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Im heutigen Papiergeldsystem sind alle Märkte politische Märkte. Das macht es so schwierig, sie wirklich zu beurteilen. Denn sie müssen nicht aus Marktsicht beurteilt werden, sondern aus politökonomischer Sicht. Und das ist eine andere Welt. Diese Welt ist nicht von Individuen und ihren Präferenzen geprägt, sondern von Gruppeninteressen und zentralem Handeln von Regierenden. Hier herrscht eine andere Logik.

Sie hat etwas damit zu tun, wie sich gut organisierte Gruppen gegenüber der Mehrheit durchsetzen. Kleine Gruppen können sich besser organisieren und gleichgerichtete Interessen besser bündeln als große. Daher können sie besser auf Regierungen und politische Entscheider einwirken. Große Gruppen sind dagegen zu indifferent und schaffen es daher meist nicht, ihre Positionen so zuzuspitzen, dass sie geballt und schlagkräftig auftreten können. Die Steuerzahler sind so eine große Gruppe. Ihnen gelingt es offenkundig nicht, sich für eine große Steuerreform oder Steuersenkungen zu organisieren und durchzusetzen. Wolfgang Schäuble weiß das und deshalb nimmt er entsprechende Forderungen des Bundes der Steuerzahler nicht sehr ernst. Dagegen gelingt es der Solarbranche, der Windenergieindustrie oder bald auch den Produzenten von Elektroautos, Hilfen, Subventionen oder anderweitige Erleichterungen durchzusetzen. Sie gehören alle einer kleinen Gruppe von Unternehmen an, die Sonderinteressen klar formulieren und daher auch durchsetzen können.

Das alles ist nicht neu. Bereits in den späten 1960er Jahren erkannte der Ökonom Mancur Olson die Bedeutung kleiner Gruppen und untersuchte deren Verhalten und Wirkung. Seine These war: Wenn sich kleine Gruppen von gleichgerichteten Interessen zusammenschließen, dann kann ihnen diese enge Beziehung eine Stärke geben, die sie in die Lage versetzt, wesentlich größere Gruppen auszubeuten.

Auf den Finanzmärkten heißt das: Die kleine Gruppe der Banken ist in der Lage, ihre Interessen gegenüber der Regierung viel besser zu bündeln und vorzutragen, als es dem Sparer oder Steuerzahler jemals gelingen wird. Denn alle Banken haben das gleiche Interesse: sie wollen ihre Überschuldungssituation auf die Sparer und Steuerzahler überwälzen. Spätestens seit dem Ausbruch der jüngsten Finanzkrise 2007/08 hatten die Banken mit ihren Erpressungsversuchen Erfolg. Sie stellten die Regierungen weltweit vor die Wahl: „Entweder ihr rettet uns oder ihr habt ein Problem, weil das Finanzsystem kollabiert.“ Als die eine oder andere Regierung zögerte zu intervenieren, ließ die Kleingruppe der Banken eine von ihnen Pleite gehen. Die Lehman-Pleite ist bis heute das Trauma jeder Regierung. Keine will ein zweites Lehman erleben. Seitdem wird gerettet was das Zeug hält. Entweder durch Geld der großen Gruppe der Steuerzahler oder durch billiges Geld der Notenbanken, das mittelbar die große Gruppe der Zinssparer bezahlen muss.

So führt die Intervention in die Finanzmärkte zu einer immer größeren Abhängigkeit der Regierungen von den Banken. Denn der Preis jeder einzelnen Rettung ist eine noch stärkere Kontrolle und Regulierung der Banken. Denn, so die Argumentation, wenn diese angeblich eine systemische Gefahr darstellten, dann sei es nur recht und billig, sie stärker an die Kandare zu nehmen. Doch die Wirkung einer kürzeren Leine für die Banken ist nicht eine größere Stabilität des Finanzsystems, sondern das Gegenteil. Der Markteintritt wird durch regulatorische und bürokratische Hürden erschwert. Fusionen werden durch die erhöhten Anforderungen erzwungen. Und die Konzentration im Finanzmarkt nimmt weiter zu. Schon heute ist es fast unmöglich, eine neue Bank auf der grünen Wiese zu gründen. Wer dies anstrebt, kauft sich einen „Bankenmantel“, um hinein zu schlüpfen. Und schon heute haben es kleinere Privatbanken, Genossenschaftsbanken oder Sparkassen schwer, mit den steigenden Berichtspflichten gegenüber BaFin, Bundesbank, EZB, EBA und wie sie alle heißen zurechtzukommen. Die Folge ist, dass der Kostenapparat steigt. Gleichzeitig sinken die Erträge dieser kleineren Institute. Sie sind darauf angewiesen, Zinsgewinne zu erwirtschaften. Doch wo es keine Zinsen mehr gibt, kann auch nichts erwirtschaftet werden. Die Ertragskraft bricht den Sparkassen und Volksbanken durch die langanhaltende Niedrigzinsphase weg. Ihr kostenintensiver Filialbetrieb lässt sich auf Dauer mit Festgeldern und Sparbüchern ohne Zinsen und Zinsmargen nicht mehr finanzieren. Es wird in den nächsten Jahren ein massives Filialsterben und eine Arbeitsplatzabbau geben, weit über das ohnehin angestrebte Maß hinaus. Die Folge werden weniger und größere Banken sein. Ihr Erpressungspotential gegenüber den Regierenden wird daher noch steigen – und so geschieht dann das Gegenteil dessen, was die Regulierer eigentlich wollten.

Nicht anders geht es den Versicherungen in Deutschland. Auch sie sind auf Zinsmargen angewiesen. Dabei ist es fast schon egal, ob es sich um Kranken-, Lebens- oder Sachversicherung handelt. Alle müssen ihre Beitragsgelder überwiegend in Zinspapieren anlegen. Zumindest Kranken- und Lebensversicherungen können ihre Zinserträge nicht einfach auf Null zurückfahren, denn die gesetzlich zugesagten Garantiezinsen müssen erfüllt werden. Zwar wurde der Garantiezins für das Neugeschäft bei Lebensversicherungen auf 1,25 Prozent gerade reduziert, jedoch liegt der durchschnittliche Garantiezins immer noch um die 3 Prozent, die mit herkömmlichen Staatanleihen nicht mehr zu erwirtschaften sind. Ein Gros der Lebensversicherungen stammt aus einer Zeit zwischen 1994 und 2000, als die Versicherer ihren Kunden noch einen Garantiezins von 4 Prozent zusagten. Doch insbesondere die Lebensversicherungen werden noch durch ein zusätzliches Problem belastet: Sie sind auf das Neugeschäft angewiesen. Ohne Neugeschäfte kann der interne Kostenapparat nicht finanziert werden. Das klassische Lebensversicherungsgeschäft ist nur noch ein Schatten seiner selbst. Viele Lebensversicherer, wie die Talanx-Gruppe, stellen daher ihr Neugeschäft gänzlich ein. Es drohen in Deutschland japanische Verhältnisse. Anfang des Jahrtausends gingen dort sieben Lebensversicherer Pleite, weil sie aufgrund der langanhaltendenden Niedrigzinspolitik der japanischen Notenbank ihr Garantieversprechen nicht mehr erfüllten konnten. Anschließend senkte die japanische Regierung rückwirkend den Garantiezins für bestehende Verträge. Es war eine direkte Enteignung der Lebensversicherungssparer.

Doch die Lebensversicherer sind eine ebenso kleine wie mächtige Gruppe. Auch sie sind in der Lage, als kleine Gruppe, ihre Interessen gezielt zu bündeln und durchzusetzen. Bereits jetzt haben sie Vorsorge getroffen, um ihre Anlagemöglichkeiten zu erweitern. Erst kürzlich hat die Bundesregierung die Anlagevorschriften für Lebensversicherungen erweitert. Jetzt kann die Assekuranz leichter in die Energiewende investieren. Hier trifft es sich gut, dass der eine stark regulierte Bereich auf den anderen, mindestens genauso stark regulierten Bereich trifft. Durch die regulierten Netzentgelte kann damit faktisch eine Mindestverzinsung für das Anlagekapital der Lebensversicherungen garantiert werden. So kann man zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: die Lebensversicherungen retten und die Energiewende.

Die Folge der Politisierung der Finanzmärkte ist, dass sie sich auf nichts mehr verlassen können. Rechnen Sie damit, dass die Regierung direkt oder indirekt einen Zugriff auf Ihr Vermögen plant. Die Zeit des billigen Geldes wird noch eine ganze Zeit anhalten und damit die Preise von Vermögensgütern weiter aufblähen. Und das wird dann bei Politikern Begehrlichkeit wecken, davon etwas abzuschöpfen. Höhere Steuern werden wohl die Folge sein. Bei den Immobilien ist das bereits zu spüren. Hebesätze von 1000 Punkten bei der Grundsteuer und 6,5 Prozent bei der Grunderwerbsteuer sind erst der Anfang. Das Buch von Thomas Piketty „Das Kapital im 21. Jahrhundert“ ist für die Umverteiler in den Parteien die Blaupause. Er fordert hohe Vermögensteuern und eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes auf 82 Prozent. Gleichzeitig wird der Goldpreis von den Notenbanken gedrückt. Denn ein steigender Goldpreis wäre der Indikator für die nächste Krise. Das will keiner in den Elfenbeintürmen der Notenbanken und so werden sie den Goldpreis mit immer noch mehr Papiergold manipulieren.

Wer das alles ändern will, muss an die Wurzel des Übels heran – das Geldsystem. Die Produktion von Geld aus dem Nichts, durch die Notenpresse auf der einen Seite und die Geldschöpfung der Banken durch die Kreditvergabe auf der anderen Seite, ist die Ursache für die Übertreibungen an den Märkten für Vermögenspreise und das Erpressungspotential der Banken. Um diesen Teufelskreis zu überwinden, bedarf es Alternativen. Alternativen des Geldes. Das staatliche Geldmonopol muss durch Geldwettbewerb ersetzt werden. Dann, und nur dann, ist eine Hinwendung zu gutem Geld und zu realem Wirtschaften möglich.

Dieser Beitrag erschien zuerst im Informationsbrief „Sicheres Geld“.

Von Gordon Kerr und John Butler unter Mitwirkung von Enrico Colombatto.

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Einige Zentralbanker spielen mit dem Gedanken, das Bargeld abzuschaffen, um negative Zinsen setzen zu können. Die negativen Folgen einer solchen geldpolitischen Maßnahme wären maßgeblich und zahlreich. Am Ende würde sie vor allem Armen und Sparern Schaden zufügen.

Lösung der Krise: Negative Zinsen und Bargeldabschaffung?

Auch wenn sich Kritik an ihrer Politik zaghaft ausnimmt, führende Zentralbanker wissen, dass ihre lockere Geldpolitik gescheitert ist. Auf die Frage, was er für das größte Risiko für die Finanzstabilität halte, antwortete Andrew Haldane von der Bank of England vor einem Untersuchungsausschuss des britischen Parlaments 2013 mutig: „Lassen Sie uns ehrlich sein. Wir haben absichtlich die größte Staatsanleihenblase der Geschichte herbeigeführt.“ Daraufhin hin wurde er zurechtgewiesen und von seinem Posten als Head of Financial Stability der Bank of England abberufen.

Am 18. September 2015 – nunmehr zurück als Chefökonom der Bank of England – machte Haldane in seiner Analyse eine Rolle rückwärts und schloss sich einer wachsenden Gruppe globaler Finanzkoryphäen an, die „die Lösung der Krise“ in einer Kombination aus negativen Zinsen und der Abschaffung von Bargeld sehen. Seit Harvard-Ökonom Kenneth Rogoff im April 2014 ein Paper veröffentlichte, indem er das Für und Wider einer Abschaffung des Bargeldes diskutierte, sprachen sich andere bekannte Ökonomen wie Willem Buiter, Chefökonom der Citygroup, Nobelpreisträger Paul Krugman oder auch Peter Bofinger, Mitglied des deutschen Sachverständigenrates, für eine Abschaffung des Bargeldes aus.

Einige Staaten ergreifen erste Maßnahmen

Die Möglichkeit einer Bargeldabschaffung muss ernst genommen werden. Eine Reihe von Regierungen strebt die Abschaffung bereits an. Dänemark hat angekündigt, es Tankstellen, Geschäften und Restaurants zu erlauben, Bargeld zu verweigern und auf elektronische Zahlungen zu bestehen.

Viele Länder haben die maximal zulässige Grenze für Cash-Transaktionen gesenkt. Frankreich nutzte die Charlie Hebdo Gräueltaten dieses Jahres als Vorwand, um die Grenze zulässiger Bargeldtransaktionen von 3.000 auf 1.000 Euro zu senken, weil die Terroristen teilweise mit Barmitteln finanziert wurden.

Negative Zinsen: Fortsetzung der gescheiterten Geldpolitik

Die Argumente für negative Zinsen sind ziemlich offensichtlich. Nach fast 7 Jahren Niedrigzins- und Nullzinspolitik, die nicht zur erhofften wirtschaftlichen Erholung geführt haben, ist klar, dass mehr getan werden muss. So lautet jedenfalls das scheinbar weitverbreitete Credo. Deshalb bräuchte man nun negative Zinsen.

US-Daten zeigen nämlich, dass die erhoffte Erholung keineswegs sicher eingesetzt hat. Das reale BIP pro Kopf stieg von 49.500 US-Dollar in 2007 (4. Quartal) nur auf 50.900 US-Dollar im Jahr 2015 (2. Quartal). Der Anteil beschäftigter Männer im Alter von 25 bis 54 sank von 87,3% im Jahr 2007 (4. Quartal) auf 84% im Jahr 2014 (4. Quartal). Diese Daten deuten auf das Scheitern der Niedrigzins- und Nullzinspolitik hin und implizieren, dass eine Negativzinspolitik eine letzte, verzweifelte geldpolitische Maßnahme ist.

Viele Beobachter scheinen eine negative Zinspolitik jedoch als natürliche Entwicklung zu akzeptieren. In einigen Ländern haben Banken bereits negative Zinsen auf Bankeinlagen erhoben – dies aber nur auf einem sehr bescheidenen Niveau. So führte eine Reihe Schweizer Banken im Januar Gebühren (negative Zinsen) von etwa 0,7% pro Jahr auf Einlagen von über 100.000 Franken ein.

Idee negativer Zinsen bedarf Abschaffung des Bargeldes

John Butler hat sich 2012 unter Berufung auf Forschungsergebnisse aus der New Yorker Federal Reserve über die möglichen unbeabsichtigten und schädlichen Folgen negativer Zinsen geäußert. Er beschreibt die Tendenz zur Negativzinspolitik als ein „pathologisches Element“. Denn Zentralbanker wissen in der Tat, dass es einen Punkt gibt, an dem Anleger der Negativzinspolitik widerstehen. Nehmen wir an, die Zinsen fallen auf -5%. Dann werden sich Unternehmen finden, die eine Art Verwahrservice für große Bargeldguthaben mit einer Gebühr von nur 4% anbieten.

Banken werden dann reihenweise scheitern, weil ihre Kunden ihre Depositen abziehen würden. Dies wäre gleichbedeutend mit einem Run auf Banken, da die Banken angesichts ihres derzeitigen Leverages und der (zeitlichen) Inkongruenz von Vermögenswerten und Schulden nicht in der Lage wären, den Wünschen ihrer Kunden nachzukommen. Die Zentralbanker wissen deshalb, dass sie eine Negativzinspolitik nur dann wirklich umsetzen können, wenn es kein Bargeld mehr gibt.

Bargeldabschaffung hätte vielfältige negative Folgen

Kevin Dowd erklärt in seinem neuesten Paper, dass eine Negativzinspolitik deshalb nicht nur makroökonomischer Unsinn wäre, sondern die sozialen und wirtschaftlichen Folgen einer einhergehenden Abschaffung von Bargeld erschreckend wären. Sollte eine solche Politik umgesetzt werden, hätte sie massive negative Auswirkungen auf die Wohlfahrt, Eigentums- sowie Bürgerrechte und würde die Beziehung zwischen dem Individuum und dem Staat grundlegend verändern.

In der Praxis würde das Fehlen von Bargeld vor allem den Armen und Mittellosen Schaden zufügen. Die Idee einer bargeldlosen Welt geht davon aus, dass jeder die erforderlichen digitalen Technologien und Fähigkeiten besitzt, die zur Nutzung notwendig wären. Es wird weiterhin davon ausgegangen, dass das digitale System fehlerfrei arbeitet. Mit beidem ist jedoch nicht zu rechnen. Auf Almosen Angewiesene wäre zudem gewiss nicht geholfen. Wer heute einen Euro in bar gibt, wäre vermutlich weniger dazu geneigt, wenn für die Transaktion zunächst digitale Koordinaten ausgetauscht werden müssten.

Negativzinspolitik macht Sparen weniger attraktiv

Auch relativ gutgestellte Mitglieder der Gesellschaft wären betroffen. Eine der Bargeldabschaffung folgende Negativzinspolitik würde Anreize setzen, mehr zu konsumieren und somit weniger zu sparen. Wir sollen essen, trinken und fröhlich sein; zumindest wenn es nach den Zentralbanken geht.

Die Aufmerksamkeit für die Idee der Bargeldabschaffung mit dem Ziel negativer Zinsen mag aber auch Vorteile haben, wie Alistair McLeod von GoldMoney schreibt: „Die Negativzinspolitik macht monetäre Inflation als versteckte Steuer, der sich die Gesellschaft im Allgemeinen nicht bewusst ist, sehr deutlich. Bereits die Nullzinspolitik hat hohe nicht-finanzierte Pensionsverpflichtungen geschaffen … aber wie sollen Pensionsverpflichtungen bei negativen Zinsen überhaupt bewertet werden? Sparern, also der Mehrheit der Verbraucher, steht eine böse Überraschung bevor.“

Dieser Beitrag erschien zuerst bei dem Institute for Research in Economic and Fiscal issues.

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Wer das Bankgeschäft und das Geldsystem verstehen will, muss sich vor Augen führen, wie Geld entsteht und wie nicht. Beginnen wir mit dem Letzteren. Die Summe allen Geldes besteht nicht aus einer festen Menge, die vorher definiert und festgelegt wurde. Wenn es so wäre, dann würde ein Sparer Konsumverzicht üben, sein Geld zur Bank bringen, für seinen Verzicht Zinsen vereinnahmen und die Bank würde dieses gleiche Geld an einen Dritten mit einem Zinsaufschlag verleihen. Von der Differenz zwischen Soll- und Habenzins lebt dann die Bank.

Doch dies naive Betrachtung des Bankgeschäftes mag vielleicht vor 200 Jahren oder im Wilden Westen Amerikas vorgeherrscht haben, mit dem aktuellen Bankgeschäft und unserem Geldsystem hat dies nichts, aber auch gar nichts mehr zu tun. Das Sparen des einen hat mit der Kreditvergabe eines anderen, der Bank, nichts gemein. Dieser Zusammenhang ist völlig entkoppelt. Wenn eine Bank einen Kredit vergibt, dann drückt sie einfach auf den Knopf. Dafür muss niemand vorher an anderer Stelle gespart haben. Wenn die Bank einen Kredit vergibt, dann schafft sie neues Geld. Dieses Buch- oder Giralgeld ist reines Kreditgeld, kann aber beim Kreditnehmer entweder konsumiert oder investiert bzw. gespart werden. Die Menge an Geld nimmt also zu. Theoretisch kann eine Bank beliebig viel Geld aus dem Nichts durch die Kreditvergabe schaffen. Was sie daran hindert, ist lediglich die Regulierung der Notenbanken und des Gesetzgebers. Bilanzierungsregeln, Kreditvergabestandards und Eigenkapitalvorschriften auf der einen und die geldpolitischen Instrumente und Aufsichtsregeln der Zentralbank auf der anderen Seite beschränken oder steuern diesen Prozess.

Die Aufsichtsregeln dienen im Wesentlichen nur einem Ziel, die Insolvenz und Illiquidität einer Bank zu verhindern. Denn in einer Welt der Geldschöpfung aus dem Nichts, ist der Untergang einer Bank der Super-Gau. Es ist wie in einem Pyramidenspiel. Je höher die Pyramide ist, je mehr Geld durch Kredit geschöpft wurde, desto weitreichender ist der Untergang einer Bank für alle anderen. Denn eines verträgt dieses Fiat-Geldsystem nicht – die Panik. Die Panik der Einleger. Wenn plötzlich alle Ihr Geld, das als Buchgeld auf den Konten der Bank liegt, abheben wollen, dann mag das bei einer kleineren Bank noch funktionieren, doch wenn es eine größere Bank oder mehrere Institute trifft, dann ist dieses Buchgeld nicht als Bargeld in den Tresoren der Banken vorhanden. Der Anteil des Bargeldes am gesamten Geldumlauf beträgt weit unter 10 Prozent.

Das ist der Grund, wieso die Regierungen im Euro-Club und die EZB die Insolvenz von Griechenland und seiner Banken nicht zulassen wollen. Sie befürchten ein überspringen auf andere Krisenländer. Deshalb springt die EZB auch als Kreditgeber der letzten Instanz ein. Wenn keiner mehr einer Bank Geld gibt, dann kann immer noch die EZB einspringen – im Zweifel unbegrenzt. Genau das hat sie in der Phase vor der Einigung der Regierung Tsipras mit der Troika gemacht. Sie hat der griechischen Notenbank erlaubt, immer ausreichend Kredite und damit Zentralbankgeld an den griechischen Bankensektor auszureichen.

Doch wenn keine Bank Pleite gehen kann, dann sind die Nebenwirkungen schnell offenkundig. Risiken werden plötzlich laxer eingeschätzt, die Fusion von Instituten ist leichter zu schultern, die Boni und Gehälter steigen immer weiter, weil die Institute immer größer werden. Es gibt kein marktwirtschaftliches Ausscheiden aus dem Markt mehr. Die Haftung durch die Eigentümer und Gläubiger wird faktisch ausgeschlossen. Regierungen und Notenbanken haben eine Lebensversicherung auf den Erhalt der jeweiligen Bank abgeschlossen. Relativ zur Realwirtschaft wachsen die Banken daher viel stärker. Gleichzeitig erhöhen die Regierung und die Zentralbank die Aufsicht, weil ihnen das schnelle Wachstum der Banken nicht mehr geheuer ist und sie sich bei einer Schieflage erpressbar machen. Die Banken flüstern den Regierungen fortlaufend ins Ohr: Wenn wir ein Problem haben, dann habt ihr ein noch viel größeres.

Letztlich hängt ein ganzes Land, ein Währungsraum oder sogar eine Weltwirtschaft am Tropf der Banken. Geht es ihnen schlecht, haben sie erhöhte Risiken angehäuft und drohen ihnen Wertberichtigungen darauf, weil die Kredite in dieser Höhe nicht mehr rückzahlbar sind, dann sind sie plötzlich vorsichtig, vergeben weniger neue Kredite aus dem Nichts und die Konjunktur bricht ein. Denn in dieser Geldwirtschaft entstehen Investitionen nicht in erster Linie aus ersparten Mittel, sondern aus Krediten aus dem Nichts. In diesem Umfeld kommt erneut die Zentralbank ins Spiel. Sie wird gedrängt, geschubst und genötigt, im Rahmen ihrer geldpolitischen Instrumente nachzuhelfen. Klassische Instrumente sind der Notenbankzins und der Mindestreservesatz. Beide Sätze legt die Zentralbank fest und sie sind Anreize für die Banken mehr Kredit zu vergeben. Ist der Notenbankzins und/oder der Mindestreservesatz gering, dann können Banken leichter und billiger Geld verleihen.

Doch genau das ist das Problem. Der Kreditzyklus, der jetzt in Europa stagniert und in Südeuropa zurückgeht, ist durch billiges Geld der EZB entstanden. Sie hat die Schleusen aufgemacht. Die Banken haben dann großzügig und lax die Kredite vergeben, Börsen boomten, Immobilienpreise stiegen, viele investierten und liehen sich dafür Geld, um an den steigenden Preisen zu partizipieren. Doch wenn die Preise für Vermögensgüter steigen, immer neue Glücksritter darauf setzen, dann ist irgendwann der Glaube der Investoren erschöpft, dass die immer weiter geht. Sie ziehen sich zurück, Investitionen brechen weg, Unternehmen verlieren Aufträge und Arbeit, Insolvenzen und Arbeitslosigkeit entstehen. Die Kredite der Banken werden dadurch notleidend und die sonst üblichen Wertberichtigungen von einzelnen Krediten werden zum Massenphänomen. Dadurch kommen ganze Volkswirtschaften ins Trudeln und Regierungen und Steuerzahler werden zur Kasse gebeten. Nach dem Platzen der letzten Kreditblase 2007/2008 ist die weltweite Verschuldung und damit auch das Kreditvolumen um fast 60 auf rund 200 Billionen Dollar gestiegen. Der Grund ist, dass alle Notenbanken auf dieser Welt auf die Krise von damals mit noch billigerem Geld und die Banken mit noch mehr Kredit geantwortet haben. Es wurde also noch mehr Luft in die Kredit- und Geldblase gepumpt in der Hoffnung, dass das Wachstum anspringt und die Verschuldung dadurch reduziert werden kann. Eine pure Illusion.

Doch was ist die Alternative zu dieser Planwirtschaft des Geldes. Die Marktwirschaft! Staatliche Monopole führen zu Pfründen, Mißwirtschaft und Elend. Alle Sozialismen haben dies in der Geschichte gezeigt. Warum soll es beim Geld anders sein? Daher ist die Lösung, den Wettbewerb des Geldes zuzulassen. Dafür bedarf es nicht viel. Es muss nur zugelassen werden. Die Regierungen müssen das alleinige gesetzliche Zahlungsmittel Euro oder in den USA Dollar aufgeben und anderes ermöglichen. In einer Marktwirtschaft findet dann der Kampf der Ideen statt. Das kann vielleicht Gold oder Silber, vielleicht auch Bitcoin sein. Wer weiß? Es wird viele geben, die Neues ausprobieren, Erfolg haben oder scheitern – wie immer in einer Marktwirtschaft. Doch diejenigen die Scheitern ziehen nicht alle mit in den Abgrund, sondern nur die wenigen, die sich auf sie eingelassen haben. Scheitert das größte Experiment der Geldgeschichte – das Fiat-Geldsystem – , dann leiden alle darunter. Das ist der Wesenskern der Planwirtschaft. Sie nimmt alle bei ihrem Scheitern in Haftung und nicht nur diejenigen, die die Idee hatten.

Deshalb gilt das was der Ökonom Ludwig von Mises 1963 in seinem Buch „Human Action“ formulierte: „Es gibt keine Möglichkeit, den finalen Zusammenbruch eines Booms zu verhindern, der durch Kreditexpansion erzeugt worden ist. Die einzige Alternative lautet: Entweder die Krise entsteht früher durch die freiwillige Beendigung der Kreditexpansion – oder sie entsteht später als finale und totale Katastrophe für das betreffende Währungssystem.“

Erstmals erschienen in Smart Investor.

Photo: dierk schaefer from Flickr (CC BY 2.0)

Die Welt steht vor einem Dilemma: Noch nie gab es so viele Schulden. 200 Billionen US-Dollar haben Staaten und Individuen aktuell angehäuft. Das sind 258 Prozent der jährlichen weltweiten Wirtschaftsleistung. Allein in den vergangenen 7 Jahren seit der letzten großen Finanzkrise 2007/08 stieg die Verschuldung um 60 Billionen US-Dollar, also um über 40 Prozent.

Die Schulden der Welt

Länder wie die Niederlande und Irland sind mit ihren Banken, Unternehmen und privaten Haushalten sogar mit über 600 Prozent ihres BIP verschuldet – noch vor Japan, Spanien oder China. Selbst wenn man nur die staatliche Verschuldung betrachtet und die Verschuldung von Unternehmen, Banken und privaten Haushalten außen vor lässt, würde die Gesamtheit aller Staaten auf dieser Welt das Maastricht-Verschuldungskriterium von 60 Prozent locker reißen. Denn allein die Staaten stehen mit über 75 Prozent zum weltweiten Bruttoinlandsprodukt in der Kreide. Wie es weiter geht und wie lange so etwas gut geht, kann niemand sagen. Es ist ein einmaliges und nie dagewesenes weltweites Experiment. Schon deshalb sind Prognosen schwierig. Dennoch kann man versuchen, verschiedene Szenarien zu untersuchen, die so oder in Kombination möglich sind.

Ausstieg – aber wie?

Erstens: Die Notenbanken werden die Schulden monetarisieren. Die Verschuldung wird dauerhaft durch die Schaffung von Zentralbankgeld finanziert, der bisherige Kurs mithin fortgesetzt. Die langfristigen Zinsen werden künstlich gedrückt und niedrig gehalten. Dies geschieht durch den Ankauf von Staatsanleihen durch die eigene Notenbank. Die EZB macht es so, die Japaner machen es so, die Engländer machen es so und die amerikanische Fed hat es so gemacht. Die EZB will bis September 2016 für 1,14 Billionen Euro Staatsanleihen erwerben. Die amerikanische Fed hat bis September 2014 rund 19 Prozent aller Staatsanleihen für 2,5 Billionen Dollar aufgekauft, die Bank of Japan 24 Prozent für 1,7 Billionen Dollar und die Bank of England sogar 25 Prozent für 568 Milliarden Dollar. Trotz partieller Unterschiede im Zeitpunkt, Umfang und bei den konkreten Instrumenten, gehen alle den gleichen Weg. Es ist der Weg des Gelddruckens, damit die wachsende Schuldenlast finanziert werden kann. Zinspapiere werden daher auf absehbarer Zeit faktisch keine Zinsen mehr abwerfen. Die Altersvorsorgesysteme, die in Zinspapiere investieren, werden unweigerlich existentielle Probleme bekommen. Zweitens: Die Last der Verschuldung wird innerhalb eines Landes, eines Währungsraums und weltweit umverteilt. Auf nationaler Ebene werden Vermögensbesitzer stärker zur Finanzierung des Schuldenberges des Staates, aber auch der Banken herangezogen. Im Immobiliensektor bekommen wir einen ersten Vorgeschmack: Bei der Grundsteuer sind in vielen Kommunen Hebesätze von 1000 und mehr Punkten keine Seltenheit mehr. Als die Festlegung der Grunderwerbsteuerhöhe im Zuge der Föderalismusreform 2006 auf die Länder übertragen wurde, konnte man noch die Hoffnung haben, der Wettbewerb werde einen Druck zur Steuersenkung auslösen. Das Gegenteil ist seitdem der Fall. Von ursprünglich 3,5 Prozent stieg die Grunderwerbsteuer in vielen Ländern inzwischen auf 6,5 Prozent. Die mobilen Vermögenswerte sind schwieriger für den Fiskus zu erfassen.

Die Kontrolle des Bargelds

Der besseren Kontrolle dient das schleichende Zurückdrängen des Bargeldes. Doch die Abschöpfung der mobilen Vermögensgüter wird sehr wahrscheinlich bald auf europäischer Ebene durchgeführt werden. Die Finanztransaktionsteuer ist wegen ihres hohen Aufwands derzeit nicht mehr im Gespräch. Im Hintergrund wird jedoch an ihrer Realisierung auf europäischer Ebene fleißig weitergearbeitet. Und die Bewältigung der Staatsschuldenkrise geschieht mit einer Umverteilung der relativ gesehen reicheren Staaten zugunsten der relativ gesehen ärmeren Staaten. Was auf nationaler und europäischer Ebene bereits vollzogen wird, geschieht letztlich auch weltweit. Die USA hat sich die hausgemachte Finanzkrise 2007/08 durch die übrige Welt bezahlen lassen. Durch den Ankauf der eigenen Staatsverschuldung durch die US-Notenbank hat sie die eigene Währung gegenüber anderen Währung quantitativ gelockert. Für die Halter von Dollar-Reserven, insbesondere China, führte dies zwangsläufig zu einem Vermögensverlust. Es ist letztlich eine kalte Besteuerung der USA für die Waren, die chinesische Unternehmen in die USA geliefert haben und die in Dollar bezahlt wurden. Gegen diese rückwirkend aufgebürdete Last kann China sich nicht direkt wehren, sondern nur dadurch, dass sie das Gleiche machen wie die Amerikaner. Sie schaffen ebenfalls mehr Geld aus dem Nichts. Insgesamt findet ein Abwertungswettbewerb aller großen Währungen statt, der künftig an Dynamik gewinnen wird.

Sparen? Das bitte nicht

Das dritte Szenario ist: Sparen. Es ist das unwahrscheinlichste aller Szenarien. Der Grund ist: Schulden, die ein Staat, eine Bank, ein Unternehmen oder eine Einzelperson aufnehmen, sind letztlich Geld aus dem Nichts, das die Banken durch Kreditvergabe aus dem Nichts produziert haben. Diesen Krediten steht keine adäquate Sparleistung der privaten Haushalte, der Unternehmen oder des Staates gegenüber. Dieses Geld dient dazu, entweder den Konsumbedarf des Staates oder der privaten Haushalte zu bedienen oder Investitionen des Staates oder von Unternehmen zu finanzieren. Im Bankensektor kann es sogar dazu benutzt werden, lediglich Versprechen zwischen Banken zu finanzieren. Der erhöhte Konsumbedarf der privaten Haushalte regt Investitionen auf Unternehmensseite in diesem Sektor an. Zusätzlich lassen die künstlich niedrige Zinsen Investitionsentscheidungen plötzlich rentierlich erscheinen und die Nachfrage nach Vermögensgütern ansteigen. All das schafft eine erhöhte Nachfrage nach Konsum- und Investitionsgütern. Der Bedarf wird so lange als solcher bestehen, bis Investitionen trotz des niedrigen Zinses als nicht mehr rentierlich angesehen werden und die Investoren sich auf breiter Front zurückziehen. Das ist dann der Beginn der Korrektur und des Crash. Die Investoren glauben nicht mehr an den geplanten Vermögenszuwachs oder sie können die Investitionen nicht mehr zu Ende finanzieren. Die Nachfrage bricht deshalb ein, weil es flächendeckend zu einem Rückzug von Investoren kommt, was mit Insolvenzen und steigender Arbeitslosigkeit einhergeht. Es platzt die Vermögens- und Wohlstandsillusion, die nur unter einer stetig steigenden Kredit- und damit Geldexpansion funktioniert. Das ist ein Umstand, den der Ökonom Ludwig von Mises in seinem Buch „Human Action“ wie folgt charakterisiert hat: „Es gibt keine Möglichkeit, den finalen Zusammenbruch eines Booms zu verhindern, der durch Kreditexpansion erzeugt wurde. Die einzige Alternative lautet: Entweder die Krise entsteht früher durch die freiwillige Beendigung einer Kreditexpansion – oder sie entsteht später als finale und totale Katastrophe für das betreffende Währungssystem.“ Oder um in die Medizin zu wechseln: Es ist die Wahl zwischen Cholera und Pest. Die Pest ist tödlich, die Cholera kann man überleben.

Erstmals erschienen auf Tichys Einblick.

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Von Dr. Marco Bonacker, Referent für Erwachsenenbildung im Bistum Fulda.

Das Thema der intergenerationellen Gerechtigkeit hat mehrere Aspekte: Die Verantwortung gegenüber der Kinder- und Enkelgeneration drängt sich gegenwärtig in existentiellen ökologischen Herausforderungen auf, die aber als Zukunftsszenario eher diffus bleiben. Schon klarer werden die Folgen aktueller gesellschaftlicher Entwicklungen, wenn es ums Geld geht. Gerade im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise wird deutlich, dass ein schuldenbasiertes Wirtschaftssystem gerade für nachfolgende Generationen zum Problem werden wird. Die künstlich niedrigen Zinsen tun ihr Übriges, um die Spareinlagen der Jüngeren zu gefährden. Gleiches gilt für ein Rentensystem, das im Kontext des demographischen Wandels die Vorstellungen eines funktionierenden Generationenvertrages im Grunde ad absurdum führt.

Spätestens wenn die Generation der Babyboomer in etwa 15 Jahren in Rente geht und immer weniger Erwerbstätige für immer mehr Rentenbezieher aufkommen müssen, wird sich die Frage der reinen Finanzierbarkeit aufdrängen. Es ist kaum anzunehmen, dass in diesem Zusammenhang von Seiten der Politik bereits erschöpfende Lösungen präsentiert wurden. Im Gegenteil: Ein demokratisches System neigt natürlicherweise zunächst dazu, den aktuellen Wählerwillen zu berücksichtigen, um nicht abgewählt zu werden. Die Einführung der „Rente mit 63“ ist dabei nur ein deutliches Beispiel für den größer werdenden politischen Interessenkonflikt zwischen den Generationen.

Neben all diesen negativen Entwicklungen für die Jüngeren muss man zugleich festhalten: Es wird eine Generation von Erben sein. Der von den Eltern und Großeltern erwirtschaftete Wohlstand wird genau der Generation zu Gute kommen, die um ihr Rentenniveau und ihre soziale Sicherheit bangt. Ein fairer Deal also, könnte man meinen. Damit aber beginnt erst die Diskussion: Ist Erben eigentlich gerecht? Darf man überhaupt auf ein Vermögen pochen, das man sich nicht selbst erarbeitet hat? Manifestiert das Vererben nicht eine soziale Ungleichheit und zementiert damit soziale Ungerechtigkeit?

Die vielzitierte Schere zwischen Arm und Reich nicht weiter auseinandergehen zu lassen, ist ein hehres politisches Ziel. Doch erscheint gerade der staatliche Eingriff ins Erben als falscher Weg, egalitaristischen Vorstellungen zu entsprechen. Aktuell stehen gesetzliche Veränderungen an: Im Juli wurde die Kabinettvorlage für die Reform der Erbschaftssteuer vorgelegt. Die Vorlage, der harte Verhandlungen innerhalb der großen Koalition vorausgingen und die nun ein Kompromisspapier darstellt, zielt vor allem darauf ab, dass Erben größerer Betriebsvermögen nun anders veranlagt werden. Genau wie vorher gilt: Führt der Erbe das Unternehmen weiter und hält dabei bestimmte Qualitätsstandards an Lohn und Beschäftigung ein, bleibt es von der Steuer befreit. Anders als vorher wird aber, wenn das Betriebsvermögen 26 Millionen Euro übersteigt, die private Vermögenlage des Erben in die Rechnung einbezogen. Das heißt: Besitzt der Erbe oder Beschenkte ein größeres, nicht betrieblich genutztes Vermögen, wird er mehr Erbschaftssteuern auf das Betriebsvermögen zahlen müssen. Familienunternehmen, die für den deutschen Mittelstand und damit das Rückgrat der deutschen Wirtschaft typisch sind, erhalten eine höhere Freigrenze für den Schwellenwert der Bedürfnisprüfung.

Die Kabinettsvorlage trägt damit zwei Dingen Rechnung: Erstens honoriert sie die Weiterführung von Unternehmen und besonders von Familienunternehmen, bei der zugleich Arbeitsplätze und Wohlstand gesichert werden. Firmen, auch wenn diese als Erbschaft weitergereicht werden, sind Orte von Innovation und Entwicklung und sind ohnehin von allgemeinem Wert. Zweitens aber verquickt er das private Vermögen des Erben mit dem betrieblichen Erbe – dies aber in einem noch vertretbaren Maß. Das private Risiko und die unternehmerische Leistung sollten schließlich nicht durch Steuern bestraft werden. Von daher ist es zu begrüßen, dass die Kabinettsvorlage in ihrer nun abgeschwächten Form dies zumindest stärker berücksichtigt als in vorherigen Entwürfen.

Freilich geht diese Reform anderen politischen Kräften nicht weit genug. Die Grundkritik: Die ungleiche Vermögensverteilung wird durch die Erbschaftssteuer zementiert und Vermögensakkumulation ohne eigene Leistung gefördert. Ohne Zweifel: Eine funktionierende Marktwirtschaft, die noch dazu sozialen Anspruch hat, ist auf gesellschaftlichen Ausgleich angelegt. Dennoch erscheint es zweifelhaft, dies gerade beim Vererben konfiskatorisch umzusetzen. Vermögen und Besitz wurden bereits versteuert, wenn es, wovon in der Regel ausgegangen werden kann, rechtmäßig erworben wurde. Der Erblasser aber muss darauf vertrauen können, dass mit seinem erarbeiteten und klug verwalteten Privatvermögen nach seinem Willen verfahren wird. Dies stärkt zwar nicht die egalitaristische Position. Das Gegenteil aber wäre weit mehr dem Vorwurf der Ungerechtigkeit ausgesetzt.

Erstmals veröffentlicht in: Die Tagespost, 22.08.2015, Nr. 100