Beiträge

Photo: Ralf Schulze from Flickr (CC BY 2.0)

Es gibt inzwischen viele Vorstöße, das Bargeld einzuschränken oder ganz abzuschaffen. Der Wegfall des 500-Euro-Scheines ist so ein Vorstoß. Dieser werde eh nur von Verbrechern und Geldwäschern benutzt. Normale Bürger würden stattdessen dazu übergehen, ihre 500er in 200er und 100er zu tauschen. Inzwischen verlautbart die EZB sogar, dass bereits 18 Millionen Scheine im Wert von 9 Milliarden Euro vom Markt genommen worden seien. Das klingt gewaltig. Ist es vielleicht so, dass die Bürger freiwillig auf den 500er verzichten und ihn brav umtauschen? Ist das Bargeld gar nicht so beliebt, wie immer behauptet wird? Wer die Zahlen genau analysiert, kommt schnell zu dem Schluss, dass die 18 Millionen Scheine lediglich ein Klacks sind. Von den über 612 Millionen 500er Scheinen sind es gerade einmal drei Prozent, die jetzt zurückgenommen werden. Dies ist wahrscheinlich nichts Besonderes, sondern die ganz normale Rücknahmerate der Vergangenheit.

Viel gefährlicher für das Bargeld ist ein aktueller Vorstoß der SPD. In dieser Woche hat der Parteivorstand der Sozialdemokraten „20 Maßnahmen für die sofortige Beendigung von Steuerbetrug, Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung“ diskutiert. Nicht nur, dass die Sozialdemokraten darin eine nationale Obergrenze für Bargeld fordern. Vielmehr werden alle Bürger mit Bargeld unter Generalverdacht gestellt. Denn im Papier heißt es: „Vermögen unklarer Herkunft sollen künftig eingezogen werden können“. Wer Bargeld im Schließfach oder zu Hause aufbewahrt, kommt dann schnell unter Generalverdacht. Woher stammt das Geld, ist es ehrlich verdient?

Von seinem Wesen her ist die Herkunft des Bargeldes nicht immer klar nachzuweisen – insbesondere nicht, wenn der Erwerb viele Jahre zurückliegt. Bislang galt im Wirtschaftsverkehr: wer Bargeld in der Hand hält, genießt erstmal das Vertrauen der Marktteilnehmer. In der Regel ist es dem Verkäufer egal, woher das Bargeld stammt, sollte er keine offensichtlichen Anzeichen einer Straftat erkennen. Das ist gut und richtig so, denn es vereinfacht das Wirtschaftsleben enorm. Und es ermöglicht den anonymen Erwerb von Waren und Dienstleistungen. Nicht alles will man offenbaren oder veröffentlicht wissen. Wenn Bargeld jederzeit von seiner Herkunft nachgewiesen werden muss, verliert es seine stärkste Funktion – den Schutz der Privatsphäre. Das war bislang gar kein Problem, galt hier doch die Unschuldsvermutung. Jetzt dreht die SPD den Spieß um, und die Bürger müssen im Zweifel nachweisen, woher das Bargeld stammt, ansonsten besteht die Gefahr, dass es ihnen weggenommen wird.

Das mag denjenigen gefallen, die den gläsernen Bürger lieben und die meinen, nichts zu verbergen zu haben. Dennoch sollten auch sie wachsam sein. Denn hier gerät jeder Einzelne unter Verdacht. Die Folge wird sein, dass das Bargeld zurückgedrängt wird und am Ende seine Existenz verliert. Die Bedienung im Restaurant oder Kneipe, die das Trinkgeld gern als steuerfreie Zugabe einsteckt, kann daran ebenso wenig Interesse haben wie der Musiker in der Fußgängerzone, der seinen Hut vor sich hinlegt, um eine kleine Spende von den Passanten zu erhalten. Es trifft am Ende den Otto-Normalverbraucher und ganz besonders die sozial Schwächsten und nimmt ihnen Verdienstmöglichkeit und Freiheit.

Wer glaubt, mit der Abschaffung des Bargelds würden die Verbrecher besser erfasst und gefasst, der glaubt auch, dass das bankrotte Venezuela nicht wegen des Sozialismus pleite ist, sondern weil er lediglich nicht konsequent genug umgesetzt wurde. Frei nach Che Guevara: Seien wir realistisch, versuchen wir das Unmögliche.

Erstmals erschienen bei Tichys Einblick.

 Photo: Claus Rebler from Flickr (CC BY-SA 2.0)

Der Europa-Parlamentarier Alexander Graf Lambsdorff hat gerade vor der Freigabe der Griechenland-Kredite durch die EU-Finanzminister gewarnt: „In Wahrheit ist Athens Reformprogramm ein Papiertiger.“ Seit Beginn der Finanzhilfen seien 74 Prozent der mit den europäischen Partnern vereinbarten Reformen nicht durchgeführt worden, gibt sich jetzt der EU-Abgeordnete überzeugt. Er plädierte wie sein Parteivorsitzender Christian Lindner für einen Austritt Griechenlands aus dem Euro.

Darauf hinzuweisen war und ist notwendig, bekommt man doch gelegentlich den Eindruck vermittelt, die Situation für Griechenland und für den Euro-Club habe sich seit 2010 wesentlich verbessert und das Erpressungspotential der überschuldeten Staaten und Banken in Europa habe abgenommen. Deshalb ist die Kritik an Finanzminister Schäuble und damit auch an den Regierungsparteien in Berlin sehr berechtigt. Machen es sich die Finanzminister im Euro-Club doch sehr einfach. Erneut werden die Dinge auf die lange Bank geschoben, Beruhigungspillen verteilt und din Reformbereitschaft der griechischen Regierung verklärt.

Und wie 2010 versuchen diese Schönredner wieder, über wichtige zeitliche Hürden zu springen. Die eine Hürde ist das Brexit-Referendum in Großbritannien am 23. Juni. Auf der Insel steht es Spitz auf Knopf, da will man in Brüssel keine negativen Schwingungen erzeugen. Das zweite Datum ist die Bundestagswahl in Deutschland im September 2017. Ein Schuldenschnitt, wie auch immer er aussehen mag, will man als deutscher Finanzminister nicht verantworten. Deshalb verschiebt man diese Frage auf das Jahr 2018. Wichtig ist für alle Beteiligten, Griechenland aus den Schlagzeilen zu halten.

Mit einer Schuldenquote von 180 Prozent zur Wirtschaftsleistung hat Griechenland einen neuen Höchststand in seiner Euro-Geschichte erreicht. 315 Milliarden Euro an Staatsschulden tragen heute nicht mehr Banken, Versicherungen und Fonds, sondern faktisch zu 100 Prozent der Euro-Club, die EZB und der IWF. Jetzt ist die drohende Ansteckungsgefahr für die europäischen Banken zwar gemindert, aber nunmehr bürgt der Steuerzahler für diese uneinbringlichen Forderungen. Die Retter von damals halten sich zugute, dass die Zinsspreads zwischen Griechenland und den übrigen Schuldenstaaten zugenommen hätten. Bis auf Portugal haben alle Euro-Staaten inzwischen Renditen von 10-jährigen Staatsanleihen von unter 2 Prozent, viele sogar unter 1 Prozent. Lediglich Portugal liegt bei fast 4 Prozent, wogegen Griechenland bei rund 7 Prozent liegt..

Die Ansteckungsgefahr ist jedoch gegenüber 2010 nicht gemindert, vielmehr hat sie sich erhöht. Die Zinsspreads sind kein Indikator einer abnehmenden Gefahr in einer Zeit, in der die EZB jeden Monat für 80 Milliarden Euro überwiegend Staatsanleihen aufkauft. Diese Maßnahme dient einzig und alleine dem Ziel, die Zinsen und Renditen der Staatsanleihen zu drücken. Das Volumen ist dabei gar nicht entscheidend. Entscheidend ist der Wille Mario Draghis, den er in den Worten „whatever it takes“ zum Ausdruck gebracht hat. Die Anleihenmärkte sind wahrscheinlich noch nie in den vergangenen 60 Jahren in dieser Weise manipuliert worden.

Die Ansteckung aller Länder in der Eurozone findet derzeit an anderer Stelle statt. Regierungen werden nicht nur in Griechenland hinweggefegt, sondern auch in Spanien und Portugal. Etablierte Parteistrukturen gelten nicht mehr, siehe Österreich und Frankreich. Selbst in Deutschland ist es nicht mehr weit, bis die Union erstmalig in Umfragen unter die 30 Prozent-Hürde fällt. Die andere Volkspartei, die SPD, muss sich daran gewöhnen, unter 20 Prozent taxiert zu werden. Das so oft apostrophierte Verursacherprinzip gilt im Euro-Club nicht. Recht wird bis zur Unkenntlichkeit verbogen. Deshalb dürfen sich die Regierungen nicht wundern, wenn ihre Politik des Zeitgewinns durch Rechtsbeugung sich ein Ventil sucht. Griechenlands Weg muss ein Weg außerhalb des Euro-Korsetts sein. Für alle Beteiligten wäre dies besser – für Griechenland und die restlichen Euro-Staaten.

Sollte Griechenland den Euro-Club verlassen, hieße das nicht, dass der Euro in Griechenland verschwindet. Es bestünde sogar die Möglichkeit, den Bürgern Griechenlands die Wahl zu lassen, welche Währung sie nutzen. Hierfür ist nicht sehr viel notwendig. Im ersten Schritt müsste die EZB den griechischen Banken den Zugang zur EZB und dessen Zentralbankgeld kappen. Anschließend würde dann die griechische Regierung eine neue Währung in Umlauf bringen und die Bankkonten darauf umstellen. Das Euro-Bargeld würde weiter seine Funktion als Zahlungsmittel behalten. In einem klassischen Parallelwährungsraum würde normalerweise dann das schlechte Geld das gute Geld verdrängen. Die neue Drachme würde in einen Abwertungssog gegenüber dem Euro geraten. Alle Menschen in Griechenland würden versuchen, die relativ schlechtere Drachme in den relativ besseren Euro umzutauschen. Der Euro würde gehortet und die neue Drachme würde möglichst schnell ausgegeben oder getauscht.

Dieser als „Greshamsche Gesetz“ bezeichnete Zusammenhang kann eigentlich nur dadurch vermieden werden, dass der griechische Staat kein gesetzliches Zahlungsmittel definiert und keinen Wechselkurs über die eigene Notenbank zu bestimmen versucht, sondern das Zahlungsmittel und deren Verwendung dem Markt überläßt. Daher ist nicht ein klassisches Parallelwährungskonzept die Antwort, sondern ein Vielwährungskonzept aus unterschiedlichen Währungen, die je nach Verwendung unterschiedliche Vor- und Nachteile haben können. Das Grundprinzip dieses Vielwährungskonzeptes lautet: Nur wenn jeder Bürger jeder Zeit die Möglichkeit hat, sein schlechtes Geld in gutes Geld umzutauschen, entsteht eine Geldordnung, die dauerhaft Vertrauen schafft. Dieses Währungskonzept würde nicht von der Willkür der Regierung oder einer Zentralbank abhängig sein, sondern vom Vertrauen jedes Einzelnen.

Erstmals erschienen bei Tichys Einblick.

Photo: Wikimedia

Jetzt steht es fest: Der 500er wird abgeschafft. Ende 2018 will die Europäische Zentralbank den größten Euro-Geldschein aus dem Verkehr ziehen. Die EZB begründet dies mit der Verbrechensbekämpfung. Damit habe der EZB-Rat Bedenken Rechnung getragen, dass diese Banknote illegalen Aktivitäten Vorschub leisten könnte, so die Begründung der Notenbanker.

Sicher ist der 500er nicht der Geldschein, mit dem Otto Normalverbraucher tagtäglich bezahlt, dennoch ist dessen Abschaffung Teil einer Entwicklung, die allen Sorge bereiten sollte. Seit dem Ausbruch der Finanzkrise 2007/2008 und erst Recht mit der Euro-Schuldenkrise 2010 erleben wir eine finanzielle Repression, die immer stärker in die Vertragsfreiheit, in das Eigentum Einzelner und die zu immer mehr staatlichem Einfluss und der Einschränkung persönlichen Freiheiten führt.

Erst vor wenigen Tagen hat sich Mario Draghi, der EZB-Chef, in einem Interview über die Kritik aus Deutschland an seiner Geldpolitik beklagt und stattdessen Anlagetipps gegeben. Die Sparer müssten ihr Geld nicht nur auf dem Sparbuch anlegen, sondern hätten auch andere Möglichkeiten, so der Italiener. Im Übrigen müsse auf die Realverzinsung geachtet werden und diese sei auch in den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts negativ gewesen. Damals führte die hohe Inflationsrate zu einem realen Verlust von Sparvermögen.

Draghi unterschlägt hier jedoch, dass es damals Lebensversicherern und Versorgungseinrichtungen noch einfach möglich war, ihre gesetzliche Garantieverzinsung zu erfüllen. Das wird heute zum Damoklesschwert für diese Unternehmen und damit für deren Sparer. Und ganz entscheidend: Der langfristige Zins war nicht negativ, doch gerade dies strebt heute die EZB mit ihrer Geldpolitik an. Sie will nicht nur den Zins am kurzen Ende beeinflussen, sondern auch am langen Ende. Deshalb kauft die EZB Schulden von Staaten, Banken und Unternehmen auf und drückt damit die Rendite dieser Anleihen und den langfristigen Zins. Denn ohne diese Maßnahmen müssten die Staaten, Banken und Unternehmen in Südeuropa, aber auch in Deutschland, wesentlich höhere Zinsen für ihre Verschuldung bezahlen. Dann würden dort die Haushaltszahlen noch schlechter aussehen und ohne Reformen die Verschuldung noch schneller steigen.

Draghis Politik ist daher fatal, weil sie die unsichtbare Hand in einer Marktwirtschaft mit dem Fallbeil abhackt. Diese unsichtbare Hand ist der Zins, der sich am Markt bildet. Der Zins ist ein entscheidender Faktor, ein Indikator und ein Lenkungsinstrument, den man erfinden müsste, wenn es ihn nicht schon immer gegeben hätte. Der Zins ist der Preis dafür, das jemand auf den heutigen Konsum oder auf Investitionen verzichtet und sein Geld anderen, die heute konsumieren oder investieren wollen, zur Verfügung stellt. Diesen Verzicht lässt sich derjenige mit einem Zins vergüten. Er verschiebt damit seinen persönlichen Konsum in die Zukunft und erhält dafür eine Vergütung. In diese Überlegung fließen dann weitere Aspekte hinein. Wie wahrscheinlich ist es, dass der Verleiher sein Geld zurückbekommt, wie hoch ist die Nachfrage und wie hoch das Angebot an Geld. All das beeinflusst den Zins in einer Marktwirtschaft. Doch jetzt kommt die EZB und greift in diesen komplexen Vorgang ein, schafft den Zins faktisch ab und macht aus der unsichtbaren Hand eine sichtbare. Jetzt glaubt Mario Draghi zu wissen, wie heute konsumiert und investiert werden muss, wer verzichten soll und wer nicht. Er macht sich zum „Gottspieler“, der weiß wie die Welt geordnet werden muss.

Mario Draghi verfolgt das Ziel, das der Ökonom Roland Baader sehr treffend beschrieben hat: „An anderer Leute Geld kommt man am schnellsten und umfassendsten, wenn man es selber drucken kann.“ Genau diesen fatalen Weg geht die EZB heute, und die eigene Bundesregierung leistet dagegen keinen Widerstand.

Erstmals erschienen in der Fuldaer Zeitung am 07. Mai 2016.

Photo: Phil Whitehouse from Flickr (CC BY 2.0)

Seit dem Griechen Aristoteles wird das Henne-Ei-Problem diskutiert. Was war zuerst da: das Huhn oder das Ei? Diese Frage kann man philosophisch, theologisch, biologisch oder auch praktisch beantworten. Je nachdem, welchen Ansatz man wählt, kommt man zu einem anderen Ergebnis. Der Philosoph bezieht sich auf Aristoteles und meint, es hätte beides schon immer gegeben. Der Theologe glaubt an die Schöpfungsgeschichte, als Gott am vierten Tag das Federvieh geschaffen hat. Der Biologe glaubt an einen genetischen Sprung, an dessen Anfang das Ei irgendeines Tieres stand. Und dem Praktiker schmeckt zum Lunch beides.

Man könnte das Henne-Ei-Problem jedoch auch aus einem ökonomischen Blickwinkel betrachten. Was ist die Ursache der Krise der Eurozone und was die Folge? Ist die Ursache die fehlende fiskalische Disziplin der Mitgliedsstaaten oder die falsche Geldpolitik der Europäischen Zentralbank? Die Frage ist von großer Bedeutung, weil sie die mögliche Therapie begründet. Muss die EZB ihre Geldpolitik ändern, damit die fiskalische Disziplin eintritt oder müssen erst Strukturreformen und Haushaltsdisziplin in den Mitgliedsstaaten eintreten, damit die EZB anschließend die Zinsen wieder erhöhen kann?

Letzteres ist die Argumentation von Mario Draghi. Er betont unablässig, dass die Zentralbank gezwungen sei, in den Anleihenmärkten zu intervenieren, da die Mitgliedsstaaten mehr Zeit benötigten, um die Strukturschwächen zu bekämpfen, die wiederum der Grund für Wachstumsschwäche und Verschuldung seien. Die Interventionen der EZB führen zu immer absurderen Entwicklungen: Jetzt will die EZB auch Unternehmensanleihen kaufen. Das wird zu einer Zweiteilung des Marktes bei der Unternehmensfinanzierung führen. Wer als Unternehmen in den Genuss der EZB-Käufe kommt, profitiert und kann sich noch preiswerter und mit einem dann noch besseren Rating refinanzieren. Diese Unternehmen hängen dann aber auch am Tropf des EZB-Geldes und werden so künstlich ernährt. Wer zu klein oder zu schlecht bewertet wird, verliert den Anschluss und scheidet irgendwann aus oder wird von großen Unternehmen mit dem billigen EZB-Geld aufgekauft. Das führt zu einem Konzentrationsprozess in der Wirtschaft, der staatlich erzwungen wird.
Draghis fatale Politik führt also zu einem Free Lunch für all diejenigen, die groß genug sind, um ihr Erpressungspotential auszuspielen. Mal sind es Staaten wie Griechenland, mal sind es größere Banken in Schieflage und bald sind es Unternehmen, die „systemrelevant“ sind. Ausreichend Zeit für Reformen hatten inzwischen eigentlich alle Beteiligten und dennoch ist das Erpressungspotential nicht gesunken, sondern gestiegen. Griechenland kam bereits 2010 unter den ersten Schuldenschirm. Das griechische Statistikamt hat jetzt die offiziellen Haushaltszahlen für das vergangene Jahr veröffentlicht. Das Budgetdefizit verdoppelte sich von 3,6 Prozent in 2014 auf 7,2 Prozent in 2015. Die übrigen Kennzahlen Griechenlands sind mit dem guten alten griechischen Wort Katastrophe noch freundlich beschrieben.

Wie soll sich auch etwas ändern, wenn die Regierung, das Parlament und die Gesellschaft keine grundsätzlichen Veränderungen wollen? In dieser Situation hemmt die Nullzinspolitik jeden Reformeifer. Nicht nur in Griechenland, sondern in vielen Ländern des Euro-Clubs. Das spanische Defizit betrug im letzten Jahr 5,2 Prozent, Portugal 4,4 Prozent und in Frankreich 3,5 Prozent. In Italien stehen die Banken unter Wasser und die Staatsschulden in der Eurozone erklimmen immer neue Höchstwerte.

Mario Draghi liegt mit seiner Argumentation seit Jahren daneben. Deshalb ist es gut und richtig, dass er inzwischen hart kritisiert wird. Er steht für die falsche Geldpolitik der EZB, für die Transparenz nur ein Fremdwort ist. Wer sich auf seine Unabhängigkeit beruft, muss gegenüber dem Bürger zumindest im Nachhinein darlegen, wie er wann und wo die Märkte manipuliert hat.

Die über Jahre eingeleitete und jetzt geradezu erzwungene Vernichtung des Zinses durch die EZB ist die Ursache für die Überschuldung von Staaten, Banken und privaten Haushalten. Sie hat die Staatsausgaben explodieren und Blasen an den Immobilien- und Aktienmärkten entstehen lassen, die sich korrigieren wollen, aber mit noch billigerem Geld der EZB weiter aufgepustet werden, um die Haftung durch die Sparer und Steuerzahler zu erzwingen.

Wie es anders gehen kann, zeigt aktuell Argentinien. Die fulminante Rückkehr des Landes an den Kapitalmärkten zeigt, dass sich Mut und Weitsicht auszahlen können. Seit Argentinien Reformen durchführt, seine Gläubiger bedient und Marktzinsen bezahlen muss, ist es wieder glaubhaft. Es gibt noch viele Schwierigkeiten und Probleme, doch das Licht am Ende des Tunnels ist erkennbar. Und dieses Licht ist nicht der entgegenkommende Zug, sondern der Weg zu eigener Freiheit und eigener Verantwortung. Vielleicht sollte sich Draghi von Henne und Ei lösen und sich mal an ein saftiges Steak machen …

Erstmals erschienen bei Tichys Einblick.

Photo: Martin Abegglen from Flickr (CC BY-SA 2.0)

„Helikoptergeld“ ist das neue Zauberwort. Es spukt seit geraumer Zeit durch die Finanzwelt. Gemeint ist damit, dass die Zentralbank an den Banken vorbei Kredite und damit neues Geld an die Wirtschaft oder die Bürger ausreicht, um damit Investitionen oder den Konsum anzuregen. Im übertragenen Sinne wirft also der Zentralbankchef aus dem Hubschrauber frische Geldscheine auf die Erdenbürger und schafft dadurch Wohlstand. Eine faszinierende Vorstellung. Deshalb ist sie bei Leuten, die dem Staat eine dominierende Rolle bei der Steuerung der Wirtschaft beimessen, besonders beliebt.

Jüngst hat Oskar Lafontaine diesen Vorschlag aufgegriffen. Seine Argumentation klingt auf den ersten Blick bestechend. Die Banken kommen ihrer Pflicht nicht nach, genügend Kredite an die Wirtschaft auszureichen und deshalb müsse die Notenbank diese Rolle notgedrungen übernehmen, um die Wachstumsschwäche zu überwinden. Das klingt ein wenig so, wie wenn ein Stromausfall durch einen Kurzschluss eintritt und der Elektriker sich daran macht, die Ursache zu suchen. Da wir dieses Kabel mal abgeklemmt, jenes mal angeschlossen und dann schaut man, was passiert. Ist die Ursache des Kurzschlusses festgestellt, wird das Kabel neu verlegt, die Fassung erneuert und das Problem ist gelöst.

Doch Wirtschaft ist kein Stromkreis und mangelndes Wachstum kein Kurzschluss. Mit Elektrotechnik kommt man hier nicht weiter. Wachstum setzt eine Menge mehr voraus, als frisches Geld, das einfach gedruckt wird. Denn wenn es so einfach wäre, könnte sich Mario Draghi vor die Opel-Werkstore in Rüsselsheim stellen und jedem Arbeiter beim Schichtwechsel einen 500-Euro-Schein in die Hand drücken, um die Konjunktur anzukurbeln. Das wäre absurd, aber in der Schuldenkrise kann selbst Absurdes bald Wirklichkeit werden.

Gelddrucken, um die Wirtschaft anzukurbeln, verkennt einen wesentlichen Zusammenhang, nämlich, dass der Konsumverzicht die Voraussetzung für Investitionen und diese wiederum die Voraussetzung für Wachstum sind. Ein Beispiel: Man stelle sich Robinson Crusoe auf einer einsamen Insel vor. Mit einer Angel muss er jeden Tag Fische fangen, um zu überleben. Will er seine Situation verbessern und mehr Fische fangen, braucht er ein Netz. Kommt er auf die Idee, sich dieses Netz zu knüpfen, hat er keine Zeit mehr, mit der Angel Fische zu fangen. Er muss Fische sparen und dafür Konsumverzicht üben. Erst dann kann er seine Situation verbessern. Erst dann hat er Zeit, ein Netz zu knüpfen, das ihm anschließend erlaubt, mehr Fische in der gleichen Zeit zu fangen.

Was die Helikopter-Ökonomen und -Politiker wollen, ist ein Schlaraffenland, das Wohlstand ohne Anstrengung schafft. Doch dieses Schlaraffenland gibt es nicht. Es wäre so wie wenn Robinson Crusoe plötzlich ganz viele Fische angeschwemmt bekäme, von denen er sich wochenlang ernähren könnte. In der Zwischenzeit würde er dick und faul. Seine Fähigkeiten zu angeln, würde er peu á peu verlieren. Nach einigen Wochen wäre seine Situation schlechter als vorher.

Genau so ist es in der Euro-Schuldenkrise derzeit auch. Das billige Geld der Europäischen Zentralbank hat die Reformbereitschaft erlahmen lassen. Alle verlassen sich darauf, dass die EZB frisches Geld auf den Markt schmeißt. Noch kein Helikoptergeld, aber dennoch so viel billiges Geld, dass die Staatsausgaben mit Nullzinsen viel einfacher finanziert werden können. Deshalb ist es auch einfacher neue Schulden zu machen. Der neue Musterknabe in Europa, Spanien, ist ein gutes Beispiel. Seine Neuverschuldung lag im vergangenen Jahr mit 5,2 Prozent zur Wirtschaftsleistung weit über dem Maastricht-Kriterium von drei Prozent. Wenn die so weitermachen, wird Mario Draghi bald den Helikopter starten.