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Deutschland lebt von der Substanz. Nach Zahlen des Instituts der Deutschen Wirtschaft in Köln sind 27,4 Prozent der Schienenwege, 39,4 Prozent der Straßen und Brücken und 53,2 Prozent der Wasserstraßen älter als 30 Jahre. Über Jahre wurden die Investitionsmittel zurückgefahren. Noch heute liegen die realen Investitionen in die Fernstraßen unter dem Niveau des Jahres 2008. Seit 25 Jahren dümpelt die Investitionsquote des Gesamtstaates bei rund 2 Prozent dahin. Selbst die Anlageinvestitionen der Wirtschaft sind, den Werteverzehr berücksichtigend, von 9,3 Prozent (1991) auf 2,8 Prozent (2017) zurückgegangen. Private Investitionen in den Wohnungsbau nehmen zwar derzeit wieder zu, sie liegen aber immer noch unter dem Niveau der 1990er Jahre. Real sinkt der Kapitalstock in Deutschland wahrscheinlich derzeit.

Die öffentliche Wahrnehmung ist dagegen eine ganz andere. Wahrscheinlich ist es der relative Vergleich zu den anderen. Es herrscht eine allgemeine Zufriedenheit über den Standort Deutschland. Nach Zahlen des Instituts Allensbach halten 87 Prozent der Befragten den Standort Deutschland für „gut“ oder „sehr gut“ und lediglich 8 Prozent für „weniger gut“ oder „gar nicht gut“. Daher glauben auch 74 Prozent der Bevölkerung, dass Deutschland in 10 und 15 Jahren noch zu den führenden Wirtschaftsnationen gehören wird und 68 Prozent glauben sogar, dass Deutschland in dieser Zeit ökonomisch an Bedeutung gewinnen wird. Soviel Optimismus war selten. Und so viel Diskrepanz zur realen Wirklichkeit auch. Doch es gilt: Müßiggang ist aller Laster Anfang. Sattheit macht blind für die Zukunft. Die Erklärung dafür hat sehr viel mit der gemeinsamen Währung, dem Euro, zu tun.

Der real existierende Euro geht Deutschland an die Substanz. Er führt dazu, dass Deutschland Risiken außerhalb des Landes übernimmt, um insbesondere im Euroraum öffentliche und private Investitionen zu finanzieren. Durch die Nullzinspolitik der EZB werden unterschiedliche Risiken und deren Bepreisung innerhalb des Euro-Raumes nivelliert. Es ist egal, ob Investitionen in Italien, den Niederlanden oder Deutschland stattfinden. Sie sind in den Augen der EZB und der Finanzmärkte fast gleich sicher.

Auch das Zahlungssystem Target II der EZB dokumentiert diesen Umstand. Innerhalb des Target II-Systems hat die Bundesbank 923 Mrd. Euro Forderungen gegenüber anderen Notenbanken des Euro-Systems. Diese Forderungen werden bekanntlich nicht ausgeglichen, sondern unendlich fortgeschrieben. So ist es auch mit dem Europäischen Stabilitätsmechnismus ESM. Auch er verzerrt letztlich die Realität. Er vergemeinschaftet einen Teil der Schulden in der Eurozone. Die geplante europäische Einlagensicherung EDIS soll zusätzlich die Haftung bei Bankenschieflagen vergemeinschaften und dies die Einleger in der ganzen Euro-Zone bezahlen lassen. Auch dies schleift die Substanz.

Aus diesem Grund reicht sparen bei den öffentlichen Haushalten in Deutschland alleine nicht aus. Was nützt es in Deutschland, die öffentliche Verschuldung abzubauen, wenn gleichzeitig ex- und implizite neue Schulden im Euro-Raum übernommen werden. Unterm Strich steigt der Schuldenberg in Deutschland und die Infrastruktur wird noch schlechter.

So wichtig es ist, dass Kommunen, Länder und der Bund zurückhaltend mit dem Aufwuchs der Ausgaben sind, so entscheidend ist, dass verstärkt Investitionen in Deutschland notwendig sind. Hier bilden die Wähler und die politische Ebene noch am Ehesten eine Einheit. Hier fallen Haftung und Verantwortung noch am Wenigsten auseinander. Innerhalb der Euro-Zone ist dies nicht der Fall. Auf die Entscheidungen in Italien, Portugal oder Spanien hat der Bürger in Deutschland keinen Einfluss. Das ist gut und richtig so. Doch entscheidend ist dann aber auch, dass die Bürger in Deutschland nicht für die (Fehl-)Entscheidungen dort herangezogen werden dürfen. Viele dieser oben beschriebenen Konstruktionsfehler der Euro-Zone können nicht von heute auf morgen beseitigt werden. Sie können abgemildert, verändert oder wie bei EDIS verhindert werden.

Daher muss eine deutsche Regierung im eigenen Land das Beste daraus machen. So wichtig es ist, die staatliche Infrastruktur zu ertüchtigen, entscheidend sind die Rahmenbedingungen für private Investitionen. Sie übersteigen in einer Marktwirtschaft die öffentlichen Investitionen um ein Vielfaches. Wer den Verfall der Substanz in Deutschland daher verhindern will, muss Bürger und Unternehmen entlasten und sie damit einladen, hier zu investieren. Das sichert dauerhaft unseren Wohlstand für uns alle.

Erstmals veröffentlicht bei Tichys Einblick.

Von Dr. Alexander Fink, Universität Leipzig, Senior Fellow des IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues und Fabian Kurz, Student der Volkswirtschaftslehre, ehemaliger Praktikant bei Prometheus. 

Der Bundesbankgewinn wird zunehmend zum Politikum. Der Bund nutzt die Einnahmen mittlerweile wie eine Steuereinnahme. Doch der Gewinn einer Notenbank ist kein herrkömmlicher Gewinn, denn Geldschöpfung ist kein produktiver Akt. Der Überschuss führt dazu, dass die Geldmenge ausgeweitet wird. Nachhaltiger und transparenter für die Bürgerinnen und Bürger wäre deshalb, wenn die Bundesbank den Gewinn direkt vernichten würde.

Als im Frühjahr 2017 der Bundesbankpräsident Jens Weidmann einen merklich niedrigeren Gewinn der Bundesbank für das Jahr 2016 verkündete, wurde dieser Umstand in den Medien sehr bedauert. Auch Finanzminister Schäuble zeigte sich nicht gerade begeistert. Laut Bundesbankgesetz ist der Gewinn der deutschen Zentralbank an den Bund abzuführen. Ein hoher Gewinn der Bundesbank scheint erstrebenswert zu sein, trägt dieser doch zur Finanzierung staatlicher Leistungen bei. Da durch den Transfer der Geldeinheiten von der Zentralbank an den Bund kein realer Wert geschaffen wird, ist die Vorteilhaftigkeit für den Bürger jedoch fraglich.

Bundesbankgewinne: Entstehung

Wie auch andere Unternehmungen erzielen Zentralbanken Umsätze mit den Gütern und Dienstleistungen, die sie ihren Kunden zur Verfügung stellen. Zentralbanken stellen das Gut „allgemein akzeptiertes Zahlungsmittel“ bereit – wir nennen es Geld. Direkt kommen Zentralbanken nicht mit ihren Endkunden, den Haltern und Nutzern des Geldes, in Kontakt, sondern mit Geschäftsbanken, die das Geld weiterreichen.

Zentralbanken vergeben an Geschäftsbanken Kredite. Im Gegenzug hinterlegen diese Sicherheiten und zahlen Zinsen an die Zentralbanken. Die Zinseinnahmen der Zentralbanken aus diesen Krediten und Zinsen auf andere von ihnen gehaltene Vermögenswerte sind ihre Haupteinnahmequelle. Im Jahr 2016 beliefen sich die Einnahmen der Deutschen Bundesbank aus Zinsen auf ca. 3,7 Milliarden Euro.

Die Kosten für die Bereitstellung einer zusätzlichen Einheit Geld belaufen sich für eine Zentralbank, die nicht durch reale Vermögenswerte gedecktes Geld ausgibt, auf etwa null. Eine mit einem Monopol auf die Notenausgabe ausgestattete Zentralbank ist also in der komfortablen Situation, durch die Ausgabe zusätzlichen Geldes Einnahmen zu erzielen, während ihre Grenzkosten für die Notenausgabe nahe null sind. Historisch haben die potentiell hohen Gewinne monopolistischer Geldproduktion schon früh Begehrlichkeiten bei Vertretern des Staates geweckt.

In Deutschland entstehen Zentralbankgewinne nicht nur bei der Bundesbank. Die Bundesbank ist Teil des Systems der europäischen Zentralbanken. In diesem System werden Aufgaben zwischen der Europäischen Zentralbank und den nationalen Zentralbanken aufgeteilt. Einige Geschäfte und die damit verbundenen Einnahmen fallen in den Bereich der nationalen Zentralbanken, andere fallen in den der EZB. Der größte Teil der konventionellen und unkonventionellen Geldpolitik wird von den nationalen Notenbanken abgewickelt, daher sind deren Einnahmen auch ergiebiger als die der EZB. So kaufen und halten nationale Notenbanken im Rahmen der unkonventionellen Geldpolitik 92% der Wertpapiere. Über den Gewinn, den die nationalen Zentralbanken erwirtschaften, können sie unmittelbar verfügen. Der Gewinn der EZB wird nach einem festen Schlüssel auf die nationalen Zentralbanken verteilt. So speist sich der jährlich überwiesene Bundesbankgewinn an den Bund aus den direkten Gewinnen der Bundesbank und ihrem Anteil am Gewinn der EZB.

Auszahlung an den Bund erhöht Geldmenge

Schüttet die Deutsche Bundesbank Gewinne an den Bund aus, erhöht sich die umlaufende Geldmenge. Dadurch verlieren alle bereits umlaufenden Euro etwas an Kaufkraft. Mehr Geldeinheiten jagen dieselbe Anzahl von Gütern. Es kann zu einem Anstieg des Preisniveaus kommen.

Die potentiell expansive Wirkung der Ausschüttung des Bundesbankgewinns an die Bundesregierung ist bekannt. So wurde 1984 der Gewinn der Bundesbank nur ratenweise ausgezahlt, damit die Bundesbank die zusätzlich entstandene Geldmenge besser an anderer Stelle wieder „einsammeln“ konnte.

Ausschüttung erhöht Einfluss des Bundes

Obwohl der Begriff Zentralbankgewinn den Eindruck vermittelt, durch die Ausschüttung werde etwas „gewonnen“, wird durch den Transfer kein Wert geschaffen. Es wird nichts produziert, wenn die Bundesbank die Mittel an den Bund überträgt. Es stehen somit keine zusätzlichen Güter und Dienstleistungen bereit.

Durch die Ausschüttung des Gewinns der Bundesbank an den Bund wird jedoch zusätzliche Kaufkraft an den Bund übertragen. Der Bund hat somit relativ zu privaten Haushalten und anderen staatlichen Einrichtungen durch die Ausschüttungen mehr Einfluss auf die Verwendung von Ressourcen hierzulande.

Der Bund könnte dem entgegenwirken, indem er auf Steuereinnahmen oder Neuverschuldung im Umfang des Bundesbankgewinns verzichtet. Eine derartige Zurückhaltung war in den letzten Jahrzehnten allerdings nicht wahrzunehmen. Vielmehr werden die Gewinnausschüttungen von der Bundesregierung anscheinend schlicht als zusätzliche Steuereinnahmen wahrgenommen.

Mehr Staatseinfluss nicht wünschenswert

Zum einen sollte die Höhe des Gewinns der Bundesbank den Einfluss des Bundes auf die Ressourcenverwendung nicht beeinflussen, weil das Ausmaß (bundes)staatlicher Aktivität Resultat des demokratischen Prozesses sein sollte, der auch eine transparente Darlegung der Finanzierung staatlicher Aktivität ermöglicht.

Zum anderen ist ein durch den Bundesbankgewinn determinierter zusätzlicher Einfluss des Bundes aus gesamtgesellschaftlicher Perspektive nicht wünschenswert, weil auch der deutsche Staat nicht gerade bekannt dafür ist, Ressourcen außerhalb seiner Kernaufgaben effizienter einzusetzen als private Akteure. Das ist nicht sonderlich überraschend. Private Akteure haben einen Anreiz, mit Ressourcen sorgsam umzugehen, da sie im Erfolgsfall Gewinne erzielen und bei Misserfolg Verluste erleiden. Politiker und Angestellte des Staates hingegen müssen in der Regel negative Konsequenzen nicht selbst tragen und profitieren materiell nicht von Erfolgen.

Bundesbankgewinn vernichten

Würde die Bundesbank den Jahresgewinn nicht an den Bund überweisen, sondern den Gewinn schlicht „vernichten“, würden alle Halter von Geld davon profitieren. Der Wert der gehaltenen Banknoten würde in diesem Fall nicht durch die zusätzlichen Euros geschmälert und der bundesstaatliche Einfluss auf die Verwendung von Ressourcen nicht ausgeweitet..

Liefe in Deutschland weiterhin die vornehmlich von Inländern gehaltene D-Mark um, wäre die „Vernichtung“ des Bundesbankgewinns aus gesamtgesellschaftlicher Perspektive eindeutig zu empfehlen. Im Kontext der gemeinsamen Währung im Euro-Raum ist die Situation verzwickter.

Euro-Gleichgewicht: Bundesbankgewinn ausschütten

Von der Vernichtung des Bundesbankgewinns würden alle Eurohalter profitieren. Diese sind außerhalb Deutschlands vor allem im Eurozonenausland zahlreich.

Nutzt die Bundesregierung den Gewinn der Bundesbank, tragen die Einwohner Deutschlands als eine Gruppe von Eurohaltern nur einen Teil der Verluste durch Kaufkrafteinbußen. Zugleich profitieren sie als Einwohner potentiell zumindest teilweise vom stärkeren Einfluss auf die Ressourcenverwendung des Bundes. Denn dessen Kaufkraft erhöht sich nicht nur relativ zu privaten Haushalten und anderen staatlichen Einrichtungen in Deutschland, sondern auch relativ zu Akteuren der gesamten Eurozone.

Im gemeinsamen Währungsraum ist es folglich wahrscheinlicher, dass nicht nur aus der Perspektive der Staatsvertreter, sondern auch aus gesamtgesellschaftlicher Perspektive der einzelnen Staaten die Ausschüttung der Zentralbankgewinne an die jeweiligen Regierungen wünschenswert ist.

Aus gesamtgesellschaftlicher Sicht der Eurozone als Ganzes hingegen wäre es vorzuziehen, wenn keine der nationalen Notenbanken ihre Gewinne an ihre jeweilige Regierung überweisen würde. So würde der Staat in allen Mitgliedsländern seinen Einfluss mittels der Gewinne aus der Notenausgabe nicht ausweiten können und müsste sich auf die transparenteren Instrumente Steuereinnahmen und Schuldenaufnahme beschränken.

Eine europäische Lösung

Solange in den übrigen Mitgliedsländern Zentralbankgewinne an Regierungen transferiert werden, ist verständlich, dass die Bundesbank dies auch tut. Es muss also eine europäische Lösung her – wie es so oft heißt: Die Europäische Zentralbank könnte ihren Gewinn direkt vernichten und alle dem Eurosystem zugehörigen nationalen Zentralbanken könnten dazu verpflichtet werden, ihre Gewinne ebenfalls zu vernichten, um sie vor dem Zugriff von Politikern zu schützen. Wie so oft wird diese potentielle europäische Lösung vermutlich nur ein Gedankenexperiment bleiben.

Zuerst erschienen bei IREF.

Photo: Ur Cameras from flickr (CC 0)

Es soll niemand sagen, das billige Geld der EZB würde nicht wirken. Es wirkt sehr wohl. Es erhöht zwar nicht die Inflation – wie von Mario Draghi erhofft. Doch wer die aktuellen Lohnabschlüsse im öffentlichen Dienst anschaut, ahnt, dass auch das nur eine Frage der Zeit ist. Die Inflationsmessung ist eh ein schwieriges Feld, das hat sehr unterschiedliche Gründe. Einer ist die Definition. Der eingebaute technische Fortschritt verfälscht die Höhe, die Zusammenstellung des Warenkorbes ist kritikwürdig und das Nichtberücksichtigen der Vermögenspreisentwicklung ist einseitig.

Das billige Geld erhöht auch den Einfluss des Staates. Seine Zinsausgaben sinken und die Steuereinnahmen steigen. Die Wirtschaft ist wie angefixt und ruft nach immer mehr billigem Geld. Das lässt einen Scheinwohlstand entstehen, der sich auch bei den Steuereinnahmen bemerkbar macht. Allein der Bund hat in den letzten 10 Jahren 81 Milliarden Euro zusätzlich an Steuern eingenommen. Ein sattes Plus von 35 Prozent. Bis 2021 kommen nochmals 33 Milliarden Euro hinzu. Gleichzeitig verteilt der Staat immer mehr um. Das Institut für Weltwirtschaft in Kiel hat das jetzt untersucht. Im vergangenen Jahr wurden die Finanzhilfen des Bundes um über 10 Prozent, auf insgesamt 55 Mrd. Euro erhöht. Die Steuervergünstigungen beziffert das Institut für Weltwirtschaft auf 62 Milliarden Euro. Insgesamt summiert sich der Kieler Subventionsbericht auf 117 Milliarden Euro.

Das Spiel des billigen Geldes geht schon viel zu lange. Seit 2009 hat die Europäische Zentralbank ihren Leitzins auf unter 2 Prozentpunkten gesenkt, seit 2012 unter 1 Prozentpunkt und seit März 2016 bei null festgesetzt. Diese Zinssenkungen der EZB dürfen nicht ohne ihr Anleihenkaufprogramm für Schulden von Staaten, Banken und Unternehmen gesehen werden. Bis September dieses Jahres wird die EZB dafür 2.500 Milliarden Euro frisches Geld in den Markt gepumpt haben. Von interessierter Seite wird behauptet, dies hätte nur einen geringen Einfluss auf den langfristigen Zins. Wenn es so wäre, könnte die EZB die Zinswende ja einleiten. Doch sie fürchtet die Zinswende, wie der Teufel das Weihwasser. Mit Recht. Käme sie, hätte Italien ein Problem und Griechenland stünde vor einem neuen Hilfsprogramm. Doch nicht nur Italien und Griechenland, sondern auch manche Ruhrgebietskommunen könnten ihre Kassenkredite, die sie derzeit faktisch ohne Zinsen bekommen, nicht mehr bedienen. Alle hätten ein Problem.

Da ist es doch viel einfacher, die üppigen Gelder in den Haushalten gönnerhaft zu verteilen. 2009 betrug der Rentenzuschuss des Bundes noch 78,6 Milliarden Euro. Im Jahr 2021 wird die magische Schwelle von 100 Milliarden Euro überschritten. Dann beträgt der Zuschuss bereits 103,3 Milliarden Euro. Der Bundeszuschuss zur gesetzlichen Krankenversicherung ist inzwischen bei 14,5 Milliarden Euro. 2001 waren es noch eine Milliarde Euro. Die Förderung der Elektromobilität schlägt mit 400 Mio. Euro zu Buche, was schon fast bescheiden ist. Die Finanzhilfen für die Land- und Forstwirtschaft und die Fischerei sind mit 2,7 Milliarden Euro von Seiten des Bundes und mit 5 Milliarden Euro von Seiten der EU dabei. Für alles gibt es eine Begründung, die mal sinnvoller und mal weniger einleuchtend ist. Doch eines ist klar, der Finanzminister ist ein Glückspilz. Er kann aus Wasser Wein machen, aus Stroh Gold und aus billigem Geld Wohlstand für uns alle. Egal wie er aktuell heißt, ob Schäuble, Scholz oder „Sonst wie“. Er ist beliebt bei den Subventionsempfängern, bei den Gehaltsempfängern des öffentlichen Dienstes, bei den Sozialpolitikern und selbst bei den Haushaltspolitikern. Alle sind zufrieden und glücklich.

Man klopft sich gegenseitig auf die Schulter, lobt und preist sich. Doch die Kollateralschäden werden immer deutlicher. Das Hamsterrad dreht sich nur, wenn die Zinsen weiter niedrig bleiben. Mario Draghi könnte, selbst wenn er wollte, die Zinswende gar nicht mehr ernsthaft einleiten. Er wird leichte Zinserhöhungen auch mal austesten. Kleine Trippelschritte können wir erwarten. Doch der Markt wird ihn schnell eines Besseren belehren. Er kann nicht mehr agieren, sondern nur noch matt reagieren. Es ist schon lange ein „lame duck“.

Das ist die Konsequenz aus der Manipulation des Zinses. Wird der Preis für Geld vernichtet, fehlt der wichtigste Indikator in einer Marktwirtschaft. Investitionen werden fehlgelenkt. Sonst erfolgte Korrekturen finden nicht mehr oder zu spät statt. Zombiebanken und Zombieunternehmen werden halbtot weiter beatmet. Geld ist ja genug da. Dabei wird der Staat immer fetter und die Bürger merken es nicht einmal. Es herrscht Geldsozialismus. Nicht ohne Grund soll Lenin gesagt haben: „Wer die bürgerliche Gesellschaft zerstören will, muss ihr Geldwesen verwüsten.“

photo: David Sjunnesson from unsplash (CC 0)

Das schlechte Wetter vor Ostern lässt auch den Internationalen Währungsfonds von besseren Zeiten träumen. Dessen Chefin Christine Lagarde hat gerade einen Schlechtwetterfonds für die Eurozone vorgeschlagen. In Anlehnung an den so genannten „Rainy Day Fund“ der USA, der bei Naturkatastrophen unbürokratisch Hilfe zusagen könne, solle die Eurozone jetzt auch „eine Art zentrale Fiskalkapazität“ bereitstellen. Um, wie Lagarde es formuliert, „eine schmerzhafte Wiederholung der Erfahrung in den Krisenjahren 2008/2009 zu vermeiden“. Man müsse das Dach reparieren, wenn die Sonne scheint, so die Französin. Dazu sollen die Euro-Staaten jährlich 0,35 Prozent des BIP einzahlen. Für Deutschland wären das aktuell 11,4 Mrd. Euro pro Jahr.

Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Mitteln sei das Einhalten der EU-Fiskalregeln. Wer Gelder bekommt, soll nach Überwindung einer Krise anschließend mehr einzahlen müssen.
Lagarde vergleicht den Charakter des Fonds mit dem einer KfZ-Versicherung. Ob sie dabei an einen Vollkaskoschutz ohne Selbstbeteiligung denkt? Wer weiß?

Beim Lagarde-Vorschlag gerät einiges durcheinander. Erstens ist die Analyse falsch. Die Krise 2008/2009 war am Anfang keine Krise in Europa oder im Euro-Raum. Es war zuerst eine Krise des überschuldeten amerikanischen Immobiliensektors, der durch eine staatlich gelenkte Verbraucherpolitik geschaffen und durch eine fatale Geldpolitik der amerikanischen Notenbank Fed angeheizt wurde. Erst als die Blase platzte, kam die Krise nach Europa. Und auch hier lag die Ursache in einer falschen Politik. Das Vollsaugen der Landesbanken mit billiger Liquidität, noch unter dem Dach staatlicher Garantien (Anstaltslast und Gewährträgerhaftung) der Bundesländer, und die mangelnde Professionalität der politikdominierten Aufsichtsorgane ließen die Landesbanken unübersehbare Risiken in Übersee eingehen. Als dort die Blase platzte, kam die Krise nach Europa. Der Steuerzahler musste nicht nur in NRW, sondern auch in Sachsen, Baden-Württemberg, Bayern und jüngst auch in Hamburg und Schleswig-Holstein mit Milliarden-Beträgen die jeweilige Landesbank retten.

Die Euro-Schuldenkrise begann erst 2010 mit der drohenden Insolvenz Griechenlands. Hier war die Ursache eine mögliche Überschuldung und dadurch erhöhte Risikoaufschläge für griechische Anleihen. Für Investoren war nicht mehr klar, ob Griechenland dauerhaft seine Schulden bedienen kann. Bei hochverschuldeten Staaten wie Italien (Staat), Spanien (Privatsektor) und Irland (Bankensektor) zogen die Aufschläge bei den Anleihen ebenfalls an. Lediglich bei Irland hatte die Schieflage etwas mit der amerikanischen Immobilienkrise zu tun. Viele europäische, insbesondere deutsche Banken, wickelten ihre Geschäfte in Übersee über Banken oder Tochterunternehmen in Dublin ab.

Wir halten fest: In Griechenland, Italien und Spanien war es eine falsche Politik der dortigen Regierung, die dafür sorgte, dass entweder der Staatsapparat oder, wie in Spanien, die privaten Haushalte über ihre Verhältnisse lebten. In Deutschland war es in erster Linie ein Versagen staatlicher Industriepolitik. Der staatliche Bankensektor wurde über Staatsgarantien subventioniert und die Vorstände wurden nicht richtig kontrolliert und gingen Milliarden-Risiken zu Lasten der Steuerzahler ein.

Zweitens stammt der Vorschlag eines Schlechtwetterfonds nicht aus den USA – zumindest nicht in dieser Form.  Denn die USA kennt keinen Schlechtwetterfonds auf nationaler Ebene. Was es gibt, sind zahlreiche Schlechtwetterfonds in den einzelnen Bundesstaaten. Deren Finanzierung ist von Bundesstaat zu Bundesstaat sehr unterschiedlich. In einigen Bundesstaaten fließen die Haushaltsüberschüsse, in anderen eine feste Summe und wiederum in anderen Bundesstaaten Einnahmen aus bestimmten Quellen in den Fonds. Eine Studie des „Pew Charitable Trusts“ von April untersuchte Schlechtwetterfonds aus 47 Bundesstaaten. Fazit ist dabei: Es gibt keinen zentralen Schlechtwetterfonds in den USA, sondern ganz viele. Es gibt keine einheitliche Finanzierung und auch keine einheitlichen Auszahlungskriterien. Der eine Bundesstaat (Colorado) setzt ihn für schnelle Hilfen bei Naturkatastrophen ein, andere Bundesstaaten versuchen, wirtschaftliche Verwerfungen zu lindern. Doch das, was Christine Lagarde und zuvor auch Jean-Claude Juncker für die gesamte Euro-Zone vorschwebt, gibt es in den USA nicht.

Was lernen wir daraus: Nicht jede Sau, die durch das Dorf getrieben wird, existiert tatsächlich. Und nicht jedes Grunzen in Brüssel, Paris oder anderswo sollte man schon deshalb glauben, weil es besonders entschlossen vorgetragen wird.

 

Photo: Gareth Thompson from Flickr (CC BY-ND 2.0)

Von Claus Vogt, Börsenbrief „Krisensicher investieren“.

Deutschland hat gewählt. Herausgekommen ist nach monatelangem Gezerre eine Neuauflage der Koalition zwischen CDU, CSU und SPD. Um zu erfahren, was Sie von diesem kläglich zustande gekommenen „Weiter so“ erwarten dürfen, lohnt sich ein Blick in den Koalitionsvertrag. Er trägt die Überschrift: „Ein neuer Aufbruch für Europa – Eine neue Dynamik für Deutschland – Ein neuer Zusammenhalt für unser Land“. Europa wird also an erster Stelle, das heißt vor Deutschland genannt. Das ist kein Zufall, wie die Lektüre dieses 177 Seiten starken Vertrags offenbart, sondern Programm. Der Begriff „Europa“ wird immerhin schon 298 Mal verwendet, während „Deutschland“ mit 221 Erwähnungen nur noch an zweiter Stelle steht.

Freihandel ist rundum zu begrüßen

Freihandel schafft Wohlstand und Frieden. Deshalb waren und sind Roland Leuschel und ich glühende Anhänger der ursprünglichen Idee eines geeinten Europas als Freihandelszone oder Zollunion, in der Güter, Dienstleistungen und Kapital ungehindert über Ländergrenzen hinwegbewegt werden dürfen.

Die Verwirklichung dieser europäischen Idee war ein voller Erfolg. Sie hat dem vom Zweiten Weltkrieg gebeutelten Europa zu großem Wohlstand und zu Frieden verholfen. Deshalb sollte die Politik alles in ihrer Macht stehende unternehmen, um den Fortbestand dieses erfolgreichen Projekts zu sichern.

Wie man inzwischen deutlich sehen kann, wurde mit der Einführung der Währungsunion aber ein Weg beschritten, der dieses Projekt untergräbt. Vielleicht waren die „Väter des Euro“ so naiv zu glauben, eine Währungsunion sei trotz der großen ökonomischen Unterschiede der beteiligten Länder dauerhaft machbar.

Vielleicht hielten sie die Einhaltung des Stabilitätspakts, mit dem die Staatsverschuldung der Mitgliedsländer begrenzt werden sollte, tatsächlich für realistisch. Und vielleicht glaubten sie sogar, die Europäische Zentralbank werde in die Fußstapfen der Bundesbank treten. Das alles spielt heute aber keine Rolle mehr.

Die Realität hat diese Hoffnungen zerstört. Deshalb gilt es jetzt, den Blick nach vorn zu richten und weitere Fehlentscheidungen zu vermeiden. Politischer Weitblick und Größe können schließlich auch durch das Eingestehen und Korrigieren von Fehlern bewiesen werden. Doch davon ist weder im Koalitionsvertrag noch bei der Europäischen Kommission etwas zu spüren. Hier gibt man sich stattdessen fest entschlossen, dem eingeschlagenen Weg weiter zu folgen.

Instabilität und Geldentwertung

Dass die Währungsunion noch nicht auseinandergebrochen ist, liegt ausschließlich an der höchst umstrittenen Politik der EZB. Sie hat faktisch eine Garantie für sämtliche Staatsschulden der Mitgliedsländer ausgesprochen und kauft in riesigem Umfang Staatsanleihen. De jure handelt es sich dabei nicht um verbotene Staatsfinanzierung, hat der Europäische Gerichtshof entschieden. Aus ökonomischer Sicht hingegen schon.

Es gibt natürlich einen guten ökonomischen Grund, warum Staatsfinanzierung mit der Gelddruckmaschine verboten wurde: Sie zerstört den Zusammenhang zwischen Leistung und Erfolg, verstärkt die soziale Ungerechtigkeit und fördert politischen Extremismus. In ihrer Endphase führt diese kurzsichtige Politik zu einem Vertrauensverlust in die Währung und damit zu Geldentwertung.