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Photo: Randy Fath from Unsplah (CC 0)

US-Präsident Donald Trump macht weiter wo er aufgehört hat. Jetzt nimmt er sich die Welthandelsorganisation WTO vor. „Die WTO hat die USA sehr, sehr schlecht behandelt und ich hoffe, sie ändert dies“, poltert er vor wenigen Tagen. Das ist nicht neu. Bereits 2016 bezeichnete er die WTO als „Desaster“. Einen möglichen Austritt der USA hält sein Handelsminister Wilbur Rose zwar noch für ein verfrühtes Gerede, dennoch berichten US-Medien darüber, dass Trump einen Gesetzentwurf vorbereiten lässt, der ihm die Möglichkeit geben soll, auf Einfuhren aus jedem Land Zölle in beliebiger Höhe zu verhängen, und auch die Obergrenzen der WTO zu sprengen. Beides wäre letztlich das Ende der WTO. Zwar gehören die USA zu den Gründungsmitgliedern der 1994 ins Leben gerufenen Welthandelsorganisation, doch beliebt war die Organisation bei US-Regierungen nie. Bereits Trumps Vorgänger Bush und Obama haben sich immer wieder kritisch zur WTO geäußert. Doch jetzt hat die Kritik eine neue Dimension.

Insbesondere die Schlichtungskammer ist den Amerikanern ein Dorn im Auge. Derzeit sind nur 3 Richter vorhanden, Ende nächsten Jahres wird ein Richter ausscheiden, dessen Nachbenennung die USA derzeit verhindert. Gelingt dies nicht, ist die Schlichtungskammer beschlussunfähig. Die WTO wäre faktisch manövrierunfähig. Damit hätte die Trump-Administration ein wichtiges Ziel erreicht.  Immerhin richten sich derzeit 13 von 18 Beschwerden aus diesem Jahr gegen die USA.

In den USA gibt es auch gewichtige Stimmen, die diese Entwicklung äußerst kritisch sehen. Simon Lester vom Cato Institute befürchtet, „dass die USA höhere Handelsbarrieren in allen ihrer wichtigsten Export-Märkten vorfinden würden, da all diese Länder nicht länger an ihr Versprechen gebunden wären, Zölle auf US-Produkte zu verringern.“ Auch der Schutz geistigen Eigentums sei dadurch gefährdet. Insgesamt hätte die USA kein gutes Instrument mehr, um gegen Handelsbarrieren anderer Staaten vorzugehen, so Lester.

Die Kritik an der WTO kommt aber nicht nur von Donald Trump und aus Amerika. Viele so genannte NGOs bekämpfen die WTO, weil sie einseitig nur die Interessen der Industrienationen vertrete und Schwellen- und Entwicklungsländer nicht ausreichend ihre Interessen wahrnehmen könnten. In den Verhandlungen über den Abbau von Handelsschranken hätten es große und entwickelte Ländern einfacher, ihre Interessen vorzubringen und auch durchzusetzen. Diese Kritik ist nicht völlig unberechtigt, da kleine Länder und Länder mit geringen finanziellen Mitteln sich eine professionelle Vorbereitung auf die Verhandlungen meist nicht leisten können. Doch was ist die Alternative? Kann Marokko oder Nepal die Interessen seiner Bürger und Unternehmen besser durch bilaterale Handelsabkommen vertreten? Wohl kaum. Verhandlungen auf Augenhöhe sind so auch nicht zu erwarten. Mit einer gewissen Asymmetrie müssen wir wohl daher leben. Die WTO und ihre Instrumente der Konfliktschlichtung sind daher eine große historische Errungenschaft.

Eigentlich ist die WTO die Antwort auf die gravierenden Fehler der Vergangenheit. Schon einmal ging Amerika den Weg der Abschottung und des Bilateralismus. Es ist gerade mal 88 Jahre her. Im Juni 1930 trat der Smoot-Hawley Tariff Act in Kraft. Er führte US-Schutzzölle auf 20.000 Produkte ein, um die amerikanische Wirtschaft zu schützen. Amerika setzte nur noch auf gegenseitige Handelsabkommen und verzichtete auf die Meistbegünstigungsklausel, die Dritten die gleichen Handelsvorteile zubilligt wie den beiden Vertragsparteien. Anschließend trat ein wechselseitiges Hochschaukeln protektionistischer Maßnahmen in den weltweiten Handelsbeziehungen ein. So weit sind wir inzwischen von dieser Entwicklung nicht mehr entfernt.

Die Reaktionen der EU und Chinas unterstreichen diesen geschichtlichen Vergleich und zeigen gleichzeitig den Unsinn dieses Vorgehens. Was bringt es, die dummen und schlechten Ideen des einen durch ebenso schlechte Maßnahmen zu kontern? Was bringt es, wenn die USA auf Stahl- und Aluminiumprodukte höhere Zölle erhebt, und anschließend China auf Soja und die EU auf Whisky? Die einzige eindeutige Wirkung ist: es geht mehr Menschen schlecht. Erst geht es den Stahlexporteuren schlecht, dann den Verarbeitern in den USA und dann müssen es die Konsumenten in Amerika noch mit höheren Preisen bezahlen. Darauf reagieren China und die EU mit Maßnahmen, die Soja oder Whisky teurer machen, womit sie den Konsumenten im eigenen Land bestrafen. So ein Unsinn!

Besser wäre es doch, wenn die willigen Staaten sich zusammenfinden und gemeinsam die WTO-Regeln neu vereinbaren und fortschreiben würden. Warum soll es nicht möglich sein, die gescheiterte Doha-Runde, die Zölle und Handelsschranken von Industrieländern, Entwicklungs- und Schwellenländern beseitigen wollte, gerade jetzt, unter dem Druck einer neuen Protektionismus-Spirale, neu zu starten. Daher wäre eine WTO 2.0 die richtige Antwort auf den Smoot-Hawley Tariff Act 2.0 eines Donald Trump.

Als Präambel dieser neuen WTO-Vereinbarung könnte auf den großen französischen Staatsmann des 19. Jahrhunderts Alexis de Tocqueville Bezug genommen werden, der über den Freihandel gesagt hat: „Der Handel ist von Natur ein Feind aller gewalttätigen Leidenschaften. Er liebt die Mäßigung, gefällt sich in Zugeständnissen, flieht sogfältig den Zorn. Er ist geduldig, einschmeichelnd und er greift zu äußersten Mitteln nur, wenn die unbedingteste Notwendigkeit ihn dazu zwingt.“

 

Erstmals veröffentlicht bei Tichys Einblick.

Von Dr. Alexander Fink, Universität Leipzig, Senior Fellow des IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues und Fabian Kurz, Student der Volkswirtschaftslehre, ehemaliger Praktikant bei Prometheus. 

Freier Handel über Grenzen hinweg erhöht den Wettbewerb, senkt die Preise und steigert die Vielfalt an Produkten. Für die Verbraucher ist das mehr als nützlich. Trotzdem halten viele Regierungen an Handelshemmnissen fest oder errichten sogar neue. Wenn die einseitige Deregulierung nicht möglich ist, sind Freihandelsabkommen die zweitbeste Alternative.

Niedrigere Preise, höhere Qualität und mehr Auswahl. Dies ist nicht der Slogan eines schwedischen Möbelhauses, sondern die positiven Auswirkungen von freiem Handel auf Konsumenten. Konsumenten profitieren von der Abschaffung von Handelsbarrieren zwischen Ländern, da der Wettbewerb durch Unternehmen aus dem Ausland nicht nur für eine größere Produktvielfalt, sondern auch für niedrigere Preise sorgt. Es ist kein Zufall, dass gerade Länder, die besonders am internationalen Handel teilhaben, auch relativ wohlhabend sind.

Konsumenten profitieren auch vom einseitigen Abbau von Handelsbarrieren. Dennoch beobachten wir Zölle, Quoten und Regulierungen, die die freiwillige Kooperation von Menschen über Landesgrenzen hinweg einschränken. Von diesen Handelsbarrieren profitieren auf Kosten der Konsumenten vor allem Eigner und Angestellte ausgewählter Unternehmen. Sie setzen sich gegen den einseitigen Abbau von Handelsbarrieren ein. Freihandelsabkommen können ein „zweitbestes“ Ergebnis herbeiführen, wenn das „erstbeste“ Ergebnis des unilateralen Barrienabbaus aufgrund des Einflusses von Interessengruppen außer Reichweite ist.

Protektionismus schadet

Zu Handel kommt es, wenn mindestens zwei Beteiligte sich vom Tausch von Gütern oder Dienstleistungen gegen Geld einen Vorteil versprechen. Dass Handel stets für alle Handelspartner wünschenswert ist, erschließt sich den meisten Menschen intuitiv. Würde eine Person einen Nachteil erwarten, würde sie sich schlicht nicht an dem Handel beteiligen. So ist es nicht überraschend, dass sich niemand für Handelsbarrieren zwischen zwei Stadtteilen innerhalb einer Stadt, zwischen zwei Städten innerhalb eines Bundeslandes oder zwischen zwei Bundesländern ausspricht. Selbst für Handelsbarrieren zwischen Staaten innerhalb der EU setzen sich glücklicherweise nur noch wenige ein.

Umso verwunderlicher ist es, dass sich barrierefreier Handel über Landes- und EU-Grenzen hinaus nicht der gleichen Beliebtheit erfreut. Auch hier sind an Transaktionen auf beiden Seiten Personen beteiligt, die beide einen Vorteil aus dem Handel erwarten.

Einseitiger Abbau von Handelsbarrieren nichts Neues

Nicht nur der Abbau von Zöllen und anderen Handelsbarrieren auf Seiten beider Handelspartner, wie die meisten Freihandelsabkommen es vorsehen, ist vorteilhaft, sondern auch der einseitige Abbau von Handelsbarrieren. So können ausländische Unternehmen ohne Zollverpflichtung den inländischen Konsumenten attraktivere Angebote als zuvor unterbreiten. Inländische Firmen können Güter, die sie zur Weiterverarbeitung benötigen, günstiger einkaufen und ihre Waren und Dienstleistungen günstiger an In- wie Ausländer verkaufen. Der Verzicht auf den einseitigen Abbau von Handelsbarrieren als „Vergeltung“ für die Handelsbarrieren eines anderen Landes schadet somit vor allem den inländischen Konsumenten.

Der wahrscheinlich bekannteste Fall von einseitigem Abbau von Handelshemmnissen stammt aus dem 19. Jahrhundert in England. Richard Cobden und seine Mitstreiter in der „Anti-Corn Law League“ brachten 1846 die hohen Zölle und Einfuhrbeschränkungen auf Lebensmittel zu Fall. Eine erhebliche Verbesserung der Lage für die einfache Bevölkerung in den darauffolgenden Jahren war die Folge.

Ein aktuelles Beispiel sind die sogenannten „Preferential Trade Arrangements“. Diese nutzen insbesondere Industrieländer, um einseitig Zölle für Entwicklungsländer auf bestimmte Produkte zu reduzieren. Die Zahl der gemeldeten einseitigen Zoll-Reduzierungs-Programme hat sich von einem im Jahr 1970 auf 31 im Jahr 2016 erhöht. Allein vom Programm der Europäischen Union profitieren sowohl Menschen in 80 relativ armen Ländern als auch Konsumenten in der EU von der Zollfreiheit ausgewählter Güter aus diesen Ländern. Allerdings sind nur etwas mehr als 25% der Güter aus diesen Ländern von Zöllen befreit. Bei Landwirtschaftlichen Produkten sind sogar nur ca. 19% der Güter zollbefreit.

Die Corn Laws und die Preferential Trade Arrangements zeigen, dass die Idee des einseitigen Abbaus von Handelsbarrieren nicht so ungewöhnlich ist, wie es auf den ersten Blick scheint.

Lobbyinteressen gegen unilateralen Barrierenabbau

Warum ist der einseitige Abbau von Handelsbarrieren nicht die Regel? Offene Märkte sind nicht per se im Interesse von Unternehmen. Während sie sich den Marktzugang im Ausland wünschen, scheuen sie zusätzlichen Wettbewerb im Inland. Unternehmen wünschen sich stets größere Märkte für ihre eigenen Produkte und möglichst wenig lästige Wettbewerber. Um zu verhindern, dass sie sich im Inland zusätzlichen Wettbewerbern ausgesetzt sehen, ohne leichteren Marktzugang im Ausland zu erhalten, haben Unternehmen und ihre Stakeholder ein Interesse, sich gegen den einseitigen Abbau von Handelsbarrieren einzusetzen.

Freihandelsabkommen: Zweitbeste Lösungen

Freihandelsabkommen können ein Ausweg aus dieser Situation sein. Inländische Unternehmen lassen zusätzlichen Wettbewerb im Inland durch ausländische Unternehmen zu und erhalten dafür im Gegenzug leichteren Marktzutritt im Ausland.

„Erstbest“ wäre es, wenn Regierungen sich auf die Lobbybemühungen von Unternehmen erst gar nicht einließen, die Unternehmen somit keinen Anreiz für Lobbying hätten und die Regierungen einseitig Handelsbeschränkungen aufheben würden. Obwohl wünschenswert, leben wir nicht in einer Welt, in der politische und unternehmerische Interessen gänzlich voneinander getrennt sind.

Freihandelsabkommen können auch in anderer Hinsicht „zweitbeste“ Lösungen sein. So können Freihandelsabkommen als Instrument dienen, mit dem sich Politiker besser an die Reduzierung von Handelsbarrieren binden können. Wurde ein Abkommen einmal geschlossen, sind die Kosten der Wiedereinführung von Zöllen für die Politiker höher als in Abwesenheit eines Abkommen. Daher ist es weniger wahrscheinlich, dass einmal abgebaute Handelsbarrieren wiedereingeführt werden.

Freierer Handel

Zwar gibt es keine Garantie, dass Vertreter von Interessengruppen auf die Ausgestaltung von Freihandelsabkommen so sehr Einfluss nehmen, dass sie die Situation für Konsumenten verschlechtern, statt sie zu verbessern. Dennoch können Freihandelsabkommen grundsätzlich ein Instrument sein, um mit dem Lobbydruck von Unternehmen umzugehen und freieren Handel verbindlich umzusetzen. Freihandelsabkommen führen leider nie zu Freihandel, aber häufig zu freierem Handel.

Zuerst erschienen bei IREF.

Photo: Hans-Peter Gauster from Unsplash (CC 0)

Von Nemir Ali, Student der Rechtswissenschaften.

Vom Acrylamid-Gehalt in Pommes bis hin zum Nikotinemissionsgrenzwert einer Zigarette – für all dies gibt es EU-Richtlinien oder Verordnungen, und regelmäßig kann man sich in Brüssel auf die nächste Medienschelte einstellen, wenn derartiges beschlossen wird. Dies zu regeln sei doch überflüssig, Brüssel verliere sich mal wieder ins „Klein-klein“, heißt es dann oft.

Doch stimmt das? In Art. 114 des „Lissaboner Vertrags“ (AEUV) wird der EU aufgegeben, sich um die Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten zu kümmern, um so den Binnenmarkt zu stärken. Dabei geht es um den Abbau von nichttarifären Handelshemmnissen, also von solchen, die nicht in Zöllen oder Einfuhrgebühren bestehen, sondern in unterschiedlichen Standards für Produkte oder Dienstleistungen. Diese führen dazu, dass übernational agierende Unternehmen entweder für jedes Land unterschiedliche Produktvarianten entwickeln müssen oder nicht exportieren können. Beides kostet die Verbraucher Geld. Somit wird deutlich: Wer wirklich freien Handel will, der muss auch nichttarifäre Handelshemmnisse abbauen wollen. Und der Art. 114 AEUV hat mithin durchaus seine Berechtigung.

Die eigentliche Frage ist daher, ob nichttarifäre Handelshemmnisse nicht auch anders abgebaut werden können als durch Harmonisierung? Immerhin gilt für zentral festgelegte Standards dasselbe wie für alles andere, was zentral festgelegt wird: Je höher die Beschlussebene ist, desto mehr unterschiedliche Interessen müssen miteinander in Einklang gebracht werden. Das kostet Zeit, ist bürgerfern, eine anschließende Reform ist umso schwieriger und Wettbewerb gibt es auch keinen mehr.

Hier werden von Liberalen in der Regel zwei Alternativen vorgeschlagen: Erstens überhaupt keine Standards oder zweitens die gegenseitige Anerkennung von Standards. Wer sich die aktuelle politische Lage in den meisten EU-Mitgliedstaaten ansieht, wird schnell feststellen, dass beides politisch wohl nicht umsetzbar ist.

Doch es gibt auch eine dritte Variante: Die Europäische Union legt wie bisher Standards für Produkte und Dienstleistungen fest, und alles, was diesen Standards genügt, darf im gesamten Binnenmarkt vertrieben werden. Allerdings können die Mitgliedstaaten (sowie ggf. die Regionalparlamente in den Mitgliedstaaten) von diesen Vorschriften nach unten hin abweichen. D.h. es können auf nationaler oder regionaler Ebene Produkte und Dienstleistungen zu niedrigeren Standards als denen der EU vertrieben werden, soweit dies vom entsprechenden Mitgliedstaat erlaubt wird. Woanders darf ein Vertrieb jedoch nicht stattfinden. Dagegen muss alles, was EU-Standards erfüllt, zwingend vertrieben werden dürfen, sprich die Mitgliedstaaten dürfen hier keine höheren Standards ansetzen. Bisherige Ausnahmeregelungen, die dies zulassen (z.B. die Art. 36 und 114 Abs. 4 AEUV) müssen dementsprechend abgeschafft werden. Damit für Verbraucher ersichtlich ist, welche Standards denn nun gewährleistet werden, empfiehlt es sich, zusätzlich ein EU-Gütesiegel – quasi eine Art Zertifikat für Produkte, die EU-Standards erfüllen – einzuführen.

Auf diese Weise ließe sich sowohl die Einheit des Binnenmarktes mit all seinen wirtschaftlichen Vorteilen wahren, als auch ein Gegengewicht bzw. 28 Gegengewichte zur Regulierungshoheit der EU schaffen. Die EU würde den Freihandel und damit die Freiheit (jedenfalls in wirtschaftlicher Hinsicht) nur noch erweitern können und nicht, wie bisher, auch verringern können. Viele EU-Standards würden auf den Prüfstand kommen und die Kommission wäre gezwungen etwas gegen ausufernde Bürokratie zu unternehmen. Tut sie es nicht, dann tun es eben die Mitgliedstaaten.

Ist dies politisch jetzt ohne weiteres umsetzbar? Gewiss nicht. Sowohl von Grünen, Sozialdemokraten als auch vermutlich von vielen Konservativen werden die üblichen Einwände kommen, die vor einem „race to the bottom“ warnen oder von ihren Vorstellungen für das gute Leben so überzeugt sind, dass sie diese ohne jede Notwendigkeit den Bürgern eines Mitgliedstaates gegen deren demokratisch bekundeten Willen aufzwingen wollen. Doch wer vom Freihandel überzeugt ist und ab und an oder grundsätzlich Standards für notwendig befindet, dem sei hiermit eine gangbare Alternative aufgezeigt.

Von IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues

Der europäische Agrarprotektionismus ist teuer und schädlich. Mit 55,7 Mrd. € machen die Subventionen mehr als ein Drittel des EU-Haushaltes aus. Durch die toxische Kombination aus Protektionismus und Finanzhilfen kommt es zu Marktverzerrungen, die die Preise in der EU überhöhen und den Landwirten in Entwicklungsländern massiv schaden.

Nur wenige Politikbereiche der Europäischen Union werden stärker diskutiert und kritisiert als die Gemeinsame EU-Agrarpolitik (GAP), insbesondere hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf den Weltmarkt für landwirtschaftliche Erzeugnisse. In der EU produzierende Landwirte erhalten jedes Jahr Subventionen im Wert von etwa 55 Milliarden Euro. Erklärtes Ziel der Subventionspolitik ist es, die landwirtschaftliche Produktion auf einem stabilen Niveau zu halten, den Bauern ein angemessenes Einkommen zu sichern und für eine nachhaltige Entwicklung der Landwirtschaft in allen Mitgliedsstaaten zu sorgen.

Tatsächlich führen die kostspieligen Subventionen – die 38 % des EU-Budgets ausmachen – zu einem Überangebot europäischer Landwirtschaftsprodukte und schaden darüber hinaus Bauern in Entwicklungsländern. Ein klarer Nutzen für die europäischen Volkswirtschaften ist nicht ersichtlich, doch die subventionsbedingten Marktverzerrungen verursachen erhebliche Kosten. Die Gemeinsame Agrarpolitik gehört schon seit langem aufs Abstellgleis.

Doppelter Protektionismus zum Schaden der Verbraucher

Die GAP wirkt doppelt protektionistisch – einmal aufgrund der Einfuhrzölle für Nicht-EU-Erzeugnisse und zum anderen verursachen die Subventionen negative Externalitäten auf Märkten außerhalb der EU. Einfuhrzölle verschaffen den in der EU ansässigen Produzenten einen Vorteil gegenüber effizienteren, günstigeren Produzenten aus der restlichen Welt. Die Subventionierung europäischer Landwirte führt zu einem Überangebot, das anschließend außerhalb der EU abgesetzt wird und dort die Preise unter das Marktgleichgewicht drückt. Offensichtlich verzerrt die GAP nicht nur den europäischen Agrarmarkt zulasten der Konsumenten und Steuerzahler, sondern schadet darüber hinaus ausländischen Landwirten.

Aufgrund des EU-Agrarprotektionismus wird der heimische Markt durch europäische Produzenten dominiert. Kristian Niemitz vom britischen Institute of Economic Affairs hat berechnet, dass die Preise von Agrarerzeugnissen für die europäischen Verbraucher 17 % über dem Weltmarktpreis liegen. Da einkommensschwache Haushalte durchschnittlich einen größeren Anteil ihres Einkommens für Agrarerzeugnisse ausgeben als wohlhabende Haushalte, trifft sie die durch die EU Agrarpolitik verursachten höheren Preise besonders hart.

Überangebot schadet Entwicklungsländern

Insbesondere für Länder der Dritten Welt hat der europäische Agrarprotektionismus negative Folgen. Europäische Produzenten stoßen ihr Überangebot in der Dritten Welt ab und treiben so dort die Preise in den Keller. Die EU-Agrarsubventionen nehmen Bauern aus der Dritten Welt somit die Geschäftsgrundlage.

Dass Agrarsubventionen ein Überangebot hervorrufen, überrascht nicht. Da ein großer Teil des Einkommens europäischer Landwirte aus EU-Töpfen kommt, können diese weitaus mehr produzieren, als Konsumenten ihnen zum Marktpreis abkaufen würden. Zwar sind die in den 80ern berüchtigten „Weinseen und Butterberge“ heute weitgehend abgeschmolzen. Aber das liegt nicht an einer verbrauchergerechteren Produktionsweise. Stattdessen wird das Überangebot entweder an öffentliche Institutionen verteilt, etwa als kostenlos bereitgestellte Milch in öffentlichen Schulen, schlicht vernichtet, oder in Drittländern zu „Dumpingpreisen“ – ermöglicht erst durch die Subventionen – verkauft.

Einfuhrzölle schotten europäischen Markt ab

Zudem verhindern Einfuhrzölle, dass Erzeuger aus Entwicklungsländern den europäischen Markt erreichen und verschärfen deren Probleme weiter. Während die EU-Mitgliedsstaaten im gemeinsamen Binnenmarkt freien Handel praktizieren, können Erzeugnisse aus allen anderen Staaten Einfuhrzöllen unterworfen werden. Bauern aus der Dritten Welt leiden also nicht nur im eigenen Markt unter der subventionierten europäischen Konkurrenz, sondern erfahren auch im europäischen Markt erhebliche Nachteile. Die GAP behindert die Entwicklung des Landwirtschaftssektors in der Dritten Welt und hemmt so deren wirtschaftliche Entwicklung insgesamt.

Neuseeland zeigt: Protektionismus ist nicht nötig

Subventionen und Einfuhrzölle sind nicht alternativlos. Ein Beispiel für einen gut funktionierenden, marktwirtschaftlichen Agrarsektor ist Neuseeland. Neuseeländische Landwirte haben ein gutes Auskommen, ohne dass der Staat ihnen mit Subventionen und Zöllen unter die Arme greifen muss. Neuseelands Landwirtschaft ist effizient, diversifiziert und profitabel und die Produktivität des Agrarsektors wächst dort sogar schneller als die allgemeine Wirtschaftsleistung. Die Abschaffung von Agrarsubventionen hat nicht nur Produktivitätssteigerungen hervorgerufen, sondern dortige Landwirte zu ganz neuen Aktivitäten angeregt – die nun florierende neuseeländische Weinindustrie gab es zu Subventionszeiten kaum.

Freier Markt statt Subventionen und Zölle

Die Agrarpolitik der EU schadet europäischen Konsumenten und Steuerzahlern sowie ausländischen Produzenten und behindert die wirtschaftliche Entwicklung in ärmeren Regionen. Kurzfristig profitieren in der EU ansässige Produzenten vom künstlich geschaffenen Wettbewerbsvorteil auf europäischen und ausländischen Märkten. Das neuseeländische Beispiel lässt jedoch vermuten, dass selbst die Profiteure des Status Quo, die europäischen Landwirte, nach einer Deregulierung des Agrarsektors langfristig nicht schlechter gestellt würden.

Es spricht wenig dafür, dass die GAP durch Reformen marktgerechter ausgestaltet werden kann. Alteingesessene Interessengruppen, etwa Bauernverbände, haben erheblichen Einfluss auf derartige Reformvorhaben. Frühere Reformbemühungen haben kaum Besserung herbeigeführt. Es ist daher an der Zeit, den Agrarprotektionismus grundsätzlich auf den Prüfstand zu stellen. Schafft die Gemeinsame Agrarpolitik ab – lasst Menschen frei auf offenen Markt für Agrarprodukte wirken!

Zuerst erschienen bei IREF (deutsch/englisch).

Photo: Zsolt Palatinus from flickr (PDM 1.0)

Der Europa-Tag in der vergangenen Woche wird in Erinnerung an den so genannten Schuman-Plan begangen. Schulklassen landauf, landab diskutieren mit den örtlichen Bundestagsabgeordneten über die Zukunft der EU und Europas. Es braucht immer Anlässe, um nach vorne zu schauen. Sehr wenig wird aber bei dieser Gelegenheit über die Entstehungsgeschichte berichtet. Das ist bedauerlich, denn daraus könnte man viel für die Zukunft lernen.

Am 9. Mai 1950 präsentierte der damalige französische Außenminister Robert Schuman einen Plan für die Zusammenlegung der französischen und deutschen Kohle- und Stahlindustrie, der letztlich in der „Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl“ mündete. Die sogenannte Montanunion gilt heute als eine der Geburtsstunden der Europäischen Gemeinschaft und der heutigen Europäischen Union.

Es war ein industriepolitisches Projekt erster Güte, das gleichzeitig die außenpolitischen Interessen Frankreichs berücksichtigen sollte. Deutschland sollte an den Westen gebunden werden, und die französische Regierung wollte die eigene Stahlindustrie durch den billigen Import von Koks und Kohle aus Deutschland puschen. Der Spiegel berichtete 1951 von einer Rede Schumans vor Gewerkschaftern in Metz wo er sagte, allein „um den französischen Stahlexport zu erleichtern“, habe Frankreich „diese Mission übernommen“.

Die europäische Einigung ging anschließend zwar weiter, der ursprünglich Plan Schumans scheiterte jedoch kläglich. Weder hat Deutschland heute noch billige heimische Steinkohle, noch hat Frankreich eine florierende Stahlindustrie. Die deutsche Steinkohleförderung war spätestens zu Beginn der 1970er Jahre nicht mehr wettbewerbsfähig und musste ab 1975 durch den so genannten „Kohlepfennig“ subventioniert werden. Das Bundesverfassungsgericht untersagte diese Sonderabgabe auf den Strompreis und er wurde nach 20 Jahren 1995 wieder abgeschafft. Die Kohleindustrie wurde anschließend aus dem Staatshaushalt weiter subventioniert. Bis 2002 fielen so Subventionen von 80 bis 100 Mrd. Euro an. Vielleicht ist das Schicksal des „Kohlepfennigs“ ja ein gutes Vorbild für den so genannten „Solidaritätszuschlag“. Zeit wäre es!

Im Verlauf ging es der französischen Seite nicht viel besser. Frankreich hat heute faktisch keine nennenswerte Stahlindustrie mehr. Unter den 50 größten Stahlunternehmen der Welt kommt kein einziges aus unserem Nachbarland. Mit 14,4 Millionen Tonnen Stahl produzieren französische Unternehmen gerade einmal 9 Prozent der Produktion in der EU. Zum Vergleich: chinesische Stahlhersteller produzieren über 800 Millionen Tonnen Stahl pro Jahr.

Abschottung hat diesen Prozess nicht aufgehalten. Seit geraumer Zeit müssen chinesische Hersteller zwar bis zu 72 Prozent Importzölle auf Stahlprodukte bezahlen. Dazu teilt die EU-Kommission mit: „Die EU-Kommission schützt mit den Strafzöllen die europäischen Stahlhersteller vor unfairen Handelspraktiken und schafft faire Wettbewerbsbedingungen in der Stahlbranche. Der Stahlsektor leidet unter einer weltweiten Überkapazität.“

Letztlich geht es also um den Schutz der heimischen Industrie. Sie sollen höhere Preise am Markt realisieren können, damit Arbeitsplätze gesichert werden. Umgekehrt heißt das aber auch, dass die Kunden mehr ausgeben müssen, als sie eigentlich müssten. Und weitergesponnen, bedeutet dies, dass europäische Kunden mehr Geld für die Produkte bezahlen müssen als ohne diese Zölle. Letztlich trägt also der Endverbraucher in Europa die Last der Zölle, ohne dass die jeweilige Industrie vom weltweiten Wandel in der Stahlindustrie nennenswert profitieren würde.

Der Grund ist ganz einfach. Keine EU-Kommission, keine Regierung und auch kein Politiker haben das Wissen, wirtschaftliche Entwicklung voraussagen zu können. Im Gegenteil. Versuchen sie es dennoch, richten sie mehr Schaden als Nutzen an. Sie haften nicht für ihr Handeln, sondern andere tun dies für sie. Die 80 bis 100 Milliarden Euro, die bis Anfang der 2000er Jahre in die Kohlesubventionierung geflossen sind, haben den Strukturwandel an Rhein und Ruhr nicht befördert, sondern behindert. Strukturen wurden aufrechterhalten, Neues konnte sich nicht ausreichend entfalten und eine allgemeine Subventionsmentalität machte sich überall breit. Deshalb ist die Unterbindung des Wettbewerbs durch staatliche Planungsphantasien immer falsch. Sie kommen zwar mit wohlfühlenden Worten wie „fair“, „gerecht“ oder „nachhaltig“ daher, letztlich sind das aber alles, wie Hayek es bezeichnen würde, „Wieselwörter“, die man nicht greifen kann, sondern einem aus der Hand entgleiten, sobald man sie fassen will. Mit Friedrich August von Hayek muss man diesen Apologeten staatlicher Planungsgläubigkeit daher zurufen: „Es ist die Hauptaufgabe des Wettbewerbs zu zeigen, welche Pläne falsch sind.“ Wenn europäische Politiker immer wieder die Axt an diesen Wettbewerb legen, gefährden sie dessen Blüten und Früchte. Die reiche Ernte des Wettbewerbs können Europas Bürger nur ernten, wenn der Baum gehegt und gepflegt wird.

Erstmals veröffentlicht bei Tichys Einblick.