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Photo: Ashley van Haeften from Flickr (CC BY 2.0)

Es war ein aufopferungsvoller Selbstversuch. Mein Norwegenurlaub! Die Frage war: Gelingt es mir, ohne Bargeld und nur mit Kreditkarte durch Norwegen mit dem Wohnmobil zu kommen? Ist also etwas dran an der großen Geschichte, dass das Bargeld immer mehr zurückgedrängt wird? Bisher hatte ich nur darüber geschrieben. Jetzt wollte ich den ultimativen Praxistest machen. Am besten schien es mir, direkt in die Höhle des Löwen zu fahren – nach Skandinavien. Immerhin gelten die Nordländer als Vorreiter des bargeldlosen Zahlungsverkehrs. In meinem Buch „Nicht mit unserem Geld“ habe ich der Diskriminierung des Bargeldes und seinen Hintergründen ein ganzes Kapitel gewidmet. Bargeld sei der in Münzen geschlagene Teil unserer Freiheit, schrieb ich darin vor anderthalb Jahren.

Der Tripp nach Norwegen führte mich über das Legoland in Billund/Dänemark. Jede Cola, jedes Eis, das meine Kinder nachfragten, konnte ich bargeldlos bezahlen. Lediglich das eine oder andere kleinere Fahrgeschäft, das sie nutzen wollten, erforderte die harte Münze. Da mussten sie dann halt mal passen.

In Norwegen angekommen war dann die bargeldlose Welt wieder in Ordnung. Alles, aber wirklich auch alles konnte dort mit der Kreditkarte bezahlt werden. Vom Müsliriegel in Stavanger über den Kaffee in Bergen bis zum Campingplatz am Hardangerfjord konnte alles mit dem eigenen guten Namen entrichtet werden. So kam ich fast zwei Wochen gut über die Inseln, Fjorde und Seen.

Doch halt: In den tiefen Tälern, hinter den Bergen in Dalen in der Telemark gibt es einen Ort der Freiheit, wo fast nur Bares Wahres ist. Der dortige Campingplatzbetreiber, ein Holländer, leistet den Mastercards und Visas dieser Welt erbitterten Widerstand. Er akzeptiert nur Bares – und Bitcoin! Um das Nachmittagseis meiner Tochter zu bezahlen, zückte ich mein Smartphone und bezahlte mit der Cyberwährung 7,62 mBTC, umgerechnet 2,01 Euro.

Zwar gab es morgens keine frischen Brötchen, aber irgendwie ist der Campingplatz Dalen so etwas wie das Liberland des Nordens. Auf einer kleinen Insel zwischen zwei Bergmassiven gelegen, trotzt einer dem Überwachungsstaat und dem staatlichen Geldmonopol. Was will man mehr im Urlaub?

Dieser Beitrag erschien zuerst im Magazin “eigentümlich frei”, Ausgabe Nr. 155, September 2015

Von Aaron Koenig, Autor von „Bitcoin – Geld ohne Staat„, Gründer und Geschäftsführer von bitfilm.

In Griechenland zeigt sich das herrschende Geldsystem von seiner hässlichen Seite. Die Menschen können nur kleine Beträge ihres eigenes Geldes von ihrem Konto abheben. Ein aufgeblähter Staatsapparat bezahlt die Rechnungen von Lieferanten und Handwerkern nicht. Renten und Sozialleistungen werden gekürzt. Mit der Wirtschaft geht es immer weiter bergab. Europäischen Politikern fällt als „Reformmaßnahme“ nichts Besseres ein, als die Steuern zu erhöhen. Das verschlimmert die Situation der Menschen in Griechenland noch mehr. Auch ein Austritt Griechenlands aus dem Euro und die Wiedereinführung der Drachme wird die Probleme nicht lösen.

Die tiefere Ursache der Misere liegt nämlich im staatlichen Scheingeldsystem, das seit dem Ende der Golddeckung des Dollars im Jahr 1971 überall auf der Welt die Norm ist. Es hat zu zahllosen Finanzkrisen und zum Auseinanderklaffen der Schere zwischen Arm und Reich geführt. Das staatliche Privileg der Zentral- und Geschäftsbanken, aus dem Nichts Geld zu schaffen, führt zu einer Verwässerung des Geldwertes und zu einer ungerechten Bevorteilung derjenigen, die nah an der Quelle dieses „virtuellen Geldes“ sitzen, in erster Linie also Banker und Politiker.

Auch die Verschuldung ist im Zeitalter des beliebig vermehrbaren Geldes sehr viel einfacher geworden. Seit Ende der Golddeckung sind die Schuldenberge fast aller Staaten in bisher ungekannte Höhen gewachsen. Griechenland ist da keine Ausnahme. Doch irgendwann muss ein solches auf Schulden gebautes Kartenhaus in sich zusammenbrechen. Griechenland ist Teil einer Entwicklung, die auch uns unweigerlich treffen wird, wenn wir das Übel nicht an der Wurzel packen.

Der beste Ausweg aus der Krise ist es, das staatliche Geldmonopol abzuschaffen und durch einen freien Wettbewerb nicht-staatlicher Währungen zu ersetzen. Die bekannteste darunter ist zweifellos der Bitcoin. Er hat dieselben Qualitäten, die Gold über viele tausend Jahre zum beliebtesten Geld der Menschheit gemacht haben: beide sind knapp, teilbar, fälschungssicher und unverwüstlich. Niemand würde für ein Stück bedrucktes Papier arbeiten, wenn nicht der Zwang des Staates wäre, es als „gesetzliches Zahlungsmittel“ anzuerkennen. Gold und Bitcoin werden von den Menschen hingegen ganz ohne Zwang als Geld akzeptiert, aufgrund ihrer besonderen Qualitäten.

Mario Draghi kann auf Knopfdruck täglich ein paar Milliarden neue Euro erzeugen, was unsere Ersparnisse abwertet. Der Zuwachs an Bitcoins ist hingegen streng reglementiert. Die Gesamtmenge an Bitcoins ist durch die Software auf 21 Millionen begrenzt. Im Gegensatz zum Gold kann man Bitcoin in Sekundenschnelle und zu minimalen Kosten rund um die Welt schicken. Es ist daher das perfekte Geld für das Internet-Zeitalter.

Der Staat wird sicher nicht freiwillig auf sein Geldmonopol verzichten. Doch der Geist ist aus der Flasche. Der freie Wettbewerb der Währungen, wie ihn Nobelpreisträger Friedrich August von Hayek vorgeschlagen hat, ist bereits Wirklichkeit. Das Bitcoin-System ist so aufgebaut, dass es gegen staatliche Verfolgung immun ist. Es gibt keine zentralen Server, die man abschalten, keine „Bitcoin-Firma“, die man schließen könnte. Bitcoin ist einfach freie Software, die jeder nutzen kann – ohne irgendwen um Erlaubnis zu fragen. Wenn der große Schwindel des staatliches Scheingeldsystem auffliegt, steht mit Bitcoin ein gut funktionierendes, weltweites Zahlungssystem als Alternative bereit.

Schon jetzt kann es interessant sein, einen Teil seines Geldes in Bitcoins umzutauschen, um Kapitalverkehrskontrollen wie in Griechenland zu umgehen. Bitcoins haben den großen Vorteil, dass sie von keiner Macht der Welt gesperrt oder konfisziert werden können. Bitcoins sind digitales Bargeld, das man nicht verbieten kann. Ihre Aufbewahrung ist sehr viel sicherer als die von klassischem Bargeld, denn man kann von ihnen Sicherheitskopien machen und an verschiedenen Orten speichern. Auch das Überschreiten von Grenzen ist mit Bitcoins sehr viel einfacher als mit Bündeln von Geldscheinen. Alles, was man sichern muss, selbst wenn man Millionenwerte bewegen will, ist ein digitaler Code, der auf einen USB-Stick oder gar ein Blatt Papier passt.

Als im März 2013 während der Bankenkrise auf Zypern für ein paar Tage die Konten der Bürger gesperrt und Sparguthaben über 100.000 Euro enteignet wurden, stiegen das Interesse am Bitcoin und damit der Kurs sprunghaft an. Es ist damit zu rechnen, dass eine ähnliche Entwicklung im absehbaren Fall eines griechischen, italienischen oder französischen Staatsbankrotts eintreten wird. Wer jetzt in Bitcoin investiert, profitiert vom noch relativ günstigen Kurs von rund 200 Euro.

Nicht-staatliche Währungen wie Bitcoin sind wirkungsvolle Gegenmittel gegen staatliche Finanztyrannei. Sie nehmen dem Staat die Möglichkeit, unser Eigentum zu beschlagnahmen und durch Inflation im Wert zu mindern. Die Griechenland-Krise hat die Schwäche des staatlichen Scheingeldsystems besonders deutlich gemacht. Wir haben jetzt die Freiheit, auf ein besseres System umzusteigen.

Das Buch „Bitcoin – Geld ohne Staat“ ist im Mai 2015 beim Finanzbuchverlag München erschienen. Es betrachtet Bitcoin aus Sicht der Wiener Schule der Volkswirtschaft.

Von Norbert Häring, Journalist.

Der Beitragsservice von ARD ZDF Deutschlandradio und ich haben ein gemeinsames Interesse: wir wollen beide möglichst schnell gerichtlich klären lassen, ob ich das Recht habe, den Rundfunkbeitrag – wenn ich ihn denn bezahlen muss – mit Münzen und Scheinen zu bezahlen.  Am Dienstag ging meine mit dankenswerter Unterstützung des Prometheus-Instituts erarbeitete Klage an das Verwaltungsgericht Frankfurt.

Die Rundfunkanstalten haben Barzahlungen in ihren Satzungen ausgeschlossen. Ich meine, das ist rechtswidrig, weil es der Eigenschaft von Euro-Banknoten als „unbeschränktes gesetzliches Zahlungsmittel“ nach § 14 Bundesbankgesetz widerspricht. Die Rundfunkanstalten wollen das schnell klären, weil sich sehr viele Bürger offenbar auch wie ich verhalten und den Rundfunkbeitrag nur noch bar zahlen wollen. Sie stecken in der Zwickmühle. Je mehr und je länger Bürger die „unbare“ Zahlung verweigern, desto mehr dürfte der ohnehin schon riesige Strom der Zahlungsverweigerer Anschwellen. Rund 900.000 Zwangsvollstreckungen hat der Beitragsservice 2014 beantragt und 21 Millionen (!) mal gemahnt.

Wenn die Rundfunkanstalten andererseits die Barzahlungsanbieter mit Bescheiden überziehen würden und diese dann auch vollstrecken wollten, riskierten sie, Verfahren vor vielen verschiedenen Gerichten gleichzeitig, und mit jedem neuen Verfahren steigt das Risiko, dass es irgendwo einen negativen Ausgang gibt und die Unsicherheit für die Anstalten noch größer wird.

Der mutmaßliche Versuch der Anstalten, mich und mein Barzahlungsangebot einfach zu vergessen war möglicherweise daran gescheitert, dass ich die Sache öffentlich machte, und Frank Schäffler und schließlich auch die Massenmedien das verbreiteten. So schaltete man um und ebnete  schnell den Weg zum Gericht. Ich bekam einen Bescheid vom Hessischen Rundfunk, dass Barzahlung nicht möglich sei, mein Widerspruch wurde ebenso schnell zurückgewiesen und gegen diese Zurückweisung konnte und musste ich dann vor dem Verwaltungsgericht klagen, um nicht meine gesetzlich und verfassungsrechtliche Rechtsposition aus formalen Gründen zu verlieren.

Dank meines im Geldrecht sehr kundigen Anwalts ist eine Klageschrift entstanden, die verschiedene Erfolgsmöglichkeiten eröffnet. So hat es den Anschein, als sei die Gebührensatzung des Hessischen Rundfunks schon nicht ordentlich genehmigt worden, was eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür bietet, dass sie schon alleine deswegen ungültig ist. Dann würde dem Hessischen Rundfunk bereits ganz grundsätzlich die rechtliche Basis zur Erhebung des Rundfunkbeitrags fehlen.

Zum zweiten legt die Klageschrift dar, dass § 14 Bundesbankgesetz entgegen der Auslegung der Rundfunkanstalten tatsächlich von Anfang an den Zweck verfolgte, eine Verpflichtung zur Annahme des gesetzlichen Zahlungsmittels zu begründen. Das gleiche gilt für die noch höhere Rechtsebene des europäischen Vertragsrechts, wo ebenfalls Euro-Banknoten zum gesetzlichen Zahlungsmittel erklärt werden und eine EU-Kommissionsempfehlung zusätzlich noch einmal klarstellt, was damit gemeint ist. Wenn sich das Gericht dieser Argumentation anschlösse, würde das bedeuten, dass der Beitragsservice beziehungsweise die Rundfunkanstalten Bargeldzahlungen nicht ablehnen dürfen.

Es könnte noch dicker kommen. Denn tatsächlich schließen ja die Beitragssatzungen der Rundfunkanstalten Barzahlung aus. Wenn sie aber aufgrund des Bundesbankgesetzes verpflichtet sind, Bargeld anzunehmen, ihre Satzung ihnen das hingegen nicht erlaubt, dann müssten sie wohl zuerst neue Satzungen beschließen und genehmigen lassen, bevor sie die in bar angebotenen Beiträge annehmen können.

Zu welchem dieser Ausgänge es kommt, wird sich zeigen. Es ist jedenfalls ein spannendes Verfahren, das üblicherweise einige Monate dauern wird. Bis dahin könnte es für Gebührenpflichtige im Allgemeinen – insbesondere für diejenigen, die Barzahlung angeboten haben – überlegenswert sein, den Beitrag nur noch unter ausdrücklichem Vorbehalt zu bezahlen bzw. zu überweisen, und zu erklären dass man die Rechtsgrundlage des Beitrags und das Recht der Rundfunkanstalt auf  Verweigerung der Barzahlung bestreitet und sich Rückforderung vorbehält, für den Fall, dass ein Gericht Rechtsverstöße durch Beitragsservice oder Rundfunkanstalt feststellt.

Die Bedeutung des Verfahrens weist bei allem auch noch über den reinen Rundfunkbeitrag hinaus. Es gibt einen unerklärten Krieg der Finanzbranchen unter Beihilfe der EU-Behörden und mancher Regierungen gegen das Bargeld. Die Bearbeitung von Wechselgeld wird durch absurde Regeln verteuert, damit die Händler Plastikgeld dem Bargeld vorziehen. Selbst Behörden weigern sich bisweilen, das gesetzliche Zahlungsmittel anzunehmen. In vielen Ländern wurde sogar bereits verboten, bar zu zahlen, wenn die Rechnung höher als zum Beispiel 1000 Euro ist. Und um ganz klar zu machen, worum es geht, hat kürzlich die größte Bank der USA, JP Morgan Chase verfügt, dass ihre Kunden kein Bargeld mehr in ihren Schließfächern verwahren dürfen. Sie sollen das Geld lieber auf ihr Konto einzahlen, heißt es zur Begründung. Dort sei es sicherer. Das sollen sie mal den Griechen erklären. Wenn diese Verdrängung des Bargelds in die Illegalität weiter geht, dann brauchen sich die Banken bei der nächsten Finanzkrise nicht mehr zu sorgen und die Regierungen brauchen nicht mehr für die Spareinlagen garantieren. Dann gibt es für die Bürger kein Entkommen mehr. Wenn die Banken nicht genug Geld haben um alle Forderungen der Einleger zu erfüllen, werden die Guthaben einfach entwertet. Dass dabei auch die informellen persönlichkeitsrechte der Bürger verletzt werden, habe ich in meiner Klage ebenfalls thematisiert.

Ein Gerichtsurteil, dass unmissverständlich feststellt, dass ein unbeschränktes gesetzliches europäisches Zahlungsmittel nicht mutwillig von Behörden oder Regierungen verboten werden oder seine Annahme verweigert werden kann, würde also nebenbei auch einen dicken Knüppel zwischen die Beine der Anti-Bargeld-Krieger werfen.

Photo: Ben from Flickr (CC BY-ND 2.0)

Es gibt Zufälle auf dieser Welt! Am Tag vor der Abstimmung im griechischen Parlament und den Beratungen der Euro-Finanzminister über das neue Hilfsprogramm für Hellas berichtet das dortige Statistikamt ein von Experten nicht erwartetes Wachstum der griechischen Wirtschaft von 0,8 Prozent zum Vorquartal. Gleich wird man an den Satz erinnert: traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast. So ist es wohl auch hier. Ein gewisses Misstrauen ist wohl angebracht. Schon legendär ist die Defizitmeldung Griechenlands nach Brüssel aus dem Jahr 2010 für 2009. Damals meldete die Regierung Papandreou ein Haushaltsdefizit von 3,7 Prozent. Nach mehreren Korrekturen stellte man später fest, dass es am Ende doch 15,4 Prozent(!) waren.

Doch die breite Zustimmung im griechischen Parlament war auch ohne diese wahrscheinliche Manipulation nicht überraschend. Schon im Vorfeld hatte die größte Oppositionspartei Nea Dimokratia ihre Zustimmung erklärt und damit die Mehrheit gesichert. Es war auch keine Überraschung, dass Regierungschef Alexis Tsipras keine eigene Mehrheit im Parlament hatte. Sowohl sein rechtsextremer Koalitionspartner als auch 43 der 149 Abgeordneten seiner eigenen Partei haben die Zustimmung verweigert. Doch was treibt den griechischen Ministerpräsidenten? Haben die Staats- und Regierungschefs ihn gebrochen oder warum setzt er jetzt all das um, was die Troika aus EZB, EU-Kommission und IWF von ihm verlangt und was er vor einigen Tagen noch massiv bekämpft hat?

Es sind mehrere Aspekte die eine Rolle spielen. Erstens: Tsipras will Neuwahlen. Er will die absolute Mehrheit und zuvor die Querulanten aus seiner Partei schmeißen. Bis zu den Neuwahlen passiert in Athen nichts, das haben schon die vorangegangenen Wahlen gezeigt. Er hat bis zur Neuwahl auch gegenüber den Geldgebern eine gute Ausrede, um die vereinbarten Maßnahmen nicht in die Praxis umsetzen zu müssen.

Zweitens: Tspiras will den Euro verlassen, aber nicht dafür verantwortlich sein. Schon sein ehemaliger Finanzminister wollte als Druckmittel in den Verhandlungen eine Parallelwährung einführen, die dann wahrscheinlich zu einem Rausschmiss aus dem Währungs¬club geführt hätte. Doch der Euro ist in Griechenland sehr beliebt. Die Griechen wollen mit überwältigender Mehrheit nicht zurück zur Drachme. Deshalb ist eine Position wie sie einige Syriza-Abgeordnete öffentlich formulieren, nicht populär. Deshalb setzt Tsipras auf einen anderen Weg. Er schleift die Positionen der Geldgeber. In Verhandlungen konnte er bereits erreichen, dass die Überschüsse im Haushalt weniger stark ansteigen müssen, als bei seinen Vorgängerregierungen. Das bedeutet gleichzeitig, dass die Schuldentragfähigkeit im Jahr 2022 von unter 120 Prozent zur Wirtschaftsleistung nicht mal auf dem Papier erreicht werden kann. Doch dies war die Voraussetzung für die Zustimmung zu den bisherigen Rettungspaketen. Die europäische Seite wird dieses Argument im Verlaufe der Zeit vernachlässigen, doch der IWF wird darauf bestehen. Denn er wird nicht von den europäischen Geldgebern dominiert, sondern von den USA, die schon länger auf einen Schuldenschnitt in Griechenland drängen. Und deshalb wird es ein weiteres Nachgeben der Staatengemeinschaft bei der Höhe der Zinsen und der Laufzeit der Darlehen geben. Dies ist zwar nicht ein formaler Schuldenschnitt, kommt diesem aber nahe.

Damit hätte Tsipras bereits wesentliche Ziele erreicht. Er könnte Neuwahlen erwirken und hätte die Chance auf eine absolute Mehrheit ohne Querulanten in den eigenen Reihen. Lediglich der Austritt aus der Währungsunion wäre noch offen. Doch diesen könnte er durch die Nichtumsetzung des mit der Troika vereinbarten Reformplanes erreichen. Sobald Neuwahlen und der Schuldenschnitt vollzogen sind, wird er erneut Feuer ins Öl gießen. Privatisierungen werden durch Generalstreiks der befreundeten Gewerkschaften boykottiert, der Stellenabbau in der Verwaltung wird durch Arbeitsverweigerung in den Behörden verhindert und die Steuerverwaltung funktioniert eh nicht.

Das wird sich alles hinziehen, weil die Troika keine schlechten Nachrichten befördern will. Doch schon im kommenden Jahr werden die alten Diskussionen wieder zurückkommen. Umsetzungsprobleme, korrupte Verwaltung, Privatisierungsstau, Defizit der Krankenhäuser, nicht bezahlte Rechnungen der öffentlichen Hand und so weiter und so fort.

Doch warum will Tsipras sich aus dem Euro schmeißen lassen? Ganz einfach, er will die Geldpolitik seines Landes selbst bestimmen. Er ist Sozialist. Die Sozialisten überall auf der Welt sehen das Heil in einer Inflationierung der Geldmenge. Sie glauben, so könne der Konsum angeregt und die Verschuldung abgebaut werden. Tsipras empfindet die Troika als neoliberale Weltverschwörung, die es für eine sozialistische Freiheit abzuschütteln gilt. Die Lehre daraus ist: Die Geldgeber sollten sich weiterhin warm anziehen. Die Krise Griechenlands und des Euro fängt erst an.

Erstmals erschienen in der Fuldaer Zeitung am 15. August 2015.

Photo: Wikimedia Commons

Der Bundestag hat der Regierung das Verhandlungsmandat für ein drittes Griechenland-Hilfspaket erteilt. Mit 73 Prozent stimmte die große Mehrheit des Parlaments zu. Die Öffentlich-Rechtlichen übertrugen live. Die Übertragung von Bundestagsdebatten ist in Deutschland nicht ungewöhnlich. Ungewöhnlich ist, wenn Parlamentsdebatten aus Athen live im deutschen Fernsehen übertragen werden. Jeden Tag lesen, hören und sehen wir das Neueste über Hellas. Nicht mehr die Meldungen aus Bremen, Hamburg oder Dresden sind von Bedeutung, sondern ob irgendein Mitglied im Zentralkomitee (so heißt das wirklich!) der Regierungspartei Syriza etwas von sich gegeben hat. Früher wurde einmal im Jahr im Auslandsjournal eine zehnminütige Reportage über Griechenland gezeigt. Heute ist Griechenland die erste Meldung in jeder Nachrichtensendung – und das seit Monaten. Schuld daran ist letztlich der Euro. Schiede Hellas aus, dann hätte dies unweigerlich Auswirkungen nicht nur auf die Bevölkerung in Griechenland, sondern auch auf die Aktienmärkte, die Banken und die Wirtschaft in ganz Europa, vielleicht sogar weltweit. Der Streit unter Experten dreht sich lediglich um die Frage, wie stark diese Verwerfungen sind.

Die Befürworter weiterer Rettungspakete sagen, es sei erst das Verhandlungsmandat, über das Ergebnis der Verhandlungen werde dann nochmals abgestimmt. Doch hier darf man sich nichts vormachen, ein Zurück ist jetzt nur noch schwer möglich. Dabei ist die Situation paradox. Beide Seiten glauben nicht an die Umsetzung. Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras hält die Maßnahmen für falsch und glaubt nicht, dass sie umgesetzt werden. Und sein Gegenpart Wolfgang Schäuble äußert in jedem Interview seinen Zweifel an der Seriosität der Regierung Tsipras. Doch welche Konsequenz hat das gegenseitige Täuschen?

Erstens: Griechenland verliert immer mehr die eigene Souveränität. EU, IWF und EZB übernehmen das Zepter von Brüssel, New York und Frankfurt aus. Das wird auf Dauer nicht gutgehen, sondern die Extreme von links und rechts in Griechenland und wohl auch im Rest Europas stärken.

Zweitens: Deutschland wird zunehmend zum Buhmann in Europa. Die Maßnahmen, die die griechische Regierung und die Bevölkerung nicht durchsetzen wollen, werden Schäuble und Merkel angelastet. Der Druck, die Maßnahmen zu lockern, wird immer größer.

Drittens: Ebenso wie Tsipras’ Widerstand ihm im Inland hilft, so hilft Schäubles Widerstand ihm und seiner CDU im Inland. Schäuble hat seine Position inzwischen um 180 Grad gedreht. Noch im Frühjahr 2010 hat er einen Europäischen Währungsfonds vorgeschlagen, um den IWF außen vor zu halten. Jetzt war die weitere Beteiligung des IWF eine zwingende Voraussetzung für ein neues Abkommen. Auch ein Ausscheiden aus dem Währungsclub war damals undenkbar. Doch jetzt schlägt Schäuble einen Grexit auf Zeit vor und sogar Änderungen in den europäischen Verträgen, die einen Ausschluss von Mitgliedern ermöglichen. Was für eine Wendung!

Viertens: Die EZB wird weiter Geld drucken und die Zinsen auf einem historischen Tief einfrieren. Schon vorgestern erhöhte die EZB die Ela-Kredite, die den griechischen Banken zur Verfügung gestellt werden, erneut um 900 Millionen Euro. Letztlich wird dieses Geld aus dem Nichts gedruckt, dahinter steckt keinerlei Substanz. Es wird eine Langfristwirkung entfaltet. Immer dann, wenn es künftig unüberwindbare Finanzierungsprobleme von Staaten im Euroraum gibt, wird die Gewährung von Ela-Krediten an die nationalen Banken als Allheilmittel eingesetzt. Zur Staatsfinanzierung durch die Notenpresse ist es nicht mehr weit.

Fünftens: Der Preis dafür wird die Vernichtung von Sparguthaben in Deutschland und Europa sein. Lebensversicherungen und Bausparkassen müssen sich auf schwere, auf ganz schwere Zeiten einstellen. Ihr Geschäftsmodell wird von Mario Draghi zerstört. Aber auch Volksbanken und Sparkassen, die vom Zinsüberschuss leben, wird zunehmend ihre Ertragskraft genommen. Sie werden Kosten reduzieren müssen, die im besten Fall in der Fläche zur Schließung von Filialen und zur Fusion der Institute führen werden.

Schlussfolgerung: Wir befinden uns nicht am Ende der Überschuldungskrise von Staaten und Banken, sondern an deren Anfang. Das Hinausschieben von Problemen löst die Krise nicht, sondern wird sie verschärfen. Daher gilt: Verlassen Sie sich nicht auf die Politik, sonst werden Sie bitter enttäuscht.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der Fuldaer Zeitung.