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Photo: yoppy from Flickr (CC BY 2.0)

Tausende von Chaoten werden am Wochenende beim G20-Gipfel in Hamburg demonstrieren. Sie verorten sich politisch links, meist sogar extrem links. Ab Freitag wird die Hansestadt daher den größten Polizeieinsatz ihrer Geschichte erleben. Der so genannte „schwarze Block“ will nicht nur Transparente hochhalten, sondern wird seine „Meinung äußern“, indem er Gegenstände auf Polizisten wirft und dabei auch auf fremdes Eigentum keine Rücksicht nimmt. Sie kämpfen gegen die Globalisierung, gegen den Kapitalismus und den Freihandel. Sie hören freilich nicht so gerne, dass sie auch unter den G20-Staaten mächtige Verbündete haben. Dabei sitzen die linken Chaoten eigentlich längst mit am Tisch.

Vorneweg ist hier US-Präsident Donald Trump zu nennen. Niemand stellt sich derzeit so sehr gegen den freien und ungehinderten Austausch von Waren und Dienstleistungen wie der US-Präsident. Er wirft China, Deutschland und anderen Ländern „unfaire“ Handelspraktiken vor. „Fairness“ ist dabei das neue Wieselwort in den globalen Wirtschaftsbeziehungen. Niemand kann es fassen, weil es sofort entweicht. Setzt fairer Handel einen Mindestlohn von 8,50 Euro nicht nur in Deutschland, sondern auch in China voraus? Ist die sehr viel strengere Produkthaftung in den USA fair? Oder führt die Politik der Europäischen Zentralbank zu einem künstlich niedrigen Euro-Kurs, der wie eine Exportsubvention der europäischen Wirtschaft im Außenhandel einen unfairen Vorteil verschafft? Einfache Antworten gibt es darauf nicht, und daher ist es sinnvoll und richtig, dass sich die Staats- und Regierungschefs regelmäßig treffen. Nur wer miteinander redet, kommt einer für alle Beteiligten vorteilhaften Lösung näher.

In solchen Gesprächen wird dann auch deutlich, dass nicht alles schwarz oder weiß ist. Auch die Europäische Union, die neben den 19 führenden Industrie- und Schwellenländern mit am Verhandlungstisch in Hamburg sitzt, ist nicht der Leuchtturm des Freihandels, für den es sich vielleicht hält. Sie lässt auch die Muskeln spielen, wo sie es kann. Kleinere europäische Staaten wie die Schweiz und Norwegen sind gegenüber der EU in Milliardenhöhe tributpflichtig, um für ihre Unternehmen einen Zugang zum europäischen Binnenmarkt zu erhalten. Stahlimporte aus China werden ebenfalls mit Zöllen belegt, weil sie zu billig sind. Und Autos aus Japan sind durch Zölle zehn Prozent teurer, weil die heimische Industrie vor Konkurrenz geschützt werden soll. Praktisch für die EU, dass sie dabei noch die Hand aufhalten kann, um damit auch den eigenen Haushalt zu finanzieren. Bezahlen müssen das alles die Konsumenten in der Europäischen Union. Sie werden letztlich geschröpft.

Abschottung und Protektionismus gibt es seitdem es Staaten gibt. Doch seit der Mitte des 19. Jahrhunderts reift die Erkenntnis, dass die Beschränkungen des grenzüberschreitenden Handels allen schaden. Die universelle Idee des Freihandels steht seit Richard Cobden und Frédéric Bastiat für mehr als nur eine materielle Nutzenmaximierung auf beiden Seiten. Gerade Cobden betonte die friedensstiftende Idee des Freihandels. Sein wesentliches Argument war, dass die gegenseitige ökonomische Abhängigkeit dazu führt, dass den Regierungen die Macht genommen wird, ihre Bürger in den Krieg zu stürzen.

Erfreulich ist daher, dass die EU und Japan sich über wesentliche Fragen eines Freihandelsabkommens einig sind und es noch vor dem Gipfel unterschrieben werden kann. 99 Prozent aller Produkte sollen künftig ohne Zölle und Handelsbeschränkungen auskommen. Für die Europäer werden japanische Autos billiger und für Japaner werden französischer Brie und der Riesling aus Rheinhessen erschwinglich. Die Konsumenten auf beiden Seiten wird das freuen. Das Potential für eine Ausweitung der Handelsbeziehungen ist da.  Heute exportieren Unternehmen aus der EU bereits Waren und Dienstleistungen im Wert von 86 Mrd. Euro nach Japan. Die EU erwartet allein durch dieses Handelsabkommen in den nächsten Jahren 420.000 neue Arbeitsplätze für ihre Bürger. Beide Wirtschaftsregionen stellen zusammen knapp ein Drittel der globalen Wirtschaftsleistung.

Trotz der vielfältigen Probleme der EU ist es sehr erfreulich, dass sie doch noch in der Lage ist, wichtige Zukunftsaufgaben anzugehen anstatt nur auf Probleme zu reagieren. Der Freihandel bietet für die EU die Chance, sich als offener und zukunftsweisender Club zu präsentieren und andere Regionen einzuladen, ohne Protektionismus Handel mit uns zu treiben. Dass dies möglich wird, liegt aber auch an den Mitgliedstaaten der EU selbst. Die gemeinsame Handelspolitik liegt in der alleinigen Kompetenz der Europäischen Union. Die Regierungen der Mitgliedsstaaten wirken im Europäischen Rat an der Rechtssetzung mit. Eine zusätzliche Ratifizierung in den Parlamenten der Mitgliedsstaaten würde diese sinnvolle Kompetenzverteilung unterlaufen. Die gemischten Zuständigkeiten unterschiedlicher multistaatlicher und staatlicher Ebenen führt nicht nur zur Handlungsunfähigkeit, sondern auch zur Verantwortungslosigkeit. Jeder kann sich hinter jedem verstecken, wenn es nicht funktioniert. Gerade beim Freihandelsabkommen mit Japan können die Regierungschefs in der EU unter Beweis stellen, wie sie es mit dem Freihandel wirklich halten: „Free trade“ statt „EU first“.

Photo: Rod Waddington from Flickr (CC BY-SA 2.0)

Afrika steht auf der Agenda des G20-Treffens. Langsam dämmert den Verantwortlichen dort, dass nicht nur die klassische Entwicklungshilfe glorios gescheitert ist, sondern dass „Afrika“ auch mehr ist als nur Hunger, Korruption und Safari. Was ist zu tun, um den Menschen dort mehr Chancen zu ermöglichen?

Unternehmertum fördern statt Geld verteilen

Die Spatzen pfeifen es seit einiger Zeit so penetrant von den Dächern, dass es schon fast an Ruhestörung grenzt: Die Entwicklungshilfe der vergangenen Jahrzehnte hat im Grunde genommen drei Konsequenzen gehabt: Das ein oder andere Gewissen in den reichen Ländern wurde beruhigt. Autokratische Systeme wurden stabilisiert. Und die wirtschaftliche Entwicklung innerhalb der Länder langfristig aufgehalten. Trotz der immer heftigeren Kritik hat sich die Summe der Entwicklungshilfe für Sub-Sahara-Afrika von 17,8 Milliarden Dollar im Jahr 2000 auf 45,9 Milliarden im Jahr 2015 hochgeschraubt. Dabei wird die Hilfe eher willkürlich verteilt, wie man exemplarisch an den Zahlungen sehen kann: Kenia erhält bei einem BIP von 1.377 Dollar pro Kopf fast 54 Dollar pro Jahr für jeden Einwohner; Tansania etwa 48 $ (BIP: 879 $ p. P.), Kongo etwa 34 $ (BIP: 456 $ p. P.) und Nigeria 13 $ (BIP: 2.672 $ p. P.).

Viel wichtiger als staatliche Almosen – auch das gehört mittlerweile zum festen Repertoire der Spatzen auf den Dächern – sind die Rücküberweisungen von Migranten. Diese betrugen nach Sub-Sahara-Afrika 1990 1,8 Milliarden Dollar und sind inzwischen auf 17,8 Milliarden angewachsen. Dies sind Gelder, die unmittelbar bei den Familien und Freunden der Migranten ankommen. Es sind finanzielle Ressourcen, mit denen die Menschen in der Heimat kleine Geschäfte aufbauen, ihre wirtschaftliche Situation verbessern, ihre Kinder zur Schule schicken und eine Operation bezahlen können. Nachhaltiges Wachstum kann in diesen Ländern nur durch Privatwirtschaft entstehen. Unternehmertum ist auch das beste Mittel, um den „Ausverkauf“ natürlicher Ressourcen an chinesische Investoren zu kontern. Wenn die Politik in den reichen Ländern etwas tun will, dann sollte sie nicht Geld in die staatlichen Fässer ohne Boden stecken, sondern den Menschen vor Ort Ressourcen zur Verfügung stellen, damit sie unternehmerisch tätig werden können. Anstatt eine neue Prachtstraße in der Hauptstadt zu finanzieren, sollte man lieber den Austausch fördern zwischen den Tüftlern aus Mallersdorf und Malawi, zwischen den IT-Spezialisten aus Lesotho und Litauen, zwischen den Physiotherapeuten aus Sierra Leone und South Dakota.

Regulierungen und Standards überdenken

Wir wollen alle eine saubere Umwelt, ordentliche Arbeitsbedingungen und sichere Produkte. Und selbst diejenigen Politiker, Bürokraten oder Unternehmer, die um eines unmittelbaren Profits willen diese Ideale hintanstellen, würden das ja in der Regel nicht öffentlich kommunizieren. Es gibt durchaus einen moralischen Druck auf Verantwortliche in Politik und Wirtschaft. Zwei unterschiedliche Aspekte führen jedoch dazu, dass dieser moralische Druck gerade in Entwicklungsländern nicht immer sehr effizient ist: In autoritären Systemen führt der Mangel an öffentlicher Kontrolle, Medien und Zivilgesellschaft dazu, dass dieser Druck oft nur in homöopathischen Dosen ankommt. Und bisweilen geht es um simple Güterabwägungen: Wollen wir die Umweltauflagen einhalten oder ein paar mehr Leute einstellen?

Die vielen Regulierungen und Standards, die wir mittlerweile in den entwickelten Staaten rechtsverbindlich eingeführt haben, können von kleinen Unternehmen hierzulande oft nur mit großem Aufwand und hohen Kosten eingehalten werden. Für Unternehmer aus den weniger entwickelten Ländern hingegen wirken sie oft wie unüberwindbare Markteintrittsbarrieren. Von Seiten der reicheren Länder ließe sich dieses Problem auf zwei Weisen abmildern: Erstens könnte man bei vielen Regulierungen darauf setzen, sie nicht verbindlich zu machen, sondern nur eine Kennzeichnungspflicht einzuführen. Dann können Konsumenten selbst entscheiden, ob sie die Waren kaufen, die beispielsweise EU-Standards entsprechen, oder nicht. Zweitens könnte man grundsätzlich darüber nachdenken, ob eine allzu missionarische Herangehensweise nicht die Grenzen des politisch Zulässigen überschreitet. Weltverbesserung ist eine Aufgabe, an der jeder einzelne Mensch auf diesem Globus mitwirken sollte, und ist nicht etwas, das staatlich gesteuert und verordnet werden kann.

Europa lässt sich nicht replizieren

Als sich die europäischen Großmächte nach dem 2. Weltkrieg zunehmend aus ihren Kolonien zurückziehen mussten, verließen sie die Länder selten ohne gute Ratschläge. Ja, viele ehemalige Kolonien – insbesondere Frankreich – sehen sich noch heute in der Rolle des großen Bruders. Die ehemaligen Kolonialherren hinterließen ihren befreiten Untertanen Vorstellungen, die sich über viele Jahrhunderte im europäischen Kontext etabliert hatten. Plötzlich fanden sich unterschiedlichste Ethnien mit grundverschiedenen kulturellen Prägungen in einem gemeinsamen Staat wieder. Und weiße Männer in Anzügen mit wohlklingenden Titeln und Amtsbezeichnungen kamen in regelmäßigen Abständen vorbei, um den Leuten zu erklären, wie die parlamentarische Demokratie funktioniert und Brunnen gebaut werden.

Entwicklung ist nicht etwas, das von außen kommen kann oder sich in Nachahmung erschöpfen kann. Entwicklung ist ein Lernprozess, den jedes Individuum und jede Gruppe für sich selbst durchmachen muss. Vor allem ist Entwicklung ein Prozess, der nicht einem bestimmten Ziel entgegensteuert. Wir im Westen haben nicht die eine optimale Lösung gefunden – für uns nicht, und erst recht nicht für andere. Wir können nicht einfach die vorübergehenden Lösungen für unser Zusammenleben, die wir in unserem konkreten geschichtlichen und kulturellen Kontext für unsere Gemeinschaften entwickelt haben (und wie unterschiedlich sind schon diese Lösungen!) in den Staaten Afrikas replizieren. Was wir aber können, ist, besser und effektiver unsere Rolle zu spielen. Die Überwindung von Elend und Hunger, von Krankheit, Korruption und Krieg ist eine Aufgabe, die die Menschen in den afrikanischen Staaten selber lösen müssen. Es wäre schon sehr viel erreicht, wenn wir ihnen dabei nicht im Weg stünden: Schluss mit der Entwicklungshilfe. Schluss mit Markteintrittsbarrieren. Schluss mit dem Versuch, sie auf den westlichen Weg zu führen. Geben wir den Menschen dort eine Chance, indem wir sie als Partner ernstnehmen und nicht als Spielball oder Mündel.

Photo: Wikimedia Commons

Von Prof. Dr. Thomas Mayer, Kuratoriumsvorsitzender von “Prometheus” und Gründungsdirektor des “Flossbach von Storch Research Institute”.

Eine der ältesten und gleichzeitig wichtigsten Einsichten der Volkswirtschaftslehre ist die Erkenntnis der Vorteile der Arbeitsteilung. Wenn sich jeder in der Herstellung von Gütern und Dienstleistungen auf das konzentriert, was er am besten kann, und das von anderen eintauscht, was er selbst nicht herstellt, ist die Wohlfahrt aller sehr viel größer, als wenn jeder nur für den Eigenbedarf produziert. Und was für den Einzelnen in einem Land gilt, gilt auch für ganze Länder. Freier Handel zwischen den Ländern erhöht die Wohlfahrt aller Bürger dieser Länder. Kaum eine theoretische volkswirtschaftliche Erkenntnis ist durch die Wirklichkeit eindrucksvoller bestätigt worden als diese. Dennoch sind heute die Gegner des internationalen Freihandels im politischen Aufwind. Das zeugt von erstaunlicher Unkenntnis nicht nur über die wirtschaftlichen Vorzüge des Freihandels, sondern auch über den Zusammenhang zwischen Handel und Kapitalverkehr.

Freihandel schafft Gewinner und Verlierer. Die Begabten und Fleißigen können ihr Tätigkeitsfeld auf Kosten der weniger Begabten und Fleißigen ausweiten. Die zweite Gruppe versucht natürlich, sich gegen Konkurrenz von der ersten zu schützen. Sind beide Gruppen ungleich zwischen den Ländern verteilt, kann die Mehrheit der weniger Begabten und Fleißigen in einem Land Handelsbarrieren gegen die Begabteren und Fleißigeren im anderen Land organisieren. Dabei hilft ihr, wenn statt der auf Regeln fußenden Staatsform des liberalen Rechtsstaats die Staatsform der zweckorientierten Organisation der Gesellschaft besteht. Im zweckorientierten Staat versuchen starke Interessengruppen die Politik der Regierung zu bestimmen. Seit der Finanzkrise ist dies den Verlierern des Freihandels in einigen Ländern recht gut gelungen. Diese Verlierer versprechen sich von Importzöllen und anderen Handelshemmnissen Schutz vor ausländischer Konkurrenz. Doch sie übersehen, dass sie damit keine Änderungen der Handelsbilanzen erreichen können.

Vorübergehende Ungleichgewichte können im Handel auftreten, wenn es möglich ist, diese zu finanzieren. Eine Seite kann mehr Güter liefern als die andere, wenn sie von dieser Seite Zahlungsmittel statt anderer Güter annimmt. Der Ökonom und Finanzminister in der österreichischen Donaumonarchie Eugen von Böhm-Bawerk sah in den Finanzierungsmöglichkeiten die Ursache für Handelsungleichgewichte: „Die Zahlungsbilanz befielt, die Handelsbilanz folgt, nicht umgekehrt.“ Mit Zahlungsbilanz und Handelsbilanz meinte er das, was wir heute Kapital- und Leistungsbilanz nennen.

Sind die Kapitalströme das Ergebnis der Entscheidungen der Wirtschaftsakteure, kann man davon ausgehen, dass der Aufbau von Zahlungsmitteln durch Leistungsbilanzüberschüsse in der Gegenwart dazu dient, Leistungsbilanzdefizite in der Zukunft zu finanzieren. Werden jedoch die Kapitalströme von staatlichen Zentralbanken manipuliert, sind auch die sich daraus ergebenden Handelsströme politisch manipuliert. Heute werden die globalen Kapitalströme wesentlich von der Geldpolitik der Zentralbanken der USA, Japans, des Euroraums und in geringerem Maß Chinas beeinflusst. Da die Zinsen in Japan und im Euroraum von den dortigen Zentralbanken weit unter die Zinsen in den USA gedrückt wurden, fließt den USA Kapital zu. Die Defizite in den Kapitalbilanzen bestimmen die Überschüsse in den Leistungsbilanzen dieser Länder, und der Überschuss der Kapitalbilanz der USA bedingt das Defizit der Leistungsbilanz dort.

Der Zusammenhang ist in der unten stehenden Grafik für den Euroraum illustriert. Die Kapitalbilanz entwickelte sich im betrachteten Zeitraum von 2005 bis 2017 entsprechend der Differenz der Renditen auf zweijährige Bundesanleihen und US Staatsanleihen gleicher Laufzeit (wobei der deutsche und der amerikanische Zins für den jeweiligen Eckzins im Euroraum und in der Welt stehen). Als die Zinsdifferenz 2008-09 nach aggressiven Zinssenkungen der Federal Reserve vorübergehend zu Gunsten Deutschlands stieg, drehte die Kapitalbilanz in den positiven Bereich. Spiegelbildlich dazu wies die Leistungsbilanz ein Defizit auf. Mit dem Rückgang der Zinsdifferenz aufgrund der ultralockeren Geldpolitik der Europäischen Zentralbank fiel auch der Überschuss der Kapitalbilanz und drehte in der jüngeren Vergangenheit in ein hohes Defizit. Dem entsprechend stieg der Überschuss der Leistungsbilanz. Dabei dürfte die Zinsdifferenz die Zahlungsbilanz über zwei Wirkungskanäle beeinflusst haben. Zum einen hat die Zinsdifferenz zu Ungunsten Deutschlands den Wechselkurs des Euro gedrückt und so die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft im Euroland erhöht. Zum anderen dürfte die Zinsdifferenz zu einer Umleitung der Investitionen ins Ausland und damit zu einer Schwächung der Inlandsnachfrage geführt haben.

Euroraum: Zahlungsbilanz und Zinsdifferenz (Deutschland – USA) (2005 1.Vj. – 2017 1.Vj.)

Quelle: Haver Analytics

Solange die Kapitalströme sich nicht verändern, werden protektionistische Maßnahmen auch nicht die Leistungsbilanzen verändern können. Erhöhen die USA die Importzölle, wie von den Anhängern Donald Trumps gewünscht, muss der Wechselkurs des Dollars steigen, so dass das Leistungsbilanzdefizit weiterhin dem Überschuss in der Kapitalbilanz entsprechen kann. Doch kann sich natürlich die Zusammensetzung der Importe ändern, wenn die Zölle nur auf bestimmte Produkte erhoben werden. Möglicherweise werden dadurch die geschützten Bereiche besser, aber dafür andere Bereiche schlechter gestellt werden.

Es ist also sinnlos, Leistungsbilanzungleichgewichte, die durch Ungleichgewichte der Kapitalverkehrsbilanzen bestimmt sind, durch Handelsprotektionismus korrigieren zu wollen. Wer sich an diesen stört, sollte vielmehr die Zentralbanken dazu bringen, ihre Manipulation der Zinsen und die daraus folgenden Verzerrungen der internationalen Kapitalströme zu beenden. Können sich die Zinsen wieder am Markt bilden, dann kommt es zu Kapitalverkehrsbilanzen, die die Wünsche der Wirtschaftsakteure widerspiegeln, vorübergehende Ungleichgewichte im Handel von Gütern und Dienstleistungen finanziell zu überbrücken.

 

Von Frank Schäffler und Clemens Schneider.

Mit diesem Text starten wir unsere Kampagne für Freihandel. Mehr Informationen finden Sie auf unserer Kampagnen-Website unter http://freetrade.world/de/

1.  Freihandel: der Motor einer humaneren Welt

Präsident Trump macht Freihandel für den Verlust von Arbeitsplätzen verantwortlich. Ein breites Bündnis linksgerichteter Organisationen in Europa sieht mit dem Freihandel alle Verbraucherschutz-Standards kollabieren. Das sind Ablenkungsmanöver zum Schutz von Privilegien einiger weniger. Dass es uns heute weltweit, in Europa und Deutschland so gut geht wie noch nie in der Geschichte, ist wesentlich ein Verdienst der zunehmenden Liberalisierung des Welthandels.

2. Freihandel schafft Frieden

Je intensiver Völker und Staaten über den Handel miteinander verbunden sind, umso unwahrscheinlicher wird es, dass sie miteinander Krieg führen. Der Handel steigert die gegenseitige Abhängigkeit. Durch die wirtschaftliche Verflechtung entsteht in der Bevölkerung immer mehr Widerstand gegen Konflikt und Krieg. Keiner hat ein Interesse daran, aufgrund politischer Aggressionen seine Waren nicht mehr verkaufen oder andere Waren nicht mehr zu günstigen Preisen erwerben zu können. Propaganda gegen den Feind verfängt nicht mehr, wenn man ihn kennt und mit ihm in Geschäftsbeziehungen steht. Immer mehr Handel zwischen den Staaten treibt den Preis für Krieg beständig in die Höhe. Zugleich erhöht sich der Wohlstand durch Handel viel schneller und nachhaltiger als durch Eroberung.

3. Freihandel ist fairer Handel

Handelsbeschränkungen in Form von Zöllen, aber auch von Standards und Regulierungen, verschaffen einigen wenigen Einheimischen Vorteile gegenüber Fremden. Gerade die Gruppen, die am besten organisiert sind, nutzen ihren politischen Einfluss, um sich vor der Konkurrenz jenseits der Grenze zu schützen. Es sind oft Großkonzerne und Großgewerkschaften, die sich durch protektionistische Politik diese Privilegien sichern. Dagegen ermöglicht Freihandel jedem Anbieter und jedem Konsumenten Zugang zum Markt. Er verhindert Diskriminierung und ermöglicht jedem Marktteilnehmer eine Chance, unabhängig von seiner Herkunft, seinem Geschlecht, seiner Meinung oder seiner gesellschaftlichen Stellung.

4. Freihandel hilft den Schwachen

Eine der Gründergestalten der Sozialen Marktwirtschaft, Franz Böhm, bezeichnete den Wettbewerb einmal als „das genialste Entmachtungsinstrument der Geschichte“. Diese Beobachtung gilt auch für den Freihandel. Wer reich ist, kann sich auch höhere Preise leisten. Von Handelsbeschränkungen sind am stärksten die Geringverdiener, die mittelständischen Unternehmen, die einfachen Bürger betroffen. Sie müssen die höheren Preise bezahlen und finanzieren durch ihre Steuern die Subventionen für die wenigen Privilegierten mit. Alle müssen zurückstecken, damit einige wenige einen Vorteil haben. Dahingegen ist Freihandel vor allem für die Starken eine Gefährdung, weil er den Schwachen eine Chance zum Aufholen bietet – im eigenen Land und auf der ganzen Welt. Wer Marktmacht brechen will, muss über Freihandel den Wettbewerbsdruck erhöhen.

5. Freihandel stärkt das Individuum

Freihandelsgegner argumentieren, man müsse „unsere Industrie“ schützen oder „unsere Standards“ durchsetzen. Dahinter steckt das antiquierte Denkschema von „wir gegen die“, der Kollektivismus und Nationalismus, der die Welt so oft ins Unglück gestürzt hat. Der Freihandel dagegen ist blind gegenüber Nationen, einzelnen Wirtschaftszweigen oder irgendeinem anderen Kollektiv. Vor ihm zählt nur die kleineste Einheit im Wirtschaftsleben: das Individuum. Wo er herrscht, muss sich kein Individuum einem größeren Wir unterordnen. Der Freihandel lässt zu, dass die einzelnen Vertragsparteien entscheiden, welche Waren und Dienstleistungen sie kaufen und verkaufen. Freihandel ist eine kosmopolitische Idee. Es überrascht nicht, dass in der gegenwärtigen Renaissance nationalistischer Ideen der Freihandel stark in die Defensive gerät, war er doch immer ein Motor der Entnationalisierung.

6. Freihandel ist die beste Entwicklungshilfe

Inzwischen hat sich fast überall die Erkenntnis durchgesetzt, dass es weder hilft, die Machthaber und Bürokratien in Entwicklungsländern durch finanzielle Unterstützung zu stützen, noch einheimische Märkte durch eine Flut von Hilfsgütern zu zerstören. Die größte Chance für die ärmeren Länder dieser Welt liegt darin, dass wir ihnen unsere Märkte öffnen. Dass seit 1990 der Anteil der Weltbevölkerung, die in extremer Armut lebt, von 37 auf unter 10 Prozent zurückgegangen ist, liegt wesentlich an der seit dieser Zeit vorangeschrittenen weltweiten Liberalisierung des Handels. Seit 2001 bzw. 2009 hat die EU zwar ihre Märkte bereits für die etwa 50 ärmsten Länder der Welt komplett geöffnet. Doch es gibt noch eine Vielzahl von Hürden, die Produzenten und Händler aus diesen Ländern überwinden müssen. Regulierungen und Standards, die Monat für Monat mehr werden, machen es für sie zum Teil unmöglich, ihre Produkte hierzulande anzubieten. Auch das gehört zum Freihandel: der Abbau von Schranken, die dadurch entstehen, dass kleine Gruppen ihre Vorstellungen über Gesetze und Regulierungen anderen aufdrängen.

7. Freihandel ermöglicht mehr Teilhabe

Ludwig Erhard bezeichnete den Versuch, den Handel einzuschränken, als „puren Egoismus“. Freihandel schafft eine Vielzahl von Gelegenheiten für Menschen, die bisher von der Teilhabe am gesellschaftlichen Wohlstand und Fortschritt ausgeschlossen waren, auch von diesen Vorteilen zu profitieren. Für die einen werden Produkte und Dienstleistungen günstiger, weil es ein breiteres Angebot und mehr Konkurrenz gibt. Für die anderen ergeben sich neue Gelegenheiten, Geld zu verdienen, indem sie sich neue Märkte erschließen. Dadurch werden auch Ressourcen freigesetzt, die anderswo eingesetzt werden können: Hierzulande kann vielleicht einer für eine nachhaltige Investition sparen, während in einem Entwicklungsland jemand die finanziellen Möglichkeiten bekommt, die Bildung seiner Kinder zu finanzieren. Wohlstand und Fortschritt sind dann nicht mehr ein Privileg kleiner Gruppen, sondern für alle da.

8. Freihandel fördert Wohlstand

Indem Barrieren abgeschafft werden, ergeben sich ganz neue Möglichkeiten, Arbeitskraft, Talent und Ressourcen zu kombinieren. Je leichter es wird, auch über Grenzen hinweg mit anderen zu kooperieren, umso schneller können Innovationen entstehen. Es entstehen mehr und bessere Produkte zu geringeren Preisen. Es erschließen sich neue Absatzmärkte und so entstehen auch neue Arbeitsplätze. Dabei steigt nicht nur die Quantität der Produkte, sondern auch die Qualität. Gerade im Blick auf Anliegen wie menschenwürdige Arbeitsbedingungen und umweltschonende Produktionsmethoden besteht inzwischen ein hoher Anspruch in vielen entwickelten Staaten. Wenn westliche Märkte auch Anbietern aus Entwicklungsländern offenstehen, wächst der Druck auf sie, diesen Vorstellungen zu entsprechen. Besser und zielgenauer als jedes Programm internationaler Organisationen kann der Druck der Konsumenten zu einer Verbesserung der Arbeits- und Umweltbedingungen in Entwicklungsländern beitragen.

9. Freihandel ist ein Prozess des Fortschritts

Der Abbau von Handelsschranken war immer ein steiniger Weg. Das erste Freihandelsabkommen wurde 1860 auf Anregung von Richard Cobden zwischen England und Frankreich formuliert. Es schaffte nicht alle Zölle und Handelsbeschränkungen auf einen Schlag ab, sondern reduzierte diese sukzessive. Auch heute geht es nicht um alles oder nichts, sondern um ein permanentes Reduzieren von Handelshemmnissen. Dabei muss man natürlich manchmal Kompromisse machen. Auch Handelsabkommen und WTO-Vereinbarungen haben mancherlei Schwachstellen. Aber jeder Schritt zu einem freieren Handel ist wichtig. Und unsere demokratischen Institutionen erlauben uns ja zum Glück auch, aus Fehlern zu lernen, so dass wir immer bessere Abkommen schließen können. Die Geschichte der Globalisierung zeigt: diese vielen kleinen Schritte in die richtige Richtung sind Teil eines Fortschritts, der am Ende allen zugutekommt.

10. Auf die Straße für den Freihandel!

Im 19. Jahrhundert gab es, zunächst in Großbritannien, dann auch in ganz Europa, eine Massenbewegung für den Freihandel. Gerade die einfachen Leute, die Arbeiter und kleinen Unternehmer gingen auf die Straße, um gegen Zölle und Handelshemmnisse zu protestieren. Wer heute die Macht kleiner Interessengruppen einschränken will; wer den Armen hierzulande und in aller Welt neue Chancen ermöglichen will; wer etwas gegen Nationalismus, Fremdenfeindlichkeit und Konflikte tun will – der muss auch heute wieder für den Freihandel auf die Straße gehen. Ein Ende der Abschottungspolitik, nicht nur durch Zölle und Subventionen, sondern auch durch Regulierungen und Standards, kann diese Welt ein Stück besser machen. Es wären Meilensteine auf dem Weg zu jener Welt, die sich Richard Cobden vor 170 Jahren erträumte, als er den Anhängern seiner Freihandelsbewegung zurief: „Ich sehe, dass das Freihandelsprinzip die moralische Welt bestimmen wird wie das Gravitationsprinzip unser Universum: indem es Menschen einander nahebringt; indem es den Gegensatz der Rassen, Bekenntnisse und Sprachen beseitigt; indem es uns in ewigem Frieden aneinander bindet …, wenn die Menschheit erst eine Familie geworden ist und Mensch mit Mensch aus freien Stücken die Früchte seiner Arbeit brüderlich austauscht.“

Photo: Harvey Barrison from Flickr (CC BY-SA 2.0)

Wenn man die Berichterstattung in den Medien verfolgt, dann kann man den Eindruck gewinnen, der Brexit sei lediglich für die Briten ein Problem, das sie obendrein noch selbst verschuldet haben. Ein wenig Schadenfreude kommt hier zum Ausdruck. Das restliche Europa beschäftigt sich daher lieber mit den Krisen in der Türkei oder Griechenland.

Die Wahlen zum britischen Unterhaus am 8. Juni spielen dagegen nur am Rande der politischen Diskussion eine Rolle. Wahrscheinlich werden die Tories um Premierministerin Theresa May die Wahl gewinnen. Danach haben die Vertragsparteien noch rund acht Monate Zeit, um die anschließenden Verhandlungen über die Ausstiegsmodalitäten und die künftige Zusammenarbeit der EU mit Großbritannien zu regeln. Ein fast unmögliches Unterfangen. Dabei ist die Zusammenarbeit mit Großbritannien von größter ökonomischer Bedeutung für uns alle. Unternehmen aus der EU exportieren nach Großbritannien Waren und Dienstleistungen im Wert von 290 Milliarden Euro und importieren von dort Güter im Wert von 176 Milliarden Euro. Das sind ebenso viele Exporte wie in die USA, obwohl Großbritannien nur einen Bruchteil der Wirtschaftskraft und der Bevölkerung vorweisen kann.

Der Bedeutung dieser Handelsbeziehungen wird die öffentliche Diskussion nicht gerecht. Hierzulande hat man sogar den Eindruck, dass wir vom Brexit profitieren und die Briten Verluste erleiden. Der Großraum Frankfurt freut sich schon auf die Ansiedlung von Regulierungsbehörden im Finanzsektor, die derzeit in London angesiedelt sind. Die dann folgende Nachfrage nach Wohnungen in der Bankenmetropole lässt ein weiteres Ansteigen der Immobilienpreise vermuten.

Auch glauben viele, dass der Bankenstandort Frankfurt durch die Verlagerung des Europageschäfts von Großbanken von London nach Frankfurt profitiert. Das mag in Teilen der Fall sein. Dieses zurückgebliebene Verständnis von Wirtschaften ist dennoch grundfalsch. Die Unterbrechung oder Störung von grenzüberschreitendem Handel schadet auf beiden Seiten. Natürlich gibt es einzelne Gewinner. Aber deren Gewinne gehen zu Lasten des Wohlstandes aller. Der ungehinderte Austausch von Waren und Dienstleistungen ist die Erfolgsgeschichte des Freihandels. Was zwischen Wales und Schottland an Warenaustausch möglich ist, sollte nicht am Ärmelkanal enden. Wieso auch? Am Ende ist der Konsument, der Bezieher von Waren und Dienstleistungen, der Souverän. Er entscheidet nach seinen Präferenzen, ob er Waren aus Wales, Flandern oder Hessen kauft. Und diese Arbeitsteilung, die innerhalb von einzelnen Ländern ohne Klage für gut und richtig gehalten wird, sollte nicht an den Außengrenzen dieser Länder haltmachen. Warum auch? Nicht ein Dritter, der Staat oder die EU, sollte darüber entscheiden, was andere an Waren kaufen dürfen, sondern nur derjenige, der sie bestellt und bezahlt.

Deshalb sollte auf beiden Seiten des Kanals die oberste Priorität darauf gelegt werden, für schnelle Planungssicherheit zu sorgen. Denn nichts stört die Investitionsbereitschaft von Unternehmen so sehr wie die Unsicherheit über politische Rahmenbedingungen in der Zukunft. Investitionen werden daher aufgeschoben oder an andere Standorte verlagert. Vielleicht ist der Vorschlag des Wissenschaftlichen Beirats des Bundeswirtschaftsministeriums eine gute Brücke. Als Übergangslösung haben die Wissenschaftler in dieser Woche vorgeschlagen, Großbritannien solle vorübergehend der Freihandelszone EFTA (Norwegen, Island, Lichtenstein und Schweiz) beitreten, um so einen Zugang zum Europäischen Wirtschaftsraum, der die EU-Staaten und die EFTA-Staaten umfasst, zu erhalten. Erst danach solle über ein bilaterales Abkommen mit der EU verhandelt werden. Dadurch würde auf der einen Seite Planungssicherheit geschaffen und ein gleitender Ausstieg ermöglicht. Am Ende würden beide Seiten und Millionen von Bürgern in der EU und in Großbritannien davon profitieren.

Erstmals erschienen in der Fuldaer Zeitung am 20. Mai 2017.