderen vergleichbaren Ländern kontinuierlich an. Und das obwohl in den vergangenen Jahrzehnten auch noch immer mehr Frauen in den Arbeitsmarkt eingestiegen sind. 1882 hatte Deutschland 45,2 Millionen Einwohner und knapp 19 Millionen gingen einer Erwerbsarbeit nach (42,0 %). 25 Jahre später waren bei einer Bevölkerung von 62 Millionen bereits 28,1 Millionen in Lohn und Brot (45,5 %). Im Jahr 1991 gab es 38,7 Millionen Erwerbstätige bei einer Gesamtbevölkerung von 80,3 Millionen (48,2 %) und 25 Jahre später waren es 43,4 von 82,2 Millionen (52,8 %).

Der Anteil der Bevölkerung, der einer Arbeit nachgegangen ist, die zum eigenen Lebensunterhalt beigetragen hat, ist kontinuierlich gestiegen. Zwar gibt es heute weniger junge Menschen als vor 135 Jahren, aber auch das durchschnittliche Einstiegsalter in den Beruf ist konstant gestiegen, die Zahl der Über-65jährigen geradezu explodiert und der Anteil von berufstätigen Frauen an der weiblichen Gesamtbevölkerung in dieser Zeit von 24,4 auf 47,3 Prozent hochgegangen. Besonders spannend ist die Entwicklung der einzelnen Wirtschaftssektoren: Der primäre Sektor (also Landwirtschaft und Rohstoffproduktion) ist als Arbeitsplatz-Lieferant schlichtweg atomisiert worden. Der sekundäre Sektor (Industrie, Handwerk u. ä.) ist nach einem zwischenzeitlichen Aufstieg in der Hochphase der Industrialisierung auch im raschen Niedergang begriffen während der tertiäre Sektor (Dienstleistungen) beständig wächst – wohlgemerkt bei steigender Erwerbstätigenquote.

Erwerbstätige in den verschiedenen Wirtschaftssektoren

Erwerbstätige in den verschiedenen Wirtschaftssektoren

Es geht immer menschlicher zu am Arbeitsplatz

Welche Jobs gingen denn verloren durch die Industrialisierung und die Digitalisierung? Diejenigen, in denen man hart und lange arbeiten musste. Die Berufe, in denen man sich den Rücken krumm und die Lunge staubig geschuftet hat. Jene monotonen Aufgaben, bei denen menschliche Interaktion auf kurze Zurufe beschränkt war. Das Wachstum des tertiären Sektors hingegen bedeutet letztlich eine zunehmende Humanisierung der Arbeitswelt. Denn in der Dienstleistung sind Kooperation und Kommunikation gefragt. Es sind Berufe, in denen das Wichtigste ist, sich auf andere Menschen einzulassen: Verkäufer, Fahrerinnen, Pfleger, Beraterinnen oder Lehrer – all diese Menschen stehen in dauernden sozialen Kontakten. Wenn wir Menschen, wie es etwa die Philosophen der Schottischen Aufklärung häufig dargestellt haben, uns tatsächlich dadurch auszeichnen, dass wir auf Gemeinschaft ausgelegt sind, ist diese Form der Arbeit uns sehr viel angemessener als wenn wir alleine auf der Scholle oder am Fließband vor uns hin ackern.

Oft wird auch argumentiert, dass mit dem Wandel von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft Jobsicherheiten und gute, beständig ansteigende Bezahlung verschwinden würden. Tatsächlich ist der lebenslange Arbeitsplatz inzwischen wohl hauptsächlich ein Privileg von Beamten. Doch schon heute begreifen viele junge Menschen diese erhöhte Flexibilität als Chance. Sobald wir uns an die veränderten Umstände angepasst haben, bieten sich eben auch sehr viel mehr Möglichkeiten, unser Potential zu entfalten, als wenn wir unser Leben lang in einer Firma und in einem Bereich verharren. Und wenn über stagnierende oder sinkende Reallöhne geseufzt wird, kann man nicht oft genug daran erinnern, dass immer mehr und immer bessere Produkte zu immer günstigeren Preisen verfügbar sind. Während der Stahlarbeiter früher zwei Jahre auf die Urlaubswoche in Rimini sparen musste, kann heute die Kassiererin für den Lohn von fünf Arbeitstagen eine Woche Urlaub bestreiten.

Arbeiten, wo das häufigste Wort lautet: „Danke!“

Sicherlich wird der Transformationsprozess in der Arbeitswelt nicht ohne Verlierer vonstattengehen. Und natürlich hängt eine positive Entwicklung auch von anderen Faktoren ab – etwa davon, wie sehr die Politik im Stil von Kaiser Vespasian versucht, die Entwicklung der neuen Arbeitswelt durch Regulierungen, Verbote und Abgaben zu drosseln. Aber am Ende des Tages werden höchstwahrscheinlich alle besser dastehen. Die Entwicklung aufzuhalten, um die Privilegien von einigen zu schützen, geh jedoch fast immer zu Lasten von allen anderen. Wer den Verlierern helfen will, muss andere Wege finden als Interventionen durch eine Schutz- und Verbotspolitik, um zu vermeiden, dass dann andere Verlierer produziert werden.

Die Welt ist noch nie besser geworden durch die, welche die Vergangenheit schönreden und die Zukunft in düsteren Farben malen. Sie ist besser geworden durch diejenigen, die sich angepasst haben und nach Lösungen gesucht haben. Denjenigen, die von der guten alten Zeit träumen, muss man deutlich entgegenhalten: Wenn der Enkel des Kohlekumpels und der Näherin morgen sein Geld mit einer Halbtagsstelle bei einer Massage-Praxis, einigen Uber-Fahrten und einem Trödelmarkt-Stand verdient während seine Freundin in einem Catering-Unternehmen und als Stadtführerin arbeitet, dann ist das ein gewaltiger Fortschritt. Lebensqualität steigt nicht parallel zu Reallöhnen und ist auch nicht abhängig von der völligen Planbarkeit des eigenen Lebens. Lebensqualität hat auch viel zu tun mit sinkenden Preisen, höherer Produktvielfalt – und insbesondere mit einer Arbeitswelt, die uns Menschen nicht an den Rand der Erschöpfung bringt, sondern in jenes Umfeld, in dem das häufigste Wort lautet: „Danke!“

Am 20. März ist in der „Edition Prometheus“ beim FinanzBuch Verlag München das Buch „Wie wir wurden, was wir sind. Einführung in den Klassischen Liberalismus“ von Eamonn Butler erschienen.

Die Übersetzung des Buches „Classical Liberalism“ von Eamonn Butler erscheint unter dem deutschen Titel „Wie wir wurden, was wir sind“ und zur rechten Zeit. Denn der Klassische Liberalismus in Deutschland kann eine Selbstvergewisserung gut gebrauchen, ist er doch eine der Quellen dessen, wer wir sind. Eamonn Butler ist Gründer und Leiter des Londoner Adam Smith Institute, Englands führender Denkfabrik für Marktfreiheit und Klassischen Liberalismus. Sein Buch ist aus allgemeiner, doch angelsächsisch gefärbter Sicht verfasst, und das ist kein Nachteil.

Die Ursprünge des Klassischen Liberalismus liegen nämlich im Schottland des 18. Jahrhunderts. Die schottische Aufklärung brachte Persönlichkeiten wie Adam Smith, David Hume und Adam Ferguson hervor, deren Strahlkraft bis heute reicht. Ihre Schriften erreichten im 18. und 19. Jahrhundert auch Kontinentaleuropa und die deutschen Länder. Zur damaligen Zeit galten die klassisch Liberalen als politisch links, weil sie sich gegen die etablierten Autoritäten auflehnten. Sie kämpften für die Herrschaft des Rechts und gegen die Willkür der Obrigkeit.

Ihr entschiedenes Eintreten für den Freihandel sollte nicht den Reichen und Vermögenden zugutekommen, sondern Armut bekämpfen und Frieden stiften. Die Liberalen waren allesamt Marktwirtschaftler und kämpften für die Meinungsfreiheit. Der deutsche Sprachraum wurde ein Hort des Klassischen Liberalismus: Im 18. Jahrhundert waren seine bekanntesten Vertreter Immanuel Kant und Wilhelm von Humboldt, im 19. Jahrhundert John Prince-Smith, Eugen Richter und Hermann Schulze-Delitzsch. Jeder von ihnen stand für etwas, das heute noch Grundlage für eine liberale Gesellschaft ist.

John Prince-Smith machte die Freihandelsidee in Preußen populär. Er gründete Freihandelsvereine und saß im Preußischen Abgeordnetenhaus, später auch im Reichstag. Eugen Richter war der kompromisslose Kämpfer für die klassisch liberale Deutsche Fortschrittspartei im Kaiserreich. Als politischer Gegenspieler des Reichskanzlers Otto von Bismarck, ging er gleichzeitig mit den aufkommenden Sozialdemokraten hart ins Gericht. Er wandte sich vehement gegen die Sozialistengesetze Bismarcks auf der einen Seite, aber auch gegen die Einführung der gesetzlichen Sozialversicherung auf der anderen Seite. Hermann Schulze-Delitzsch war der entscheidende Begründer und Antreiber des Genossenschaftswesens in Deutschland – Hilfe zur Selbsthilfe für Gewerbetreibende, Handwerker und Landwirte, die keinen Zugang zu Krediten hatten. Dieser Grundgedanke des Genossenschaftswesens ist bis heute im Bankwesen, im Gesundheitswesen und im Einzelhandel verankert.

Der Klassische Liberalismus damals wie heute hatte und hat viele Gegner. Sie kommen aus der konservativen wie auch aus der sozialistischen Ecke – die beide dazu neigen, das Althergebrachte zu konservieren und im Neuen nicht die Chance, sondern die Gefahr zu vermuten. Selbstverständlich gilt das nicht überall und im gleichen Maße. Die Konservativen sind häufig ökonomisch aufgeschlossener als die Sozialdemokraten, aber gesellschaftlich rückwärtsgewandt. Die Sozialdemokraten sind oft gesellschaftlich offener für Veränderungen als die Konservativen, aber ökonomisch wollen sie die alte Welt möglichst lange behalten. Letztlich vereint sie aber derselbe Irrtum: Sie trauen dem Einzelnen wenig zu. Sie glauben, dass der Staat die Dinge regeln muss, weil der Einzelne ökonomisch, geistig oder körperlich dazu nicht in der Lage ist.

Wie sieht also die Situation des Klassischen Liberalismus heute in Deutschland aus? Haben die Marktwirtschaft, der Freihandel, der Rechtsstaat und das Individuum noch eine Lobby? Aber ja! Ähnlich wie schon einmal im 19. Jahrhundert weht seit einiger Zeit, inspiriert aus dem angelsächsischen Raum, ein neuer klassisch-liberaler Wind nach Deutschland hinein. Diese Szene ist bunt, jung – und sie wächst. Dem Netzwerk „Students for Liberty“ etwa, 2008 in den USA gegründet, gehören derzeit weltweit über 2000 und in Deutschland über 20 Studentengruppen an, die dem Liberalismus verpflichtet sind.

Sogar Ludwig von Mises’ „Nationalökonomie“ und Friedrich August von Hayeks „Verfassung der Freiheit“ werden wieder neu aufgelegt und von jungen Lesern entdeckt. Die Kenntnisse dieser Klassiker tun gut; denn der deutsche Liberalismus ist in seiner Geschichte bisher niemals an seiner Prinzipientreue und Standfestigkeit gescheitert, sondern immer an seiner Beliebigkeit. Deshalb ist ein festes theoretisches Fundament so notwendig. Und als ein verlässlicher und informativer Stein in diesem Fundament dient das Buch von Eamonn Butler.

Erstmals erschienen in Der Hauptstadtbrief.

Photo: Warner Bros Entertainment Inc

Um unsere Wirtschaftsordnung, die Soziale Marktwirtschaft, ist es nicht gut bestellt. Wenn man die Bürger im Lande fragt, ob die Soziale Marktwirtschaft die Reichen reicher und die Armen ärmer macht, dann stimmen 77 Prozent der Bürger dieser Aussauge zu. Für die Ungerechtigkeit in Deutschland machen 52 Prozent die Soziale Marktwirtschaft verantwortlich. Eine Mehrheit von 51 Prozent fordert sogar eine grundlegende Veränderung des Wirtschaftsmodells. Trotz Beschäftigungsrekorden, trotz historisch einmaligem Wohlstand in Deutschland, auch in breiten Schichten der Bevölkerung, herrscht großes Misstrauen.

Diese Einschätzungen fallen nicht vom Himmel, sondern haben einen kulturellen Hintergrund, dessen Wurzeln zu Beginn des letzten Jahrhunderts zu suchen sind, und die sich heute in breiten Bevölkerungsschichten niederschlagen. In Deutschland gibt es also seit sehr langer Zeit eine kritische, zuweilen sogar ablehnende Position gegenüber der Marktwirtschaft. Dies hat sich auch mit dem Zusammenbruch des real existierenden Sozialismus der DDR nicht wirklich geändert.

Dass diese kritische Haltung sich durchsetzen konnte, hat viel mit der so genannten „Frankfurter Schule“ zu tun, die sich um das Institut für Sozialforschung an der Universität Frankfurt gebildet hat. Max Horkheimer und Theodor Adorno waren die Ikonen dieser Schule. Das Institut war vor der Zeit des Nationalsozialismus und erst recht in den 1950er und 60er Jahren die ideologische Kaderschmiede der Marxisten in der westlichen Welt und trug maßgeblich zur Ablehnung der Marktwirtschaft bei. Generationen von Studenten wurde weltweit davon beeinflusst, die heute an den Schaltstellen des Staates, der Parteien, Medien und Unternehmen sitzen. Der berühmte Marsch durch die Institutionen ist vollbracht. Der Kampf der Ideen scheint gewonnen.

Doch wer die Basis dieser Entwicklung, das Institut für Sozialforschung, näher betrachtet, stößt sehr schnell auf den Argentinier Felix Weil, der die finanzielle Basis gelegt hatte. Das privat finanzierte An-Institut der Universität Frankfurt wurde von seinem Geld errichtet. Als Sohn und Erbe des Multimillionärs und Getreidehändlers Hermann Weil, hat er „sein gesamtes Vermögen in das Projekt eines interdisziplinären, marxistischen Theorien verpflichteten Instituts gesteckt“, wie die Autorin Jeanette Erazo Heufelder in dem gerade erschienen Buch mit dem Titel „Der argentinische Krösus“ schreibt. Nicht ohne Erfolg, wie man leider feststellen muss.

Hermann Weil hat sehr früh erkannt, dass es in einer Gesellschaft um den Kampf der Ideen geht. Auch die Idee der Sozialen Marktwirtschaft ist nicht vom Himmel gefallen, sondern hat ihre Wurzeln in den 1920er und 30er Jahre. Erst die Vorarbeiten von Wilhelm Röpke, Walter Eucken und anderen versetzen Ludwig Erhard nach dem 2. Weltkrieg in die Lage, durch die Freigabe der Preise und die Einführung der D-Mark, eine marktwirtschaftliche Ordnung durchzusetzen.

Ein weiteres, und besonders ermutigendes Beispiel ist das von Antony Fisher. Fisher kam als Hühnerzüchter zu Vermögen und las nach dem 2. Weltkrieg das Buch „Der Weg zur Knechtschaft“ von Friedrich August von Hayek, in dem Hayek hart mit den braunen und roten Sozialisten ins Gericht ging. Fisher ging anschließend zu Hayek und teilte ihm mit, nach der Lektüre seines Buches in die Politik gehen zu wollen, um eine ähnliche Entwicklung in Großbritannien aufzuhalten. Hayek riet ihm jedoch davon ab und empfahl ihm, ein Institut zur Verbreitung freiheitlicher Ideen zu gründen. Diesem Rat folgend gründete Fisher und 1957 das Institute of Economic Affairs in London. Großbritannien war zu dieser Zeit ein halb-sozialistisches Land. Die Industrie war überwiegend verstaatlicht worden und die Spitzensteuersätze lagen bei über 90 Prozent. Das Institut beeinflusste in den Folgejahren die Stimmung und trug zur marktwirtschaftlichen Erneuerung Großbritanniens in den 1980er Jahren unter Margaret Thatcher maßgeblich bei. Milton Friedman sagte später über die IEA: „Ich bezweifle, dass es ohne das IEA eine Thatcher-Revolution gegeben hätte.“ Die Macht der Ideen und der Wettbewerb um die Köpfe und Herzen der Menschen entscheidet über unsere Zukunft!